Dioskoros von Aphrodito

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Dioskoros von Aphrodito (Flavius Dioscorus, Φλαύϊος Διόσκορος) war ein byzantinischer Funktionär, Rechtsanwalt und Dichter im Ägypten des 6. Jahrhunderts.

Dioskoros darf als ein typischer Vertreter der gebildeten „oberen Mittelschicht“ während der ausgehenden Spätantike gelten. Er wurde im ägyptischen Ort Aphrodito geboren; sein Vater Apollos war ein protokometes (Dorfoberhaupt) und wurde später Mönch. Dioskoros genoss eine ausgezeichnete Ausbildung (vermutlich in Alexandria). Spätestens seit 543 war er als Scholastikos tätig; der Name „Flavius“ hatte um diese Zeit eher den Charakter eines Titels und deutet auf eine Position innerhalb der kaiserlichen Reichsadministration hin. Vielleicht – die Papyri sind hier nicht eindeutig – trug Dioskoros den Titel eines vir clarissimus und gehörte mithin dem niedrigsten Rang des Senatorenstandes an. Kurz nach 547 reiste er nach Konstantinopel, wo er bei Kaiser Justinian eine Audienz erhielt. Es ging dabei um das Recht, dass Aphroditopolis die Steuern direkt an die kaiserliche Kasse und nicht an Großgrundbesitzer abführen dürfe; dies war ein Recht, das das Dorf schon erlangt hatte, das ihm aber von den Großgrundbesitzern immer wieder streitig gemacht wurde. Im Jahr 565, kurz vor Justinians Tod, zog Dioskoros nach Antinoopolis, wo er versuchte, als Jurist und Dichter Karriere zu machen. Im Jahr 573 kehrte er in seinen Heimatort zurück, um sich um das Familiengut zu kümmern. Er starb bald nach 585.

Dioskoros ist im Grunde eine wenig bemerkenswerte Gestalt. Bedeutung gewinnt er durch den historischen Zufall, dass sein privates Archiv an Papyrus-Urkunden weitgehend erhalten geblieben ist und im frühen 20. Jahrhundert entdeckt wurde. Es bietet dem Althistoriker wertvolle Einblicke in den Alltag in den spätrömischen Provinzen und umfasst Verträge, Anweisungen, Bittschriften, eigene Gedichte des Dioskoros in altgriechischer Sprache, ein Griechisch-Koptisch-Glossar sowie private Aufzeichnungen. Bemerkenswert ist dabei unter anderem der Umstand, dass Dioskoros auch noch Schriften einer Reihe alter und eher abseitiger griechischer Autoren besaß und kannte.

Literatur

  • Leslie S. B. MacCoull: Dioscorus of Aphrodito. His Work and his World. Berkeley 1988 (Digitalisat).
  • John Martindale: The Prosopography of the Later Roman Empire III. Cambridge 1992, S. 404–406.
  • Clement A. Kuehn: Channels of imperishable Fire. The Beginnings of Christian Mystical Poetry and Dioscorus of Aphrodito. Peter Lang, New York u. a. 1995, ISBN 0-8204-2673-3.
  • Jean-Luc Fournet (Hrsg.): Les archives de Dioscore d'Aphrodité cent ans après leur découverte. Histoire et culture dans l'Égypte byzantine. Actes du colloque de Strasbourg (8 – 10 décembre 2005). De Boccard, Paris 2008.
  • Bernhard Palme: Emotional strategies in petitions of Dioskoros of Aphrodito. In: Angelos Chaniotis (Hrsg.): Unveiling Emotions III. Arousal, Display, and Performance of Emotions in the Greek World. Steiner, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-515-12950-3, S. 321 ff. (Digitalisat)