Jean-Marie Le Pen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. Juni 2022 um 11:53 Uhr durch imported>Stauffen(327732) (Die letzte Textänderung von 2003:C9:F15:C6AC:45E9:FD09:80B4:8FD6 wurde verworfen und die Version 223874213 von Slökmann wiederhergestellt.).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Jean-Marie Le Pen (2007)

Jean-Marie Le Pen [lə̹ˈpɛn] (* 20. Juni 1928 in Trinité-sur-Mer, Département Morbihan, Bretagne als Jean Marie Louis Le Pen) ist ein französischer rechtsextremer Politiker und Holocaustleugner. Sein politischer Stil gilt als rechtspopulistisch. Von 1972 bis 2011 war er Vorsitzender der rechtsextremen Partei Front National und trat bei fünf Präsidentschaftswahlen an. Im August 2015 wurde er wegen „schwerer Verfehlungen“ aus der Partei ausgeschlossen. Le Pen war von 1984 bis 2003 und von 2004 bis 2019 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er war Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Rechten (1984–1989) und der Technischen Fraktion der Europäischen Rechten (1989–1994). Von 1999 bis 2001 war er Mitglied der Technischen Fraktion der unabhängigen Abgeordneten sowie von Januar bis November 2007 der Fraktion Identität, Tradition, Souveränität; in der restlichen Zeit war er fraktionslos.

Lebenslauf

Kindheit und Jugend

Le Pen ist Sohn eines Fischers und einer Näherin. Die Familie stammt aus der Bretagne, wo Le Pen auch aufwuchs. Im Jahre 1942 verlor er seinen Vater, als dessen Boot auf eine Mine fuhr. Nach seiner Schullaufbahn auf einer Jesuitenschule in Vannes und auf Lycées in Lorient und Saint-Germain-en-Laye studierte er ab 1947 Rechts- und Politikwissenschaften in Paris. In seiner Studienzeit war er von 1949 bis 1951 Vorsitzender des Studentenbundes der juristischen Fakultät, den er antikommunistisch ausrichtete. Er stand in jener Zeit der monarchistisch-nationalistischen Action française nahe.[1] Als Vorsitzender des Studentenbundes wurde Le Pen abgesetzt, nachdem er einen Priester bedroht hatte, der ihm wegen „offenkundiger Trunkenheit“ die Kommunion verweigerte.[2]

Bei der Fremdenlegion

Im Jahre 1953 trat Le Pen der Fremdenlegion bei. Er kam 1954 nach dem Ende der Kämpfe als Offizier nach Indochina. 1956 diente er nach der Suezkrise kurzzeitig in Ägypten und war 1956/1957 im Kampf gegen die FLN im Algerienkrieg eingesetzt.[3] Mehrere französische Zeitungen warfen ihm im Jahr 2000 vor, dass er während seiner Zeit in Algerien vermeintliche oder wirkliche Mitglieder der FLN gefoltert habe.[4] Dies hatte Le Pen sowohl 1957 in einer Parlamentsrede als auch 1962 in einem Interview der Zeitschrift Combat eingeräumt und gerechtfertigt. Trotzdem strengte er eine Verleumdungsklage gegen das Blatt Le Monde an, welche der französische Kassationsgerichtshof jedoch abwies.[5] U.a. wurde ein an einem Mordtatort zurückgelassenes HJ-Fahrtenmesser mit dem eingravierten Namen Le Pens auf der Scheide als Beweis vorgelegt.[6]

