Welt- und Umweltkunde

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Welt- und Umweltkunde (WUK) war ein dreistündig erteiltes Schulfach an der früheren Orientierungsstufe. An einzelnen Bremer Schulen gibt es noch heute WUK-Unterricht.[1]

Inhalte

Bei WUK handelte es sich um eine Synthese aus den Themengebieten des Anfangsunterrichts der Fächer Geschichte und Erdkunde. Somit war der WUK-Unterricht jahrzehntelang das Äquivalent zum Anfangsunterricht für Schüler der 5. und 6. Klassen in den Fächern Geschichte und Erdkunde. Seit der Abschaffung der Orientierungsstufe werden die beiden letztgenannten Fächer bereits in diesen Klassenstufen erteilt.

Geschichtliche Themen waren die Jung- und die Altsteinzeit, die Römer und die Germanen und die Zivilisation des Alten Ägyptens.

Geographische Themenkreise umfassten das Orientieren auf der Erde mit intensiver Atlasarbeit, die Topographie Deutschlands, die Nordseeküste mit besonderem Schwerpunkt auf den Inseln und Halligen, die Wüste und ihrer Bewohner sowie schließlich die kalten Zonen.

Didaktische Aufbereitung und Methodik des WUK-Unterrichts

Die mündliche Beteiligung nahm für die WUK-Note einen besonders hohen Stellenwert (60 % der Gesamtnote) ein. Die WUK-Didaktik sah vor, dass der Lehrer die mündliche Beteiligung und das Arbeitsverhalten jedes seiner Schüler über einen längeren Zeitraum beobachte und daraus dann eine Gesamtnote vergebe. Schlechterdings gab es aber auch WUK-Lehrer, die ihre mündlichen Noten nur für drei oder vier einzelne Stunden pro Halbjahr vergaben, was zu einer beträchtlichen Abnahme der intrinsischen und extrinsischen Motivation bei denjenigen Schülern führte, die sich gerade in jenen Stunden nicht rege am Unterricht beteiligten. Um diesen Frustrationen entgegenzuwirken, vergaben viele WUK-Lehrer am Ende jeder Stunde bei jedem Schüler eine symbolische Wertung wie „ein Plus“, „einen Kringel“ oder aber „ein Minus“.

Die WUK-Arbeiten waren dergestalt konzipiert, dass die Schüler bereits in der 5. und 6. Klasse damit konfrontiert wurden, gezielt Informationen aus einem längeren Text zu extrahieren. Somit ging die geforderte Methodenkompetenz über rein reproduktive Fragen zum Lernstoff hinaus. Es konnte sogar vorkommen, dass die Schüler ihr Wissen in einzelnen Transferaufgaben anwenden und auf neue Sachverhalte übertragen mussten. In der Regel wurden wegen des dreistündigen Unterrichts zwei Klassenarbeiten pro Halbjahr geschrieben.

In aller Regel erteilten die Klassenlehrer den WUK-Unterricht an der damaligen Orientierungsstufe, während beispielsweise die Fächer Biologie und Physik auch an der OS nur von einzelnen Fachlehrern erteilt wurden. Auch dieser Umstand untermauert die Sonderstellung dieses Faches. Die Klassenlehrer waren besonders häufig als WUK-Lehrer zugegen, da der kommunikative Ansatz für dieses Fach besonders wichtig war und durch außerunterrichtliche Exkursionen, z. B. ins Naturkundemuseum oder einem Tagesausflug zum Nationalpark Wattenmeer, die Klassengemeinschaft gestärkt werden sollte.

Jahrzehntelang war es im WUK-Unterricht, dass Schüler erstmals mit dem selbständigen, wissenschaftspropädeutischen Arbeiten konfrontiert wurden, was insbesondere durch Wochenplan- und Freiarbeit geschah.[2] Außerdem hob sich der WUK-Unterricht durch den hohen Anteil an Gruppenunterricht von anderen Fächern ab – so erarbeiteten die Schüler beispielsweise in Gruppenarbeit die Lebensbedingungen der Wüstenbewohner und stellten diese im Anschluss daran auf Plakaten vor. Darüber hinaus war es oftmals im Fach WUK, dass die Schüler das erste Referat in ihrer Schullaufbahn hielten.

