Majorian

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Flavius Iulius Valerius Maiorianus (deutsch Majorian; † 7. August 461 in Dertona) war von 457 bis 461 weströmischer Kaiser.

Leben

Goldmedaillon Majorians
Weströmisches Reich und Feldzüge unter Majorian

Der aus dem lateinischen Illyricum oder Italien stammende Römer Majorian wurde um 420 geboren und hatte in der weströmischen Armee noch unter dem magister militum (Heermeister) Aëtius gedient, mit dem gemeinsam er um 447 in Gallien einen Sieg über den salfränkischen rex Chlodio errungen hatte. Majorians gleichnamiger Großvater mütterlicherseits hatte um 379 als magister militum praesentalis gedient, während sein aus Ägypten stammender Vater Domninus ein domesticus des Aëtius gewesen war. Nach dessen gewaltsamem Tod 454 rief ihn der bedrängte Kaiser Valentinian III. zu sich nach Rom und machte ihn zum neuen comes domesticorum (Gardekommandeur), doch fiel der Kaiser bald selbst einem Attentat zum Opfer. Während der anschließenden Wirren soll sich die Kaiserwitwe Licinia Eudoxia laut dem Geschichtsschreiber Priskos dafür eingesetzt haben, den loyalen Majorian zum Augustus zu erheben, zunächst aber vergeblich. Unter dem kurzzeitigen Kaiser Petronius Maximus, einem Zivilisten aus altem Senatsadel, wurde Majorian vielleicht zudem zum magister militum ernannt, doch ist dies eher unwahrscheinlich, da er eher als Rivale und Feind des Maximus gelten muss. Dessen Nachfolger Avitus beförderte jedenfalls einen gewissen Remistus zum magister militum, so dass Majorian wahrscheinlich weiterhin comes domesticorum war.

In jedem Fall scheinen die Militärführer Italiens mit dem gallischen Senator Avitus nicht zufrieden gewesen zu sein. Majorian rebellierte daher bald mit Hilfe des zweiten Heermeisters Ricimer, der seit dem Tod des Maximus zur bestimmenden Gestalt in Italien geworden war. Nach dem Sturz des Avitus, dessen Truppen im Oktober 456 in einer blutigen Schlacht bei Piacenza besiegt wurden, wurde Majorian am 28. Februar 457 zum Heermeister ernannt, diesmal durch den Kaiser des Ostens, und dann am 1. April 457 wohl unter unklaren Umständen von der Armee zum Kaiser des Westreiches ausgerufen. Der oströmische Kaiser Leo I. erkannte Majorian zunächst wohl allenfalls als Caesar[1] und erst nach längeren Verhandlungen am 28. Dezember desselben Jahres als Augustus an.[2] Erst danach, am 11. Januar 458, erließ der neue Westkaiser sein erstes Gesetz (Nov. Maior. 1). Dieses war an den Senat adressiert und erwies den italischen Senatoren, die wohl ebenfalls mit Avitus unzufrieden gewesen waren, demonstrativ großen Respekt, machte aber zugleich auch deutlich, dass Ricimer neben Majorian faktisch gleichrangiger Kommandeur der weströmischen Armee sei.

Majorian, der 458 gemeinsam mit Leo das Konsulat bekleidete, hatte aufgrund seines militärischen Hintergrunds zunächst durchaus eine starke Stellung inne und war wohl keineswegs, wie mitunter vermutet wurde, nur eine Marionette Ricimers. Als einer der letzten Kaiser Westroms war er noch tatkräftig bemüht, die Reichsherrschaft im Westen zu stabilisieren – nur Anthemius sollte sich noch ähnlich energisch zeigen (und ebenfalls scheitern). Eine wichtige Quelle für seine Regierungszeit stellen die Briefe und Gedichte des Senators Sidonius Apollinaris dar, der unter anderem eine Lobrede auf den neuen Kaiser hielt, mit dem man offenbar große Hoffnungen verband. Eine Renovierung und Erweiterung der Rostra, der großen Rednertribüne auf dem Forum Romanum, fällt wahrscheinlich in die Anfangsphase seiner Herrschaft und hatte einen Seesieg über die Vandalen zum Anlass, der allerdings noch unter Avitus errungen worden war.

Die Senatsaristokratie Galliens, die Avitus unterstützt hatte, erkannte Majorian zunächst offenbar nicht als Kaiser an, sondern betrachtete Leo als den einzigen Augustus. Möglicherweise versuchte ein gallischer Senator namens Marcellus, eine Verschwörung gegen Majorian anzuzetteln. Dieser Widerstand brach aber rasch zusammen, als Majorian im Dezember 458 an der Spitze eines Heeres, das zu großen Teilen aus foederati bestand, nach Gallien zog. Der Kaiser verständigte sich mit Marcellinus, dem comes rei militaris von Dalmatien, der seit dem Tod des Aëtius in Opposition zum weströmischen Kaiserhof gestanden hatte. Mit Hilfe der hunnischen Hilfstruppen des Marcellinus wurden die Vandalen von Sizilien ferngehalten.

