Benutzer Diskussion:Freigut

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Froschauer-Bibel

Hallo Freigut! Ich hab da eine Frage... Wie wird die Sprache der Froschauer-Bibel korrekt bezeichnet? Ist Alemannisch nicht zu ungenau (Zwinglis Sprache unterscheidet sich ja vermutlich von heutigen alemannischen Dialekten)? Viele Grüße & vielleicht bis nächste Woche bei der GLAM on Tour in Zürich: --Ktiv (Diskussion) 18:40, 8. Sep. 2022 (CEST)

@Ktiv: «Alemannisch» ist nicht falsch – es gibt ja nicht nur das rezente Alemannisch, sondern auch verschiedene historische Stufen dieser Regionalsprache (das Alemannisch der althochdeutschen, der mittelhochdeutschen, der frühneuhochdeutschen Zeit). Aber ich muss vielleicht weiter ausholen:
Im 15. und 16. Jahrhundert schrieben geübte Schweizer Schreiber in der sogenannten «Eidgenössischen Landsprache». Die Sprache der Froschauer-Bibel ist nicht «Zwinglis Sprache» – Zwingli sprach einen Dialekt, der sich von der auch damals geschriebenen Sprache stark unterschied. Die eidgenössische Landsprache war eine überregionale alemannische Kanzleisprache, die Dialektales zu vermeiden suchte und damit beispielsweise für die inter-eidgenössische Diplomatie geeignet war. Aber auch die Chronisten brauchten sie (wie bspw. Valerius Anshelm und Vadian), und ebenso bedienten sich die Reformatoren wie Zwingli und Heinrich Bullinger ihrer. Etwas unwissenschaftlich gesprochen, war sie die «Standardsprache» der Deutschschweiz (in aller Kürze siehe hier). Auch die Zürcher Bibel des 16. Jahrhundert ist in dieser Schreibsprache verfasst. Mit einer Ausnahme, für die ich nie eine überzeugende Erklärung gefunden habe:
Die Mehrheit (wenn ich das richtig im Kopf habe) der verschiedenen Drucke ab den 1520er-Jahren wendet nämlich die (früh-)neuhochdeutsche Diphthongierung an. Während alle obgenannten Personen wyn, hus, lüt (für Wein, Haus, Leute) schrieben, wie es im Alemannischen damals wie heute fast überall lautet, heisst es in der Mehrzahl der Drucke der Froschauer-Bibel weyn, haus, leut (oder ähnlich). Das macht für mich die Benennung der Sprache, in der die Froschauer-Bibel gedruckt ist, schwierig: Zwar alemannisch bzw. in eidgenössischer Landsprache, ABER mit den (früh-)neuhochdeutschen Diphthongen. Und diese Diphthonge stehen einfach ganz schräg in der Landschaft, die hat vor ca. 1580 in der Deutschschweiz fast niemand angewandt. Es ist mir ein Rätsel, und auch Walter Haas, den ich angefragt habe, weil er der grösste Kenner der damaligen Schreibgewohnheiten ist, kennt keine überzeugende Antwort. Vielleicht ein Einfluss von der Luther-Bibel, die ja die Grundlage für die Zürcher Ausgabe des Neuen Testaments bildete (wobei die Wörter, Laute und Formen, die nicht auch oberdeutsch waren, durch oberdeutsche ersetzt wurden)? Und sollten die Ausgaben mit den Diphthongen für den Export bestimmt sein, die ohne neue Diphthonge für den inländischen Gebrauch? Falls ja: Warum dann Drucke mit den neuen Diphthongen machen, wenn man im Übrigen dennoch die nicht alemannischen Wörter und Endungen durch alemannische ersetzt? Das geht für mich nicht auf.
Darum ist eine Antwort etwas schwierig: «Alemannisch basierte ‹eidgenössische Landsprache›, aber in einem Teil der Drucke mit den ganz unalemannischen frühneuhochdeutschen Diphthongen.» An und für sich ist der Sachverhalt im Wikipedia-Artikel Zürcher Bibel meines Erachtens zutreffend beschrieben. Ich kann bei Gelegenheit noch nachschauen, ob Jakob Zollinger in seiner Dissertation über die Sprache der Zürcher Bibel hierzu etwas sagt, aber ich fürchte, wir kommen dort nicht weiter.
Viele Grüsse, --Freigut (Diskussion) 20:04, 11. Sep. 2022 (CEST)
Danke für die ausführliche Einschätzung! Bei Lavater-Briner habe ich jetzt gelesen, dass die Diphtongierung möglicherweise ein Werk des Druckers ist, zwecks Erweiterung des Kundenkreises. Für mich ist jetzt erstmal eine Lesephase angesagt, um die Diskussion über die sprachliche Entwicklung in Froschauers Bibeldrucken nachzuvollziehen. Wenn das entsprechende Kapitel in dem geplanten Artikel Froschauer-Bibel dann steht, würde ich mich über ein kritisches Feedback freuen. Mit herzlichen Glückwünschen zum 15-jährigen Jubiläum, siehe unten: --Ktiv (Diskussion) 09:46, 12. Sep. 2022 (CEST)
@Ktiv: Auch lesenswert: Walter Haas: Etliche wörtly geenderet: Luthers Bibel und die Zürcher Bearbeitung (= Schriften des europäischen Zentrums für Sprachwissenschaften. Band 7). In: Norbert Richard Wolf (Hrsg.): Martin Luther und die deutsche Sprache – damals und heute. Winter, Heidelberg 2017, S. 167–186. Kann dir ein PDF schicken, wenn der Aufsatz nicht greifbar ist. Und: Danke! :-) --Freigut (Diskussion) 09:50, 12. Sep. 2022 (CEST)
Ein PDF wäre sehr willkommen, danke für das Angebot. --Ktiv (Diskussion) 09:56, 12. Sep. 2022 (CEST)

Wikiläum

Hiermit gratuliere ich
Freigut
zu 15 Jahren ehrenamtlicher Arbeit
im Dienst der Verbesserung unserer Enzyklopädie
und verleihe den
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Wikiläums-Verdienstorden in Rubin
gez. JoeHard (Diskussion) 00:02, 12. Sep. 2022 (CEST)

Hallo Freigut,

vor genau 15 Jahren, am 12. September 2007, hast Du hier zum ersten Mal mitgearbeitet, deshalb heute mein Glückwunsch zum fünfzehnjährigen Wikiläum. Danke für die mehr als 52.500 Edits und die 102 neu angelegten Artikel. Besondere Anerkennung verdienen dabei Deine zahlreichen Beiträge über unsere Sprache und über Sprachwissenschaftler. Ich hoffe, dass Du hier weiterhin gern und noch lange mitarbeitest. Wenn Du es wünschst, kann Dir auch eine Wikiläums-Medaille zugeschickt werden. Details dazu findest Du hier.

Viele Grüße aus Hamburg nach Zürich --JoeHard (Diskussion) 00:02, 12. Sep. 2022 (CEST)

Danke! Mitgearbeitet habe ich ja eigentlich schon früher, aber noch als IP, haha. --Freigut (Diskussion) 09:18, 12. Sep. 2022 (CEST)