Elisabeth Schröder (Turnerin)

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Elisabeth Bertha „Els“ Schröder (* 9. Juni 1899 in Fürth; † 31. März 1996 in München) war eine deutsche Turnerin. Sie lehrte als Dozentin für Sport an der Lehrerinnenbildungsanstalt in Kaiserslautern und wurde 1929 auf dem Deutschen Turntag in Berlin zur ersten Deutschen Frauenturnwartin gewählt.

Leben und Wirken

Ausbildung und erste Stationen

Els Schröder trat 1915 in den Turnverein Fürth ein und wurde 1918 Gauturnwartin im Regnitz-Turngau.[1] Sie absolvierte ein Sportstudium an der Bayerischen Turnanstalt in München und beendete dieses 1920 mit Auszeichnung. 1923 nahm sie am Deutschen Turnfest in München teil, dem ersten, an dem Turnerinnen teilnehmen konnten. Später bildete sie sich bei Karl Loges in Hannover, Hinrich Medau in München und Fritz Groh in Leipzig fort.[1] Im Jahr 1925 berief sie das bayerische Kultusministerium – die Pfalz war damals Teil Bayerns – an die Lehrerinnenbildungsanstalt in Kaiserslautern, wo sie Grundschullehrerinnen für das Fach Sport ausbildete.[1] Als 1928 als eine Neuerung der regelmäßige Turnunterricht für Mädchen am damaligen Humanistischen Gymnasium in Kaiserslautern (heute Albert-Schweitzer-Gymnasium) eingeführt wurde, wurde ihr dieser Unterricht übertragen.[2]

1925 gründete sie im Turnverein 1861 Kaiserslautern eine neue Turnabteilung, aus der 1928 mehrere Frauen-, Turnerinnen- und Jugendturnerinnen-Abteilungen hervorgingen. Sie leitete Abteilungen zur Ausbildung für Vorturnerinnen und eine Vorführungsabteilung.

Frauenturnwartin im Pfälzer und im Deutschen Turner-Bund

1926 wurde Schröder zur Kreisfrauenturnwartin des Pfälzer Turnerbundes gewählt, eine Position, die bisher nur von Männern besetzt war. Sie bemerkte dazu: „Da aber in allen deutschen ‚Turnkreisen‘, mit Ausnahme von Ostpreußen und der Pfalz, nur Männer [..,] gute Turn- und Lehrmeister, als Frauenturnwarte tätig waren, war für mich der Anfang bitterschwer.“[3] Selbst bis in die 1930er Jahre gab es nur in sechs von 23 Turngauen eine Frauenturnwartin. So war Schröder auch hier eine Pionierin.[4]

Als Frauenturnwartin des Pfälzer Turnerbundes plante und begleitete sie die Darbietung der Turnerinnen der Pfalz auf dem Deutschen Turntag in Köln 1928. Hier zeigte sie auch erstmals ihre „allgemeinen Freiübungen“ für sechs- bis zehnjährige Mädchen, Vorläufer der heutigen rhythmischen Sportgymnastik. Zeitgenössisch übertitelt hießen sie: „Wir wollen uns recken und strecken, den Blick zum Himmel gewandt“, „Wir wollen uns wiegen und biegen wie 's Bäumchen im Wind“ oder „Wir wollen hüpfen und springen, bekunden fröhlichen Sinn“.[5]

1929 leitete Schröder – weil Ober- und Männerturnwart gleichzeitig erkrankt waren – erstmals als Frau die Freiübungen der Männer auf dem 2. Pfälzischen Kreisturnfest.

Einen Höhepunkt fand ihr Werdegang, als Schröder am 4. Oktober 1929 beim Deutschen Turntag in Berlin, der 20. Veranstaltung des DTT, im Deutschen Reichstag mit 188 zu 148 zur ersten Deutschen Turnwartin gewählt wurde und damit erstmals auch auf Landesebene eine Frau das Frauenturnen leitete. Unterstützung erhielt sie durch eine programmatische Rede von Henni Warninghoff, die sich für eine Frau in dieser Position eingesetzt hatte. In seinem Rückblick auf diesen Turntag hat Alexander Dominicus, der wiedergewählte Vorsitzende des Deutschen Turntages, ausdrücklich diese Wahl begrüßt: „Wer sich vergegenwärtigt, wie stark die prozentuale Zunahme des weiblichen Geschlechts in der DT in den letzten Jahren geworden ist, der kann sich der Erkenntnis nicht verschließen, dass diese Wahl einer Frau ein notwendiger und glücklicher Schritt in der Anpassung an die Zeitverhältnisse gewesen ist.“[6] Dennoch erfuhr Schröder in ihrer Arbeit viel Widerstand von Männern und von Frauen gleichermaßen, aber sie äußerte dazu: „Ich ließ mich aber nicht beirren, ging gerade meinen Weg und wurde dann auch anerkannt.“[3]

