Zwischenlager (Kerntechnik)
Ein Zwischenlager im Zusammenhang mit der Kernenergie ist ein vorübergehender Aufbewahrungsort für abgebrannte Brennelemente und/oder radioaktive Abfälle. Eine internationale Übersicht befindet sich im Artikel Liste von Kernkraftanlagen unter Zwischenlager.
Zweck eines Brennelement-Zwischenlagers
Wenn Brennelemente keinen Nutzen mehr für die Energieerzeugung in Kernkraftwerken haben, werden sie aus dem Reaktor entladen und in ein Zwischenlager gebracht. Dort werden sie mehrere Jahrzehnte aufbewahrt, bis die Nachzerfallswärme so weit abgeklungen ist, dass die Brennelemente in ein Endlager gebracht werden könnten, wenn es ein Endlager für hochradioaktiven Müll gäbe.
Typen von Brennelement-Zwischenlagern
Es gibt zwei Grundtypen von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente:
- Nasslager (Abklingbecken, Abklinganlage): Hier befinden sich die verbrauchten Brennelemente in einem Wasserbecken. Das Wasser dient einerseits zur Kühlung der Brennelemente und andererseits zur Abschirmung der Strahlung, es muss aktiv – mit dem entsprechenden Energieverbrauch – gekühlt und gereinigt werden.[1]
- Trockenlager: Hier werden die Brennelemente in Transportbehältern (zum Beispiel vom Castor-Typ) eingelagert und durch Umluft gekühlt.[1] Weltweit ist ein Trend zum verstärkten Einsatz der Trockenlagerung feststellbar, da diese keine aktiven Kühlsysteme benötigen und auch unter freiem Himmel errichtet werden können (z. B. USA). Beim Trockenlager wird der sichere Einschluss des radioaktiven Inventars vom hermetisch dichten Behälter gewährleistet, in die die Brennelemente trocken eingestellt werden. Die Halle und deren Anlagen übernehmen zusätzliche Sicherheits- und Schutzfunktionen (z. B. Überwachung der Behälter auf Dichtheit, Zugangskontrolle, Schutz gegen Einwirkungen von außen usw.). Nur wenige Zwischenlager verfügen über eine so genannte Heiße Zelle, das ist ein Raum, in dem ein Defekt der Behälterdichtung repariert werden könnte.
Standortzwischenlager für abgebrannte Brennelemente
In Deutschland schreibt das Atomgesetz vor, dass die aus dem Reaktor entladenen abgebrannten Brennelemente am Standort der Kernkraftwerke zwischengelagert werden müssen. Transporte zu Wiederaufarbeitungsanlagen, die bis zuletzt von vielen Kernkraftwerken durchgeführt wurden, sind seit dem 1. Juli 2005 nicht mehr zugelassen. Demzufolge haben die Kraftwerksbetreiber so genannte Standortzwischenlager beantragt und errichtet. Alle neuen Standortzwischenlager sind Trockenlager. Um die Zeit bis zur Inbetriebnahme dieser Lager zu überbrücken, hatten einige Kernkraftwerke Interimslager beantragt und errichtet, in denen die Brennelemente vorübergehend (bis etwa fünf bis sechs Jahre) aufbewahrt werden sollten. Die Interimslager sind mit der Inbetriebnahme der Zwischenlager außer Betrieb gegangen, da die dort eingelagerten Behälter in die Zwischenlager umgelagert wurden.
In jedem Zwischenlager gibt es einen Empfangsbereich, in dem ankommende Behälter vom Transportfahrzeug entladen und kontrolliert werden. Von dort findet dann der Transport zum eigentlichen Lagerbereich oder in den Wartungsraum statt. Der Lagerbereich ist aus Strahlenschutz- und Zugangskontrollgründen noch einmal mit schweren Stahltoren abgeschottet. Er ist vollständig oder zumindest in einem größeren Bereich um die Behälter als Kontrollbereich ausgewiesen. Jedes Zwischenlager besitzt einen 130-t-Kran zum Bewegen der Behälter. Beim Behältertransport ist der Kran mechanisch so begrenzt, dass die Behälter nicht höher als 25 cm über den Hallenboden gehoben werden können.
Im Wartungsbereich können kleinere Ausbesserungsarbeiten und Kontrollen am Behälter ausgeführt werden. Dazu ist dieser mit einer Wartungsbühne ausgerüstet, die am Behälter hochgefahren werden kann. Bei den Standortzwischenlagern wird bei Primärdeckeldefekten das Konzept des Aufschweißens eines Fügedeckels verfolgt, bei dem der Primärdeckel nicht geöffnet wird, sondern ein weiterer Deckel aufgeschweißt wird. Sollten Brennelemente in einen anderen Behälter umgeladen werden, ist ein Transport in eine andere Einrichtung (meist das naheliegende Kernkraftwerk) erforderlich.
In den Standortzwischenlagern findet die Lagerung der Behälter in der Regel in sogenannten Achter-Verbänden (2×4) statt, das heißt jeweils acht Behälter stehen mit geringeren Abständen (ca. 1 m) zusammen. Zum nächsten Verbund sind dann rund 3 m Platz. Muss ein Behälter einer Vierer-Reihe in den Wartungsbereich gebracht werden, so müssen die davor stehenden Behälter auf gesonderte Abstellpositionen im Empfangsbereich verbracht werden, da ein Herausholen der Behälter durch die Gasse zwischen den Verbänden nicht möglich ist.
Die standortnahen Zwischenlager sind vom Bundesamt für Strahlenschutz für den Betrieb von 40 Jahren genehmigt worden, da bis dahin von der Existenz eines Endlagers ausgegangen wird.
