Jatulium

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Das Jatulium ist die zweite Periode innerhalb des Äons Proterozoikum und innerhalb der Ära Paläoproterozoikum. Es folgt auf die Periode des Oxygeniums und wird seinerseits von der Periode des Columbiums abgelöst. Das Jatulium dauerte 190 Millionen Jahre und füllt den Zeitraum von 2250 bis 2060 Millionen Jahren BP. Es ersetzt teilweise das frühere Rhyacium. Das Jatulium wurde jedoch noch nicht von der International Commission on Stratigraphy ratifiziert und gilt deswegen noch als unoffiziell (2016).

Namensgebung

Das Jatulium, Englisch Jatulian, leitet sich ab von den Jatulischen Quarziten Finnlands und Kareliens, die teils transgressiv mit Basiskonglomerat über dem metamorphen Grundgebirge des Archaikums abgelagert wurden.

Neudefinition der Perioden des Präkambriums

Im Zuge des Abrückens von rein radiometrisch bestimmten Periodengrenzen sollte jetzt gemäß Gradstein u. a. (2012) das GSSP-Prinzip so weit wie möglich auch im Präkambrium Anwendung finden. Die Perioden würden somit anhand von bedeutenden geologischen Ereignissen definiert und nicht mehr an willkürlichen, radiometrischen Altern.[1]

Definition des Jatuliums

Die Untergrenze des Jatuliums sollte durch einen GSSP festgelegt werden, der an der Basis der kanadischen, zur Cobalt Group der Huronian Supergroup gehörenden Lorrain-Formation zu liegen kommen würde. Die um 2250 Millionen Jahren BP abgelagerte Lorrain-Formation markiert das Ende der Vereisungen während des Oxygeniums. Sie überdeckt einen oxydierten Paläoboden der vorausgegangenen, an ihrer Basis diamiktischen Gowganda-Formation. Als Alternative wäre auch der Übergang von der Ahmalahti-Formation zur Neverskrukk-Formation im Petschenga-Grünsteingürtel denkbar. Für die Obergrenze werden ebenfalls zwei GSSP-Lokalitäten ins Auge gefasst – einmal die Basis der Rooiberg Group des Kapvaal-Kratons in Südafrika, mit der voluminöser Magmatismus einsetzt, oder die Basis der Kolasjoki-Formation bzw. der Kuetsjärvi-Formation im Petschenga-Grünsteingürtel.

Bedeutung

Kurvenverlauf der Lomagundi-Jatuli-Isotopenexkursion

Erhöhte Manteltemperaturen führten während des Jatuliums zu gesteigerter magmatischer Aktivität (nachdem in den vorangegangenen 250 Millionen Jahren der Magmatismus nahezu erloschen war)[2] und dadurch zu einem Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre. Im Meer kam es zu einem Aufblühen der Mikroorganismen, die durch ihre Photosynthese die Sauerstoffkonzentration kräftig ansteigen ließen.

Der Sauerstoffanstieg wird durch folgende geologische Befunde nahegelegt:

  • Uraninit-Seifen werden jetzt durch hydrothermale Uranerze ersetzt
  • Paläoböden und Oberflächenablagerungen liegen oxidiert vor
  • in kalkhaltigen Schiefertonen erhöht sich die Konzentration Redox-empfindlicher Elemente wie Uran, Molybdän und Vanadium
  • Phosphorite treten erstmals auf.[3]

Lomagundi-Jatuli-Isotopenexkursion

In den Zeitraum des Jatuliums fällt die Lomagundi-Jatuli-Isotopenexkursion, die in der gesamten Erdgeschichte die weltweit bedeutendste, positive Anomalie der δ13C–Werte darstellt. Sie lässt auf tiefgreifende Veränderungen im Redoxverhalten der Weltmeere rückschließen.

Erstmals entstanden Cap carbonates (Hutkarbonate), die sehr hohe δ13C–Werte vorweisen und vorangegangene glaziale Sedimente abdecken, ferner oxidierte Paläoböden und kontinentale sowie marine Rotsedimente, welche durch oxidative, kontinentale Verwitterung entstanden waren.

Auch bildeten sich jetzt flachmarine, Kalzium-haltige Sulfate wie beispielsweise Gips und Anhydrit (ab 2200 Millionen Jahre BP hatte sich die Sulfatkonzentration durch die oxidative Verwitterung kontinentaler Sulfide erhöht) und in den Tiefen der Ozeane Mangan-reiche Sedimente.