Als eines der schönsten Erlebnisse ihrer Turn-Laufbahn erwähnte Schröder stets das 15. Deutsche Turnfest 1933 in Stuttgart, bei dem sie als erste Frau die Freiübungen der 17.000 Turnerinnen gestaltete. Dies zeugte von einem hohen Maß an Kreativität und bedeutete die Bewältigung eines großen logistischen Aufwands.[4]

Beitrag zur Gestaltung des Frauenturnens

In ihrer Schrift „Die Leibesübungen der weiblichen Jugend“[7] plädierte Schröder 1935 als Frauenturnwartin der Deutschen Turnerschaft dafür, dass Frauen teilhaben können an einer Vielzahl von Sportarten. Sie sah die Bedeutung des Sports für Mädchen und Frauen darin, die natürliche Bewegungsfreiheit zu erhalten, Wachstumsreize zu vermitteln und damit wohltuend besonders auf Herz und Lunge zu wirken, Freude an der Bewegung zu steigern zur Lebenslust, auch Freude an der körperlichen Leistungsfähigkeit zu haben und das alles in Gemeinschaft zu erfahren. Die „Bewegungsschulung“ „verlangt Harmonie der Bewegungen, eine Einstimmung höchsten Grades und eine ewige Wechselbeziehung von Körper zu Geist und Seele. Sie verlangt einen feinen Kräfteeinsatz…, um ein Höchstmaß von Leistung zu erreichen. Das ist Koordination in der Vollendung, das ist Harmonie, nach der wir drängen, das ist ungehemmte Natürlichkeit, Schönheit. Darin liegt Bewegung, und Bewegung ist Leben, und Leben ist Freude, und Freude gibt Kraft und Gesundheit.“[7]

Gleichzeitig setzte sie in Kaiserslautern eine moderne Sportkleidung durch, die Arme und Beine nicht mehr bedeckte. Bei Festzügen trugen die Turnerinnen ärmellose Kleider mit kniekurzen Röcken, die sich auch bei den Tänzen gut verwenden ließen.

Turnen und Politik in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Vielfalt der Turn- und Sportvereine im Deutschen Reich wurde in der Zeit des Nationalsozialismus durch das Verbot von der sozialdemokratischen und marxistischen Arbeiterturn- und Sportbewegung (1933) sowie der konfessionellen Turnverbände (1935) rigoros beschränkt. Jüdische Organisationen wurden nach den Olympischen Spielen 1936 verboten. Einerseits positionierte sich auch Els Schröder gegen die „Freien Turner im MTSV“, dem marxistischen Turn- und Sportverein in Kaiserslautern, als sie äußerte, sie habe „die Absicht, mit den Turnerinnen den Platz zu verlassen, wenn frühere Mitglieder der früheren Freien Turn- und Sportvereine zum Wettturnen antreten“[8] sollten. Andererseits verweigerte sie sich selbst der Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus:

Bei der Olympiade 1936 in Berlin hatte Els Schröder die gymnastischen Übungen von Turnerinnen im Begleitprogramm choreographiert.[9] Adolf Hitler zeigte sich beeindruckt von der Leistung der Frauen und lud zum Gespräch ein. Es kam fast zu einem Eklat, als Els Schröder diesem Wunsch nicht unverzüglich Folge leistete und zuerst noch ihre Turnerinnen betreute und dann Hitler mit einem „Grüß Gott, Herr Hitler“ statt „Heil Hitler“ begrüßte.[1]

