St.-Wolfgangs-Kirche (Schneeberg)

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Blick auf die Kirche vom Gleesberg aus

Die St.-Wolfgangs-Kirche in Schneeberg zählt zu den größten Hallenkirchen der Spätgotik im sächsischen Raum. Sie entstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf Teilen eines kleineren Vorgängerbaus und gilt als früher Typus eines reformatorischen Kirchengebäudes. Wegen ihres dominanten Standorts auf der Kuppe des Schneeberges, der in vergangenen Jahrhunderten für den Erzabbau aus Gruben und Stollen durchörtert worden war, wird sie auch als Bergmannsdom bezeichnet.[1] Die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde St. Wolfgang in Schneeberg besitzt neben der hier beschriebenen Kirche die Trinitatiskirche am Fürstenplatz, die 1567–1575 als Hospitalkirche errichtet wurde und heute als Winterkirche genutzt wird. Die Kirchengemeinde Schneeberg ist mit der St. Georg & St. Martin-Gemeinde in Griesbach verbunden.

Baugeschichte

Der Beschluss eines Kirchenneubaus

Obwohl erst 1478 eine kleine Feldsteinkirche auf dem Berg geweiht worden war, plante Kurfürst Friedrich der Weise, der aus dem ernestischen Zweig der Wettiner stammte, nur wenige Jahre später einen monumentalen Neubau der St.-Wolfgangs-Kirche, der die St.-Annen-Kirche im albertinischen Annaberg übertreffen sollte. Die Pläne für das neue Gotteshaus entwarfen Hans Meltwitz (auch Hans von Torgau) und Fabian Lobwasser (der später unter anderem für den Bau des neuen Rathauses der Stadt Schneeberg verantwortlich zeichnete). Die Bürger, besonders die Besitzer der Bergwerke, finanzierten den aufwändigen Kirchenneubau dadurch, dass sie seit etwa 1480 von jedem fündigen Kux (einem Bergwerksanteil) einen Groschen an die Kirchengemeinde abführten.

Turmzugang: Der Türklopfer stammt von der ersten Feldsteinkirche.

Der Neubau begann im Jahr 1516. Dafür wurde die kleine Feldsteinkirche abgetragen. Während der Bauzeit wurde 1524 die Reformation im Kurfürstentum Sachsen eingeführt. Die neue Glaubensrichtung wurde durch eine Visitationskommission zur Neuordnung des gesamten Lebens nach den Thesen Martin Luthers durchgesetzt. Auch auf die im Bau befindliche neue Stadtkirche und deren vereinfachte Ausgestaltung wirkte sich die geänderte Kirchenlehre aus. Im Jahr 1540 konnte der Sakralbau evangelisch geweiht werden.

Der Bergmannsdom zwischen 1540 und 1944

Außer den regelmäßigen kirchlichen Gottesdiensten, Kindstaufen, Hochzeiten und Totenmessen diente die auf den Namen des heiligen Wolfgang von Regensburg geweihte Kirche fortan auch für große Feiern wie einem Dankgottesdienst im Jahr 1609 anlässlich der für böhmische Einwanderer beschlossenen Religionsfreiheit oder einem Bittgottesdienst 1654 bei einer vorausgesagten totalen Sonnenfinsternis.[2]

Während der Eroberungsfeldzüge des Dreißigjährigen Kriegs unter Wallenstein erfolgten durch die Truppen des Generals Heinrich von Holk († 1633) auch Plünderungen am Inventar der St.-Wolfgangs-Kirche. Dabei wurden insbesondere die Bilder des 1539 aufgestellten Altars aus der Werkstatt der Künstlerfamilie Cranach entwendet und nach Böhmen verbracht. Der Rat der Stadt bemühte sich nach Ende der Besatzung um eine Rückführung der Gemälde, was 1649 gelang und wieder feierlich begangen wurde.[2]

Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts erhielt die Kirche eine reiche barocke Innenausstattung. In den 1670er Jahren wurde der Turm auf 72 Meter erhöht. Bei dem großen Stadtbrand von 1719 wurde der Sakralbau schwer beschädigt und auch später brannte es häufig. In den folgenden Jahrzehnten wurde also das Gebäude immer wieder repariert und in Teilen erneuert.

