András Pető

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András Pető (* 11. September 1893 in Szombathely; † 11. September 1967 in Budapest) war ein ungarischer Arzt, der die konduktive Förderung für cerebral- und bewegungsgeschädigte Menschen entwickelt hat.

Kindheit

András Pető wurde 1893 in Szombathely, Ungarn, als Ältester von drei Söhnen geboren. Der Vater erkrankte 1907 an Parkinson, was András dazu zwang die Familie durch eigene Arbeit finanziell zu unterstützen. Er arbeitete als Nachhilfelehrer, Hauslehrer und Zeitungsredakteur. Pető konnte sich durch die notwendige Unterstützung der Familie nicht mehr ausreichend auf die Schule konzentrieren, verließ sie aber mit dem Abitur.[1] Nach dem Abitur studierte er ab 1911 in Wien. Ursprünglich wollte er Journalist werden, entschied sich aber in Wien für ein Medizinstudium. Pető hat von diesem Zeitpunkt an fast dreißig Jahre im deutschsprachigen Raum zugebracht und Wien hat ihn zu einer Zeit geprägt, als diese Stadt eine der „geistigen Hauptstädte der Welt“ war.[2] In seiner Studienzeit lernte er Jacob Levy Moreno kennen, den späteren Arzt, Dramatiker und Psychotherapeuten, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.[3] Mit Moreno spielte Pető in Wien Stegreiftheater für Kinder und später für Prostituierte. Nach Hári entwickelte sich daraus die spätere Gruppentherapie.[4] Er kam mit den verschiedenen psychologischen Schulen der Zeit in Berührung, die ihren Sitz in Wien hatten: Freud, Adler und Frankl.[5]

Studium und Ausbildung

Petős Studium und weitere Ausbildung zeigt einen vielseitig interessierten und engagierten Menschen, der unter Pseudonymen auch Novellen, Gedichte und Dramen veröffentlichte. Neben diesen literarischen Tätigkeiten interessierte er sich auch für alte und östliche Religionen.[6] Er kannte den österreichischen Liederkomponisten Hanns Eisler und trat 1919 in die KPÖ ein. Es spricht für die Größe Petös, dass sich in seinem Werk zwar die humanistischen Wurzeln der Lehre von Karl Marx, nicht aber die stalinistische Einstellung zum Menschen widerspiegeln.[2] Als Medizinstudent arbeitete er 1914–18 drei Jahre auf einer Tuberkulose-Abteilung und anschließend im Kriegsspital in Grinzing, wo er seine Ausbildung zum Internisten in der Lungenstation und Inneren-Abteilung absolviert.[7] 1921 erhielt er sein Medizin-Diplom, 1922 wurde er österreichischer Staatsbürger.

In den Jahren nach 1920 bildete er sich in Neurologie, Psychiatrie und Physiotherapie weiter und praktizierte in verschiedenen Kliniken in Österreich in leitenden Arztpositionen, wo er sich mit dem Problem von angeborenen Schädigungen bei Kindern befasste.[8] Seit 1921 arbeitete er in wechselnden Kliniken und Sanatorien, befasste sich als Assistenzarzt mit Orthopädie und führte 1922 mit seinem Chefarzt Hecht im Sanatorium in Semmering Bewegungstherapie durch. 1928/1929 war er Ärztlicher Direktor in einem Volkssanatorium in Wien, wo er sich intensiv mit der Verknüpfung unterschiedlicher Heilmethoden befasste. Im nächsten Jahr arbeitete er als Anstaltsarzt in der Landes- und Pflegeheilanstalt für Geistes- und Nervenkranke und von 1930 bis 1938 war er Mitarbeiter am Institut für Physiotherapie in Wien. Während dieser Zeit arbeitete er auch als Leiter des Medizinverlags Weidmann&Co und war Chefredakteur der Publikation Biologische Heilkunst dieses Verlags, für die er in neun Jahren unter ca. 60 Pseudonymen Artikel verfasste, in denen man in der Reihe von 1931 schon Grundprinzipien der Konduktiven Förderung erkennen konnte.[9] In Wien, Paris und Budapest war er zu dieser Zeit mehr als Journalist bekannt, als Arzt kannte man ihn weniger.[10]

1938 floh er als Jude vor den Nationalsozialisten nach Paris, wo er sich kurz aufhielt und als Fachjournalist arbeitete, danach kehrte er nach Ungarn als ungarischer Staatsbürger zurück. Nur sehr wenig ist über das Leben Petős während der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Judenverfolgung in Ungarn in der deutschsprachigen Sekundärliteratur zu finden. Allerdings finden sich Hinweise über seinen Aufenthalt in englischsprachiger Literatur: demnach ist es wahrscheinlich, dass Pető während der deutschen Besatzung in einem der internationalen Schutzhäuser in Budapest lebte und so überleben konnte[11]. András Petős Mutter ist in Auschwitz ermordet worden. Hári schreibt, dass Pető von 1939 bis 1947 seine Steuern in Budapest als Heilgymnast bezahlt habe. In dieser Zeit soll er die Grundlagen der Konduktiven Erziehung geschaffen haben.[12]

