Deutsche Minderheit in Tschechien
Die deutsche Minderheit Tschechiens lebt in den Landesteilen Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien.
Deutsche Minderheit in Tschechien
Zur deutschen Minderheit in Tschechien bekannten sich bei der Volkszählung 2001 etwa 39.000 Menschen, was rund 0,4 Prozent der Gesamtbevölkerung der Tschechischen Republik umfasst. Es handelt sich dabei überwiegend um Nachfahren der trotz der Vertreibung im Land verbliebenen Deutschböhmen und Deutschmährer. Weder die tschechische Regierung sieht diese Bevölkerungsgruppe als Sudetendeutsche noch erklärt sich die Mehrheit der dortigen Deutschen als Angehörige dieser von politischen Vertretern häufig als historisch eingestuften Minderheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die verbliebenen Deutschen in der damaligen Tschechoslowakei einem starken Anpassungsdruck unterworfen, so dass sich speziell jüngere Angehörige dieser Minderheit häufig der tschechischen Mehrheitsbevölkerung im Land assimilieren.
Die deutsche Minderheit war vor dem Zweiten Weltkrieg mit einem Anteil von ungefähr 30 Prozent auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens die bei weitem bedeutendste Minderheit. Bei der Volkszählung 1921 gaben 3,06 Millionen Menschen deutsch als Nationalität an, bei der Zählung 1930 waren es 3,23 Millionen.[1]
Bei der ersten Erhebung nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1950 waren es, aufgrund der oben genannten Gründe, nur noch ca. 160.000 Deutsche auf dem Gebiete Tschechiens. Diese Zahl nahm danach beständig ab. So lag sie 1970 bei etwa 81.000 und bei der letzten Erhebung 2001 bei 39.100.[2]
In absoluten Zahlen lebt heute die größte deutsche Minderheit im Ústecký kraj (insgesamt 9.500 deutsche Einwohner), den höchsten prozentualen Anteil besitzt der Karlovarský kraj mit fast 3 %. Innerhalb des Karlovarský kraj ist der Bezirk Sokolov mit 4,5 % der Bezirk mit der größten deutschen Minderheit in Tschechien. Im Ort Měděnec (im Okres Chomutov) bekannte sich ein Viertel der Einwohner zur deutschen Minderheit. Etwa ein Fünftel bildet die deutsche Minderheit in den Orten Tatrovice (Okres Sokolov), Horská Kvilda (Okres Klatovy) und Kryštofovy Hamry (Okres Chomutov). Alle Orte sind Gemeinden der kleinsten Größenkategorie bis 199 Einwohner.[3] Im Einzelnen beträgt der Anteil der Deutschen in folgenden Gemeinden Tschechiens über zehn Prozent:[4]
- Měděnec (dt. Kupferberg)
- Tatrovice (dt. Dotterwies)
- Horská Kvilda (dt. Innergefild)
- Kryštofovy Hamry (dt. Christophhammer)
- Stříbrná (dt. Silberbach am Erzgebirge)
- Horní Blatná (dt. Bergstadt Platten)
- Mikulov v Krušných horách (dt. Niklasberg bei Teplitz-Schönau)
- Abertamy (dt. Abertham)
- Josefov (dt. Josefsdorf)
- Kaceřov u Kynšperka nad Ohří (dt. Katzengrün)
- Boží Dar (dt. Gottesgab im Erzgebirge)
- Pernink (dt. Bärringen)
- Bublava (dt. Schwaderbach im Erzgebirge)
- Vejprty (dt. Weipert)
- Staré Sedlo u Sokolova (dt. Altsattl am Erzgebirge)
- Krásno nad Teplou (dt. Schönfeld bei Falkenau)
- Královské Poříčí (dt. Königswerth bei Falkenau)
- Žacléř (dt. Schatzlar)
Die Mundarten der deutschen Minderheit in Tschechien werden im Rahmen des Sudetendeutschen Wörterbuchs und des Atlasses der historischen deutschen Mundarten auf dem Gebiet der Tschechischen Republik dokumentiert und erforscht.