Massive Zerstörungen im April 1945

Geretteter und restaurierter Taufstein aus dem 16. Jahrhundert

Zwei US-amerikanische Tiefflugbomber beschossen in der Mittagszeit des 19. April 1945 zunächst das gesamte Schneeberger Stadtgebiet und die auf der Straße befindlichen Bewohner, überwiegend mit Brandmunition. Dabei wurden auch der Dachstuhl der St.-Wolfgangs-Kirche und deren Turm getroffen. Weil nach den früheren Bränden alles Hölzerne in der Kirche mit Feuerschutzmitteln gestrichen worden war, traten erst zwei Stunden nach dem Angriff die ersten Brandnester im Gotteshaus auf. Die Einwohner unternahmen verzweifelt Löschversuche. Dafür stand aber kein Löschwasser zur Verfügung, weil der Wasserdruck für die Löschtechnik nicht ausreichte. So wurden gemeinsam wenigstens wertvolle Gegenstände wie zahlreiche Bände der Kirchenbibliothek, die bereits abgenommenen Tafeln des Altars, der Taufstein und andere Ausstattungsstücke vor der Vernichtung bewahrt. Die Original-Jahn-Orgel mit ihren 3018 Pfeifen,[3] das Gestühl und die kleine Glocke wurden jedoch ein Raub der Flammen. Als sich das Feuer erst einmal durch das Gebälk gefressen hatte, wurden auch die Sandsteinsäulen und Gewölbe in Mitleidenschaft gezogen, da sie aus Material mit eingelagerten Kohlenresten (Planitzer Sandstein) bestanden, die dabei ausbrannten. Außerdem entstanden giftige Dämpfe. Nach vielen Stunden stürzten die meisten Gewölbe und nach sechs Wochen auch die Emporen ein. Die Kirche war nur noch eine Ruine mit einem meterhohen Schutthaufen innen und außen.

Wiederaufbau in kleinen Schritten

Die in Schneeberg verbliebenen arbeitsfähigen Frauen und Männer, selbst einige ehemalige Kriegsgefangene, machten sich bereits im Sommer 1945 an eine erste Enttrümmerung. So konnte in der Adventszeit 1946 in dem offenen Kirchenbau das erste Friedenskonzert stattfinden.[4]

Die Kirchenväter, die Stadtverwaltung und viele Freiwillige schlossen sich zu einem Freundeskreis St. Wolfgang zusammen, packten mit an oder spendeten für den Wiederaufbau. Sie alle sorgten dafür, dass ab 1952 eine schrittweise Rekonstruktion vorgenommen werden konnte. Wenn es irgend machbar war, wurden historische Bauteile oder Baustoffe eingesetzt – häufig jedoch kamen neue und vor allem stabilere Materialien zum Einsatz. Eine besondere Leistung der Denkmalpflege ist die historisch getreue Wiederherstellung der Pfeiler und der Gewölbe, die bei zahlreichen anderen kriegszerstörten Bauwerken in Deutschland unterblieb oder nur in vereinfachter oder veränderter Form erfolgte.

Abschluss der Grundsanierung und Rekonstruktion sowie weitere Nutzung

Nach der Wende fanden die Anstrengungen zur Sicherung und dem Erhalt des Baudenkmals mit der Altarweihe im Jahr 1996 ihr vorläufiges Ende. Alle weiteren Arbeiten zur Ausgestaltung, zur Sanierung der in den 1970er Jahren vorgenommenen Um- und Neubauten oder zur Erneuerung (zum Beispiel der Kirchenbeleuchtung) können unabhängig voneinander langfristig realisiert werden.

Das Gotteshaus dient wieder voll der Kirchgemeinde, seine Orgel wird außerdem gern für größere Konzerte genutzt. – Die Kirche kann täglich tagsüber kostenlos besichtigt werden. Führungen und Turmbesteigungen sind nach Voranmeldung möglich.

