Streptokokken

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Streptokokken

Streptococcus pneumoniae
sekundärelektronenmikroskopische Aufnahme, koloriert

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Firmicutes
Klasse: Bacilli
Ordnung: Milchsäurebakterien (Lactobacillales)
Familie: Streptococcaceae
Gattung: Streptokokken
Wissenschaftlicher Name
Streptococcus
Rosenbach 1884

Streptokokken (eingedeutschter Plural aus dem lateinischen Singular Streptococcus, der sich aus den beiden altgriechischen Bestandteilen

στρεπτός

streptós ‚Halskette‘, ‚gedreht‘, ‚kettenförmig‘, und

κόκκος

kókkos ‚Kern‘, ‚Korn‘, ‚Beere‘, zusammensetzt)[1] sind Bakterien der Gattung Streptococcus aus der Familie der Streptococcaceae, kokkal (annähernd kugelförmig), bevorzugt in Ketten angeordnet, grampositiv und aerotolerant. Erstmals entdeckt wurden sie 1874 von Theodor Billroth (von dem sie auch ihren Namen haben) und Paul Ehrlich als kettenbildende Kokken.[2] Von den in die Gruppen A bis T eingeteilten Streptokokken sind für den Menschen vor allem β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) und der Gruppe B (GBS) von Bedeutung.

Eigenschaften

Kugelförmige bis ellipsoide Zellen, Durchmesser 0,5–2,0 µm, paarweise oder in verschieden langen Ketten angeordnet, grampositiv, nicht motil (ohne aktive Bewegung), keine Sporen bildend, einige Arten bilden Schleimhüllen. Sie sind fakultativ anaerob, aerotolerant, chemoorganotroph, fermentativ, hauptsächlich Kohlenhydrate verwertend und dabei hauptsächlich Milchsäure homofermentativ bildend, Katalase-negativ und Oxidase-negativ (ohne Katalase- und Oxydase-Aktivität), nicht proteolytisch (nicht Eiweiße abbauend), Temperaturbereich des Wachstums und der Vermehrung bei den meisten Stämmen 25–45 °C, Optimum nahe 37 °C.[3]

Vorkommen und Wirkungen

Streptokokken sind weit verbreitet und kommen als Saprophyten in Habitaten vor, die biogene, organische Stoffe enthalten, beispielsweise an Pflanzen und in abgestorbenem Pflanzenmaterial. Dies wird im Zusammenhang mit ihrer Säurebildung zur Konservierung von Pflanzenmaterial genutzt (Silage, Sauergemüse) und zur Herstellung von Sauermilchprodukten. Einige Streptokokken gehören der normalen Bakteriengesellschaft an, die in und an Menschen und Säugetieren siedelt. Die zur Normalflora des Menschen gehörigen Streptococcus-Arten finden sich vor allem im Rachen, Darm und Genitaltrakt.[4]

Einige Streptokokken können leichte bis schwere Erkrankungen von Tieren und Menschen verursachen, Beispiele: Streptococcus pyogenes als Eitererreger, Streptococcus mutans als Karies­verursacher. Vorkommen von Streptokokken im Blut verursacht Sepsis (Blutvergiftung).

Einteilung, medizinische Bedeutung

Die verschiedenen Hämolysetypen

Die Einteilung erfolgt unter anderem nach dem Hämolyseverhalten (Auflösung von Erythrocyten) in α-, β- und γ-hämolysierende Streptokokken. β-hämolysierende Streptokokken werden nach der Lancefield-Klassifikation weiter unterteilt. Manche Streptokokkenarten kommen in vielen Formen mit verschiedenen Antigentypen vor. So sind von Streptococcus pneumoniae 84 verschiedene Stämme bekannt, die sich in der chemischen Struktur ihrer Polysaccharid­hülle unterscheiden. Jeder dieser Stämme stellt einen unterschiedlichen Serotyp dar. Die Polysaccharidhülle von S. salivarius zum Beispiel besteht aus einem Polymer der Fructose (ein sogenanntes Laevan, die Hülle wird deshalb als Laevan­kapsel bezeichnet).