Politische Laufbahn

Le Pen wurde bei der Wahl am 2. Januar 1956 als jüngster Abgeordneter der populistischen Union de défense des commerçants et artisans (UDCA) von Pierre Poujade in die Assemblée nationale gewählt, wo er den 1. Wahlkreis von Paris vertrat. Er leitete damals die Union de défense de la jeunesse française, Jugendorganisation der poujadistischen UDCA. Von Oktober 1956 bis Januar 1957 unterbrach er seine Abgeordnetentätigkeit, um im Algerienkrieg zu kämpfen. Angesichts der Sueskrise und dem Erstarken der FLN in Algerien zerstritt er sich mit Pierre Poujade, da Le Pen die Bewegung in eine radikaler nationalistische und militante Richtung führen wollte als Poujade. Im Mai 1957 wurde Le Pen aus der UDCA ausgeschlossen. Zusammen mit Jean-Maurice Demarquet gründete er daraufhin die Front national des combattants (FNC). Nach Gründung der fünften Republik wurde Le Pen im 3. Wahlkreis von Paris im November 1958 erneut als Abgeordneter gewählt. Er schloss sich der Fraktion Indépendants et paysans d'action sociale (IPAS) an, die dem Centre national des indépendants et paysans (CNIP) nahestand. Die FNC wurde im April 1961 aufgelöst.[7]

Nachdem Le Pen bei der Wahl im November 1962 den erneuten Einzug in die Assemblée nationale verpasst hatte, gründete er das Unternehmen Serp (Société d'étude et de relations publiques), das historische Reden und Lieder verlegte. Er leitete zur Präsidentschaftswahl 1965 die Wahlkampagne für den Kandidaten der extremen Rechten, Jean-Louis Tixier-Vignancour, der mit 5,2 % der Stimmen auf den vierten Platz kam. Anfang 1966 kam es zum Bruch mit Tixier-Vignancour, der Le Pen vorwarf, seiner Bewegung durch taktische Fehler bei der Kommunalwahl und durch die Veröffentlichung von Naziliedern bei Serp geschadet zu haben.[8] Er gründete 1972 die rechtsextreme Partei Front National (FN) und war bis Anfang 2011 ohne Unterbrechung deren Vorsitzender. Sie war stark auf seine Person ausgerichtet.

Am 2. November 1976 wurde auf sein Mietshaus im 15. Arrondissement ein Bombenanschlag verübt. Verletzt wurde niemand, die zwanzig Kilogramm Sprengstoff rissen aber einen Krater ins Treppenhaus. Der oder die Täter konnten nie ermittelt werden.[9][10]

Bei der Europawahl im Juni 1984 erhielt der FN 10,9 % der Stimmen; Le Pen zog erstmals ins Europaparlament ein. Auch nach den folgenden Wahlen 1989 (11,7 %), 1994 (10,5 %), 1999 (5,7 %), 2004 (9,8 %), 2009 (6,3 %) und 2014 (24,9 %) zog er wieder ins Europaparlament ein. Von 1984 bis 1989 war er Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Rechten, der u. a. Abgeordnete des FN und der italienischen neofaschistischen MSI angehörten. Von 1989 bis 1994 hatte Le Pen den Vorsitz der Technischen Fraktion der Europäischen Rechten (DR), die hauptsächlich aus Europaparlamentariern des FN und der deutschen Republikaner bestand. In den folgenden Legislaturperioden war er meist fraktionslos. Durch ein Dekret des Premierministers Lionel Jospin wurde Le Pen im Jahre 2000 vom Europäischen Parlament suspendiert[11] und verlor 2003 seinen Sitz.

Bei der französischen Parlamentswahl 1986, die ausnahmsweise nach Verhältniswahlrecht abgehalten wurde, zog Le Pen zudem erneut in die Assemblée nationale ein, der er bis 1988 angehörte. Er war Vorsitzender der Fraktion Front national – Rassemblement national, die 35 Abgeordnete des FN und des CNIP umfasste. Dann kehrte man zur Mehrheitswahl zurück, bei der der Front National kaum Chancen hatte.