Architektur

Die Kirche ist eine dreischiffige Hallenkirche mit einer Länge von 61 und einer Breite von 28 Metern mit sechs Jochen in Bruchstein mit Gliederungen aus Sandstein. Im Innern ist eine gleichförmige und umlaufende Empore auf Segmentbögen erbaut. Der polygonale Chorabschluss ist stärker abgeflacht als in der Gotik üblich. Der Altarbereich ist dadurch nicht vom Hauptschiff abgesetzt und stellt damit die Frühform der lutherischen Predigtkirche dar. Die Kirche ist entsprechend der Lage auf dem Berg nicht streng in Ost-West-Richtung ausgerichtet, sondern leicht nach Norden gedreht, so dass die Altarapsis den nordöstlichen Abschluss des Gebäudes bildet. Auf dem Satteldach sitzt über dem Altarbereich ein Dachreiter. Nur auf der Nordwestseite ragt aus dem Baukörper ein seitlicher Anbau heraus.

Der Kirchturm ist auf der Südwestseite des Gebäudes asymmetrisch zur Bauachse der Kirche als gesonderter Baukörper angefügt. Er hat einen quadratischen Grundriss und ist aus Feld- und Ziegelsteinen aufgemauert. Der Turm wird durch eine barocke, schiefergedeckte Haube mit Laterne abgeschlossen, die nach einem Brand von 1719 in den Jahren 1751–1753 von August Siegert errichtet wurde.

In der kunsthistorischen Literatur[5] wird die Wolfgangskirche in Schneeberg zu einer Gruppe von spätgotischen Hallenkirchen gezählt, zu denen unter anderem der Freiberger Dom, die Marienkirche in Pirna, die St. Annenkirche in Annaberg und weitere Bauten in Böhmen und Sachsen zählen. Sie besitzt wie diese Bauwerke gekehlte Achteckpfeiler und formenreiche Rippengewölbe über teilweise nach innen gezogenen Strebepfeilern, weist aber durch eine betonte Exaktheit in der Grundrissform und durch die stärkere Vereinheitlichung aller Raumteile über die verwandten Bauwerke hinaus.

Eingänge, Fassaden und Kirchenfenster

Wappen über dem Eingangsportal

Der Haupteingang zur Kirche befindet sich auf der Nordwestseite des Kirchenschiffes in der Kirchgasse, er wird mit einem kleinen Vorbau geschützt. Ein historisches Wappenrelief schmückt das Zentrum seines Bogens. Die Nebeneingänge haben ebenfalls Rundbogenform mit sparsamem Fassadenschmuck und sind relativ klein.

Kompakte eher frühgotisch anmutende Strebepfeiler sorgen für die Stabilität der Kirchenwände. Fast einziger Fassadenschmuck sind die mehretagigen schmalen Rundbogenfenster mit Maßwerk sowie die Simse und Flächenmarkierungen um die jeweils drei Schalllöcher am Turm des Gebäudes. Die Kirchenfenster bestanden in der Originalausführung aus farbigen in Blei gefassten Glasmosaiken, die jedoch sämtlich im April 1945 zerbarsten. Nun sind sie aus Fensterglas gestaltet.

Turm

Allgemeines

Kirchturm

Im Südwesten des imposanten Kirchengebäudes steht der 72 Meter hohe Kirchturm. Er verfügt über eine Türmerwohnung, einen Glockenstuhl mit drei Bronzeglocken und einem umlaufenden Aussichtsgeschoss darüber. Die Türmerstube war eine komplette Wohnung für eine Familie, die für das regelmäßige Läuten der Glocken und die Kontrolle auf Stadtbrände zuständig war. Sie wurde noch bis 1945 bewohnt.