Die Entwicklung der Konduktiven Förderung

Nach dem Krieg bekam Pető seine Ärztezulassung und nahm seine bewegungstherapeutische Arbeit mit 14 Kindern auf, die ihm aus dem staatlichen Kinderheim vom Ministerium für Bildung und Volkswohlstand zugewiesen wurden und als „unausbildbar“ galten.[13] Der Versuch sollte unternommen werden, die von Pető geschaffene Methode in der Praxis anzuwenden. Von 1945 bis 1963 war Pető für die Heilpädagogische Hochschule für Somatopädagogik zuständig, die mit der deutschen Körperbehindertenpädagogik vergleichbar ist. Ab 1948 hielt er dort im Rang eines Professors Vorträge für Studenten, die ihre Erfahrungen im angeschlossenen Institut sammeln konnten.[14] Dieses Institut für Bewegungspädagogik war aus der Arbeit mit den „unausbildbaren“ Kindern nach 1945 entstanden. Pető hatte strukturierte Programme für diese Kinder entwickelt und organisierte das Leben und Arbeiten in der Gruppe. Der Versuch startete mit sehr bescheidenen Mitteln, weil der Staatshaushalt nichts zur Verfügung stellen konnte.[15] Als Helfer bekam er vier Medizinstudenten zur Seite gestellt. Der Tagesablauf war genau geplant, Diagnosen durften nicht gestellt werden. Die Kinder sollten ohne Wertungen beobachtet und motiviert werden, aktiv im Tageslauf sinnvolle alltagspraktische Tätigkeiten zu erlernen: Essen, Toilettengänge, Anziehen usw. Pető hatte Erfolg mit seiner Arbeit, einige der Kinder konnten nach 2 Jahren in die Schule gehen.[16]

Ab Februar 1950 wurde das von Pető entworfene Institut für Bewegungstherapie für eine Kapazität von 80 Kindern fertiggestellt, das nun ein Budget aus dem Staatshaushalt erhielt. Erst 1963 konnte das Institut der Zugehörigkeit zum Gesundheitsministerium entzogen werden und dem Kultusministerium unterstellt werden. Dafür hatte Pető lange gekämpft, er verstand seine Methode als Bewegungspädagogik, während man im Gesundheitsministerium die Behinderung und die Förderung als biologisches Problem verstand und deshalb von Bewegungstherapie sprach. In Petős Verständnis handelte es sich aber bei der Entstehung einer neuen Lebensweise, der Herausbildung einer Bewegungskoordination, um ein Lernproblem, dem man nur mit einer „vollständig pädagogischen Herangehensweise“ begegnen kann. Um eine neue Bewegung erlernen zu können, braucht es die Eigenaktivität des Kindes oder Erwachsenen und keine spezielle Methode der Bewegungsübungen. Der Konduktor achtet dabei auf die Hinführung zur richtigen Bewegung.[17]

Ab 1963 hieß das Institut Erziehungs- und Pädagogenausbildungsanstalt für motorisch Geschädigte. Pető verließ in diesem Jahr die Heilpädagogische Hochschule und widmete sich ganz der Leitung seines Instituts. 1965 wurde die Ausbildung der Konduktoren offiziell genehmigt. Am 11. September 1967 starb András Pető im Alter von 74 Jahren im Institut.

Das Institut nach Petős Tod

Das nun nach Pető benannte Institut wurde erst von Maria Hári bis 1992 und danach von verschiedenen anderen Persönlichkeiten geleitet. Seit 2007 wird es von dem ungarischen Diplomaten Franz Schaffhauser geleitet. Schaffhauser war an der Universität für Lehrerausbildung zuständig und vor seiner Tätigkeit am Pető-Institut Programmsekretär im Erziehungswissenschaftlichen Institut der Universität Budapest.[18] 1989 wurde die Internationale András Pető-Stiftung zur Verbreitung der Konduktiven Förderung von der ungarischen Regierung ins Leben gerufen, zu dem das Internationale Pető-Institut, die Hochschule für Konduktorinnenausbildung, ihr Übungskindergarten und die Übungsschule gehören.[19]

Die konduktive Förderung in Deutschland

Nach Deutschland wurde die von Pető entwickelte konduktive Förderung durch die Initiative von Peter und Hanni von Quadt, Eltern eines behinderten Kindes, gebracht. Familie von Quadt war durch den Börsenexperten André Kostolany auf Pető aufmerksam gemacht worden.[20] Peter von Quadt gründete 1994 gemeinsam mit anderen betroffenen Eltern den Verein FortSchritt e.V. Er erhielt 2006 das Bundesverdienstkreuz dafür, dass er die konduktive Förderung nach Deutschland gebracht hat und engagiert sich bis heute für die Förderung von cerebralgeschädigten Kindern und Erwachsenen nach dieser Methode.[21]

Aktuell arbeiten bundesweit mindestens 56 Einrichtungen nach Petős Konzept, es gibt 18 eigenständige Vereine in Deutschland.[22]