Sein Einzug in die Stichwahlen zur französischen Präsidentschaftswahl gegen Jacques Chirac im Jahr 2002 (siehe unten) kann als sein größter politischer Erfolg gelten. Bei den Regionalwahlen 2004 untersagte der zuständige Präfekt der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur Le Pen die Kandidatur im Wahlkreis Nizza aus formalen Gründen. Versuche des Front National, diesen Vorgang als Verschwörung gegen Le Pen darzustellen und so in der Wählergunst zu steigen, scheiterten. Die Wahl brachte dem FN nur geringe Stimmenzuwächse; landesweit erzielte er etwa 12,6 % der Stimmen.

Le Pen mit seiner Tochter Marine (links) und seinem Stellvertreter Bruno Gollnisch (rechts), 2010

Am 16. Januar 2011 trat seine Tochter Marine Le Pen die Nachfolge als Vorsitzende des Front National an, nachdem sie sich einen Tag zuvor gegen den Parteivize Bruno Gollnisch mit einer Zweidrittelmehrheit durchgesetzt hatte. Sie bemühte sich um eine „Entdämonisierung“ der Partei und distanzierte sich dazu vom offenen Rassismus und Antisemitismus ihres Vaters. Im Mai 2015 setzte der FN nach wiederholten antisemitischen Äußerungen die Parteimitgliedschaft Le Pens aus.[12] Im August 2015 wurde Le Pen wegen „schwerer Verfehlungen“ aus dem FN ausgeschlossen.[13] Seither tritt er offen als Kritiker seiner Tochter Marine Le Pen auf, deren politischen Kurs der Öffnung des mittlerweile in „Rassemblement National“ (RN) umgetauften FN er bekämpft. 2021 erklärte er zeitweise seinen Zuspruch für die mögliche Kandidatur von Éric Zemmour für die französische Präsidentschaftswahl im Mai 2022, der politisch eine scharf rechte Position bezog, sich aber vom RN abgrenzt.[14]

Politische Mandate

Präsidentschaftswahlen

Le Pen im Präsidentenwahlkampf 2007

Erstmals trat Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 1974 an und erreichte 0,73 % der Stimmen. Im Jahr 1981 schaffte er es nicht, die erforderlichen 500 Unterstützungs-Unterschriften von gewählten Volksvertretern zu erhalten, und wurde folglich nicht als Kandidat zugelassen. Im ersten Wahlgang der Wahlen vom 24. April 1988 erreichte er 14,4 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 81,38 %. Er lag damit nur rund zwei Prozentpunkte hinter dem früheren Ministerpräsidenten Raymond Barre. 1995 erreichte Le Pen erneut ein relativ hohes Ergebnis von 15,3 %.

Paris: Demonstration gegen Le Pen

Nachdem Le Pen 2002 erneut Schwierigkeiten gehabt hatte, 500 unterstützende Stimmen von Politikern für die Zulassung zur Wahl zu erhalten, setzte er sich im ersten Wahlgang überraschend mit 16,86 % der Stimmen gegen den Kandidaten der Sozialisten, Lionel Jospin, durch und erreichte den zweiten Wahlgang.[15] Nach landesweiten Protesten konnte er sich allerdings mit 17,79 % gegen 82,21 % für den Amtsinhaber Jacques Chirac nicht durchsetzen.

Bei der Präsidentschaftswahl 2007 trat Le Pen erneut für den FN an. Von der Idee des absoluten Einwanderungsstopps rückte er in diesem Wahlkampf ab und behauptete, der größte Teil der Unschlüssigen würde für ihn stimmen – sie trauten sich lediglich nicht, es den Meinungsforschern zu sagen.[16] Den Euro, der seiner Meinung nach die Ursache einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten von 40 % war, würde er sofort zugunsten des Francs wieder abschaffen. Weiterhin behauptete er, dass er alle Möglichkeiten ergreifen würde, die Türkei daran zu hindern, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Es wäre eine Aufgabe Europas, die slawisch-orthodoxen, europäischen Völker vollständig in die EU zu integrieren. Eine EU mit einem Nordbogen von Brest bis Wladiwostok sei seine Vision.[17] Er sprach sich für ein Ministerium für Einwanderung und nationale Identität aus; französische Firmen sollen vor der Übernahme durch ausländische Betriebe geschützt und die Bevölkerung vor der Globalisierung bewahrt werden.[18] Mit 10,44 % der abgegebenen Stimmen im ersten Wahlgang 2007 errang Le Pen den vierten Platz hinter Nicolas Sarkozy, Ségolène Royal und François Bayrou und erreichte somit die zweite Runde des Wahlgangs nicht.

