Privileg

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Privileg Kaiser Karls IV., das allein den Prager Erzbischöfen die Krönung des böhmischen Königs vorbehält.

Ein Privileg (Plural Privilegien, von lateinisch privilegium „Ausnahmegesetz, Vorrecht“) ist ein Vorrecht, das einer einzelnen Person oder einer Personengruppe zugeteilt wird.

Begriff

Das lateinische

privilegium

setzt sich zusammen aus den Wörtern

privus

(„einzeln, gesondert“) und

lex

(„Gesetz, Rechtsvorschrift“). Als Privilegien wurden im Römischen Recht ursprünglich rechtliche Entscheidungen bezeichnet, die eine einzelne Person betrafen, also keine Gruppe und auch nicht die Gesamtheit der römischen Bürger. Rechtssystematisch handelte es sich demnach um eine Einzelverfügung. Der Charakter der gesetzlichen Maßnahme blieb dabei zunächst offen. Insbesondere war es ursprünglich unerheblich, ob das Privileg ein Recht oder eine Pflicht beinhaltete. Zur Zeit der Römischen Republik wurden als

privilegia

vielmehr ganz allgemein Rechtsentscheidungen des Gesetzgebers bezeichnet, die keine allgemeinen Gesetze (Allgemeinverfügungen) darstellten, sondern eine Ausnahme von der allgemeinen Regel zum Inhalt hatten. Erst in späterer Zeit bildete sich daraus die bis heute geltende juristische Definition heraus, wonach ein Privileg das einem Einzelnen (oder einer bestimmten Gruppe) vom Gesetzgeber im Sinne eines Gnadenerweises gewährte Vorrecht bezeichnet. Den Empfänger

per se

beschwerende Rechtsakte fallen damit nicht mehr unter diesen Begriff (wiewohl ein Privileg durchaus mit Auflagen verbunden oder an Bedingungen geknüpft sein kann). In diesem Sinne wird das Wort

privilegium

in Justinians

als allgemeine Bezeichnung für ein

ius singulare

(Recht eines Einzelnen) verwendet.[1] Beispiele für römische

privilegia

sind etwa das Gesetz zum Imperium des Pompeius oder die Erlaubnis der Rückkehr des Cicero aus der Verbannung.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde der Begriff im Gewerberecht auch im Sinne von Patent oder Konzession verwendet.[2]

In der Soziologie ist hin und wieder auch von einer sogenannten „negativen Privilegierung“ die Rede. Dieser Begriff wird insbesondere im Zusammenhang mit Bildungschancen einzelner Milieus verwendet.[3]

In der Erziehung bezeichnet man als Privilegien Vorteile, die ein Kind im Elternhaus genießt, die für sein gesundes Aufwachsen nicht nötig sind, die von den Eltern aber gewährt werden, weil das Kind sie wünscht.

Geschichte

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Die Ausdehnung des Begriffs Privileg auf Gruppen oder ein Grundstück (Realprivileg), die Vererbbarkeit von Privilegien sowie die Beschränkung des Inhalts auf Vorrechte sind Entwicklungen aus der Zeit nach dem Untergang des Römischen Reichs.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde durch die Ausstellung eines Privilegs (in Form einer Urkunde) für Einzelpersonen oder Gruppen neues Recht gesetzt, wodurch die Inhaber der Privilegien einen Vorteil gegenüber anderen erlangten. Zum Wesen des Privilegs gehört, dass es im Gegensatz zum Mandat auf Dauer einen neuen Rechtstatbestand schuf, der auch weitervererbt werden konnte. Nur in Ausnahmefällen (z. B. Fehlverhalten oder Untreue des Begünstigten) konnte die Privilegierung wieder aufgehoben werden. Es gab allerdings bis in die Neuzeit hinein auch immer wieder Privilegien, die der wiederkehrenden (z. B. jährlichen) Bestätigung bedurften.

Privilegien konnten jene Personen erteilen, die Rechte oder Besitz an Untertanen frei weitergeben durften. Dies waren in erster Linie der Kaiser (bzw. König) und die Päpste. Aber auch ein Grundherr konnte einen seiner Untertanen privilegieren, indem er ihn zum Beispiel vom Frondienst befreite.