Aufsehen erregte auch ihre Entscheidung, nicht der NSDAP beizutreten. Die Mitgliedschaft in der Partei war für alle Funktionäre im Sport nach der Gleichschaltung der Deutschen Turnerschaft im Reichsbund für Leibesübungen Voraussetzung geworden. Die protestantisch geprägte Els Schröder verlor mit der Weigerung des Beitritts in die NSDAP alle turnerischen Ämter im eigenen Turnverein und auf allen Ebenen der Deutschen Turnerschaft.[1]

In den folgenden Jahren arbeitete sie als Landessportführerin beim Deutschen Roten Kreuz. Während des Krieges war sie als DRK-Schwester in Frankreich eingesetzt und war auch dort bei Lehrgängen sportliche Leiterin.

Wirken nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich Schröder vor allem dem Wiederaufbau der regionalen Turnverbände. Das Amt der Frauenturnwartin im Barbarossa-Veldenz-Kreis, dem heutigen Turngau Sickingen, übergab sie 1948 an Lieselotte Steingötter. Sie selbst übernahm das Amt der Landesfrauenturnwartin im Pfälzer Turnerbund, das sie bis 1954 innehatte. Später war sie Landeskulturwartin, bis sie in den Ruhestand versetzt wurde. Der Pfälzer Turnerbund ernannte sie zum Ehrenmitglied. 1994 erhielt sie die Ehrengabe des Deutschen Turner-Bundes.

Bis in ihre letzten Tage verfolgte sie das Geschehen im Pfälzer Turnerbund. Immer wieder schrieb sie Freunden, wie sehr sie sich der Pfalz, den Turnerinnen und Turnern verbunden fühlte.[1] Bis 1988, als sie fast 90 Jahre alt war, besuchte sie immer noch Turnstunden, gekleidet in ihr Outfit der Olympiade von 1936. Selbst nach ihrem 90. Geburtstag war die tägliche Gymnastik für sie so selbstverständlich wie das Zähneputzen.[4]

Els Schröder starb wenige Tage vor ihrem 97. Geburtstag am 31. März 1996 in einem Krankenhaus in München.

Positionen von Els Schröder und ihre Würdigung

Als einer ihrer Grundsätze formulierte Els Schröder 1932, im Zentrum des Turnens stehe der Mensch als Individuum mit Körper, Seele und Geist. Diese Einheit solle und müsse bei allem berücksichtigt werden. Daher sah sie später die Entwicklung des modernen Elitesports mit einem gewissen Maß an Skepsis.[4]

Sie war begeistert von der Entwicklung verschiedener Stile im Bereich der Gymnastik und der Vielfalt der Möglichkeiten im Turnen. Sie begrüßte die Entwicklung, Turnen für alle Altersstufen anzubieten vom Kleinkind bis hin zu den Senioren. Das soziale Engagement der Vereine lag ihr am Herzen und sie freute sich über die wachsende Zahl von Frauen in der Organisation des Deutschen Turner-Bundes.[4]

Els Schröder wurde manchmal in Anlehnung an „Turnvater Jahn“ als „Turnmutter Schröder“ bezeichnet. Heute wird sie als eine Frau gewürdigt, die für die Fähigkeiten von Frauen, ihre Führungsqualitäten und ihrer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen steht und dafür, für die Rechte von Frauen einzutreten.

Ehrungen

Els-Schröder-Preis

Alljährlich vergibt der Deutsche Turner-Bund den Els-Schröder-Preis für Frauen,[10] die sich innovativ und gesellschaftspolitisch engagieren: für gleichberechtigte Partizipation von Männern und Frauen, für die Ermutigung von Frauen und Mädchen, Führungsämter zu übernehmen, für Projekte und Angebote für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund.

