Slutshaming

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Juli 2022 um 11:26 Uhr durch imported>Sascha-Wagner(175520) (Korr. War richtiger Orig -Begriff (Kontext en/Orig -Art. u. Disk da)).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Slutshaming (engl. für Schlampen-Beschämen) ist eine Praxis, mit der Menschen, insbesondere Frauen und Mädchen, angegriffen und beleidigt werden, die dem von der Gesellschaft erwarteten Verhalten und äußeren Erscheinungsbild im Bezug auf Sexualität widersprechen. Betroffen sind beispielsweise Personen, die als sexuell provokativ wahrgenommene Kleidung tragen, durch das Nutzen von Empfängnisverhütung als sexuell aktiv erkennbar werden, voreheliche Sexualität praktizieren, wechselnde Sexualpartner haben oder in der Prostitution tätig sind. Ein weiteres Beispiel ist das Victim blaming, bei dem dem Opfer eine „Schuld“ zugeschrieben wird, beispielsweise Opfern einer Vergewaltigung oder anderer sexuellen Nötigung. Dabei werden Frauen zu Verursacherinnen der jeweiligen Taten erklärt, da sie zum Beispiel „aufreizend“ gekleidet gewesen seien oder sich auf Flirts oder andere sexuelle Annäherung eingelassen hätten. Somit ist Slutshaming Bestandteil der Rape Culture. Der Begriff wird auch im Zusammenhang mit schwulen Männern verwendet, die für ein eventuelles promiskuitives Verhalten verurteilt werden. Slutshaming wird von Frauen und Männern praktiziert.[1][2][3][4]

Entstehung des Begriffs

Im Jahr 1999 veröffentlichte die Feministin Leora Tanenbaum das Buch Slut!: Growing Up Female with a Bad Reputation, in dem sie sich mit der Praxis des Beschämens sexuell aktiver Frauen und ihren eigenen Erfahrungen damit beschäftigte. Sie verwendete dafür den Begriff Slutbashing, der später durch Slutshaming ersetzt wurde.[5]

Vermutlich wurde der Begriff Slutshaming ab 2011 verwendet und durch die Slutwalks bekannt. Nachdem ein Polizist in Toronto bei einer Präventionsveranstaltung in der York University gesagt hatte, Frauen sollten sich nicht wie Schlampen kleiden, um vor Sexualverbrechen besser geschützt zu sein, formierte sich ein weltweiter Protest gegen Slutshaming. Auf Demonstrationen forderten Frauen ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein und protestierten gegen Täter-Opfer-Umkehr. Ziel der Slutwalks war eine Sensibilisierung für Slutshaming sowie eine positiv definierte Aneignung (als gewählte Selbstbezeichnung) des Begriffs Slut/Schlampe.[6][7]

Beispiele für Slutshaming

1998 geriet Monica Lewinsky, damals Praktikantin im Weißen Haus, wegen einer kurzen Affäre mit dem US-Präsidenten Bill Clinton in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Ausdruck war damals zwar noch nicht verbreitet,[8] die Vorgänge werden aber als prominenter Fall von Slutshaming gewertet: Die Medien unterstellten Lewinsky promiskuitives Verhalten und der Sender Fox führte sogar eine Zuschauer-Umfrage durch, ob sie ein „Durchschnittsmädchen“ (average girl) oder „ein Flittchen auf der Suche nach Abenteuern“ (a tramp looking for adventures) sei. Das Wall Street Journal bezeichnete sie als „Vollidiotin“ (tard). Die New-York-Times-Autorin Maureen Dowd wurde für einen Artikel mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, in dem sie Lewinsky eine „dumme, räuberische Weißes-Haus-Praktikantin“ nannte (ditzy, predatory White House intern). Lewinsky gab später an, dass sie unter diesen öffentlichen Schmähungen sehr gelitten habe. Sie habe eine posttraumatische Belastungsstörung und Suizidabsichten entwickelt, Arbeitsstellen seien ihr verweigert worden. Das Slutshaming habe nie aufgehört.[8][9]