Evolution

Gabonionta, früheste Form multizellularen, eukaryotischen Lebens auf der Erde

Im Jatulium traten um 2100 Millionen Jahre BP zum ersten Mal in der Negaunee Iron Formation Michigans megaskopische Algen mit Zellkern (Eukaryoten) auf,[4] weswegen ein Alternativvorschlag für die Benennung dieser Periode Eukaryum lautet. Zum selben Zeitpunkt erschienen in der Francevillian Group in Gabun die Gabonionta, die ersten mehrzelligen Organismen.[5][6]

Jatulian Group

Die Jatulian Group (auch Jatulian Super-horizon bzw. Jatulium im ursprünglichen Sinne), nach der die Periode Jatulium benannt wurde, bildet Teil der Karelian Supergroup des Baltischen Schildes. Sie wurde entweder auf dem eingeebneten Archaikum mit gelegentlich ausgeprägter Winkeldiskordanz abgelagert oder folgt ihrerseits über den Gesteinen des Sumiums oder des Saroliums. In den Gesteinen der Jatulian Group lassen sich die Spuren intensiver, chemischer Verwitterung erkennen (weit verbreitete Regolithe, Konglomerate mit Quarzgeröllen und Quarzarenite). Über der Jatulian Group folgen dann das Ludicovium, das Kalevium und das Vepsium.

Im Gebiet des Onega-Beckens kann die über 500 Meter mächtige, in einem epeirischen Meer abgelagerte Jatulian Group in folgende Formationen unterteilt werden (vom Hangenden zum Liegenden):

Stratigraphie

Bedeutende Sedimentbecken und geologische Formationen

Magmatismus

Nach einer Ruhezeit von 250 bis 200 Millionen Jahren (Krustenalterslücke) kam es im Intervall 2220 bis 2200 Millionen Jahre BP zu enormen Ausbrüchen basaltischer Magmen. Mächtige Flutbasalte entstanden in Südafrika und in Westaustralien:

In Nordamerika bildeten sich äquivalente Intrusivgesteine:

In Indien und in China kann um diese Zeit ebenfalls verstärkter Magmatismus verzeichnet werden.

Weit ausgedehnte Granit-Grünstein-Terrane entstanden in Brasilien und in Westafrika, welche sich nur unwesentlich von ihren archaischen Vorgängern unterscheiden:

  • Mineiro-Gürtel im Süden des São-Francisco-Kratons in Zentralbrasilien – 2230 bis 2220 Millionen Jahre BP[18]
  • Crixás-Grünsteingürtel in Zentralbrasilien – um 2209 Millionen Jahre BP[19]
  • Birimium in Westafrika – um 2229 Millionen Jahre BP[20]
  • Man-Kraton im Westafrika-Kraton, Westafrika – 2250 bis 2000 Millionen Jahre BP. Der aus der Assoziation TTG-Gneis/Grünsteingürtel zusammengesetzte Kraton besteht neben seinem archaischen Kern aus neugebildeter Kruste, die innerhalb eines ozeanischen Plateaus entstand[21] – mit einer Akkretionsrate, die um 60 % höher liegt als bei modernen Beispielen.

Geodynamik

Orogenesen

Kontinentkollisionen:

