Diskussion:Bairische Dialekte/Archiv/2
Nordbairisch in der Steiermark? (erl.)
Daß in großen Teilen der Steiermark Hianzisch und damit ein auf das Nordbairische zurückgehender Dialekt gesprochen werde, wird seit diesem Edit vom November 2005 beleglos im Artikel behauptet, obwohl alle Karten (auch die Karte in Dialekte in Österreich) die gesamte Steiermark eindeutig als süd- oder mittelbairisch ausweisen. Entweder sind die Karten falsch (oder zumindest reichlich irreführend) oder die Behauptung. --Florian Blaschke (Diskussion) 19:39, 1. Feb. 2020 (CET)
- @Florian Blaschke: Gemeint ist wohl, dass die Gegend ursprünglich dem Nordbairischen zugeornet werden konnte und bis heute bei manchen Wörtern und Lauten Gemeinsamkeiten geblieben sind, obwohl es nun zum Mittel- und Südbairischen gezählt wird. Aber Bölln tun auch nach meiner subjektiven Erfahrung im bairisch-österreichischen Raum nur einige Steirer und die Oberpfälzer :-) --Trimna (Diskussion) 14:40, 20. Feb. 2020 (CET)
- @3mnaPashkan: Was bedeutet „ursprünglich“? Das muß sich doch klären lassen. Die Dialekte der Steiermark werden allgemein dem Südbairischen oder der Südgruppe des Mittelbairischen zugeordnet. Hianzisch wird meines Wissens nur im Burgenland gesprochen, als Folge einer Einwanderung im 11. Jahrhundert, und es ist unplausibel, daß in einer derart großen Gebiet der Steiermark Hianzisch gesprochen würde und es keine zuverlässige Quelle (geschweige denn einer der Kartenzeichner, oder ihre Quellen) gemerkt hätte, angesichts so typischer Merkmale des Nordbairischen wie der Entwicklung der fallenden mhd. Diphthonge uo, üe und ie (vgl. mhd. müezen und mittelbair. miassn, nordbair. einschl. hianzisch méissn). Wenn es für die Behauptung keinen Beleg gibt, ist sie wahrscheinlich schlicht falsch und sollte weg. --Florian Blaschke (Diskussion) 20:12, 27. Feb. 2020 (CET)
- @Freigut: Du müßtest hier doch helfen können ... --Florian Blaschke (Diskussion) 20:13, 27. Feb. 2020 (CET)
- Das mit dem fehlenden Beleg ist tatsächlich ein Problem. Das oben war nur meine persönlich Hypothese. Leider ist in diesem als lesenswert ausgezeichneten Artikel sehr vieles ohne Beleg. --Trimna (Diskussion) 20:17, 27. Feb. 2020 (CET)
- Liebe Kolleg(/inn?)en – ich bin kein Bairisch-Spezialist, aber die Durchsicht von Eberhard Kranzmayers Historischer Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraums mit 27 Karten und 4 Hilfskarten, Wien 1956 sowie von Peter Wiesingers Phonetisch-phonologischen Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten, Berlin 1970 lässt den Schluss nicht zu, dass in der Steiermark Nordbairisch gesprochen werde. Ich verstehe aber überdies auch nicht, inwiefern im Hianzischen nordbairische Elemente vorhanden sein sollen; weder Kranzmayers noch Wiesingers Werk scheinen mir Argumente hierfür zu liefern. Laut Wiesinger «erweisen sich … der grösste Teil der Steiermark, das südöstliche Niederösterreich und das Burgenland aber als eine südbairisch-mittelbairische Übergangszone». Lieber Gruss, --Freigut (Diskussion) 18:14, 28. Feb. 2020 (CET)
- Interessant – handelt es sich bei den angeblichen nordbairischen Einflüssen im Hianzischen (und in der Steiermark sowieso) also um eine Ente oder eine populäre Legende? Denn auch in den Karten ist auffälligerweise im Burgenland kein Punkt als nordbairisch oder nordbairisch beeinflußt markiert und Hianzisch wird dort überhaupt nicht erwähnt. Zugegeben war méissn in der Wortliste auf Hianzisch auch das einzige klar nordbairisch wirkende Beispiel, und anderswo erscheinen die üblichen Entsprechungen der Diphthonge im Süd- und Mittelbairischen, ua ~ ui und ia.
- Immerhin ist beachtenswert, daß es im Artikel heißt: „In den ostösterreichischen Mundarten (Weinviertel, Marchfeld, Nordburgenland) haben sich auch einige fränkische Sprachelemente erhalten (z. B. „nodich“ = arm, „hailich“ = heilig).“ Das ist aber freilich weiter nördlich als das fragliche Gebiet und klingt definitiv fränkisch und nicht nordbairisch – da heißt oder hieße es wohl allenfalls noudich und halich.
