Oberschwaben-Kaserne Mengen/Hohentengen

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Deutschland Oberschwaben-Kaserne
Land Deutschland
Status aufgegeben 2012
Gemeinde Mengen/Hohentengen
Koordinaten: 48° 2′ 43″ N, 9° 22′ 1″ OKoordinaten: 48° 2′ 43″ N, 9° 22′ 1″ O
Eröffnet 1939
Ehemals stationierte Truppenteile
I./Luftwaffenausbildungsregiment Deutschland
Oberschwaben-Kaserne (Baden-Württemberg)

Lage der Oberschwaben-Kaserne in Baden-Württemberg

Die Oberschwaben-Kaserne am Standort Mengen/Hohentengen (bis 19. April 2006 Fliegerhorst Mengen/Hohentengen)[1] war von 1963 bis zum 26. September 2012 eine Kaserne der Luftwaffe im Landkreis Sigmaringen in Baden-Württemberg. Über 100.000 Rekruten absolvierten in der Zeit ihre Ausbildung in der Kaserne.

Geschichte

Gründung (1939)

Der Standort wurde 1939 von der Luftwaffe gegründet. Flugplatz und Stadt Mengen wurden am 22. April 1945 von Soldaten der 1. französischen Armee besetzt. Bei Kriegsende flog der Oberbefehlshaber der 1. französischen Armee, Jean de Lattre de Tassigny, von Mengen nach Berlin, um die Kapitulation der deutschen Wehrmacht entgegenzunehmen.[2]

Nutzung durch die Bundeswehr (ab 1957)

Seit 1957 war die Liegenschaft in der Hand der Bundeswehr. Erbaut wurde die Kaserne in den Jahren 1960 bis 1962, aus Mangel an Unterkünften für den Betrieb des Flugplatzes, der bis 1978 militärische Verwendung fand. Rund 90 Prozent dieses 80 Hektar umfassenden Areals gehören zur Gemeinde Hohentengen.[3] Die Rekruten der Luftwaffe am Standort durchliefen anfangs eine drei Monate dauernde Allgemeine Grundausbildung, bevor sie zumeist an einen anderen Standort verlegt wurden. Diese wurde Anfang 1976 wegen der geburtenstarken Jahrgänge ab 1957 auf sechs Wochen reduziert,[4] später jedoch wieder auf drei Monate erweitert.

Neuausrichtung der Bundeswehr (2010)

Kasernengelände (2021)

Infolge der 2010 beschlossenen Neuausrichtung der Bundeswehr wurde am 15. Dezember 2010 durch das Bundeskabinett zum 1. Juli 2011 eine Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland beschlossen.[5] Dadurch wurden deutlich weniger Ausbildungsstandorte benötigt, weshalb die Aussetzung der Wehrpflicht die Standortaufgabe einleitete. Im vom damaligen Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am 26. Oktober 2011 im Bundeskabinett vorgestellten Stationierungskonzept 2011, war die Oberschwaben-Kaserne als Bundeswehrstandort nicht mehr vorgesehen. Die Organisationsmaßnahmen sahen die Auflösung des I. Bataillon Luftwaffenausbildungsregiments und der Sanitätsstaffel vor.[6] Das vom Landkreis Sigmaringen erarbeitet und im Januar 2011 vorgestellte Positionspapier zur Standortentscheidung sah keine „Opferstrategie“, wonach zum Erhalt von drei Standorten im Kreis einer geschlossen wird, vor.[7]

An die Stelle des aufgelöste Luftwaffenausbildungsregiments trat das Luftwaffenausbildungsbataillon, welches nur noch an den Standorten Roth (Otto-Lilienthal-Kaserne) und Germersheim (Südpfalz-Kaserne), nach dem Umzug der OSLw von Fürstenfeldbruck nach Roth nur noch in Germersheim aktiv ist.

Schließung (2012)

Im Januar 2012 kamen ein letztes Mal Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung in die Oberschwaben-Kaserne. Nach Abschluss der Ausbildung verließen diese letzten Rekruten den Standort am 29. März 2012. Damit begann für das verbliebene Stammpersonal die sogenannte Auflösungsphase, welche Ende August 2012 abgeschlossen werden konnte. Ab September 2012 war die Oberschwaben-Kaserne somit nicht mehr militärisch genutzt und stand zum Jahresende 2012 leer.[8] Laut einem Ressortbericht vom Bundesministerium der Verteidigung ist die Übergabe der Liegenschaft an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bereits Anfang 2013 erfolgt.[9]