Weil viele Geschichts- und Erdkundelehrer an den Gymnasien dem Fach WUK einen hohen Stellenwert in Bezug auf die Hinführung zu geschichtlichen und geographischen Sachverhalten beimaßen, erfragten viele von ihnen zu Beginn des Schuljahres die WUK-Noten ihrer neuen Schüler.

Ziele

Speziell der Exkurs „Wir leben mit Menschen aus anderen Kulturen zusammen“ soll die Sozialkompetenz und die Empathie der Schüler, insbesondere für ausländische Mitschüler, stärken.[3]

Auch das Thema „Verkehrserziehung“ war Teil des WUK-Unterrichts; in einzelnen Stunden wurden Themen des Sachkundeunterrichts, wie „Sicheres Fahrrad“ oder „Verkehrsregeln wie rechts-vor-links“ sowie „Bedeutung der Verkehrsschilder“, gezielt wiederholt.

Im WUK-Unterricht wurden die Schüler auch erstmals mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, dem Nationalsozialismus, konfrontiert,[4] wobei die WUK-Lehrer fächerübergreifend und im engen Schulterschluss mit den Deutschlehrern arbeiteten, die in ihrem Unterricht Bücher wie „Ich bin ein Stern“ und „Oleg und die belagerte Stadt“ lasen. Diese frühe Konfrontation mit dem schrecklichsten Kapitel der Weltgeschichte war ein Spezifikum des WUK-Unterrichts, während der heutige Lehrplan des Geschichtsunterrichts es nicht vorsieht, dass die Zeit des Dritten Reichs im Geschichtsunterricht der 6. Klasse thematisiert wird. Heute findet die erste Konfrontation mit dieser Epoche hingegen erst im Geschichtsunterricht der Klasse 10 statt, also vier Jahre später. Zeitzeugenberichte nahmen in dieser WUK-Unterrichtseinheit einen besonders großen Stellenwert ein, da die Schüler sich durch die persönliche Begegnung mit Menschen, die den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg selbst erlebt haben, besonders gut in die leidvollen Schicksale vieler Menschen einfühlen können.[5]

Kompendien und erlebnisorientierter Ansatz

Als Lehrwerk und Kompendium war „Mensch und Umwelt“ aus dem Schroedel-Verlag besonders weit verbreitet; Schülern der 90er Jahre ist das petrolfarbene Lehrwerk vertraut, von dem indes 1999 eine Neuauflage erschien.[6]

Viele Klassenlehrer organisierten ihre Klassenfahrten „WUK-zentriert“, indem sie beispielsweise mit ihren Schülern auf eine Nordseeinsel fuhren. Indem sie Schüler mit Lebensräumen aus dem WUK-Buch konfrontierten, wählten jene Pädagogen den erlebnispädagogischen Ansatz. Analog zu einer Sportklassenfahrt sprachen die Lehrer bei einer Klassenfahrt auf die Insel Spiekeroog, auf der Unternehmungen wie eine Wattwanderung, die Besichtigung des Deichvorlandes und die Fahrt mit einem Fischkutter auf dem Programm standen, von einer „WUK-Klassenfahrt“.

Kuriosum

Viele Schüler der 5. und 6. Klasse waren seinerzeit der Ansicht, dass man WUK studieren könne und dass ihr Lehrer "ein WUK-Studium" absolviert habe, da ihnen die Namen der Bezugswissenschaften des Faches WUK, also die Studienfächer Geographie und Geschichte, in aller Regel noch nicht geläufig waren.

Einzelnachweise

  1. Aktuelles. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 13. April 2017; abgerufen am 12. April 2017 (Schweizer Hochdeutsch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bremen-erdkunde.de
  2. Leben in vorgeschichtlicher Zeit – Steinzeit (PDF-Datei)
  3. Musterstundenplanung
  4. KZ-Gedenkstätten (PDF-Datei)
  5. Zeitzeugin über die Jahre unter der NS-Diktatur
  6. Karlheinz Kolb, Harald Mertins, Susanne Rautmann: Mensch und Umwelt 99. Schroedel-Verlag 1999, ISBN 978-3-507-36011-2