Währenddessen gelang es Majorian, mit Hilfe seines alten Bekannten und nunmehrigen Heermeisters von Gallien, Aegidius (den Majorian anstelle des 456/57 abgesetzten Agrippinus eingesetzt hatte), auch die Westgoten und Burgunden in Gallien in Schach zu halten. Der westgotische rex Theoderich II. wurde von Majorian nahe Arles in einer Schlacht besiegt und musste daraufhin Frieden schließen. Tatsächlich wurde die Herrschaft der weströmischen Zentralregierung in diesem Raum nun ein letztes Mal erfolgreich stabilisiert. Schließlich drang Majorian, der offenbar außerdem eine Reformpolitik in den Bereichen des Steuerwesens und des Militärs betrieb, an der Spitze seines Heeres als letzter Kaiser bis nach Hispanien vor. Er beabsichtigte auch eine Rückeroberung der lebenswichtigen, von den Vandalen besetzten Provinz Africa, der Machtbasis des Heerführers Geiserich. Dieses Unternehmen scheiterte jedoch 460, nachdem eine Flotte aus 300 Schiffen bereits bei Cartagena (vielleicht durch Verrat) von den Vandalen aufgerieben worden war. Nach dieser Niederlage zog sich der Kaiser nach Gallien zurück, wo er einige Zeit in Arles residierte. Erst Ende Juli 461 brach er wieder gen Rom auf. Bevor er Italien betrat, entließ er sein Heer, da er offensichtlich keine Schwierigkeiten erwartete, doch Anfang August wurde er durch den mächtigen Ricimer im Handstreich abgesetzt. Die genauen Gründe hierfür sind unklar. Nach dem Putsch wurde Majorian jedenfalls von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und nur fünf Tage darauf in Dertona in Ligurien (Nordwestitalien) grausam hingerichtet. Nach seinem Tod rebellierte Aegidius gegen Ricimer und begründete in Nordgallien einen eigenen, noch bis 486 bestehenden gallo-römischen Machtbereich, der sich auf die Reste der römischen Rheinarmee stützte.

Mit Majorians Tod endete der vorletzte aussichtsreiche Versuch der westlichen Kaiser, die Initiative gegenüber den übermächtig gewordenen Heerführern römischer und „barbarischer“ Herkunft an sich zu ziehen und wieder selbst die Macht zu übernehmen. Eine positive Bewertung des Herrschers findet sich bereits bei spätantiken Autoren wie Prokopios von Caesarea, der den Kaiser allerdings entgegen den Tatsachen an einer Seuche sterben ließ.

Literatur

  • Friedrich Anders: Flavius Ricimer. Macht und Ohnmacht des weströmischen Heermeisters in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 1077). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2010, ISBN 978-3-631-61264-4, besonders S. 95 ff. (zugleich: Berlin, Humboldt-Universität, Dissertation, 2009).
  • Henning Börm: Westrom. Von Honorius bis Justinian (= Kohlhammer-Urban-Taschenbücher. 735). Kohlhammer, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-17-023276-1.
  • Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5–493 (= Historia. Einzelschriften. Bd. 133). Steiner, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07485-6 (zugleich: Marburg, Universität, Dissertation, 1998).
  • Dirk Henning: CIL VI 32005 und die „Rostra Vandalica“. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Bd. 110, 1996, S. 259–264, Digitalisat (PDF; 50 kB).
  • Penny MacGeorge: Late Roman Warlords. Oxford University Press, Oxford u. a. 2002, ISBN 0-19-925244-0, S. 198 ff.
  • Gerald Edward Max: Majorian Augustus. Madison WI 1975 (Madison WI, Dissertation).
  • Ralph W. Mathisen: Resistance and Reconciliation. Majorian and the Gallic Aristocracy after the Fall of Avitus. In: Francia. Bd. 7, 1979, S. 597–627, Digitalisat.
  • Giovanni Mennella: Una nuova dedica a Maioriano e un probabile corrector Lucaniae et Brittii nel 459. In: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Bd. 133, 2000, S. 237–242, Digitalisat (PDF; 300,25 kB).
  • Fabrizio Oppedisano: L'Impero d'Occidente negli anni di Maioriano. Rom 2013.
  • Gereon Siebigs: Kaiser Leo I. Das oströmische Reich in den ersten drei Jahren seiner Regierung (457–460 n. Chr.) (= Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 276). de Gruyter, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-11-022584-6 (zugleich: Bonn, Universität, Dissertation, 2010).

Weblinks

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Anmerkungen

  1. Der Chronist Marcellinus Comes schrieb jedenfalls, Majorian sei nach dem Willen Leos in Ravenna zum Caesar gemacht worden (Marc. Com. ad ann. 457). Dagegen argumentiert aber ausführlich Siebigs, Kaiser Leo I., Exkurs XIII, S. 793ff.
  2. Während die überwiegende Zahl der Forscher heute annimmt, dass Majorian zumindest seither von Konstantinopel als Kaiser des Westens anerkannt war, ging Arnold H. M. Jones, The Later Roman Empire, Oxford 1964, S. 241, davon aus, Leo habe Majorian bis zuletzt als Usurpator betrachtet. Trifft das zu, so erfolgte die formale Erhebung Majorians zum Augustus wohl durch den Senat.
VorgängerAmtNachfolger
AvitusWeströmischer Kaiser
457–461
Libius Severus