Nachman Blumental

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. März 2021 um 06:48 Uhr durch imported>Jack User(1481078) (HC: Ergänze Kategorie:Emigrant in Israel).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Nachman Blumental, auch Nahman Blumenthal (geboren 12. Mai 1902 in Borszczów, Österreich-Ungarn; gestorben 8. November 1983 in Tel Aviv), war ein polnisch-israelischer Historiker.[1][2]

Leben

Blumental studierte Literatur an der Universität Warschau und arbeitete als Lehrer in Lublin. Seine Essays und Literaturkritiken erschienen vor dem Zweiten Weltkrieg in Warschau in jiddischen Zeitungen und Zeitschriften wie Literarishe bleter, Vokhnblat, Arbeter-tsaytung, Foroys, im Lubliner Tugblat und im Lodzscher Dos naye lebn. Er übersetzte den Roman Die Bauern (Chłopi) des Nobelpreisträgers Władysław Stanisław Reymont in einer gekürzten Fassung ins Jiddische. Während der deutschen Besetzung Polens konnte er seine Identität verbergen und überlebte den Holocaust.

Nach Kriegsende, als die Masse der Jiddischlesenden ermordet worden war, schrieb er für die Bleter far geshikhte in Warschau. Zu den Gedichten des Holocaustopfers Simkha-Bunim Shayevitsh[3] schrieb er 1946 das Vorwort. Er übertrug das Buch Słowa niewinne (Wörterbuch der Nazisprache) aus dem Polnischen ins Jiddische. Er stellte den Dokumentenband Ruch Podziemny für die Jüdische Historische Kommission zusammen, der 1946 in Lodz herauskam.

Blumental arbeitete schon vor Kriegsende für die Jüdische Historische Kommission (CŻKH), die den Mord an den Juden dokumentieren wollte. Deren Initiator Philip Friedman musste Polen bereits 1946 verlassen. Blumental wurde daher 1947 Direktor des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau.[4] Er arbeitete als Sachverständiger in verschiedenen NS-Prozessen in Polen. Im Prozess gegen Amon Göth in Krakau 1946 waren Michał Borwicz und er die Berichterstatter für die Zeugen. Im Prozess gegen Rudolf Höß war er der Hauptgutachter der Anklage. Seine Kollegen in der Kommission verlangten von ihm, dass er den Schwerpunkt seiner vierstündigen Zeugenaussage auf das jüdische Leid legen sollte, Blumental dagegen blieb bei seiner Analyse, dass der Lebensraumplan der Deutschen keinen Unterschied zwischen den Völkern Osteuropas gemacht habe.[5]

1949 übernahmen die Kommunisten in Polen auch die Leitung des Instituts, und Blumental musste 1950 aus Polen nach Israel emigrieren. Er zog in den Kibbuz Lochamej haGeta’ot („Ghettokämpfer“). Dort arbeitete er beim Haus der Ghettokämpfer und auch als Forscher und Herausgeber für Yad Vashem. Ab 1953 gab er in Israel Dapim leḥeker hashoah vehamered („Seiten der Erforschung der Schoa und des Widerstandes“) beim Kibbutz Hameuḥad heraus.

Schriften (Auswahl)

  • Darko shel Judenrat: Te'udot mi-Ghetto Bialystok [Verhalten eines Judenrats. Dokumente aus dem Ghetto Bialystok]. From the Yad Vashem Archives, Vol. IV, Jerusalem 1962 (hebr. mit engl. Einführung).
  • Shmuesn vegn der yidisher literatur unter der daytsher okupatsye. Buenos Aires: Association of Polish Jews, 1966
  • Tsurikblikn [Blick zurück]. Tel Aviv: Hamenorah, 1973
  • Verter un vertlekh fun der khurbn-tkufe [Wörter und Sprüche aus dem Holocaust]. Tel Aviv: Peretz Publ., 1981

Literatur

  • Laura Jockusch: Collect and record! : Jewish Holocaust documentation in early postwar Europe. New York : Oxford University Press, 2012, passim, Kurzvita auf S. 209, auch Fotos mit Blumental aus dem Archiv von Yad Vashem Seite, bei google books
  • Berl Kagan (Hrsg.): Leksikon fun yidish-shraybers. New York, 1986, Sp. 90 Link (yiddish)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. PREMEC: DER NACHLASS NACHMAN BLUMENTALS. Eine außergewöhnliche Sammlung zur Geschichte der Shoah, ZFL-Blog, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, 08/2019, 28. Januar 2019
  2. Eleonora Bergman: Przesłuchać każdego Żyda w mieście!, 12. April 2013 (pl)
  3. Simkha-Bunim Shayevitsh, bei jewishvirtuallibrary
  4. Stephan Stach: Jüdisches Historisches Institut. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 3: He–Lu. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02503-6, S. 274.
  5. Laura Jockusch: Collect and record!, 2012, S. 114ff.