- Hier wäre wirklich ein echter Mensch vom Fach nötig, der klipp und klar sagen kann, was es sich mit dem Hianzischen auf sich hat ... --Florian Blaschke (Diskussion) 02:14, 29. Feb. 2020 (CET)
- Ich vermute, das mit dem Nordbairischen ist hereingekommen, weil es anscheinend Siedler gab, die aus diesem Raum stammen. Aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass diese für bleibende sprachliche Merkmale gesorgt hätten – gewöhnlich entwickeln sich Kolonialmundarten ja zu einer neuen Einheit, in der sich ein bestimmter Grundtypus durchsetzt. Auch das mit den fränkischen Elementen kann ich nicht recht glauben – vielleicht klingt da nur etwas ähnlich, aber das verweist ja noch lange nicht auf eine historische Kontinuität (es erinnert mich daran, wie einmal jemand behauptet hat, im Kanton Schaffhausen hätten Angelsachsen gesiedelt, da die Lautentwicklung /ei/ > /a:/ sowohl dem Schaffhauserdeutschen wie dem Altenglischen bekannt ist; hier einen genetischen Zusammenhang zu postulieren, ist natürlich Unsinn). Ich frage mal in Wien nach, habe da gewisse Andockmöglichkeiten. :-) Schönes Wochenende! --Freigut (Diskussion) 10:56, 29. Feb. 2020 (CET)
- Liebe Kolleg(/inn?)en – ich bin kein Bairisch-Spezialist, aber die Durchsicht von Eberhard Kranzmayers Historischer Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraums mit 27 Karten und 4 Hilfskarten, Wien 1956 sowie von Peter Wiesingers Phonetisch-phonologischen Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten, Berlin 1970 lässt den Schluss nicht zu, dass in der Steiermark Nordbairisch gesprochen werde. Ich verstehe aber überdies auch nicht, inwiefern im Hianzischen nordbairische Elemente vorhanden sein sollen; weder Kranzmayers noch Wiesingers Werk scheinen mir Argumente hierfür zu liefern. Laut Wiesinger «erweisen sich … der grösste Teil der Steiermark, das südöstliche Niederösterreich und das Burgenland aber als eine südbairisch-mittelbairische Übergangszone». Lieber Gruss, --Freigut (Diskussion) 18:14, 28. Feb. 2020 (CET)
- Das mit dem fehlenden Beleg ist tatsächlich ein Problem. Das oben war nur meine persönlich Hypothese. Leider ist in diesem als lesenswert ausgezeichneten Artikel sehr vieles ohne Beleg. --Trimna (Diskussion) 20:17, 27. Feb. 2020 (CET)
Lieber @Florian Blaschke: Ich habe umgehend Antwort von dem vielleicht kompetestenten Kenner der bairischen Mundarten und einem der kompetesten Kenner der deutschen Mundarten überhaupt, Peter Wiesinger, erhalten. Zum Ersten ist der Name Hianzisch, Heanzisch «nach 1945 rasch abgekommen und heute völlig unüblich», man wird das im einschlägigen Artikel vermerken müssen. Zweitens hat «der Dialekt des Burgenlandes […] weder etwas mit dem Nordbairischen der Oberpfalz (und bis 1945 des Egerlandes) zu tun noch mit dem Ostfränkischen [betrifft die angeblichen «fränkischen Sprachelemente»]. Er ist vielmehr südmittelbairisch in ungefährer östlicher Fortsetzung von Niederösterreich im Norden und der Oststeiermark im Süden. Da das Gebiet östlich der starken, jahrhundertealten Grenze von Österreich gegen das Königreich Ungarn liegt und nur geringe westliche Beziehungen bestanden, blieb es konservativ und bewahrt westlich im Wiener Becken geschwundene Erscheinungen. Dazu gehören besonders die Diphthonge ei – ou für mhd. e + ö – o und ui für mhd. uo, z. B. beit ‘Bett’, oufa ‘Ofen’, bui ‘Bub’. Ebenso gibt es teilweise bewahrten älteren Wortschatz.» Drittens stammt das mit dem Fränkischen aus einer längst überholten Ansicht aus dem 19. Jahrhundert. Damals wurde «das bis 1921 westungarische deutsche Sprachgebiet […] auf die Ansiedlung von Franken durch Karl den Großen zurückgeführt und als Heanzerei und seine Bewohner als Heanzen bezeichnet. Da der Kater im Ostfränkisch-Hennebergischen Heanz heißt, sah man darin eine Bestätigung.» Zum Namen Heanzisch, viertens, schreibt P. W.: «Er geht zurück auf die Koseform Heinz von Heinrich und lautet dialektal Hoanz (heute veraltet). Das kosende Diminutiv dazu ist Heinzi und auf dieses geht wohl mit Umlaut die Einwohnerbezeichnung Heanz zurück.» – Es ist eine der Tragiken der Wikipedia, dass viele Dialekt- (und Sprachen-)Artikel schwach bis völlig ungenügend sind, weil sie fast ausschliesslich von Liebhabern verfasst werden, welche die Fachliteratur nicht kennen – leider machen in der WP viel zu wenig Sprachwissenschafter geschweige denn Dialektologen mit (dieses Statement möchte ich mehr als Vorwurf an die Akademia verstanden wissen denn als ein solcher an die Liebhaber, die ja meinen, das Beste zu tun). Zum Heanzischen gibt es übrigens laut Wiesingers Bibliographie zur Grammatik der deutschen Dialekte. 