Gegenstand mittelalterlicher Privilegien waren die unterschiedlichsten Dinge: So zählen Schenkungen an Untergebene, die Erteilung eines Monopols, das Recht, Münzen zu prägen oder ein Wappen zu führen, die Befreiung von Zinsen und Diensten, die Verleihung von Gerichtsbarkeiten oder gar die Gründung von Universitäten zu den Privilegien. Auch die Erteilung des Stadtrechts gehört zu den Privilegien, weil die Angehörigen der Kommune gleich ein ganzes Bündel von Rechten erhielten. Unter anderem waren die Stadtbürger persönlich frei.

Die Summe aller Privilegien, die den Ständen eines ganzen Landes im Laufe der Zeit verliehen wurden, bildeten die Grundlage für die ständischen Verfassungen in der Frühen Neuzeit. Sie definierten das Verhältnis zwischen dem Land und seinem Fürsten, indem sie die Rechte des Landesherrn zu Gunsten der Stände beschränkten. In der Zeit des Absolutismus verloren die ständischen Korporationen viele Privilegien wieder an die Fürsten.

Zu den umfassenden Privilegien kamen zahllose speziell erteilte. In Residenzstädten bewarben sich einzelne Unternehmer um den Titel Privilegierter Lieferant des Hofes. In der Druckindustrie wurden zudem Privilegien auf einzelne Druckwerke erteilt – eine Positionierung, die insbesondere große Buchprojekte anstrebte, die mit hohen verlegerischen Investitionen verbunden waren. Der Landesherr, der das Privileg erteilte, drohte im Fall des Raubdrucks mit Ahndung. (Im „normalen“ Fall des Raubdrucks blieb es den Buchhändlern überlassen, „schwarze Schafe“ unter sich auszumachen und Verstöße mit Sanktionen untereinander zu brandmarken.)

19. und 20. Jahrhundert

Im Sinne der Gleichberechtigung aller Menschen werden Privilegien kritischer gesehen. Birgit Rommelspacher definiert Privilegierung als Gegenspieler der Diskriminierung: Diskriminierung erzeuge Privilegierung, Privilegierung erzeuge Diskriminierung. Insbesondere Privilegien, die mit der Geburt erworben werden, sind im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland durch den Art. 3 Abs. 3 ausgeschlossen:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Gegenwart

Das Kirchenrecht kennt im Kapitel IV von Buch I bis heute die Möglichkeit, ein Privileg als einen Gnadenerweis zugunsten bestimmter Personen zu erteilen (c. 76 § 1) und unterscheidet anhand der Gültigkeitsdauer das unbefristet gültige Privileg vom Dispens.

Im objektiven Recht normierte Privilegien sind u. a. das Sonderrecht im Straßenverkehrsrecht in Deutschland und das Sonderrecht im Stockwerkeigentum in der Schweiz und in Liechtenstein.

In der Kritischen Weißseinsforschung wird die Tatsache, dass Weiße rassisch nicht diskriminiert werden, als unfaires Privileg beschrieben, dessen sie durch antirassistische Bildungsarbeit bewusst gemacht werden sollten.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Barbara Dölemeyer, Heinz Mohnhaupt (Hrsg.): Das Privileg im europäischen Vergleich (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. Bd. 93 und 125). 2 Bde. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1997–1999, ISBN 3-465-02899-6, ISBN 3-465-02772-8.
  • Markus Engert: Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt (Europäische Hochschulschriften Bd. 3479). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2002, ISBN 3-631-39690-2 (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 2002).
  • Thorsten Lieb: Privileg und Verwaltungsakt (= Rechtshistorische Reihe. Bd. 280). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2004, ISBN 3-631-51390-9 (Zugleich: Bayreuth, Univ., Diss., 2003).

Weblinks

Wiktionary: Privileg – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Friedrich Karl von Savigny: System des heutigen römischen Rechts. Bd. 1. Berlin 1840–1851, Aalen 1981, S. 61 (Reprint). ISBN 3-511-04810-9.
  2. Vgl. Privilegium in Herders Conversations-Lexikon, 1854 (online), Meyers Großes Konversations-Lexikon, 1905 (online), Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, 1911 (online)
  3. Michael Vester: Die geteilte Bildungsexpansion – Die sozialen Milieus und das segregierende Bildungssystemder Bundesrepublik Deutschland. S. 79
  4. Astrid Messerschmidt: Distanzierungsmuster. Vier Praktiken im Umgang mit Rassismus. In: Anne Broden, Paul Mecheril (Hrsg.): Rassismus bildet. Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivierung in der Migrationsgesellschaft. transcript, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-8376-1456-5, S. 41–58, insbesondere S. 44.