Silvester II.

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Silvester II. (vorher Gerbert von Aurillac, auch Gerbert von Reims; * um 950 in Aquitanien; † 12. Mai 1003 in Rom) war ein Mathematiker, Abt von Bobbio, Erzbischof von Reims und Ravenna sowie schließlich Papst vom 2. April 999 bis zu seinem Tod im Jahr 1003. Ungewöhnlich an seiner Laufbahn ist seine Abstammung aus einfachen und ärmlichen Verhältnissen – Bischöfe und Päpste seiner Zeit wurden gewöhnlich nur Personen, die dem Hochadel entstammten. Erst im 13. Jahrhundert wurde mit Pietro di Morrone erneut jemand zum Papst gewählt, der einer vergleichbaren sozialen Schicht wie Silvester II. entstammte.[1]

Seine Wahl verdankte er der Unterstützung durch den jungen Kaiser Otto III., der sein Schüler war. Dies spiegelt sich auch im gewählten Papstnamen wider. Silvester I. soll der (widerlegten) Legende nach ein Berater Konstantins des Großen gewesen sein.[2]

Leben

Über das Leben Gerberts von Aurillac ist vergleichsweise viel bekannt, weil einer seiner Schüler, der Mönch Richer von Reims, eine Geschichte Frankreichs verfasste und in diesen Richeri historiarum libri IV auch ausführlich auf die Laufbahn seines Mentors einging. Daneben sind eine Reihe seiner Briefe erhalten.[3]

Gerbert von Aurillac wurde in der Nähe von Aurillac im Süden Frankreichs geboren und trat schon in jungen Jahren in ein lokales Kloster ein. Vermutlich war er auf Grund seines niederen Standes zunächst ein Laienbruder, der Abt des Klosters erkannte jedoch frühzeitig seine Begabung und ermöglichte es ihm, als Mönch geweiht zu werden. In einem seiner späteren Briefe hielt Gerbert von Aurillac fest, dass er diesem Abt alles verdanke.[4] 967 fiel der junge Mönch dem spanischen Adeligen Borrell II. auf, der im Kloster zu Besuch war. Gerbert von Aurillac begleitete ihn vermutlich als Sekretär zurück nach Barcelona und hielt sich dann für etwa zwei Jahre in Spanien auf, um dort Mathematik zu studieren. In den folgenden Jahren studierte er in der von Christen gehaltenen Stadt Barcelona außerdem Naturwissenschaften und erreichte damit einen Wissensstand, der im christlichen Resteuropa ungewöhnlich hoch war. 969 machte Borrell eine Pilgerreise nach Rom und nahm Gerbert von Aurillac mit. Gerbert traf dort Papst Johannes XIII. und Kaiser Otto I. Der Papst überzeugte Otto, Gerbert als Tutor für seinen jungen Sohn, den zukünftigen Kaiser Otto II. einzusetzen.[5] Später wurde Gerbert nach Reims im Norden Frankreichs entsendet, um dort seine Studien zu vervollständigen. In aus dieser Zeit erhalten gebliebenen Briefen erläutert er unter anderem, warum er der Arithmetik so großen Wert beimaß.[6] Um das Jahr 982 wurde Gerbert von Aurillac durch die Unterstützung seines früheren Schülers Otto II. Abt im italienischen Kloster Bobbio. Er scheiterte in diesem Amt jedoch weitgehend. Das Kloster war verarmt und die Mönche stellten sich gegen ihn, der sein Amt nur der Patronage durch den Kaiser verdankte. Gerbert verließ schließlich dieses Kloster und kehrte nach Reims zurück, wo er Sekretär des Erzbischofs wurde.[7] Nach der Absetzung seines Dienstherren im Jahre 991 folgte Gerbert ihm in diesem Amt. Er galt als einer der führenden Gelehrten seiner Zeit.

Ab dem Jahr 997 war Gerbert persönlicher Lehrer und politischer Berater des jungen deutschen Kaisers Otto III. (980–1002), der ihn 998 zum Erzbischof von Ravenna und schließlich 999 zum Papst machte. Als Papst konnte er die Politik Ottos unterstützen (Renovatio imperii Romanorum). Das große Ziel Silvesters bestand darin, unter dem Schutz Ottos wieder Frieden in der unruhigen Zeit herstellen zu können. Allerdings konnte er dieses Vorhaben nicht verwirklichen, da er nach einer Erhebung des römischen Adels im Jahr 1001 die Stadt verlassen musste. Er kehrte erst kurz vor seinem Tod wieder nach Rom zurück.