Eine letzte umfassende Sanierung der Oberschwaben-Kaserne für zehn Millionen Euro war zu Beginn des Jahres 2011 nahezu abgeschlossen.[10]

Wirtschaftliche Bedeutung

Der Standort war in dem strukturschwachen ländlichen Raum ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für die Stadt Mengen und die Gemeinde Hohentengen sowie benachbarte Gemeinden. Die Schließung bedeutete den Verlust des alltäglichen Konsums der rund 250 Stammsoldaten, 70 zivilen Mitarbeitern plus der dazugehörigen Familienangehörigen sowie bis zu 600 Rekruten[2] und den Leerstand der Kasernengebäude.[11] Da der Bundeswehrstandort den größten Arbeitgeber der Stadt Mengen sowie der Gemeinde Hohentengen und gleichzeitig ein wichtiger Kunde heimischer Betriebe in Handel, Gastronomie, Dienstleistung und Handwerk darstellte, führt die Abwicklung der Oberschwaben-Kaserne zu einem weiteren Einbruch der regionalen Wirtschaft.[12] Die jährliche Wirtschaftskraft der Kaserne wurde von der Stadtverwaltung mit zehn Millionen Euro taxiert.[13]

Ehemalige Einheiten in der Kaserne

  • I. Bataillon Luftwaffenausbildungsregiment (I./LwAusbRgt)
    • 1. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment (1./LwAusbRgt)
    • 2. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment (2./LwAusbRgt)
    • 3. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment (3./LwAusbRgt)
    • 4. Kompanie Luftwaffenausbildungsregiment (4./LwAusbRgt)
  • Teile Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Stetten am kalten Markt (BwDLZ)
  • Sanitätsstaffel Mengen Hohentengen (ZSan)
  • weitere Dienststellen[14]

Ausstattung der Kaserne

Die 28 Hektar[13] große Kasernenanlage verfügte über die Kapazität, vier Ausbildungskompanien der Luftwaffe komplett aufzunehmen,[7] d. h. die Unterbringung von bis zu 600 Rekruten war möglich.[13] Zudem garantierte der 117 Hektar große zivile Flugplatz[13] eine schnelle Verlegbarkeit der Soldaten.[7]

Neben den Unterrichts- und Wohnräumen befanden sich auf dem Gelände:

Schießübungen wurden mangels entsprechender Anlagen meistens auf dem Truppenübungsplatz Heuberg bzw. auf der Standortschießanlage der Alb-Kaserne in Stetten am kalten Markt durchgeführt.

Ausbildungen, die aufgrund des fehlenden Truppen- bzw. Standortübungsplatzes nicht direkt in der Kaserne stattfinden konnten, wurden in die Wälder der umliegenden Gemeinden verlagert. Sehr häufig waren daher größere Gruppen von Soldaten auf öffentlichen Straßen und Wegen in der Region zu sehen. In einigen Wäldern waren Stellungen, Biwakplätze und andere Ausbildungsobjekte aufgebaut.

Konversion/Zivile Weiternutzung

Investorengruppe

Am 15. Juli 2014 wurden von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben 80 Hektar des Geländes zu einem nicht genannten Preis an eine private Investorengruppe verkauft. Beteiligt sind:

  • Milliardär Kohm (Versandhaus Klingel, Pforzheim) mit 20 Mio. Euro
  • Milliardär Dietmar Hopp (Softwarehaus SAP, Walldorf) mit ca. 10–15 Mio. Euro
  • Jürgen Gaugel (Hersteller von Malerzubehör, bereits Investor in Solaranlagen, Baienfurt)
  • Ravensburger Spieleland
  • Energieforschungsinstitut der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, Konstanz
  • sechs weitere Kapitalgeber mit 20 Mio. Euro

Nutzungskonzept Energie

Jürgen Gaugel führt die Projektgesellschaft mit der Bezeichnung Ehoch4. Der Name leitet sich von den vier Möglichkeiten regenerativer Energieerzeugung ab, die auf dem Gelände genutzt, erforscht und präsentiert werden sollen. Bereits vorhanden sind:

  • ein Wasserkraftwerk
  • eine Biomasseanlage

Gebaut werden soll noch:

  • ein Solarpark mit 20 Hektar Fläche
  • eine kleinere Windenergieanlage

Die vorhandenen Gebäude eignen sich gut für diese Art der Weiternutzung. In den Wohnungen sollen Gastforscher unterkommen, die Klinikräume werden für die Forschung verwendet und in den vorhandenen Schulungsräumen soll das Thema für die Öffentlichkeit dargestellt werden.[16]