Präsidentschaftswahlergebnisse im Überblick

Wahljahr 1. Runde 2. Runde
  Stimmen Anteil Stimmen Anteil
1974 190.921 0,7 %
1981
1988 4.376.742 14,5 %
1995 4.571.138 15,0 %
2002 4.805.307 16,9 % 5.525.906 17,8 %
2007 3.834.530 10,4 %

Le Pen und die Justiz

Während seiner politischen Laufbahn machte Le Pen immer wieder durch rassistische, antisemitische, zuletzt auch homophobe Äußerungen, daneben auch durch Beleidigungen und andere Gesetzesübertretungen Schlagzeilen. Bis zum April 2007 wurde er 25-mal rechtskräftig verurteilt, unter anderem wegen der folgenden Delikte:

  • Am 18. Dezember 1968 wurde Le Pen für eine Aussage auf einem Plattencover seiner Firma Serp (Société d’études et de relations publiques) wegen der Verherrlichung von Kriegsverbrechen und Komplizenschaft („apologie de crimes de guerre et complicité“) zu einer Strafe von 10.000 Francs (etwa 1500 Euro) verurteilt: „Die Machtergreifung Adolf Hitlers und der nationalsozialistischen Partei war gekennzeichnet von einer mächtigen Massenbewegung, alles in allem populär und demokratisch, weil sie aufgrund regulärer Wahlen siegte; ein Umstand, der im Allgemeinen vergessen wird…“[19][20][21]
  • Seit 1987 erregte Le Pen wiederholt mit Aussagen zu den Gaskammern des Nationalsozialismus Aufsehen, so erstmals in einem Interview mit dem Radiosender RTL: „Ich stelle mir einige Fragen. Ich sage nicht, es habe die Gaskammern nie gegeben. Ich selbst konnte keine besichtigen, und ich habe diese Frage nicht ausführlich untersucht. Aber ich glaube, dass es sich um ein Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs handelt.“[22] Le Pen wurde daraufhin am 18. März 1991 von einem französischen Gericht in Versailles zur Zahlung von 1,2 Millionen Francs (etwa 183.000 Euro) an die klagenden Anti-Diskriminierungs-Organisationen verurteilt.[23][24][25] Im Jahre 1997 erneuerte er die von ihm gemachte Aussage („In einem 1000 Seiten dicken Buch über den Zweiten Weltkrieg nehmen die Konzentrationslager zwei Seiten und die Gaskammern zehn bis 15 Seiten ein, das nenne ich ein Detail“) und wurde wiederum zu einer Geldstrafe verurteilt.[20][24] Er wiederholte 2015 seine Aussage; am 6. April 2016 verurteilte ein Gericht (tribunal correctionnel de Paris) ihn dafür zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro.[26][27] In der Folge wurde er aus seiner Partei ausgeschlossen.
  • 1993 und 1997 wurde Le Pen zu Geldstrafen von 5000 und 10.000 Francs wegen Beleidigung des Vorsitzenden einer Anti-Rassismus-Organisation und des Ministers Michel Durafour verurteilt.[24]
  • Wegen Gewalt gegen eine Amtsträgerin in Ausübung ihrer Amtspflichten („violences sur personne dépositaire de l'autorité publique dans l'exercice de ses fonctions“) – eine Blockade gegen seine sozialistische Gegenkandidatin und Bürgermeisterin von Mantes-la-Ville Annette Peulvast-Bergeal führte zum Handgemenge und Fußtritten unbekannter Herkunft gegen die Sozialistin – wurde Le Pen am 17. November 1998 zu einem Jahr Unwählbarkeit, drei Monaten auf Bewährung und 8000 Francs Geldstrafe verurteilt.[28][24]
  • Am 25. November 1998 führte die Aussage „Ich glaube an die Ungleichheit der Rassen“, geäußert auf einer Veranstaltung des FN im Jahr 1996, zu einer Verurteilung. Jean-Marie Le Pen und Bruno Maigret mussten 10.000 Francs an die Union des étudiants juifs de France zahlen.[24]
  • 2004 wurde er wegen einer Interview-Aussage in der Tageszeitung Le Monde vom April 2003 zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro wegen „Anstiftung zu Diskriminierung, Hass und Gewalt gegen eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Zugehörigkeit oder fehlenden Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nation, Rasse oder Religion“ verurteilt. Die Aussage lautete: „An dem Tag, an dem wir in Frankreich nicht mehr fünf, sondern 25 Millionen Muslime haben, werden sie es sein, die Befehle erteilen. Und die Franzosen werden dicht an den Mauern entlanglaufen und mit gesenktem Blick von den Gehsteigen heruntertreten. Wenn sie es nicht machen, wird man ihnen sagen: ,Warum siehst du mich so an? Suchst du Streit?‘ Und Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als sich zu verziehen, andernfalls bekommen Sie eine Abreibung.“[29][24][30] Am 12. März 2008 führte die Wiederholung seiner Aussage gegenüber der Wochenzeitschrift Rivarol (Ausgabe vom 30. April 2004) zu einer weiteren Geldstrafe in Höhe von 10.000 Euro: „Wenn ich sage, dass die Franzosen bei Anwesenheit von 25 Millionen Muslimen an den Mauern entlanglaufen werden, antworten mir die Leute im Saal nicht ohne Grund: ,Aber Herr Le Pen, das ist schon jetzt der Fall!‘“[30][31]
  • Im November 2018 wurde Le Pen in Paris wegen homophober Äußerungen zu einer Geldstrafe von mehreren tausend Euro verurteilt.[32] Ein postwendendes Berufungsverfahren wurde unverzüglich durch seine anwaltschaftliche Vertretung in Aussicht gestellt.[33]