1800–1980 etwa zehn Fachpublikationen, die man natürlich im einschlägigen Artikel einarbeiten sollte – aber um diese nun zu Rate zu ziehen, fehlt mir vor meiner noch fernen Pensionierung schlicht die Zeit. LG, --Freigut (Diskussion) 16:09, 2. Mär. 2020 (CET)
- Vielen, vielen lieben Dank für Deine Bemühungen, @Freigut: das ist ja ein Knaller! Ich habe den Abschnitt zum Heanzischen in diesem Artikel gleich mal entfernt – wie Du offensichtlich schon bemerkt hast. Erledigt --Florian Blaschke (Diskussion) 19:36, 2. Mär. 2020 (CET)
- Gern geschehen! -- Freigut (Diskussion) 22:49, 2. Mär. 2020 (CET)
zum Zusammenfall lenis fortis (im Mittelbairischen)
Zu dem Satz: Allgemeines Kennzeichen dieser Mundarten ist, dass Fortis-Laute wie p, t, k abgeschwächt werden zu den Lenis-Lauten b, d, g. Beispiele: Bèch, Dåg, Gnechd („Pech, Tag, Knecht“). Lediglich k- bleibt im Anlaut vor Vokal als Fortis erhalten (zum Beispiel in Khuá „Kuh“).
das wird nicht immer zu lenis sondern fällt in der Phonemik oder Phonologie zusammen (ist auch nicht allein Mittelbairisch):
- phonetisch gibt es vermutlich auch im Mittelbairischen lenis und fortis, d.h. nicht dass phonemisch beides angesetzt wird, weil die fortis-Laute gelängt sind und gerne als geminierte lenis-Konsonanten betrachtet und dann einfach doppelt geschrieben werden, also lenis (oder schwach artikuliert) d und fortis dd... d.h. was lenis und was fortis ist, wird positionsbedingt und ist nicht mehr etymologisch, daher weida (trotz t in weiter) mit lenis und Pfeaddal (trotz d in Pferd) mit fortis... was da bei k erhalten bleibt ist dagegen in erster Linie die Aspiration, die aus der Reihe *tʰ (z), *pʰ (pf), kʰ stammt...
* die historische Entwicklung ist eigentlich eher umgekehrt gewesen, im Bairischen wurde d, b, g stimmlos und deswegen früher auch t,p,k geschrieben, weil aspiriertes tʰ, pʰ, kʰ war ja zu z, pf, kch geworden, dann ist aber kch aus der Mode gekommen und kch wurde wieder zu kʰ, ist aber mit unaspiriertem k wegen der Aspiration nicht (oder nur partiell) zusammengefallen... dass dann die nichtaspirierten fortis-Laute gg, dd, bb geschrieben werden, wie in dabagga, liegt u.A. daran, dass von den meisten nach der Schreibweise der in der Schule gelernten Hochsprache geschrieben wird und viele Sprecher mit p,t,k Aspiration verknüpfen und nicht Stimmlosigkeit oder Fortis-Artikulation.
--Aferghes (Diskussion) 03:42, 12. Jul. 2021 (CEST)
- bzw. evtl. besser, es gibt eine Lenisierung (bspw. weita -> weida), die dann aber auch fürs Nordbairische gilt und nicht bedeutet, dass die Konsonanten stimmhaft werden. So wie es da steht, sieht es aus, als ob es im gesamten Mittelbairischen phonetisch keine fortis Laute gäbe, bis auf aspiriertes k, was eindeutig komparativ vom Lenis-Fortis-Konzept der Hochsprache ausgeht, wo Aspiration eine Rolle spielt --Aferghes (Diskussion) 11:25, 12. Jul. 2021 (CEST)
- ich denke das unter Binnendeutsche Konsonantenschwächung erwähnte loada und Loata wird auch Mittelbairisch unterschieden, oder vgl. die in der Magisterarbeit zur Phonologie erwähnte Opposition Gráttla /ˈkrátla/ : Rádla /ˈràtla/ ... --Aferghes (Diskussion) 12:19, 12. Jul. 2021 (CEST)
- ein paar mögliche oder denkbare Minimalpaar für Lenis-Fortis im Mittelbairischen, die mir noch aufgefallen sind, wären Koda "Kater" : Kotta "Gefängnis", Boign "Biegen" : Boikn "Balken", Rattla ein Hund : Radla ein Fahrradfahrer oder ein Getränk, Load(a) ein Fass (Leite) im Wörterbuch von Degasperi : Loata Leiter; dudln Musik machen : duttln saugen... --Aferghes (Diskussion) 15:29, 12. Jul. 2021 (CEST)
hat sich Erledigt, hab ich jetzt geändert --Aferghes (Diskussion) 02:47, 17. Jul. 2021 (CEST)