Richard Hochreiner

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Richard Hochreiner alias Florian Riedler (* 3. April 1913 in Leoben-Judendorf;[1][2] † 23. September 1991 in Tamsweg[2]) war ein österreichischer Politiker (FPÖ) und kurzzeitiger Bürgermeister von Sankt Michael im Lungau. Bekannt wurde er durch seine Verwicklung als SA-Standartenführer in die Ermordung neun ungarischer Juden auf der Störingalpe kurz nach Kriegsende 1945.

Leben

Hochreiner war der Sohn des Leobener Werksarbeiters Peter Hochreiner und seiner Gattin Maria geb. Waschenegger.[2]

In der Zeit des Nationalsozialismus war Richard Hochreiner 1942 SA-Sturmführer[3] und 1943 SA-Sturmbannführer bei der SA-Gebirgsjägerstandarte 22 in Bruck an der Mur,[4] schließlich in Graz SA-Standartenführer, Führer der Pionierstandarte Graz und Kreisstabsführer des Volkssturms. Ende April 1945 stellte er auf der Störingalpe in Neuhof, Gemeinde Übelbach im Bezirk Graz-Umgebung (Steiermark) auf der Gleinalpe zum Kampf gegen die vorrückende Rote Armee aus Angehörigen des Volkssturms und der Hitlerjugend eine Werwolf-Gruppe auf, die neun ungarische Juden aus dem Außenlager Peggau auf die Alm entführte und als Zwangsarbeiter hielt. Um den 20. Mai 1945 – also mehrere Tage nach Kriegsende, wobei das genaue Datum aus den Gerichtsakten nicht hervorgeht – befahl Hochreiner, den Stützpunkt zu verlassen und die neun Juden zu erschießen. Dieser Befehl wurde ausgeführt. Der SA-Rottenführer und Ausbilder des Volkssturms Karl Csercsevics und sein Kamerad Josef Wind hoben später hervor, dass sie bei der Erschießung ihre Magazine leerschossen. Josef Frühwirth übernahm dagegen die Aufgabe, die nach der ersten Salve noch nicht toten, am Boden liegenden Opfer mit Kopfschüssen zu töten.[5][6][7]

Nur drei der ermordeten Männer konnten namentlich identifiziert werden: György Stern (* 1910), Kálmán Schlusser (* 1904) und Dr. József Dömölki (unbekanntes Alter). Während die Tatbeteiligten Reimund Krenn, Josef Kahlbacher, Karl Csercsevics und Josef Wind bald darauf ergriffen und vor Gericht gestellt wurden, gelang es Richard Hochreiner ebenso wie seinem Gefährten Josef Frühwirth, unterzutauchen und unerkannt zu bleiben. Am 14. August 1946 wurden Krenn und Kahlbacher vom Volksgericht Graz zu Haftstrafen, Csercsevics und Wind dagegen zum Tode verurteilt und am 29. November 1946 am Galgen hingerichtet.[8]

Richard Hochreiner begab sich nach Sankt Michael im Lungau im Land Salzburg, wo er zunächst unerkannt unter dem Namen Florian Riedler lebte, der FPÖ beitrat und Gemeinderat wurde.[9] 1961 wurde er jedoch enttarnt und gemeinsam mit Josef Frühwirth vor Gericht gestellt.[10] Ein Geschworenengericht am Landesgericht Graz verurteilte Hochreiner am 27. Juni 1962 zu 7 Jahren schweren Kerkers, während Frühwirth drei Jahre schwere Kerkerstrafe erhielt. Am 26. November 1962 hob jedoch der Oberste Gerichtshof das Urteil gegen Hochreiner auf. Das Urteil gegen Frühwirth blieb bestehen, und dieser wurde am 26. Juli 1963 unter Auflagen entlassen; Hochreiner wurde jedoch am 6. März 1963 freigesprochen.[8][6]

