Selbstopfer
Der Begriff Selbstopfer bezeichnet ein deutsches Militärprojekt, das während der Endphase des Zweiten Weltkrieges zur Entwicklung einer von einem Piloten gesteuerten „intelligenten Waffe“, die für Angriffe auf strategische Ziele wie Brücken und Kommandozentralen vorgesehen war, geplant wurde. Es sollten jedoch auch Flugzeuge in gegnerische Bomberpulks gelenkt und dort zur Explosion gebracht werden. Der Pilot sollte sich dabei jeweils selbst opfern.
Fürsprecherin des Projekts war die bekannte Testpilotin Hanna Reitsch, die den Vorschlag am 28. Februar 1944 Hitler unterbreitete. Dieser war nicht angetan, erlaubte aber die Vorbereitung solcher Angriffe. Etwa 70 Freiwillige wurden ausgesucht und an das Kampfgeschwader 200 kommandiert. Die negativ ausgefallenen Erprobungen mit der Messerschmitt Me 328B führten zu der Idee, die Fieseler Fi 103 einzusetzen, indem man sie mit einem kleinen Cockpit auf der Oberseite versah, so dass sie durch einen Piloten steuerbar würde.
Robert Lusser entwarf die entsprechenden Änderungen an der Zelle und der Steuerung. Gebaut wurde die geänderte Zelle bei der Segelflug Reichenberg GmbH, weswegen die Maschinen auch Reichenberg-Gerät genannt wurden. Insgesamt wurden etwa 175 modifizierte V1 gebaut, die meisten bei der Luftmunitionsanstalt Neu Tramm.
Anders als im teilweise ähnlichen japanischen Tokkōtai-(„Kamikaze“)-Flugzeug Ōka wären die Piloten der neuen Fi 103 R theoretisch in der Lage gewesen, kurz vor Aufprall und Detonation abzuspringen, wenn dies auch in der Praxis schwierig gewesen wäre, da sich das Cockpit direkt unterhalb des Eingangs des Pulsstrahltriebwerks befand.
Im Rahmen der Ausbildung wurden Fi 103 R durch den Bomber Heinkel He 111 auf ihre Starthöhe geschleppt. Aufgrund der schlechten Langsamflugeigenschaften kam es wiederholt zu Unfällen. Zu einem Einsatz kam es nicht mehr.
Offiziell wurde der Euphemismus „Total-Einsatz“ bevorzugt und Freiwillige auf das Fehlen von Selbstmordtendenzen hin untersucht. Das Projekt wurde vermutlich eingestellt, weil es den psychologisch ungünstigen Eindruck von Verzweiflungsmaßnahmen erweckt hätte.
Siehe auch
Weblinks
- Ulrich Albrecht: Artefakte des Fanatismus. Technik und nationalsozialistische Ideologie in der Endphase des Dritten Reiches Informationsdienst Wissenschaft und Frieden, Ausgabe 4/1989. Enthält einen ausführlichen Abschnitt über die Selbstopferflugzeuge
- Christoph Gunkel: Himmelfahrtskommando für Hitler; spiegel.de
- Erich Kreul: Kamikaze-Pilot : "Ich stürzte bis zum Geht-nicht-mehr" spiegel.de, 28. April 2010.