Le Pen führte auch selbst eine Reihe von Prozessen, vor allem gegen Presseorgane. Nachdem seine ehemalige Ehefrau nackt im Playboy aufgetreten war, veröffentlichte das französische Satireblatt Le Canard enchaîné auf der Titelseite der Ausgabe vom 17. Juni 1987 ein Foto, das Le Pen halb nackt darstellte. 1988 musste das Blatt 100.000 Francs Schadensersatz an Le Pen zahlen.

Öffentliche Wahrnehmung

Le Pen ist in der Öffentlichkeit häufig durch sexistische, rassistische und antisemitische Äußerungen aufgefallen. Im Jahr 2002 gaben 74 % der Franzosen an, keine gute Meinung von Le Pen zu haben.[34] Le Pen und der FN werden von den etablierten Medien als rechtsextremistisch eingestuft, allerdings verbreitete Le Pen selbst die Devise „ni droite, ni gauche, français“ (weder rechts noch links, französisch). Am 14. November 2007 kam es im EU-Parlament zu einem Zwischenfall mit dem österreichischen EU-Abgeordneten Hans-Peter Martin. Le Pen soll Martin mit einer Geste „Fuck You“ signalisiert haben, als Martin, sowie der Großteil der anderen Abgeordneten, zu der offiziellen Auflösung der rechtsgerichteten ITS-Fraktion (Identität, Tradition, Souveränität) applaudierten, da sie nach dem Austritt der Groß-Rumänien-Partei nicht mehr über die erforderliche Fraktionsstärke von 20 Abgeordneten verfügte. Martin verlangte die Untersuchung des Vorfalls mit der Begründung, Le Pen habe sich ihm gegenüber „geradezu gewalttätig“ verhalten.

