Amaurose

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. März 2022 um 18:45 Uhr durch imported>Mabschaaf(821876) (Syntax-Fix (H:LINT), keine inhaltliche Änderung).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Klassifikation nach ICD-10
H54 Sehbeeinträchtigung einschließlich Blindheit (binokular oder monokular)
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Amaurose (über lateinisch Amaurosis von griechisch ἀμαυρός (amauros) „dunkel, blind“), auch als Vollblindheit, Visusverlust oder selten schwarzer Star bezeichnet, ist der medizinische Fachausdruck für das vollständige Fehlen von Lichtwahrnehmung eines oder beider Augen bei Verlust jeglicher optischer Reizverarbeitung.[1] Hinsichtlich einer Sehschärfenprüfung entspricht dies dem Wert „0 - ohne Lichtwahrnehmung“. Als objektives Anzeichen einer Amaurose tritt eine vollkommene Pupillenstarre (amaurotische Pupillenstarre) ein, bei der keinerlei direkte Lichtreaktion mehr auslösbar ist.

Ursachen

Als Ursache einer Amaurose können unterschiedlichste angeborene oder erworbene Faktoren in Frage kommen, die im Stande sind, eine vollkommene Unterbrechung von Lichtreizübertragungen zum Gehirn auszulösen. Hierzu zählen zum Beispiel Netzhautablösungen, degenerative Erkrankungen der Netz- oder Aderhaut, Kompression oder Durchtrennung des Sehnervs, Vergiftungen, Tumoren oder vaskuläre Ereignisse. Hysterische Amaurosen sind selten und treten meist beidseitig auf.[2] Eine genetische Ursache kann eine Mutation des Gens NMNAT1 darstellen,[3][4] welches bislang nicht mit Erkrankungen des Menschen in Verbindung gebracht worden war.

Amaurose und Blindheit

Von der Amaurose ist der Begriff der Blindheit zu unterscheiden. Nach allgemeiner Gesetzeslage und nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) trifft die Eigenschaft „blind“ auch auf Personen mit einem, wenn auch äußerst geringen, Sehrest zu, was bei der Amaurose nicht der Fall ist. Insofern ist ein amaurotisches Auge immer auch blind, jedoch muss ein blindes Auge nicht zwangsläufig amaurotisch sein. Im Zusammenhang mit sozial- und versorgungsrechtlichen Aspekten bezeichnet zudem Blindheit in der Regel den Zustand einer „Person“, nicht den eines Auges als „Organ“. Demnach gilt eine Person mit einer einseitigen Amaurose und intaktem Sehvermögen auf dem anderen Auge nicht als blind im juristischen Sinne.

Amaurosis fugax

Klassifikation nach ICD-10
G45.3 Amaurosis fugax
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Amaurosis fugax (lat.: fugax = „flüchtig“) ist ein akuter, reversibler und meist einseitig verlaufender arterieller Gefäßverschluss der die Netzhaut versorgenden Arteria centralis retinae, welcher eine kurzzeitige, vollständige Verdunkelung des betroffenen Auges zur Folge hat.[5] Er gilt häufig als erstes Anzeichen einer zerebralen Durchblutungsstörung und kann zudem in Verbindung mit einer Karotisstenose auftreten.[6][7]

Lebersche Kongenitale Amaurose

Die Lebersche Kongenitale Amaurose (auch: kongenitale tapeto-retinale Amaurose, LCA) ist eine angeborene und meist autosomal-rezessiv vererbte Funktionsstörung des Pigmentepithels der Netzhaut mit degenerativen Erscheinungsformen der Aderhaut. Sie wurde erstmals von dem deutschen Augenarzt und Wissenschaftler Theodor Leber 1869 beschrieben. Die Betroffenen kommen bereits erheblich sehbehindert oder blind zur Welt. Die Wahrscheinlichkeit für die Diagnose von LCA bei Kindern derselben Eltern liegt bei jeweils 25 %.[8] Mehr als 10 % aller angeborenen Fälle von Blindheit können auf die Lebersche Amaurose zurückgeführt werden.[9]

Schlafstörungen bei Vollblinden

Bei Vollblinden kommt es häufig zu zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen vom Typ freilaufender Rhythmus und anderen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, da der zum Synchronisieren der im Volksmund „innere Uhr“ genannten circadianen Rhythmik erforderliche Zeitgeber Hell-Dunkel-Wechsel ausfällt.[10]

Geschichte

Die Amaurose wurde in der Antike als Folge einer Wasseransammlung im Gehirn angesehen, weshalb im Corpus Hippocraticum die Therapie durch Entleerung dieses Ergusses durch Trepanation vorgeschlagen wird. Eine genauer Unterscheidung der Amaurose von der Amblyopie ermöglichte Mitte des 19. Jahrhunderts die Einführung des Augenspiegels.[11]

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Amaurose – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Pschyrembel klinisches Wörterbuch. Mit klinischen Syndromen und Nomina Anatomica. = Klinisches Wörterbuch. Bearbeitet von der Wörterbuchredaktion des Verlages unter der Leitung von Christoph Zink. 256., neu bearbeitete Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 1990, ISBN 3-11-010881-X.
  2. Rudolf Sachsenweger: Neuroophthalmologie. 3., überarbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 1982, ISBN 3-13-531003-5, S. 167.
  3. Robert K. Koenekoop, Hui Wang, Jacek Majewski, Xia Wang, Irma Lopez, Huanan Ren, Yiyun Chen, Yumei Li, Gerald A. Fishman, Mohammed Genead, Jeremy Schwartzentruber, Naimesh Solanki, Elias I. Traboulsi, Jingliang Cheng, Clare V. Logan, Martin McKibbin, Bruce E Hayward, David A. Parry, Colin A. Johnson, Mohammed Nageeb, James A. Poulter, Moin D. Mohamed, Hussain Jafri, Yasmin Rashid, Graham R. Taylor, Vafa Keser, Graeme Mardon, Huidan Xu, Chris F. Inglehearn, Qing Fu, Carmel Toomes, Rui Chen: Mutations in NMNAT1 cause Leber congenital amaurosis and identify a new disease pathway for retinal degeneration. In: Nature Genetics. Bd. 44, 2012, S. 1035–1039, doi:10.1038/ng.2356.
  4. Neue Ursache für angeborene Blindheit entdeckt. Deutsches Ärzteblatt, 2. August 2012.
  5. Theodor Axenfeld (Begr.), Hans Pau (Hrsg.): Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. 12., völlig neu bearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Rudolf Sachsenweger u. a. Gustav Fischer, Stuttgart u. a. 1980, ISBN 3-437-00255-4.
  6. Albert J. Augustin: Augenheilkunde. 3., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-30454-8, S. 147.
  7. Information des Gefäßzentrum Bremen.
  8. Theodor Axenfeld (Begr.), Hans Pau (Hrsg.): Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. 12., völlig neu bearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Rudolf Sachsenweger u. a. Gustav Fischer, Stuttgart u. a. 1980, ISBN 3-437-00255-4, S. 550.
  9. Wolfgang Hammerstein, Walter Lisch (Hrsg.): Ophthalmologische Genetik. Diagnostik, Prävention, Rehabilitation (= Bücherei des Augenarztes. Bd. 105). Enke, Stuttgart u. a. 1985, ISBN 3-432-94941-3, S. 8.
  10. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). In: AWMF online (Stand 2009)
  11. Carl Hans Sasse: Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle (= Bücherei des Augenarztes. Heft 18). Ferdinand Enke, Stuttgart 1947, S. 22 und 44.