Glocken

Die Glocken sind aus Bronze gegossen und von höchster Güte. Die große Glocke wurde 1721 von Michael Weinhold in Dresden gegossen, mit 5950 kg und einem Durchmesser von 1,98 m[6], nach anderer Angabe von 2121 mm[7], zählt sie heute zu den zehn schwersten Glocken Sachsens.[8] Im Zweiten Weltkrieg wurden die zwei größten Glocken abgebaut und sollten im Rahmen der Metallspende des deutschen Volkes zu Kriegszwecken eingeschmolzen werden, wurden wegen ihres Alters aber zunächst zurückgestellt. Nach dem Krieg fand man sie unbeschädigt auf den Hamburger Glockenfriedhof wieder und brachte sie auf den Turm der St.-Wolfgangs-Kirche zurück. Die kleinste, auch Bergglöckl genannte Glocke wurde bei dem Brand im April 1945 restlos vernichtet.[3] Im Rahmen der umfassenden Restaurierung des Gotteshauses ab dem Ende der 1990er Jahre wurde eine neu gegossene dritte Glocke installiert.[9]

Turmbesteigung

Die Aussichtsgalerie auf dem Turm kann seit 2009 von Besuchern gebührenpflichtig über mehr als 200 Stufen erreicht werden. Sie wirbt mit einer prachtvollen Panoramasicht auf die Stadt. In der Türmerstube hat der Kirchenbauverein einen Informationsraum gestaltet, in dem freigelegte Bruchstücke des Gebäudes oder der früheren Ausstattung wie ein handgeschmiedetes Torschloss, ein historischer Gasleuchter oder ein Teilstück eines schmiedeeisernen Geländers präsentiert werden. Durch den Verkauf kleiner Souvenirs und von Snacks werden Gelder für weitere Erhaltungsmaßnahmen am Dach, an der Innenbeleuchtung usw. eingenommen.[1]

Turmblasen

Als langjährige Tradition hat sich auf dem Turm der St. Wolfgangskirche das Turmblasen etabliert. Es handelt sich um einen Posaunenchor in bergmännischer Traditionskleidung, der an Adventsonntagen altehrwürdige Bergmannslieder bläst und damit einen Teil der Glückaufabende bildete.[10] In den Jahren nach 1990 wurde das Turmblasen beibehalten, stellt nun aber einen Teil der neuen Weihnachtsbräuche wie das Anlichteln oder Anschieben der Ortspyramide dar.[11]

Ausstattung

Innenansicht Richtung Altar

Altar

Der Altar der St.-Wolfgangs-Kirche ist ein bedeutendes sächsisches Kunstwerk. 1531/32 beauftragte der sächsische Kurfürst Johann der Beständige die Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren mit der Herstellung. 1539 wurde der Altar an die Kirchgemeinde übergeben und in dem Gotteshaus aufgestellt. Aus dem kirchlichen Kassenbuch der damaligen Zeit geht hervor, dass die Gemeinde den Altar mit 357 Gulden und drei Groschen bezahlte, also nicht geschenkt bekam. Josef Heller bezeichnet den Altar als „eines der umfassendsten Hauptwerke in vortrefflicher Ausführung“.[12] – Im Lauf der Jahrhunderte erfuhr er zahlreiche Widrigkeiten. Er wurde im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen 1633 geraubt und nach Prag gebracht,[12] aber 16 Jahre später wiedererlangt.[12] Im Zuge der barocken Umgestaltung wurde er 1705[12] „auf geschmacklose Weise umgeändert“,[12] nämlich in Teile zerlegt und in der Kirche außerhalb des Altars angebracht.[13] Die Altarteile überstanden den Stadtbrand des Jahres 1719 unbeschadet. Nach der Bombardierung Schneebergs am 19. April 1945 konnte er von vielen Freiwilligen aus der schon brennenden Kirche gerettet werden. Bis 1969 waren einige der Gemälde in der Trinitatiskirche aufgehängt.[14] Nach einer aufwändigen und langwierigen Restaurierung kann der doppelt zu öffnende Flügelaltar heute in der von Cranach gedachten Form besichtigt werden.