Im Mai 1003 verstarb Gerbert und wurde in der Erzbasilika St. Johann im Lateran beigesetzt. Im Jahr 1308 zerstörte ein Brand das ursprüngliche Grabmal. In San Giovanni befindet sich ein Kenotaph aus dem 17. Jahrhundert.[8]

Wissenschaftliche Tätigkeit

Modell der Addition 908+95 auf einem Teil von Gerberts Abakus (mit modernen Ziffern, nicht denen von Gerbert)

Den politisch-kirchlichen Ambitionen gleichwertig ist die wissenschaftliche Tätigkeit Gerberts. Seine rhetorischen Fähigkeiten wurden gerühmt, ebenso seine Kenntnisse besonders in der Mathematik und Astronomie. Erhalten hat sich die Geometria, hauptsächlich eine Sammlung antiker Schriften. Aber auch die Praxis wurde miteinbezogen. So beschreibt Gerbert in einem Brief (Bubnov: ep. 148) an den Mönch Remigius von Trier in einiger Ausführlichkeit die Herstellung eines Himmelsglobus. Richer von St. Remi ergänzt die Darstellung noch (Richeri Historiarum Liber III, 50). Beschrieben wird, dass eine Holzkugel mit Pferdehaut überzogen wurde. Auf diesen Überzug wurden in einfacher oder aufwändigerer Ausführung die Sternbilder farbig aufgetragen; entweder monochrom als Punkte in roter Farbe, oder aber unter Verwendung verschiedener Farben. In diesem Fall bleibt unklar, ob es sich auch dann nur um Punkte oder vielleicht um gemalte Sternbilder handelte. Einfache Exemplare eines Himmelsglobus waren nach dem Auftragen der Sternbilder fertig, während die besseren noch mit einem Horizontring versehen wurden. Verbunden sind mit Gerbert die Verwendung von Abakus und Astrolabium. So erweist sich Gerbert als Repräsentant seiner Zeit, sowohl der politisch-kirchlichen Entwicklungen als auch des frühmittelalterlichen Bildungskanons. Nach Oswald Spengler war er es, der um 1000 die „Konstruktion der Schlag- und Räderuhren erfunden“ habe.

In diesem Zusammenhang schrieb man ihm die Einführung der arabischen Zahlschrift einschließlich der Null ins abendländische Rechnen zu, was aber nachweislich erst im Verlauf des 12. Jahrhunderts durch Übersetzungen des Rechenbuches von Al-Chwarizmi geschah. Richtig ist dagegen, dass Gerbert während seiner Studienzeit in Andalusien zwar auch die arabischen Ziffern kennengelernt hatte, aber noch nicht die Null.[9][10] Er besaß Anteil an der Einführung einer mittelalterlichen Sonderform des Abakus: eine Rechentafel mit (möglicherweise arabisch) bezifferten Rechensteinen aus Horn.[9] Dieser Abakus setzte sich jedoch nicht durch.[11]

Legenden

Darstellung des Teufelsbündnisses im Cod. Pal. germ. 137, f216v (um 1460)
Denkmal für Papst Silvester II. in Aurillac, Auvergne, Frankreich

In den Zeiten ab etwa 1100 entwickelten sich Geschichten, Silvester II. hätte sich mit Magie beschäftigt und sei mit dem Teufel im Bunde gewesen.

Der Legende nach studierte Gerbert während seines Aufenthalts in al-Andalus in Córdoba und Sevilla.

Papst Silvester soll auch in der Neujahrsnacht vor der ersten Jahrtausendwende zitternd die Messe gefeiert haben, da er mit dem Weltuntergang während der Wandlung gerechnet habe.

Quellen

  • Fritz Weigle (Hrsg.): Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 2: Die Briefsammlung Gerberts von Reims. Weimar 1966 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  • Leben des hl. Bernward, Bischof von Hildesheim, verfasst von Thangmar (?), in: Lebensbeschreibungen einiger Bischöfe des 10.–12. Jahrhunderts, übersetzt von Hatto Kallfelz (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 22), Darmstadt 1973, S. 263–361.
  • Thietmar von Merseburg: Chronicon, übertragen und erläutert von Werner Trillmich (Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. IX), Darmstadt 1957.
  • Richer von St. Remi: Richeri Historiarum Libri IV (Monumenta Germania Historica SS XXXVIII)
  • Sigrid Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland. Fischer Bücherei Nr. 643, 1965, S. 43 f.

