Palmesel
Der Palmesel gehört zum Brauchtum bei der Palmprozession der römisch-katholischen Kirche am Palmsonntag im süddeutschen Sprachraum.
Die Palmprozession mit grünen Zweigen und Hymnen erinnert an den festlichen Einzug Jesu Christi in Jerusalem auf dem Rücken eines Esels. Sie ist seit dem 7. Jahrhundert belegt. Seit dem 10. Jahrhundert ritten die Dorfpfarrer bei der Palmprozession auf einem Esel mit. In der Lebensbeschreibung des heiligen Ulrich wird dieser Ritt ausführlich geschildert. Da der Esel sich dabei häufig recht störrisch verhielt, wurde er meist durch einen hölzernen Esel mit einer reitenden Christusfigur ersetzt. Der Palmesel-Umritt wurde vor allem zur Zeit der Aufklärung zurückgedrängt; seine Verwendung im Rahmen der kirchlichen Feier war zeitweilig vielerorts verboten. In Salzburg etwa verbot Erzbischof Hieronymus von Colloredo 1779 und erneut 1782 solche „theatralische Darstellungen“ des liturgischen Geschehens. Dies führte zur Zerstörung vieler Palmesel.
Ein künstlerisch bedeutender Palmesel aus dem späten Mittelalter (stilistisch datiert: um 1530) steht seit 1915 im Bode-Museum in Berlin.[1] In Kößlarn wird ein Palmesel erstmals 1481 in einer Kirchenrechnung erwähnt. Der spätgotische Palmesel wurde erst im Jahr 2002 durch einen neuen ersetzt. Das Stadtmuseum Bozen verwahrt einen Palmesel von 1498, den Hans Klocker geschnitzt hat. Das Kloster Metten besitzt einen Palmesel aus der Barockzeit, ebenso die Pfarrei Zwiesel. In St. Martin in Landshut steht als Dauerleihgabe ein neuer Palmesel, im dortigen Heimatmuseum eine der frühesten mittelalterlichen Figuren. Der Palmesel aus Puch bei Hallein im Land Salzburg (Österreich) stammt aus dem 17. Jahrhundert. In Tirol sind im kirchlichen Brauchtum gleich alte Palmesel in Thaur und in Hall in Tirol erhalten.
Palmesel aus Steinen SZ, um 1055,
Landesmuseum ZürichDetail des Palmesels der Kirche in Bad Oberdorf
Die Bezeichnung „Palmesel“ wurde auch im übertragenen Sinn auf Menschen mit ähnlich ungebührlichem Verhalten angewandt. So nannte man lange Zeit den Buben, der mit seinem Palmwedel als letzter die Kirche betrat, den Palmesel. In Würzburg war hingegen üblich, den Kirchenbesuchern, die entgegen der Tradition in abgetragener Kleidung zum Gottesdienst erschienen, einen mit Kreide eingestaubten Stoffesel auf die Kleidung zu drücken, sie sinnbildlich als „Palmesel“ zu kennzeichnen. Heute wird dasjenige Familienmitglied – meist nur der Bub – als Palmesel gehänselt, das als letztes am Palmsonntag aufsteht[2].
Literatur
- Josef Anselm Adelmann: Christus auf dem Palmesel. In: Zeitschrift für Volkskunde, Jg. 63, 1967, S. 182–200.
- Adolf Reinle: Die Ausstattung deutscher Kirchen im Mittelalter. Darmstadt 1988, S. 211–214.
Siehe auch
Weblinks
- Palmeselprozession in Thaur
- Ritt auf dem Palmesel (PDF; 68 kB)
- Clemens Kosch: Auswahlbibliographie zum Thema Palmesel, auf dli.institute
Einzelnachweise
- ↑ Christus auf dem Palmesel. In: sb.museum-digital.de. Abgerufen am 10. April 2022.
- ↑ https://sbgv1.orf.at/magazin/leben/stories/101490/index.html Öst. Rundfunk. »Am Palmsonntag ist das der Palmesel, am Gründonnerstag folgt ihm der ›Gründonnerstagslackl‹, danach sind der ›Karfreitagstratsch‹, der ›Feuerhund‹ am Karfreitag, das ›Stinkige Ei‹ oder die ›Osterflade‹ am Ostersonntag und das ›Ostermontagstier‹ an der Reihe«. – Abg. Palmsonntag 2020