Literatur

  • Marliese Fuhrmann: Els Schröder. Die erste Frauenturnwartin Deutschlands. In: Fuhrmann, Marliese: Anna und Andere. Frauenwege in der Pfalz. Koblenz: Görres 2007, S. 182–185. ISBN 978-3-935690-63-8
  • Markwart Herzog: „Turnmutter Schröder“ gegen „marxistische Vereine“: Der Turnverein 1861 Kaiserslautern. In: Markwart Herzog (Hrsg.): Gleichschaltung des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland. Kohlhammer, Stuttgart 2016. S. 146–147. ISBN 9783170309579.
  • Gernot Horn: Die Turnbewegung hat ihm viel zu verdanken: Alexander Dominicus – Vorsitzender der Deutschen Turnerschaft bis 1933. S. 4–5. Online
  • Jan Kutscher: Wir wollen uns recken. In: DIE ZEIT Nr. 20/1996 vom 10. Mai 1996. ZEIT-ONLINE
  • Gertrud Pfister: Women’s Gymnastics in Women’s Hands. Els Schröder and the German Turnen and Gymnastics Movement. In: Susan J. Bandy, Annette R. Hofmann, Arnd Krüger: Gender, body and sport in historical and transnational perspectives. In: Schriften zur Sportwissenschaft, Band 72. Hamburg: Kovač, 2008, S. 197–211. ISBN 978-3-8300-3038-6
  • Els Schröder: Die Leibesübungen der weiblichen Jugend. In: Kurt Richter (Hrsg.): Die Hilfsmittel der Jugendpflege: Leibesübungen. Heft III des Handbuchs der Jugendpflege. Eberswalde, Berlin, Leipzig: Verlagsgesellschaft R. Müller, 1935. S. 41–54.
  • Sissi Wilhelm: Ein Interview mit der ersten deutschen Turnwartin Else Schröder. In: Sissi Wilhelm (Hrsg.): Frauengeschichte – Frauengeschichten aus Kaiserslautern, Arbogast, Otterberg 1994, S. 103–105.
  • 52. Jahresbericht des Humanistischen Gymnasiums Kaiserslautern für das Schuljahr 1928–1929. Lösch, Kaiserslautern 1929. S. 4. Digitalisat

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Marliese Fuhrmann: Els Schröder. Die erste Frauenturnwartin Deutschlands. In: Marliese Fuhrmann: Anna und Andere. Frauenwege in der Pfalz. Görres, Koblenz 2007, S. 182–185. ISBN 978-3-935690-63-8.
  2. 52. Jahresbericht des Humanistischen Gymnasiums Kaiserslautern für das Schuljahr 1928–1929. Kaiserslautern: Lösch, Kaiserslautern 1929.
  3. a b Sissi Wilhelm: Ein Interview mit der ersten deutschen Turnwartin Else Schröder. In: Sissi Wilhelm (Hrsg.): Frauengeschichte – Frauengeschichten aus Kaiserslautern. Arbogast, Otterberg 1994, S. 103–105.
  4. a b c d e Gertrud Pfister: Women’s Gymnastics in Women’s Hands – Els Schröder and the German Turnen and Gymnastics Movement. In: Susan J. Bandy, Annette R. Hofmann, Arnd Krüger: Gender, body and sport in historical and transnational perspectives. In: Schriften zur Sportwissenschaft, Band 72. Hamburg: Kovač, 2008, S. 197–211. ISBN 978-3-8300-3038-6.
  5. Jan Kutscher: Wir wollen uns recken. In: DIE ZEIT Nr. 20/1996 vom 10. Mai 1996. ZEIT-ONLINE
  6. Gernot Horn: Die Turnbewegung hat ihm viel zu verdanken: Alexander Dominicus – Vorsitzender der Deutschen Turnerschaft bis 1933. S. 4–5. Digitalisat
  7. a b Els Schröder: Die Leibesübungen der weiblichen Jugend. In: Richter, Kurt (Hrsg.): Handbuch der Jugendpflege. Band 3. Verlagsgesellschaft R. Müller, Eberswalde, Berlin, Leipzig 1935, S. 41–54.
  8. Markwart Herzog: „Turnmutter Schröder“ gegen „marxistische Vereine“: Der Turnverein 1861 Kaiserslautern. In: Markwart Herzog (Hrsg.): Gleichschaltung des Fußballsports im nationalsozialistischen Deutschland. Kohlhammer, Stuttgart 2016. S. 146–147. ISBN 9783170309579.
  9. Marliese Fuhrmann: Els Schröder. Die erste Frauenturnwartin Deutschlands. In: Fuhrmann, Marliese: Anna und Andere. Frauenwege in der Pfalz. Koblenz: Görres 2007, S. 182–185. ISBN 978-3-935690-63-8. S. 183.
  10. Els-Schröder-Preis. Abgerufen am 25. November 2020.