Zu den Anschlägen auf Charlie Hebdo sagte Le Pen: „Es tut mir leid, ich bin nicht Charlie. […] Ich fühle mich keineswegs dem Geist von Charlie verbunden. Ich werde nicht kämpfen, um den Geist von Charlie zu verteidigen, der ein anarchisch-trotzkistischer Geist ist, der die politische Moral zersetzt.“ Daher wurde der Front National nicht zu dem Gedenkmarsch für Charlie Hebdo eingeladen.[35]

Familie und Privates

Le Pen ist in zweiter Ehe mit Jany Paschos verheiratet und hat drei Töchter (Marie-Caroline, Yann und Marine) aus seiner Ehe mit Pierrette Lalanne. Alle drei sind politisch aktiv. Seine Enkelin Marion Maréchal-Le Pen, die Tochter von Jean-Marie Le Pens zweitältester Tochter Yann, betätigte sich mehrere Jahre ebenfalls im Front National. Im Scheidungsprozess von seiner ersten Frau Pierrette verweigerte Le Pen ihr jegliche Unterhaltszahlungen und äußerte, dass sie ja putzen gehen könne, wenn sie Geld bräuchte. Sie ließ sich daraufhin in einem knappen Putzfrauen-Kostüm für den Playboy fotografieren.[36] Jean-Marie Le Pen ist der Taufpate einer Tochter des rechtsextremistischen Komikers Dieudonné M’bala M’bala. Bis zu dem Anschlag im Jahr 1976 lebte die Familie im 15. Arrondissement und zog von dort einige Zeit später ins Montretout, einem Anwesen in Saint-Cloud, das Le Pen von einem verstorbenen wohlhabenden Anhänger, dem Zementunternehmenserben Hubert Lambert, vermacht bekommen hatte. Das Gebäude wurde zum Hauptquartier des FN und ist noch heute in Le Pens Besitz. Dort wohnt ebenfalls seine Tochter Yann. Zusammen mit seiner zweiten Frau Paschos wohnt Jean-Marie Le Pen in Rueil-Malmaison.[9][10]

Durch eine traumatische Katarakt verlor Le Pen Anfang der 1970er-Jahre die Sehfähigkeit auf dem linken Auge. Le Pen behauptete zeitweilig, sich die auslösende Verletzung im Jahr 1958 bei der Verteidigung eines Freundes, des algerienfranzösischen Abgeordneten Ahmed Djebbour, zugezogen zu haben.[37] In seinen 2018 veröffentlichten Memoiren schreibt er jedoch, das Auge beim Aufbauen eines Festzelts im Wahlkampf für Jean-Louis Tixier-Vignancour 1965 verletzt zu haben.[38] In den 1970er-Jahren trug er eine Augenklappe, was ihm den Beinamen l’homme au bandeau („Mann mit der Augenklappe“) eintrug. Anfang der 1980er-Jahre ließ er sich stattdessen eine Augenprothese einsetzen, was ihm ein seriöseres Erscheinungsbild verleihen sollte.[37]