Literatur

  • Gerd Althoff: Otto III. (= Gestalten des Mittelalters und der Renaissance). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997.
  • Werner Bergmann: Innovationen im Quadrivium des 10. und 11. Jahrhunderts. Studien zur Einführung von Astrolab und Abakus im lateinischen Mittelalter (= Sudhoffs Archiv, Beiheft 26), Stuttgart 1985.
  • Nicolaus Bubnov (Hrsg.): Gerberti Opera Mathematica (972–1003), Nachdruck Hildesheim 1963.
  • Nicolaus Bubnov (Hrsg.): Sbornik pisem Geberta kakh istoritcheskij istotchnik, 2 Bände, Kiew 1888 bis 1890 (Briefe Gerberts)
  • Fritz Eichengrün: Gerbert (Silvester II.) als Persönlichkeit, Leipzig-Berlin 1928
  • James Hannam: God’s Philosophers - How the Medieval World Laid the Foundations of Modern Science, Icon Books 2009, ISBN 1-84831-070-6.
  • Hans-Henning Kortüm: Gerbertus qui et Silvester. Papsttum um die Jahrtausendwende. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Bd. 55 (1999), S. 29–62. (Digitalisat)
  • Hans-Henning Kortüm: Silvester II. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 415 f. (Digitalisat).
  • Harriet Peatt Lattin (Übers.): The letters of Gerbert with his papal privileges as Sylvester II. New York: Columbia University Press 1961.
  • Uta Lindgren: Gerbert von Aurillac und das Quadrivium. Untersuchungen zur Bildung im Zeitalter der Ottonen (= Sudhoffs Archiv. Beiheft 18), Steiner, Wiesbaden 1976, ISBN 3-515-02449-2.
  • Massimo Oldoni: SILVESTRO II. In: Massimo Bray (Hrsg.): Enciclopedia dei Papi. Rom 2000 (treccani.it).
  • Pierre Riché: Gerbert d'Aurillac. Le Pape de l'An Mil, Paris 1987.
  • Wolfgang Christian Schneider: Die Kunstwerke Bernwards und die ‚Disputation von Ravenna‘ zwischen Gerbert und Otrich. Kunstform und Denkform in der Ottonenzeit; mit Anhang: Die Disputation von Ravenna zwischen Gerbert und Otrich im Jahre 980 (Richer, Historiarum Libri IIII: 3,58-65). In: Tilman Borsche (Hg.): Denkformen – Lebensformen. Tagung des Engeren Kreises der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland, Hildesheim 3.-6. Oktober 2000., Hildesheim u. a. 2003; S. 257–315 und Abb. 1–10.
  • Karl Schulteß: Silvester II. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 330–342.
  • Mathilde Uhlirz: Untersuchungen über Inhalt und Datierung der Briefe Gerberts von Aurillac, Papst Sylvesters II. (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.2), Göttingen 1957.
  • Kurt Vogel: Gerbert von Aurillac als Mathematiker. In: Acta historica Leopoldina, Bd. 16 (1985), S. 9–23.
  • Karl Ferdinand Werner: Zur Überlieferung der Briefe Gerberts von Aurillac. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Bd. 17 (1961), S. 91–144.

Roman

  • Gerhart Ellert, Der Zauberer. Roman. F. Speidelsche Verlagsbuchhandlung, Wien und Leipzig 1933. Neuausgabe: Carinthia, Klagenfurt 1981, ISBN 3-85378-185-3.

Weblinks

Commons: Silvester II. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Hannam: God’s Philosopher. 2009, S. 24.
  2. Hannam: God’s Philosopher. 2009, S. 26.
  3. Hannam: God’s Philosopher. 2009, S. 26.
  4. Hannam: God’s Philosopher. 2009, S. 27.
  5. Hans-Henning Kortüm: Gerbert von Aurillac. In: Lexikon des Mittelalters. Band 4. dtv, München 2002, ISBN 3-423-59057-2, Sp. 1300 f.
  6. Hannam: God’s Philosopher. 2009, S. 27.
  7. Hannam: God’s Philosopher. 2009, S. 30.
  8. vaticanhistory.de
  9. a b Nadia Ambrosetti: L'eredità arabo-islamica nelle scienze e nelle arti del calcolo dell'Europa medievale. LED, Mailand 2008, ISBN 978-88-7916-388-0, S. 96–97 (italienisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 23. November 2015]).
  10. Charles Seife: Zero: The Biography of a Dangerous Idea. Penguin Books, New York 2000, ISBN 978-0-670-88457-5, S. 77, bibcode:2000zbdi.book.....S (englisch): “He probably learned about the numerals during a visit to Spain and brought them back with him when he returned to Italy. But the version he learned did not have a zero.”
  11. Alain Schärlig: Compter avec des cailloux : le calcul élémentaire sur l'abaque chez les anciens Grecs. PPUR, 2001, S. 138 (französisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
VorgängerAmtNachfolger
ArnulfErzbischof von Reims
991–999
Arnulf
Johannes X.Erzbischof von Ravenna
998–999
Leo II.
Gregor V.Papst
999–1003
Johannes XVII.