Deutsche Staatsangehörige in Tschechien
Neben dieser oben genannten Gruppe gibt es eine besonders seit dem EU-Beitritt Tschechiens wachsende Zahl deutscher Staatsangehöriger in der Tschechischen Republik. Im Sommer 2011 hatten von den ca. 15.000 Deutschen in der Tschechischen Republik nur ca. 4.400 eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. Die übergroße Mehrheit der Deutschen hatte nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Das Männer-Frauen-Verhältnis ist mit ca. 80:20 sehr einseitig.[5][6][7][8]
Ende 2007 lebten mit 4805 die meisten Deutschen im Ústecký kraj, gefolgt von der Hauptstadt Prag mit 2437 Deutschen und dem Plzeňský kraj mit 2219 Deutschen. Die beiden nordböhmischen Kreise Ústecký kraj und Karlovarský kraj (1768 Deutsche) haben mit jeweils 0,58 % den höchsten Anteil an Deutschen, gefolgt vom Plzeňský kraj mit 0,4 %.[9]
In den letzten Jahren nahmen nur sehr wenige Deutsche die tschechische Staatsbürgerschaft an. Zwischen 2001 und 2008 wurden lediglich 39 Deutsche tschechische Staatsbürger.[10][11][8][12]
Stichtag | Deutsche in Tschechien |
Anteil an der Gesamtbevölkerung |
Anteil an den Ausländern in Tschechien |
---|---|---|---|
31.12.1994 | 4.195 | 0,04 % | 4,02 % |
31.12.1995 | 5.553 | 0,05 % | 3,49 % |
31.12.1996 | 5.875 | 0,06 % | 2,95 % |
31.12.1997 | 5.927 | 0,06 % | 2,70 % |
31.12.1998 | 6.248 | 0,06 % | 2,73 % |
31.12.1999 | 6.112 | 0,06 % | 2,67 % |
31.12.2000 | 4.968 | 0,05 % | 2,47 % |
31.12.2001 | 4.937 | 0,05 % | 3,01 % |
31.12.2002 | 5.183 | 0,05 % | 2,89 % |
31.12.2003 | 5.188 | 0,05 % | 2,66 % |
31.12.2004 | 5.772 | 0,06 % | 2,98 % |
31.12.2005 | 7.187 | 0,07 % | 2,78 % |
31.12.2006 | 10.109 | 0,10 % | 3,14 % |
31.12.2007 | 15.700 | 0,15 % | 4,00 % |
31.12.2008 | 17.496 | 0,17 % | 3,99 % |
31.12.2009 | 13.792 | 0,13 % | 3,18 % |
31.12.2010 | 13.871 | 0,13 % | 3,26 % |
31.12.2011 | 15.763 | 0,15 % | 3,63 % |
31.12.2012 | 17.149 | 3,93 % | |
31.12.2013 | 18.507 | 4,21 % | |
31.12.2014 | 19.687 | 4,38 % | |
31.12.2015 | 20.464 | 4,40 % | |
31.12.2016 | 21.216[13] | 4,27 % |
Medien der deutschsprachigen Minderheit
Das Angebot reicht von wissenschaftlichen Fachzeitschriften wie Germanoslavica oder Communio Viatorum bis hin zum Wirtschaftsmagazin Plus.
Wichtigste Publikationen war die bis 2016 wöchentlich erscheinende Prager Zeitung und ist die alle 14 Tage erscheinende Landesecho – Zeitschrift der Deutschen in der Tschechischen Republik. Letztere wird von der deutschen Minderheit herausgegeben und vom tschechischen Staat gefördert wie auch finanziert.
Hörfunksendungen in deutscher Sprache produzieren Radio Prag[14], die Regionalstudios von Český rozhlas für Olmütz und die Region Středočeský kraj[15][16] sowie Hallo Radio Hultschin[17].
Deutschsprachige Einrichtungen in Tschechien
- Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität in der ČR
- Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien
- Landeszeitung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, erscheint alle 14 Tage, herausgegeben von der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien
- Prager Zeitung
- Deutsche Schule Prag
- Österreichisches Gymnasium Prag
- Deutschsprachige Evangelische Gemeinde Prag
- Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Siehe auch
Weblinks
- Peter Josika: Mehrsprachig: Ein Faktor der Versöhnung. Mit dem Aufstellen zweisprachiger Ortsschilder tut sich Tschechien schwer. Prager Zeitung, 21. August 2007
- mundArt. Deutsche Dialekte in Tschechien, abgerufen 2. Dezember 2015
- Deutschsprachige Evangelische Gemeinde Prag
Einzelnachweise
- ↑ Das kluge Alphabet, Band 2, Propyläen Verlag, 1935, S. 350.
- ↑ Population by nationality: as measured by 1921–2001 censuses (PDF; 90 kB)
- ↑ Tschechisches Statistisches Amt: Deutsche Nationalität (Memento vom 24. September 2008 im Internet Archive) (tschechisch)
- ↑ Artikel in der Prager Zeitung
- ↑ Foreigners by citizenship 1994–2007 (31.12.) (PDF; 77 kB)
- ↑ Foreigners: by type of residence, sex and citizenship, 31. Dezember 2008 (PDF; 48 kB)
- ↑ CZSO: Foreigners: by type of residence, sex and citizenship, 31. Dezember 2009 (PDF)
- ↑ a b CZSO: Foreigners: by type of residence, sex and citizenship, 30. November 2011 (PDF)
- ↑ Foreigners: by region, district and citizenship, 31. Dezember 2007 (PDF; 178 kB)
- ↑ Czech citizenship acquired per year: number, by previous citizenship; 2001–2008 (PDF; 58 kB)
- ↑ CZSO: Foreigners: by type of residence, sex and citizenship, 31. Dezember 2010 (PDF; 46 kB)
- ↑ CZSO:Cizinci v ČR podle státního občanství 1994–2012 (31.12.)
- ↑ Český statistický úřad: Foreigners in the Czech Republic, Dezember 2017 (PDF; 11,3 MB), Seite 65, verlinkt von Cizinci v ČR - 2017
- ↑ Radio Prag auf Deutsch
- ↑ Deutschsprachige Radiosendung des tschechischen Regionalhörfunks (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
- ↑ Deutschsprachige Radiosendung des tschechischen Regionalhörfunks
- ↑ Deutschsprachige Radiosendung Hallo Radio Hultschin (Memento vom 29. Juli 2014 im Internet Archive)