Einzelnachweise

  1. Felix M. Gradstein u. a.: On the Geologic Time Scale. In: Newsletters on Stratigraphy. Band 45/2, 2012, S. 171–188.
  2. K. C. Condie, u. a.: Evidence and implications for a widespread magmatic shutdown for 250 Myr on Earth. In: Earth and Planetary Science Letters. Band 282, 2009, S. 294–298.
  3. G. D. Pollack, u. a.: U-Th-Pb-REE systematic of organic rich shales from the 2.15 Ga Sengoma Argillite Formation, Botswana: Evidence for oxidative continental weathering during the Great Oxidation Event. In: Chemical Geology. Band 260, 2009, S. 172–185.
  4. T.-M. Han, B. Runnegar: Megascopic eukaryotic algae from the 2.1-billion-year-old Negaunee iron formation, Michigan. In: Science. Band 257, 1992, S. 232–235.
  5. Gabonionta, die kleinen Revolutionäre der Evolution. In: derstandard.at. Abgerufen am 5. Februar 2015.
  6. Gabonionta: Wie Mehrzeller versuchten, die Erde zu erobern. In: nachrichten.at. Abgerufen am 5. Februar 2015.
  7. Rebekah Lundquist: Provenance Analysis of the Marquette Range Supergroup sedimentary rocks using U-Pb Isotope geochemistry on detrital zircons by LA-ICP-MS. In: 19th annual Keck Symposium. 2006.
  8. V. A. Kulikov: Summary geological map of the Onega structure. In: L. V. Glushanin, u. a. (Hrsg.): The Onega Paleoproterozoic structure (Geology, tectonics, deep structure and minerageny) (in Russisch). Institute of Geology, Karelian Research Centre of RAS, Petrozavodsk 2011, S. 19–23.
  9. R. J. Wardle, u. a.: The southeastern Churchill Province: synthesis of a Paleoproterozoic transpressional orogen: Proterozoic evolution of the northeastern Canadian Shield: lithoprobe eastern Canadian Shield onshore-offshore transect. In: Canadian Journal of Earth Sciences. Band 39, 2002, S. 639–663.
  10. V. A. Kulikov: Summary geological map of the Onega structure. In: L. V. Glushanin,u. a. (Hrsg.): The Onega Paleoproterozoic structure (Geology, tectonics, deep structure and minerageny) (in Russisch). Institute of Geology, Karelian Research Centre of RAS, Petrozavodsk 2011, S. 19–23.
  11. G. V. Ovchinnikova,u. a.: Pb-Pb age of Jatulian carbonate rocks: the Tulomozero Formation in south-eastern Karelia (in Russisch). In: Stratigr. Geol. Correlat. Band 4, 2007, S. 20–33.
  12. N. B. Philippov, u. a.: New geochronological data on the Koikary-Svjatnajolok and Pudozhgora gabbro-dolerite intrusive (in Russisch mit englischer Zusammenfassung). In: V. I. Golubev, V. V. Shchiptsov (Hrsg.): Geol. Miner. Resour. Karelia. Band 10, 2007, S. 49–68.
  13. M. A. Semikhatov, u. a.: A new stratigraphic scale for the Precambrian of the USSR (in Russisch). In: Proc. USSR Acad. Sci. Geol. Ser 4, 1991, S. 3–16.
  14. H. C. Dorland: Provenance ages and timing of selected Neoarchean and Paleoproterozoic successions of the Kapvaal craton. Unpublished Ph. D. thesis. Rand Afrikaans University, Johannesburg 2004, S. 326.
  15. D. M. Martin, u. a.: A pre-2.2 Ga age for giant hematite ores of the Hamersley Province, Australia. In: Economic Geology. Band 93, 1998, S. 1084–1090.
  16. S. R. Noble, P. C. Lightfoot: U-Pb baddeleyite ages of the Kerns and Triangle Mountain intrusions, Nipissing Diabase, Ontario. In: Canadian Journal of Earth Sciences. Band 29, 1992, S. 1424–1429.
  17. K. I. Buchan, u. a.: Paleomagnetismn, U-Pb chronology, and geochemistry of Marathon dykes, Superior Province, and comparison with the Fort Frances swarm. In: Canadian Journal of Earth Sciences. Band 33, 1996, S. 1583–1595.
  18. C. A. Ávila, u. a.: Rhyacian (2.23-2.20 Ga) juvenile accretion in the southern Sao Francisco craton, Brazil: Geochemical and isotopic evidence from the Serinha magmatic suite, Mineiro belt. In: Journal of South American Earth Sciences. Band 29, 2010, S. 464–482.
  19. H. Jost, u. a.: A U-Pb zircon Paleoproterozoic age for the metasedimentary host rocks and gold mineralization of the Crixáas greenstone belt, Goiás, Central Brazil. In: Ore Geology Reviews. Band 37, 2010, S. 127–139.
  20. J.-L. Feybesse, u. a.: The Paleoproterozoic Ghanian province: Geodynamic model and ore controls, including regional stress modelling. In: Precambrian Research. Band 149, 2006, S. 149–196.
  21. M. Lompo: Geodynamic evolution of the 2.25 -2.00 Ga Paleoproterozoic rocks in the Man-Leo Shield of the West African Craton. A model of subsidence of an oceanic plateau. In: S. M. Reddy, u. a. (Hrsg.): Paleoproterozoic supercontinents and Global Evolution. Band 323. Geological Society, London, Special Publications, 2009, S. 231–254.