Carl Woese

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Carl Woese, 2004

Carl Richard Woese ([woʊz]; * 15. Juli 1928 in Syracuse, New York; † 30. Dezember 2012 in Urbana, Illinois[1]) war ein US-amerikanischer Mikrobiologe und Evolutionsbiologe. Er wurde bekannt durch seine Arbeiten über die Evolution der Zellorganisation von Bakterien und Archaeen, die genetische Phylogenese und die grundlegende Einführung der Archaeen (Archaea) als eine neue Domäne neben den Bakterien (Bacteria) und den Eukaryoten (Eukaryota). 1967 schlug er die Priorität der RNA über die DNA vor, eine Theorie, die 1986 von Walter Gilbert aufgegriffen und als RNA-Welt-Hypothese bekannt wurde.

Laufbahn

1950 schloss er am Amherst College mit dem B.A. in Mathematik und Physik ab. 1953 erhielt er den Doktor in Biophysik an der Yale University. Von 1953 bis 1960 war er als Postdoc im Fach Biophysik an der Yale University weiter tätig.

Von 1960 bis 1963 arbeitete er als Biophysiker am General Electric Research Laboratory, anschließend am Institut Pasteur in Paris. Seit 1964 war Woese Professor für Mikrobiologie am Center for Advanced Study an der University of Illinois at Urbana-Champaign.

3-Domänen-Modell

Phylogenetischer Baum basierend auf rRNA-Genen

Carl Woese und Otto Kandler schlugen im Jahr 1990 vor, das 3-Reiche- bzw. 5-Reiche-Modell zu verwerfen zugunsten eines Modells mit 3 Domänen: die Domänen der Bacteria, der Archaea und der Eukarya.[2] Durch die Einführung der neuen Domäne der Archaeen änderten sie die Basis des evolutionären Stammbaums. Woeses phylogenetische Taxonomie beruht auf der Grundlage genetischer Untersuchungen (vergleichender Sequenzanalyse der ribosomalen 16S rRNA von vielen verschiedenen Mikroorganismen) im Gegensatz zu der bisherigen Einteilung nach phänotypischen Unterschieden. Je ähnlicher ihre rRNA-Sequenzen, desto näher sind Organismen miteinander verwandt. Dies brachte ihm viel Kritik ein, auch von berühmten Biologen wie Salvador Luria und Ernst Mayr[3][4]. Nicht ohne Grund bezeichnete die Zeitschrift Science Woese als „Microbiology’s Scarred Revolutionary“ (der mit Narben bedeckte Revolutionär der Mikrobiologie).[5][6] Doch die wachsende Anzahl unterstützender Daten führte die wissenschaftliche Gemeinschaft dazu, die Archaeen als Domäne zu akzeptieren.

Horizontaler Gentransfer, Darwinsche Schwelle

Nach Woese tauschten zu Beginn des Lebens die Organismen ihre Gene in einem gemeinsamen Genpool frei aus (horizontaler Gentransfer), ohne dass es zu einer Artbildung gekommen wäre. Dieser freie Austausch genetischer Innovationen war die treibende Kraft der frühen Zellevolution. Darwins Idee der gemeinsamen Abstammung von einer Urzelle ist damit hinfällig. Mit wachsender Komplexität der Organismen wurde der Gentransfer problematischer; die Gene wurden zunehmend exklusiv an die direkten Nachkommen weitergegeben (vertikaler Gentransfer). Diesen Übergang hat Woese die „Darwinsche Schwelle“ (

„Darwinian Threshold“

) genannt. Da der Übergang fließend war, ist der Stammbaum in Wurzelnähe ein Geflecht, mit variierendem Ergebnis für die Wurzel, je nach dem betrachteten genetischen Material.[7]

Auszeichnungen

Literatur

  • Nigel Goldenfeld und Norman R. Pace: Carl R. Woese (1928–2012). In: Science. Band 339, Nr. 6120, 2013, S. 661, doi:10.1126/science.1235219
  • Harry Noller: Carl R. Woese (1928–2012). In: Nature. Band 493, Nr. 7434, 2013, S. 610, doi:10.1038/493610a
  • Jan Sapp: The New Foundations of Evolution: On the Tree of Life. Oxford University Press, New York 2009. ISBN 978-0-19-973438-2 [1]
  • David Quammen: The Tangled Tree: A Radical New History of Life. Simon & Schuster, 2018. ISBN 978-1-4767-7662-0

Weblinks

Commons: Carl Woese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Visionary UI biologist Carl Woese, 84, dies. In: news-gazette.com. 30. Dezember 2012, abgerufen am 15. Dezember 2017 (englisch).
  2. Carl R. Woese, Otto Kandler, Mark L. Wheelis: Towards a natural system of organisms: Proposal for the domains Archaea, Bacteria and Eucarya. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 87, Nr. 12, 1990, S. 4576–4579, doi:10.1073/pnas.87.12.4576 (pnas.org [PDF]).
  3. Ernst Mayr: Two empires or three? PNAS, 1998, doi:10.1073/pnas.95.17.9720 (freier Volltext).
  4. Carl R. Woese: Default taxonomy: Ernst Mayr’s view of the microbial world. PNAS, 1998, doi:10.1073/pnas.95.19.11043 (freier Volltext).
  5. Virginia Morell: Microbiology's Scarred Revolutionary. Science 276, 1997, doi:10.1126/science.276.5313.699.
  6. Jonathan M.: “Microbiology’s Scarred Revolutionary”: Carl Woese, RIP. Evolution News, 2013.
  7. C. R. Woese: On the evolution of cells. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 99, Nr. 13, Juni 2002, S. 8742–8747, doi:10.1073/pnas.132266999 (pnas.org [PDF]).
  8. Selman A. Waksman Award in Microbiology. National Academy of Sciences, abgerufen am 15. Dezember 2017.
  9. Member History: Carl R. Woese. American Philosophical Society, abgerufen am 11. Dezember 2018.