Literatur

  • Angelika Baumann: Die Beziehung zwischen Körperbehindertenpädagogik und Konduktiver Förderung in Bildung und Erziehung. Athena-Verlag, Oberhausen, 2009. ISBN 978-3-89896-365-7.
  • Margarete Danielczyk: Konduktive Förderung bei Erwachsenen. Konzept nach András Petö. Pflaum-Verlag, München/Berlin, ISBN 3-7905-0896-9.
  • Annette Fink: Praxis der Konduktiven Förderung nach A.Petö. Reinhardt-Verlag, München, 1998 ISBN 3-497-01454-0.
  • Maria Hári/ Julia Horváth/ Ildikó Kozma/ Márta Kökúti: Das Petö-System. Prinzipien und Praxis der Konduktiven Förderung. Internationales Petö-Institut, Budapest, 1992. ISBN 963-04-2531-9.
  • Maria Hári: Die Geschichte der konduktiven Pädagogik. In: Conductive Education, Occasional Papers, German Version, Supplement1, First published by Trendham Books Limited 1997 ISSN 1418-5881 Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von Maria Hári: A konduktiv pedagógika története. Mpanni, Internationales Petö-Institut, Budapest 1997, ISBN 963-04-9333-0 ungarisch, aber Korrespondenz von Pető in deutsch oder englisch. Mit Fotos und Dokumentenanhang (viele Dokumente und Briefe in deutsch)
  • Nadine Janousek: Das Konzept der Konduktiven Förderung nach András Petö. Grin-Verlag, 2010. ISBN 978-3-640-66025-4.
  • Sandra Schwarzenbacher: Konduktive mehrfach-therapeutische Förderung nach Petö und Keil: Theorie-Praxis-Effektivität. VDM-Verlag, 2009. ISBN 978-3-639-20661-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997. S. 12.
  2. a b Website Gresch, Hans-Ulrich@1@2Vorlage:Toter Link/www.ppsk.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen 15. Juli 2012
  3. Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997. 22ff
  4. Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997, S. 13
  5. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A. Petö. 1998, S. 31.
  6. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A.Petö.1998, S. 31 ff./Danielczyk,M.: Konduktive Förderung bei Erwachsenen. Konzept nach András Petö.2003, S. 18f.
  7. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A.Petö.1998, S.31/Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997. S. 13.
  8. Baumann, Angelika: Die Beziehung zwischen Körperbehindertenpädagogik und Konduktiver Förderung in Bildung und Erziehung. 2009, S. 188.
  9. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A.Petö. 1998, S. 32f.
  10. Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997. S. 14ff
  11. Forrai, Judit: Memoirs of the beginnings of conductive pedagogy and András Pető. Birmingham, 1999, S.25 und 26. Vermutlich lebte Pető in einem der Häuser, die unter dem diplomatischen Schutz der Schweiz standen
  12. Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997. S. 16.
  13. Es gibt unterschiedliche Angaben über die Anzahl der Kinder:Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997, S. 29 zitiert eine Quelle, dass es sich um 20 Kinder mit der Little-Krankheit handelte, die als „unheilbar und idiotisch“ galten. Man hatte sich bis dahin nicht um sie gekümmert, sie vegetierten in den Kinderheimen vor sich hin.
  14. Baumann, Angelika: Die Beziehung zwischen Körperbehindertenpädagogik und Konduktiver Förderung in Bildung und Erziehung. 2009, S. 193.
  15. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A. Petö. 1998, S.33; das Schweizer Rote Kreuz hatte Decken zur Verfügung gestellt; vgl. auch Baumann, Angelika: Die Beziehung zwischen Körperbehindertenpädagogik und Konduktiver Förderung in Bildung und Erziehung. 2009, S. 193 ff.
  16. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A.Petö.1998, S. 33; Baumann, Angelika: Die Beziehung zwischen Körperbehindertenpädagogik und Konduktiver Förderung in Bildung und Erziehung.2009, S. 194 spricht von 14 Kindern; Danielczyk,M.: Konduktive Förderung bei Erwachsenen. Konzept nach András Petö. 2003, S.19 von einigen.
  17. Hári, Maria: Die Geschichte der Konduktiven Pädagogik, Verkürzte Übersetzung des ungarischen Originals von 1977, German Version in Occasional Papers 1997, S. 43ff.
  18. Baumann, Angelika: Die Beziehung zwischen Körperbehindertenpädagogik und Konduktiver Förderung in Bildung und Erziehung. 2009, S. 197. Hier auch die verschiedenen LeiterInnen des Instituts zwischen 1992 und 2007.
  19. Fink, Annette: Praxis der Konduktiven Förderung nach A.Petö. 1998, S. 34.
  20. Lions Club München - Heinrich der Löwe: Peter von Quadt trägt vor. Zugriff am 16. April 2011.
  21. Förderverein FortSchritt Starnberg e.V. Zugriff am 1. Februar 2013.
  22. Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen, Fachausschuß Konduktive Förderung (Hrsg.): Integration Konduktiver Förderung in das Rehabilitations- und Bildungssystem für Menschen mit Behinderung in Deutschland. Konduktive Förderung. 2009, S. 41 und S. 16.