Rolls-Royce BR700
Unter der Bezeichnung BR700 versteht man eine Reihe von Mantelstromtriebwerken, die von Rolls-Royce Deutschland gebaut werden. Die BR-Triebwerke sind Zweiwellentriebwerke der mittleren Schubklasse und für Geschäftsreise- und kleinere Linienflugzeuge vorgesehen. Sie zeichnen sich besonders durch ihre geringe Geräusch- und Schadstoffemission sowie einen niedrigen Verbrauch aus.
Geschichte
Die Unternehmen BMW und Rolls-Royce gründeten im Jahr 1991 ein Gemeinschaftsunternehmen, die BMW Rolls-Royce AeroEngines GmbH mit Sitz in Oberursel (Taunus) und später Dahlewitz in Brandenburg. Ziel des Unternehmens war die Entwicklung von kleinen und mittleren Triebwerken für das Segment der Geschäftsflugzeuge und Regionaljets.[1] Unter der Führung von Günter Kappler begannen im selben Jahr in Lohhof die Entwicklungsarbeiten am Triebwerkskern.[2] Im Jahre 1993 erfolgte der Erstlauf des Kerntriebwerks in Großbritannien, ein Jahr später dann der Erstlauf des ersten Typs BR710 in Dahlewitz.[3] Die BR700-Familie ist seit dem Zweiten Weltkrieg das bisher einzige komplett in Deutschland entwickelte und gebaute Flugzeug-Strahltriebwerk-Programm.
Im Jahre 1999 wurde „BMW Rolls-Royce“ umstrukturiert und firmiert seitdem als „Rolls-Royce Deutschland“ und ist der einzige behördlich genehmigte Triebwerkshersteller Deutschlands mit Entwicklungs-, Herstellungs- und Instandhaltungsbetriebszulassung für moderne zivile und militärische Turbinentriebwerke. Das 1000. Triebwerk wurde im Jahr 2003 ausgeliefert. Die Triebwerke der Baureihe BR700 werden von Rolls-Royce Deutschland in den Werken Oberursel und Dahlewitz gefertigt. In den Werkshallen der ehemaligen Klöckner-Humboldt-Deutz Luftfahrttechnik in Oberursel erfolgt die Komponenten- und Teilefertigung, in einem Anfang der 1990er-Jahre errichteten Werk in Dahlewitz erfolgen die Entwicklung, Endmontage und die Testläufe der fertigen Triebwerke.[3] Darüber hinaus kommen weitere Bauteile aus Großbritannien und Frankreich sowie von anderen Luftfahrtzulieferern.
BR710
Die Ausführung BR710 ist für Geschäftsreiseflugzeuge mit großer Reichweite vorgesehen und wird in der Gulfstream V, Bombardier-Global-Familie (Global Express XRS, 6000 und 5000) und Gulfstream G550 sowie in der 2011 außer Dienst gestellten[4] British Aerospace Nimrod MRA4 verwendet. Als technische Besonderheit ist der Nebenstromkanal aus CFK ausgeführt. Das Triebwerk erhielt 1996 seine Zulassung, Anfang 2011 wurde das 2000. Exemplar gefertigt.[5]
BR715
Das BR715 ist für etwa 100-sitzige Flugzeuge ausgelegt und kommt in der Boeing 717-200 und einigen Versionen der Tupolew Tu-334 zum Einsatz. Mit dem Ende der Produktion der Boeing 717 im Mai 2006 werden nur noch vereinzelt BR715-Triebwerke hergestellt. Es gibt die Versionen BR700-715C1-30, BR700-715B1-30 und BR700-715A1-30 mit 95,33 kN, 89,68 kN und 83,23 kN Schub. Der zweistufige Niederdruckkompressor und der Nebenstromkanal werden aus Titan hergestellt.