Nach den Gemeindevertretungswahlen am 20. Oktober 1974 profitierte Hochreiner als FPÖ-Spitzenkandidat von den neuen politischen Kräfteverhältnissen in der Gemeindevertretung von Sankt Michael, in der die ÖVP mit sieben Mandaten nun fast so stark wie die SPÖ mit acht Mandaten war, während die FPÖ auf vier Mandate kam. Zunächst einigten sich ÖVP und FPÖ über eine Zusammenarbeit im Gemeinderat: ÖVP-Spitzenkandidat Franz Stampl sollte von ÖVP und FPÖ zum Bürgermeister gewählt und Hochreiner als Bürgermeisterstellvertreter sollten zusätzliche Agenden übertragen werden. Doch dann wählten bei der Bildung der neuen Gemeindevertretung am 3. November 1974 die Gemeindevertreter von SPÖ und FPÖ gemeinsam den FPÖ-Kandidaten Richard Hochreiner zum Bürgermeister von Sankt Michael. Aus Protest gegen den Bruch der ursprünglichen Vereinbarung traten sämtliche Gemeindevertreter der ÖVP und deren Ersatzleute zurück, sodass die Gemeindevertretung nur noch aus 12 statt 19 Mitgliedern bestand. Der ÖVP-Obmann von Sankt Michael Brandstätter beantragte am 2. Jänner 1975 die Auflösung der Gemeindevertretung, dem die SPÖ scharf mit der Begründung widersprach, dass eine hierfür notwendige Notfallsituation nicht gegeben sei. Dennoch gab die von einer absoluten ÖVP-Mehrheit regierte salzburgische Landesregierung der Beschwerde statt und setzte am 21. Juli 1975 einstimmig eine Neuwahl in Sankt Michael für den 21. September an. Bei diesen Wahlen hielt die SPÖ ihr Wahlergebnis und ihre acht Mandate, während ÖVP und FPÖ Stimmen an eine neu kandidierende Heimatliste verloren.[11] So endete Hochrainers Mandat als Bürgermeister bereits 1975, und sein Nachfolger wurde der parteilose Gerhard Ortner, der schon 1975 von Benedikt Schaiter von der SPÖ beerbt wurde.[12]

Einzelnachweise

  1. Noch ein Massenmord in der Steiermark. In: Arbeiterwille. Sozialdemokratisches Organ der Alpenländer / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes der Alpenländer / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark und Kärnten / Arbeiterwille. Organ des arbeitenden Volkes für Steiermark, Kärnten (und Krain) Neue Zeit. Organ der Sozialistischen Partei Steiermarks, 11. Mai 1946, S. 3 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/awi
  2. a b c Taufbuch Leoben-St.Xaver, Bd. 15, S. 282
  3. Auszeichnungen.SA in Feldgrau. Kriegsblätter der SA-Gruppe Südmark / SA in Feldgrau. Feldpostbriefe der SA-Gruppe Südmark, Jahrgang 1942, S. 37 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/saf
  4. Gebirgsjägerstandarte 22, Bruck a.d. Mur. In: SA in Feldgrau. Kriegsblätter der SA-Gruppe Südmark / SA in Feldgrau. Feldpostbriefe der SA-Gruppe Südmark, Heft 33/1943, S. 23 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/saf
  5. Susanne Uslu-Pauer: Vernichtungswut und Kadavergehorsam. Strafrechtliche Verfolgung von Endphaseverbrechen am Beispiel der so genannten Todemärsche. In: Thomas Albrich, Winfried R. Garscha, Martin Polaschek: Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht: Der Fall Österreich. StudienVerlag, Innsbruck 2010. S. 279–304, hier S. 292f.
  6. a b Hans Landauer: Steirischer Introitus. In: Manfred Wieninger: Aasplatz – Eine Unschuldsvermutung. Residenz Verlag, Salzburg/Wien 2018.
  7. Martin F. Polaschek: Im Namen der Republik Österreich! Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955. Graz 1998. S. 156f. (PDF 1,0 MB)
  8. a b Siegfried Sanwald: Zusätzliche Informationen zu den Gerichtsverfahren LG Graz Vg 1 Vr 832/45 und LG Graz 7 Vr 377/61. Verfahren vor dem Volksgericht Graz (1946) und vor einem Geschwornengericht am Landesgericht für Strafsachen Graz (1961-1963). Nachkriegsjustiz.at, abgerufen am 26. März 2019.
  9. Christian Stenner: Vergeblich verdrängt. Wehrmachtsausstellung: „Nur hinsehen macht frei“. April 1997
  10. Historische Landeskommission für Steiermark: Geschichte der Steiermark, Bd. 10, 2004, S. 110.
  11. Robert Kriechbaumer: Die Auflösung der Gemeindevertretung von St. Michael 1975. Eine politische Erregung und ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes. In: Robert Kriechbaumer, Richard Voithofer (Hrsp.): Politik im Wandel: Der Salzburger Landtag im Chiemseehof 1868-2018. Band 1. Böhlau Verlag, Wien 2018. S. 508.
  12. St. Michaels Bürgermeister seit 1945. In: St. Michael im Lungau. Ein Service der Marktgemeinde, des Tourismusverbandes sowie des Vereins Wirtschaft St. Michael, Ausgabe 4/2014, S. 3.