Literatur

  • Stephen E. Atkins: Encyclopedia of Modern Worldwide Extremists and Extremist Groups. Greenwood Press, Westport 2004, ISBN 0-313-32485-9, S. 176–178. (siehe: Le Pen, Jean-Marie (1928–))
  • Gilles Bresson, Christian Lionet: Le Pen, biographie (= L'epreuve des faits). Seuil, Paris 1994, ISBN 2-02-014063-2.
  • Jean-Yves Camus: Le Pen, Jean-Marie. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2: Personen. Teil 2: L–Z. Im Auftrag des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. De Gruyter Saur, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 463–464.
  • Michel Hastings: Der Diskurs Jean-Marie le Pens und seines Front National. In: Christoph Butterwegge, Siegfried Jäger (Hrsg.): Rassismus in Europa. 2. Auflage, Bund-Verlag, Köln 1993, ISBN 3-7663-2467-5, S. 105–118.
  • Alexander J. Motyl (Hrsg.): Encyclopedia of Nationalism. Vol. 2, Academic Press, London u. a. 2001, ISBN 0-12-227232-3, S. 292–293. (siehe: Le Pen, Jean-Marie)
  • Jochen Schmidt: Der front national und Jean-Marie Le Pen. In: Nikolaus Werz (Hrsg.): Populismus: Populisten in Übersee und Europa (= Analysen. Bd. 79). Leske und Budrich, Opladen 2003, ISBN 3-8100-3727-3, S. 89–111.
  • Reinhold Smonig: Jean-Marie Le Pen. Die Franzosen zuerst. In: Michael Jungwirth (Hrsg.): Haider, Le Pen & Co. Europas Rechtspopulisten. Styria, Graz u. a. 2002, ISBN 3-222-12999-1, S. 99–135.
  • Katja Thimm: Die politische Kommunikation Jean-Marie Le Pens. Bedingungen einer rechtspopulistischen Öffentlichkeit (= Beiträge zur Politikwissenschaft. Bd. 72). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1999, ISBN 3-631-33166-5.