Im November 2017 wurde bekannt, dass der geplante Energiepark und auch eine Ansiedlung einer Ausbildungseinrichtung der Polizei nicht umgesetzt werden.[17]

Corona-Test- und Impfzentrum

Im März 2020 wurde auf dem Gelände bedingt durch die COVID-19-Pandemie das Corona-Testzentrum des Landkreises Sigmaringen eingerichtet.[18]

Kreisimpfzentrum (Februar 2021)

Am 22. Januar 2021 soll das Kreisimpfzentrum ebenfalls dort seinen Betrieb aufnehmen.[19] In der Sporthalle der ehemaligen Kaserne sollen pro Tag bis zu 800 Menschen geimpft werden können.[20][21] Pro Schicht werden hierfür 40 Mitarbeiter benötigt, die sich zum Impfbeginn in ausreichender Zahl gemeldet haben.[20]

Trivia

Bis zur Schließung der Oberschwaben-Kaserne fand alljährlich ein von der Bundeswehr organisiertes, öffentliches Oktoberfest in der Halle 1D, einem ehemaligen Hangar, statt. Seit dem Abzug der Bundeswehr wird es am selben Ort von verschiedenen Vereinen aus Hohentengen veranstaltet.[22]

Literatur

  • Dein Standort Mengen-Hohentengen. Mönch-Verlag, 1981.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Flugplatz Mengen. In: mil-airfields.de. Abgerufen am 24. März 2020.
  2. a b Simone Dürmuth: Serie. Mehr als 4600 Soldaten gibt es im Landkreis. In: Schwäbische Zeitung, 30. Oktober 2010
  3. Hermann-Peter Steinmüller (hps): Platz für Zelte entscheidend. In: Südkurier, 23. Dezember 2011
  4. luftwaffe.de
  5. Bundesregierung legt Eckpunkte der Neugestaltung der Bundeswehr fest. Bundesministerium der Verteidigung, 15. Dezember 2010, abgerufen am 19. Mai 2013.
  6. Die Auswirkungen des Stationierungskonzeptes im Bundesland Baden-Württemberg. Bundesministerium der Verteidigung, 26. Oktober 2011, archiviert vom Original am 26. Oktober 2011; abgerufen am 26. Oktober 2011.
  7. a b c Siegfried Volk: Wir stehen zur Bundeswehr. In: Südkurier, 13. Januar 2011
  8. Rapp (rrm): Letzte Rekruten kommen im Januar. In: Südkurier vom 10. Dezember 2011
  9. Bericht zum Stand der Neuausrichtung der Bundeswehr. (PDF; 309 kB) Bundesministerium der Verteidigung, 8. Mai 2013, S. 53, abgerufen am 18. Mai 2013.
  10. Michael Hescheler: Landrat und Bürgermeister legen Papier zu Bundeswehr-Standorten vor. Gesammelte Argumente für den Erhalt der Garnison – Dirk Gaerte befürchtet wirtschaftlichen Einbruch durch weniger Dienstposten. In: Schwäbische Zeitung, 13. Januar 2011
  11. Michael Jäger: Oberschwabenkaserne. Die Göge erwartet einen heißen Herbst mit Protesten. In: Schwäbische Zeitung, 27. September 2010
  12. Tobias Wagner: Oberschwabenkaserne. Bürgermeister bitten Verteidigungsminister um Hilfe. In: Schwäbische Zeitung, 12. November 2010
  13. a b c d 5000 Beschäftigte arbeiten in vier Kasernen im Kreis Sigmaringen. In: Südkurier, 13. Januar 2011
  14. Standortdatenbank Bundeswehr. Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)
  15. luftwaffe.de
  16. Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 17. Juli 2014
  17. Hohentengen: Alles neu bei Ehoch4: Weder Park noch Polizeischule. In: Südkurier. 23. November 2017, abgerufen am 10. Januar 2021.
  18. Corona-Testzentrum nimmt Betrieb auf. In: Schwäbische Zeitung. Abgerufen am 10. Januar 2021.
  19. Corona: Erste Impfung im Landkreis Sigmaringen findet im spitälischen Alten- und Pflegeheim Pfullendorf statt. In: Südkurier. 31. Dezember 2020, abgerufen am 10. Januar 2021.
  20. a b Sigmaringen ist vorbereitet. In: Zollern-Alb-Kurier. 13. Januar 2021.
  21. Einblick in das Impfzentrum Sigmaringen. In: Regio TV Bodensee Mediathek. 13. Januar 2021, abgerufen am 15. Januar 2021 (deutsch).
  22. Facebook-Seite der Oktoberfestgemeinschaft Hohentengen. Abgerufen am 7. Januar 2021.