Als vergrünende Streptokokken werden Streptokokken bezeichnet, die im Blutagar eine so genannte α-Hämolyse („Vergrünung“) verursachen, das bedeutet, sie zerstören die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) unter Abbau des Hämoglobins, wobei grünliche Produkte entstehen. Sie gehören zur normalen Mikroorganismenbesiedelung der Mund­höhle. Viele von ihnen können bei Übertritt ins Blut zu einer Herzinnenhautentzündung (Endokarditis) führen. Zu ihnen gehört auch die Art Streptococcus mutans, welche bei der Zahnkaries (Auflösung von Zahnsubstanz) eine bedeutende Rolle spielt, indem sie einerseits festhaftende Exopolysaccharide und andererseits aus Kohlenhydraten Milchsäure bildet, die die Zahnsubstanz angreift. Streptokokken rufen auch Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen (HNO-Erkrankungen) hervor.

β-hämolysierende Streptokokken der Serogruppe B können für Neugeborene ein Risiko während der Geburt darstellen. Diese Bakterien können bei vaginaler Entbindung von der Mutter übertragen werden. Besonders bei Frühgeborenen können diese Bakterien zu Sepsis, Meningitis (Hirnhautentzündung) und Pneumonie führen. Diese Bakterien werden durch einen Abstrich im Vaginal- bzw. Dammbereich nachgewiesen. Behandelt werden sie für den Zeitraum der Entbindung (ab Blasensprung oder beim Einsetzen der ersten Wehen) durch Verabreichen von Antibiotika an die Gebärende. Es gibt zwei Präventions-Strategien: alle Gebärenden zu testen und im Falle einer Infektion Antibiotika zu geben (Test-Strategie) oder allen Frauen Antibiotika zu geben, die ein erhöhtes Risiko haben (Risiko-Strategie). Der IGeL-Monitor des Vereins MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen) bewertet den Streptokokkentest in der Schwangerschaft bezüglich der Frage „Kann der Test dazu beitragen, dass sich weniger Neugeborene mit B-Streptokokken anstecken?“ mit „unklar“. Nur bei hohem Risiko ist der B-Streptokokken-Test eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland.[5]

Mit α-Hämolyse präsentieren sich in der Regel: Aerorococcus spp., S. pneumoniae, S. mutans, S. sanguis, S. mitis, S. bovis, S. durans, Enterococcus faecium, sowie teilweise auch Enterococcus faecalis[6]

Mit β-Hämolyse erscheinen a) sehr selten: E. faecalis und E. faecium; b) selten: S. mutans, S. sanguis und S. durans; c) meist: S. pyogenes, S. agalactiae und S. equisimilis.

Mit γ-Hämolyse, also ohne Hämolyseverhalten[7] treten z. B. S. salivarius und meist E. faecalis auf.

Streptokokken der Serogruppe D werden meist als eigene Entität behandelt (siehe Enterokokken)[8], weisen aber Streptokokken-Gruppenantigene (siehe Lancefield-Einteilung) und enge Verwandtschaft auf, so dass sie deshalb in der obenstehenden Aufzählung geführt werden. Auch Aerococcus wird inzwischen einer eigenen Familie (siehe Aerococcaceae[9]) zugerechnet, ist jedoch mit bloßem Auge nicht von Streptococcaceae unterscheidbar und wird in mikrobiologischen Laboratorien im gleichen Arbeitsgang wie Streptokokken identifiziert.