Weblinks

Commons: Jean-Marie Le Pen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Philippe Cohen, Pierre Pean: Le Pen, une histoire française. Robert Laffront, Paris 2012. Kapitel 2: La Corpo.
  2. Jean Chatain: Les Affaires de M. Le Pen. Messidor, Paris 1987, Kapitel II: Après la « défaite » de la Libération.
  3. Französischer artikel zu Le Pen
  4. Philippe Cohen: Le Pen – une histoire française. S. 67–102.
  5. Hamid Bousselham: Torturés par Le Pen. In: éditions Rahma, 2000.
  6. "Guerre d'Algérie : le poignard de Le Pen" (französisch: "Algerienkrieg: Le Pens Dolch"), Florence Beaugé für Le Monde, 16. März 2012. Zugriff 25. April 2022.
  7. www.ipolitique.fr
  8. James G. Shields: The Extreme Right in France. From Pétain to Le Pen. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2007, S. 133.
  9. a b Julia Amalia Heyer: Frankreich zwischen Le Pen und Macron. Dtv Verlagsgesellschaft/SPIEGEL-Verlag, München/Hamburg 2017, ISBN 978-3-423-26156-2, S. 46, 48 und 57 (Eingeschränkte Vorschau auf Google Books).
  10. a b Rudolf Balmer: Le Pen – eine schrecklich politische Familie. In: Neue Zürcher Zeitung. 24. März 2017.
  11. Journal officiel de la République française: JORF n°96 du 22 avril 2000 page 6170
  12. Das lange dreckige Ende. In: die tageszeitung, 5. Mai 2015.
  13. Stefan Ulrich: Jean-Marie Le Pen aus dem Front National ausgeschlossen. In: Süddeutsche Zeitung, 20. August 2015.
  14. Astrid de Villaines: Jean-Marie Le Pen préfère finalement sa fille à Zemmour, „pas à la hauteur“. In: Huffington Post, 17. November 2021, abgerufen am 18. November 2021 (französisch).
  15. Thomas Schürpf: Das grosse Zaudern in Frankreich. In: Neue Zürcher Zeitung, 11. April 2007.
  16. Heiße Wahlkampfphase beginnt. In: Deutsche Welle, 9. April 2007.
  17. Le Figaro: Le Pen: Tout le monde court derrière moi (Memento vom 13. April 2007 im Internet Archive) 12. April 2007
  18. Christian Schwarz: Die grosse Unbekannte ist Le Pen. In: St. Galler Tagblatt, 17. April 2007.
  19. Conan Eric und Gaetner Gilles: Dix ans de solitude. In: L’Express, 12. März 1992 (französisch), abgerufen am 11. April 2019: „La montée vers le pouvoir d’Adolf Hitler et du Parti national-socialiste fut caractérisée par un puissant mouvement de masse, somme toute populaire et démocratique, puisqu’il triomphera à la suite de consultations électorales régulières, circonstances généralement oubliées…“ (auf dem Cover der Langspielplatte Voix et chants de la révolution allemande – Le IIIe Reich).
  20. a b @1@2Vorlage:Toter Link/www.humanite.presse.fr(Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Le Pen raciste. In: L’Humanité, 29. April 2002.)
  21. Théo Chapuis: Quand Jean-Marie Le Pen était patron d’une maison de disques. In: Konbini – All Pop Everything!, 10. Mai 2015 (französisch), abgerufen am 11. April 2019.
  22. Le Pen may be charged over ‘gas ovens’ remark. In: The Guardian, 11. September 1988 (englisch).
  23. Jean-Marie Le Pen renvoyé devant la justice pour ses propos sur l’Occupation. In: Le Monde, 13. Juli 2006 (französisch).
  24. a b c d e f Les principales condamnations de Jean-Marie Le Pen (Memento vom 23. Februar 2009 im Internet Archive). In: Le Point, 21. Januar 2009 (französisch).
  25. „Je me pose un certain nombre de questions. Je ne dis pas que les chambres à gaz n’ont pas existé. Je n’ai pas pu moi-même en voir. Je n’ai pas étudié spécialement la question. Mais je crois que c’est un point de détail de l’histoire de la Deuxième Guerre mondiale.“ Valérie Igounet: Le mot de trop? In: Derrière le Front. Histoires, analyses et décodages du Front National, franceinfo, 12. September 2016 (französisch), abgerufen am 11. April 2019.
  26. Pariser Gericht verurteilt Le Pen zu hoher Geldstrafe. In: Die Zeit, 6. April 2016.
  27. Jean-Marie Le Pen condamné pour ses propos sur les chambres à gaz. In: Le Monde, 6. April 2016 (französisch).
  28. Le Pen fait le coup de poing à Mantes-la-Jolie (Memento vom 3. Juli 2005 im Internet Archive). In: L’Humanité, 31. Mai 1997 (französisch).
  29. Le Pen verurteilt. In: die tageszeitung, 3. April 2004.
  30. a b Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V: Beschwerdesache Jean-Marie Le Pen gegen Frankreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 20. April 2010, Bsw. 18788/09. Art. 10 EMRK – Verbaler Angriff auf muslimische Immigranten. In: Newsletter Menschenrechte 2010, 143.
  31. Le Pen condamné en appel à 10 000 euros d’amende. In: L’Express, 12. März 2008 (französisch), abgerufen am 11. April 2019.
  32. Jean-Marie Le Pen wegen Äußerungen über Homosexuelle verurteilt. In: RP online, 28. November 2018, abgerufen am 11. April 2019.
  33. Jean-Marie Le Pen wegen Äußerungen über Homosexuelle verurteilt. In: Tiroler Tageszeitung, 28. November 2018, abgerufen am 11. April 2019.
  34. LE BAROMETRE DE L'ACTION POLITIQUE (Memento vom 18. März 2005 im Internet Archive)
  35. „Paris ist heute Hauptstadt der Welt“ In: die tageszeitung, 11. Januar 2015.
  36. Mons David: La dynastie Le Pen. City Éditions 2018, Kapitel 6 Le divorce.
  37. a b Valérie Igounet: C’était Jean-Marie Le Pen (3). In: France Info, 26. Juli 2015.
  38. Olivier Beaumont, Valérie Hacot: Pétain, la guerre d’Algérie, Marine... Les extraits exclusifs des Mémoires de Jean-Marie Le Pen. In: Le Parisien, 20. Februar 2018.