In einer Studie über Promiskuität, bei der 810 Collegestudentinnen in den USA befragt wurden, stellte man fest, dass junge Frauen mit vielen Sexualkontakten deutlich mehr von Slutshaming, Mobbing und Stigmatisierung betroffen seien als andere. Andererseits hätten sie aber auch oft gute Freundschaften zu anderen, was auf einen eher extrovertierten Charakter zurückzuführen sei.[10][11] Slutshaming könne Separation von anderen Menschen, Misstrauen, soziale Ängste und eine generelle Unsicherheit bei den Betroffenen hervorrufen.[12]

In den USA wurden Kleidervorschriften für Mädchen an Schulen zum Teil ebenfalls als Slutshaming gewertet und kontrovers diskutiert. Wenn etwa eine Schülerin vom Unterricht ausgeschlossen werde, weil ihre Kleidung zu aufreizend sei (beispielsweise ein Top mit Spaghettiträgern), erhalte sie das Signal, selbst verantwortlich für eventuelle sexuelle Übergriffe in ihrem Leben zu sein.[13] Auch in Deutschland legen einige Schulen Vorschriften für die Bekleidung von Mädchen fest. Begründet wird dies in der Regel damit, die Ordnung der Schule aufrechterhalten zu wollen.[14] In einer Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema „Sexismus“ wurde dies 2017 als Förderung von „Vergewaltigungsmythen“ bezeichnet.[15] Die Frauenrechte-Organisation Pinkstinks Germany kritisierte 2019 die Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen bei diesem Thema.[16]

Siehe auch

  • Racheporno (veröffentlicht ohne Einwilligung aller Beteiligten)
  • Rape Culture (soziale Milieus oder Gesellschaften mit Formen sexualisierter Gewalt)
  • eve teasing (sexuelle Belästigung von Frauen auf öffentlichen Plätzen in Südasien)

Literatur

  • Leora Tanenbaum: Slut!: Growing Up Female with a Bad Reputation, 1999.
  • Leora Tanenbaum: I am not a Slut. Slut-Shaming in the Age of the Internet, 2015

Einzelnachweise

  1. Von feminismus101.de: Slut Shaming. In: Feminismus 101. 6. Juni 2012, abgerufen am 25. Juli 2020 (deutsch).
  2. Slut Shaming und Online-Dating - frauenseiten.bremen. 22. April 2020, abgerufen am 25. Juli 2020 (deutsch).
  3. Olga Khazan: There's No Such Thing as a Slut. In: The Atlantic. 28. Mai 2014, abgerufen am 25. Juli 2020 (amerikanisches Englisch).
  4. Slut-Shaming – FUMA Fachstelle Gender & Diversität. Abgerufen am 25. Juli 2020 (deutsch).
  5. The Shaming of Monica: Why We Owe Her an Apology. In: Time.com. Abgerufen am 25. Juli 2020.
  6. Alexandra Eul: Protest: Slutwalks in Deutschland. In: Emma. Abgerufen am 25. Juli 2020.
  7. Slutwalk : Hunderte Frauen demonstrieren gegen sexuelle Gewalt. In: Die Zeit (online). Abgerufen am 25. Juli 2020.
  8. a b The Shaming of Monica: Why We Owe Her an Apology. In: Time. 9. Mai 2014, abgerufen am 25. Juli 2020.
  9. Monica Lewinsky: Monica Lewinsky: Emerging from “the House of Gaslight” in the Age of #MeToo. In: Vanity Fair. Abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
  10. Nina Bahadur: What Your Sex Life Could Say About Your Social Life. In: Huffington Post. 8. April 2015, abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
  11. Do Promiscuous People Really Have Fewer Friends? In: Psychology Today. Abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
  12. The Long-Term Effects Of Slut-Shaming. In: Bustle. Abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
  13. The problem with slut shaming in schools. In: L.A. Times. 22. Februar 2016, abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
  14. Meldung: Ansage an Schülerinnen: „Hotpants sind zu krass, schulterfrei ist okay“. In: Die Welt. 5. Juli 2018, abgerufen am 11. August 2020.
  15. Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.): Ist doch ein Kompliment … Behauptungen und Fakten zu Sexismus. 2., korrigierte Auflage. In: luxemburg argumente. Nr. 9, Berlin, Dezember 2017, S. 17 (PDF: 2,2 MB, 44 Seiten auf rosalux.de).
  16. Nils: Darf meine Tochter in Hot Pants in die Schule? In: Pinkstinks.de. 12. März 2019, abgerufen am 11. August 2020.