Die Art der antibiotischen Behandlung von Infektionen mit Streptokokken hängt von deren Gruppen- bzw. Artzugehörigkeit ab.[10]

Arten

Nutzen

Streptokokken werden zur Herstellung von Sauergemüse, Silage und Sauermilchprodukten genutzt (siehe unter Vorkommen). Aus Streptokokken wird das Enzym Streptokinase gewonnen, welches bei der Fibrinolyse (Auflösung von Fibrin) als Fibrinolyseaktivator eingesetzt wird. Siehe auch BLIS als Prophylaxe gegen Parodontose und zum Aufbau der Darmflora nach Antibiotikatherapie oder Therapie von Mykosen.[11][12][13][14]

Siehe auch

Literatur

  • Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 267.
  • Werner Köhler: Geschichte der Streptokokkenforschung. Erfurt 2003.
  • Ralf Vollmuth: Streptokokken, Streptococcus. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. de Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1364.

Weblinks

Wiktionary: Streptokokken – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Streptokokken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. München/Wien 1965.
  2. Stefanie Uibel, Johanna Bock, David A. Groneberg: Streptokokken — ein Überblick. In: Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie. Band 62, Nr. 6, 2012, S. 320–327, doi:10.1007/BF03346172.
  3. John G. Holt, Noel R. Krieg, Peter H. A. Sneath, James T. Staley, Stanley T. Williams (Hrsg.): Bergey's Manual of Determinative Bacteriology. 9. Auflage. Williams & Wilkins, Baltimore u. a. O. 1994, ISBN 0-683-00603-7, S. 532–533, 535–536, 552–558.
  4. Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. 2009, S. 267.
  5. IGeL-Monitor, Bewertung des Streptokokkentests in der Schwangerschaft, abgerufen am 19. Oktober 2018.
  6. Volker Mersch-Sundermann: Medizinische Mikrobiologie für MTA. Hrsg.: Volker Mersch-Sundermann. Thieme, Stuttgart 1989, ISBN 3-13-727401-X, S. 138 - 143.
  7. Uwe Groß: Kurzlehrbuch Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Thieme, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-13-141653-7, S. 50.
  8. H. Hof: Medizinische Mikrobiologie. 3. Auflage. Thieme, 2005.
  9. Friedrich Burkhardt: Mikrobiologische Diagnostik Bakteriologie - Mykologie - Virologie - Parasitologie. Hrsg.: Birgid Neumeister, Heinrich K. Geiss, Rüdiger Braun, Peter Kimmig. 2., vollst. überarb. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart - New York 2009, ISBN 978-3-13-743602-7, S. 310.
  10. Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 230–232 und 267.
  11. J. P. Burton, C. N. Chilcott, J. R. Tagg: The rationale and potential for the reduction of oral malodour using Streptococcus salivarius probiotics. In: Oral Diseases. Band 11, s1, 2005, S. 29–31, doi:10.1111/j.1601-0825.2005.01084.x.
  12. J. P. Burton, C. N. Chilcott, C. J. Moore, G. Speiser, J. R. Tagg: A preliminary study of the effect of probiotic Streptococcus salivarius K12 on oral malodour parameters. In: Journal of Applied Microbiology. Band 100, Nr. 4, 2006, S. 754–764, doi:10.1111/j.1365-2672.2006.02837.x (freier Volltext).
  13. Jeremy P. Burton, Philip A. Wescombe, Chris J. Moore, Chris N. Chilcott, John R. Tagg: Safety Assessment of the Oral Cavity Probiotic Streptococcus salivarius K12. In: Applied and Environmental Microbiology. Band 72, Nr. 4, 2006, S. 3050–3053, doi:10.1128/AEM.72.4.3050-3053.2006, PMID 16598017 (freier Volltext).
  14. H.‐P. Horz, A. Meinelt, B. Houben, G. Conrads: Distribution and persistence of probiotic Streptococcus salivarius K12 in the human oral cavity as determined by real-time quantitative polymerase chain reaction. In: Oral Microbiology and Immunology. Band 22, Nr. 2, 2007, S. 126–130, doi:10.1111/j.1399-302x.2007.00334.x.