Eisenbahnunfall von Pelm

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Der Eisenbahnunfall von Pelm (auch bekannt als „Eisenbahnunfall von Gerolstein“) ist der rare Fall eines Eisenbahnunfalls, bei dem ein Zug mit sich selbst einen Auffahrunfall verursachte. Dies geschah am 18. Mai 1897 bei Kilometer 97,4 der Eifelstrecke zwischen den Bahnhöfen Hillesheim (heute: Oberbettingen-Hillesheim) und Gerolstein. Zehn Menschen starben bei dem Unfall, 40 wurden darüber hinaus verletzt.

Ausgangslage

Der Sonderzug aus 32 zwei- und dreiachsigen Abteilwagen mit insgesamt 86 Achsen kam aus Barmen, das er um 15 Uhr verlassen hatte. Der Zug transportierte Reservisten zur Garnison in Metz im damals deutschen Lothringen. Als Halt zur Verpflegung war am 19. Mai 1897 um 1 Uhr 56 Trier vorgesehen, die Ankunft in Metz später am selben Tag. Die Reservisten sollten dort die Regimenter 98, 130, 135 und 143 für ein Militärmanöver verstärken, mit dem die Verteidigung der Westgrenze des Deutschen Reiches gegen Frankreich geübt wurde. Besetzt war der Zug mit 1124 Mannschaftsdienstgraden und fünf Offizieren. Letztere waren in einem Abteil der 1. Klasse in einem Wagen untergebracht, der an 7. Stelle des Zugverbandes lief. Das Zugpersonal bestand aus zehn Personen.

Um die Wasserscheide bei Schmidtheim zu überwinden, schob zusätzlich eine zweite Lokomotive den schweren Zug. Es herrschte dichter Nebel.

Die vordere Lokomotive besaß eine durchgehende und selbsttätige Druckluftbremse, jedoch waren nicht alle Wagen entsprechend ausgerüstet. Deshalb waren nur die ersten Wagen des Zuges an die entsprechende Bremseinrichtung angeschlossen. Die übrigen Wagen waren mit den üblichen Handbremsen ausgestattet, die durch Bremser bedient wurden. Züge ohne durchgehende und selbsttätige Bremse waren mit einer Kommunikationsleine ausgerüstet, durch deren Ziehen im Notfall der Lokomotivführer informiert werden kann, eine Notbremsung auszulösen. Diese scheint hier – da die vorderen Wagen ja Druckluftbremsen besaßen – aber nicht bis zur Lokomotive gereicht zu haben, war also nicht funktionstüchtig.

Die Betriebsvorschrift bestimmte, dass im Fall einer Zugtrennung der hintere Zugteil zum Stehen zu bringen war, der vordere aber auf keinen Fall anhalten durfte.[1]

Unfallhergang

Der Zug hatte den Bahnhof Hillesheim passiert. Hier war noch alles in Ordnung: Der Zug fuhr noch ungetrennt. Hinter dem Bahnhof beginnt ein Gefälle von 1:140. Hier kam es zu einer Zugtrennung zwischen dem 13. und 14. Wagen, ohne dass das Personal des vorderen Zugteils das bemerkte: Eine Kupplung hatte sich ausgehakt, vermutlich hatte die Schiebelokomotive stärker gebremst als die vordere. Der Führer der Schiebelokomotive bemerkte den Zwischenfall zwar, jedoch wurden seine Notsignale vom vorderen Lokomotivpersonal nicht wahrgenommen. Als die Offiziere im vorderen Teil des Zuges auf den Vorfall aufmerksam wurden, veranlassten sie den Lokführer des vorderen Zugteils – vorschriftswidrig – anzuhalten. Der vordere Zugteil kam in dem Dorf Pelm zum Stehen. Den Soldaten wurde auszusteigen befohlen, so dass ein Teil schon nicht mehr in den Wagen war, als es zum Unfall kam.

Auch der hintere, abgetrennte Zugteil war mit der schiebenden Lokomotive – ebenfalls vorschriftswidrig – weiter gefahren, allerdings langsamer als der vordere Zugteil. Da der vordere Zugteil aber nach der Notbremsung stand und die Sicht wegen des Nebels unzureichend war, prallten die getrennten Wagen gegen 23 Uhr 30 mit erheblicher Wucht auf den stehenden Zugteil auf.

Folgen

Drei Wagen wurden zertrümmert, vier schwer, einer leicht beschädigt. Neun Soldaten und ein Bremser starben, 40 Menschen wurden darüber hinaus – zum Teil schwer – verletzt. Die Bergungsarbeiten gestalteten sich schwierig. Um in der Nacht Licht für die Bergungsarbeiten zu schaffen, wurde ein zertrümmerter Waggon angezündet. Werkzeuge fehlten, um eingeklemmte Verletzte zu bergen. Die Feuerwehr und Hilfskräfte aus Gerolstein, Jünkerath und Hillesheim trafen am Unfallort ein, darunter auch Ärzte. Zivilisten aus Pelm unterstützten die Soldaten bei den Rettungsarbeiten und brachten Handtücher und Bettzeug, die hilfsweise als Verbandsmaterial verwendet wurden. Ein Hilfszug mit Ärzten und Sanitätern aus Trier traf erst am Morgen ein. Er kehrte am späten Vormittag nach Trier zurück, wo er um 11 Uhr 30 eintraf – zwölf Stunden nach dem Unfall. Die Verletzten wurden mit Möbelwagen und Sanitätsfahrzeugen in das örtliche Lazarett gebracht.

Erbgroßherzog Friedrich von Baden besuchte noch am 19. Mai 1897 im Auftrag Kaiser Wilhelms II. die Verletzten im Lazarett. Der Kaiser, der sich zu den Maifestspielen in Wiesbaden aufhielt, ließ als Ehrenbezeigung für die Opfer des Unfalls einen geplanten Herrenabend ausfallen.

Eine Folge des Unfalls war – nach langer Planungsphase – 1911 der Bau eines Krankenhauses in Gerolstein für die Regionalversorgung der Bevölkerung und der zahlreichen Bahnbediensteten, die mit dem Bau der Eifelbahnen zuwanderten.

Die Dienstvorschriften für Militärtransporte wurden geändert und die durchgehende und selbsttätige Bremse auch für Güterzüge und Militärtransporte eingeführt.

Ein fünf Meter hohes Denkmal wurde auf Initiative von Kriegervereinen des Bergischen Landes – woher viele der Opfer kamen – unter Leitung des Pelmer Kriegervereins errichtet und am 30. Mai 1898 eingeweiht. Es ist in historistischen Stil gestaltet und von einem neugotischen Tabernakel in Form eines Ziboriums gekrönt. Das Denkmal wird heute von der Ortsgemeinde Pelm gepflegt und wurde 2010 mit Unterstützung aus der Bevölkerung und durch das Landesamt für Denkmalpflege renoviert.

Siehe auch

Ähnliche Unfälle, bei denen der abgetrennte Teil eines Zuges einen Auffahrunfall verursachte:

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eisenbahn-Directionsbezirk Mainz (Hg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 23. März 1907, Nr. 15. Bekanntmachung Nr. 159, S. 169.

Koordinaten: 50° 14′ 19,7″ N, 6° 41′ 28,8″ O