Zentrale Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente
Darüber hinaus gibt es zwei zentrale Trockenlager fern von Kernkraftwerksstandorten. Eines davon ist das Atommülllager Gorleben. Laut Genehmigung können dort neben den Brennelementen auch verglaste hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung gelagert werden. Das andere ist das westmünsterländische Atommülllager Ahaus. Hier sollen künftig mittelaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung und weiterer radioaktiver Abfall gelagert werden. Aufgrund der neu errichteten Standortzwischenlager sind Brennelementtransporte aus Kernkraftwerken nach Gorleben und Ahaus bis auf Weiteres nicht zu erwarten – dies ist jedoch nur ein Aufschub bis zur Verfügbarkeit eines Endlagers. Der Transportaufschub gilt jedoch nicht für die verglasten Abfälle aus der Wiederaufarbeitung und auch nicht unbedingt für Brennelemente aus deutschen Forschungsreaktoren, für die keine geeigneten Zwischenlager am Standort der Reaktoren existieren.
In der Schweiz existiert – als Trockenlager – unter dem Namen Zwilag ein zentrales Zwischenlager in Würenlingen für kerntechnische Abfälle. Für industrielle und medizinische radiologische Abfälle gibt es am gleichen Standort das Bundes-Zwischenlager, ebenfalls ein Trockenlager (Quelle: ENSI-Jahresberichte).
Dezentrale Zwischenlager für radioaktive Abfälle
Zwischenlager für radioaktive Abfälle gibt es an jedem Kernkraftwerk, an den Kernforschungszentren und sonstigen kerntechnischen Anlagen. Radioaktive Abfälle von Kleinerzeugern aus Medizin, Industrie und Forschung werden meist an die von den Bundesländern per Gesetz einzurichtenden Landessammelstellen abgeliefert. Hier werden die schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle in Fässern oder Containern zwischengelagert, bis Schacht Konrad als Endlager zur Verfügung steht. Die erforderliche Umrüstung sollte ursprünglich 2013 abgeschlossen werden, wird nun aber voraussichtlich erst 2019 fertiggestellt werden.[2]
Ein weiteres Zwischenlager ist das Zwischenlager Nord (ZLN) in Lubmin auf dem Gelände des stillgelegten Kraftwerks. Es war ursprünglich nur für Brennelemente aus den stillgelegten Kernkraftwerken in Rheinsberg und Greifswald vorgesehen. Im Dezember 2010 wurden jedoch auch Abfälle aus dem Forschungsreaktor Karlsruhe und dem Atomschiff Otto Hahn dort eingelagert. Diese kamen aus dem französischen Cadarache. Begründet wurde dies von der Bundesregierung damit, dass sie eine Rücknahmeverpflichtung gegenüber Frankreich habe und Lubmin das einzige Zwischenlager im Besitz der Bundesrepublik sei.
Literatur
- Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung: Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle: Sicherheit bis zur Endlagerung, Februar 2020, 56 S. (PDF-Datei; 6,04 MB)
- M. Stuke et al.: Langzeitverhalten zwischengelagerter Brennelemente bei deutlich längerer Zwischenlagerung, Juni 2020, GRS-Bericht 534 (PDF-Datei; 2,36 MB)
- M. Reichardt: Alternde Stahlbetonbauteile unter Stoßbelastung im Kontext der Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle, Univ. Diss. TU Braunschweig, 2019, ISBN 978-3-89288-222-0
- D. Köhnke/M. Reichardt/F. Semper (Hrsg.), Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle: Randbedingungen und Lösungsansätze zu den aktuellen Herausforderungen, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-19039-2
- W. König: Zwischenlager im Entsorgungskonzept für Deutschland. (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive) (PDF; 151 kB) Wintertagung des Deutschen Atomforums e.V., 1./2. Februar 2001 (aus dem Internet Archive)
- B. Heuel-Fabianek, R. Hille: Benchmarking of MCNP for Calculating Dose Rates at an Interim Storage Facility for Nuclear Waste. In: Radiation Protection Dosimetry. Vol. 115, No. 1–4, 2005, S. 424–442.
- E. Seidelberger u. a.: Grenzüberschreitende UVP gemäß Art. 7 UVP-RL zum Standortzwischenlager Isar (KKI BELLA). (PDF-Datei; 536 kB). Bericht an das Österreichische Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie an die Landesregierungen von Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg, Federal Environment Agency – Austria, Wien, November 2001.
- B. R. Thomauske: Interim Storage of spent fuel in Germany – Situation, State of Licensing procedures, prospects. (PDF-Datei; 778 kB). Waste Management ’02 Conference, February 24 – 28, 2002, Tucson, AZ.
- B. R. Thomauske: Realization of the German Concept for Interim Storage of Spent Nuclear Fuel − Current Situation And Prospects. (PDF-Datei; 1,33 MB). WM’03 Conference, February 23-27, 2003, Tucson, AZ.
- BfS: Genehmigung für das Standortzwischenlager Brunsbüttel (Memento vom 22. November 2010 im Internet Archive) (PDF-Datei; 1,28 MB, aus dem Internet Archive), 28. Dezember 2003.
Einzelnachweise
- ↑ a b Julia Beißwenger: 200 Meter im Castor: Das Akw Grohnde in Niedersachsen. In: Deutschlandfunk. Forschung Aktuell. 26. Juli 2011. (dradio.de abgerufen am 31. Juli 2011)
- ↑ Neue Probleme mit dem Atommüll. In: Salzgitter-Zeitung. 24. September 2010, S. 22.