BR725
Mit dem BR725 wird die BR700-Reihe erweitert. Das Triebwerk absolvierte am 28. April 2008 seinen erfolgreichen Erstlauf auf dem Prüfstand und erhielt im Juli 2009 seine Musterzulassung durch die EASA[6] und Anfang 2010 die der FAA. Durch die Übernahme von Verbesserungen aus der Trent-Triebwerkreihe für den Fan soll es 5 % mehr Schub erreichen, 4 % weniger Treibstoff verbrauchen, weniger Schadstoffe (21 % weniger Stickoxide, 72 % weniger Rauchgase) ausstoßen und 4 dB leiser sein als ein BR710. Zusätzlich wurde das Wartungsintervall von 3000 auf 10.000 Stunden verlängert. Um dies zu erreichen, wird ein Fan mit 24 geschwungenen Titanschaufeln großer Tiefe eingesetzt; die Fanauslassleitschaufeln werden aus Verbundwerkstoff gefertigt. Zusätzlich sind die zweite bis sechste Stufe des Hochdruckverdichters in Blisk-Bauweise ausgeführt. Die digitale Triebwerkssteuerung wurde vom Trent 1000 übernommen.[7][8]
Das BR725 ist das exklusive Triebwerk für das Geschäftsreiseflugzeug Gulfstream G650.
F130
Das F130 ist eine militärische Variante des BR725. Es wurde im September 2021 als Ersatz für das Pratt & Whitney JT3D im Rahmen des CERP (Commercial Engine Replacement Program) ausgewählt, in dessen Rahmen die B-52 Bomber der United States Air Force mit neuen Triebwerken ausgerüstet werden.[9]
Technische Daten
Daten der BR700-Familie | |||
---|---|---|---|
BR710[10] | BR715[11] | BR725[10] | |
Schub (kN) | 65,6–68,4 | 83,23–95,33 | 75,2 |
Nebenstromverhältnis | 4:1 | 4,55:1–4,68:1 | 4,2:1 |
Trockengewicht (kg)(je nach Version) | 1820–1890 | 2085 | 1635 |
Länge (m) | 4,7 | 3,7 | 3,3a |
Fandurchmesser (m) | 1,22 | 1,47 | 1,27 |
Stufen Hochdruckverdichter | 10 | 10 | 10 |
Stufen Hochdruckturbine | 2 | 2 | 2 |
Fanstufen | 1 | 1 | 1 |
Stufen Niederdruckturbine | 2 | 3 | 3 |
Verbrennungssystem | ringförmig mit 20 Brennern | ||
Zertifizierung (je nach Version) | 1996–2002 | 1998 | 2009 |
a Die Länge des Triebwerks ist ohne Schubumkehr angegeben.
Einzelnachweise
- ↑ Zurück zu den Wurzeln. In: Der Spiegel. Nr. 19, 1990, S. 136–137 (online – 7. Mai 1990).
- ↑ Für zwei viel zu klein. In: Der Spiegel. Nr. 32, 1991, S. 102–103 (online – 5. August 1991).
- ↑ a b Geschichte der Rolls-Royce Deutschland, aufgerufen am 11. April 2009
- ↑ Nimrod R1 aircraft in final flight for RAF. In: BBC. 28. Juli 2011, abgerufen am 19. Mai 2019 (englisch).
- ↑ BR710. In: Rolls-Royce plc. Abgerufen am 18. Mai 2019 (englisch).
- ↑ Patrick Hoeveler: Rolls-Royce feiert 20 Jahre in Dahlewitz. In: Flugrevue. 1. Oktober 2013, abgerufen am 19. Mai 2019.
- ↑ FlugRevue Juni 2008 ILA Extra, S. 10–11, Starkes Trio, Erstlauf des BR725 in Dahlewitz
- ↑ BR725. In: Rolls-Royce plc. Abgerufen am 18. Mai 2019 (englisch).
- ↑ KS: BR710 ausgewählt: B-52H erhält Rolls-Royce-Triebwerke. 25. September 2021, abgerufen am 25. September 2021.
- ↑ a b Musterzulassung des BR700-710 – EASA-TCDS-E.018 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF, 124 kB)
- ↑ Musterzulassung des BR700-715 – EASA-TCDS-E.023 (PDF, 104 kB)