Vorderansicht des Altars (Werktagsseite)
Rückansicht des Altars

Der Altar besteht aus zwölf Tafeln, je einem Hauptbild und einer Predella der Vorder- und Rückseite und den vier auf Vorder- und Rückseite bemalten Flügeln. Die inneren Flügel können eingeklappt werden. Dadurch gibt es die Werktagsansicht und die Feiertagsansicht. Die Predella zeigt auf der Vorderseite – also dem Kirchenhauptraum zugewandten Seite – das Abendmahl. Das Gemälde auf der Rückseite ist 1945 vollständig vernichtet worden und konnte nicht restauriert werden. Dafür wurde hier eine Tafel mit einer Kurzchronik zum Altar angebracht.

Die Bilder der Werktagsseite stellen die Grunderkenntnis der lutherische Reformation dar, die Rechtfertigung des Sünders durch Gnade und nicht durch das Gesetz, ein häufiges Bildprogramm, das auch Cranach mehrfach darstellte. Dabei sind jeweils Szenen, meist aus der Bibel, gegenübergestellt, die das Gesetz und die Gnade typologisch gegenüberstellen: Auf der linken Seite ist das Gesetz und seine Konsequenz abgebildet: Unter der kahlen Seite des Baums in der Mitte betrachten einige Männer, die Mose mit den Gesetzestafeln unterm Arm und die Propheten darstellen den von Tod und Teufel in die Hölle gehetzten Sünder. Im Hintergrund erscheinen Christus als Weltenrichter und der Sündenfall. Rechts, auf der Seite des grünenden Baumes, weist Johannes der Täufer als Gegenpart der Propheten den Menschen auf den Gekreuzigten als Quell seines Heils hin. Die Aufrichtung der Ehernen Schlage im Lager des Volks Israel im Hintergrund dient als zusätzlicher alttestamentarischer Hinweis. Im Seitenflügel erscheint Christus als Sieger über Tod und Teufel. Die Nebenszenen zeigen Christi Empfängnis und die Ankündigung seiner Geburt an die Hirten zu Weihnachten.

Die innere Festtagsseite zeigt im Hauptschrein die Kreuzigung Christi. In den Seitenflügeln ist links Christus betend im Garten Gethsemane, während im Hintergrund bereits Judas Iskariot mit den Knechten des Hohepriesters erscheint, um ihn gefangen zu nehmen, und rechts seine Auferstehung am Ostermorgen dargestellt, darunter jeweils als die Stifter Kurfürst Johann Friedrich I. und Johann Ernst von Sachsen-Coburg.

Da die Gemeinde während des Abendmahls um den Altar herumging, um auf der einen Seite das Brot und auf der anderen den Kelch zu empfangen, war auch die Rückseite bemalt: Das Mittelbild zeigt oben den Empfang der Gläubigen im Himmelreich und darunter die Scheidung zwischen Guten und Bösen im Jüngsten Gericht. Die Seitenflügel bilden Geschichten aus dem Alten Testament ab, die ebenfalls ein göttliches Gericht und die Errettung daraus zum Thema haben: die Sintflut mit der Arche Noah und Sodom und Gomorrha, aus der Lot und seine Töchter entfliehen.[14] Die Gemeinde finanzierte die Schaffung von Kopien zweier Darstellungen des Altars – Jesu Gefangennahme und die Auferstehung – die 1999 als Dauerleihgabe an die Pfingstkirchgemeinde in Berlin-Friedrichshain übergeben wurden.

Orgeln

Jahn-Orgel von 1849
Jehmlich-Orgel von 1998
Harfe-spielender Engel vom zerstörten Orgelprospekt, im Schloßbergmuseum, Kunstsammlungen Chemnitz

Ambrosius Mann baute 1538 eine Orgel, die 1603–1604 von Kaspar Sturm saniert wurde. 1625–1628 reparierte Joachim Zschuch die Windladen. 1695 war das Instrument derart abgängig, dass Severin Holbeck es mit der alten Orgel von Kloster Altzella von 1555 in ein neues zweimanualiges Werk mit 29 Registern integrierte. Nach dem großen Stadtbrand von 1719 setzte Holbeck sie wieder instand. Weitere Reparaturen folgten 1727, 1773 und 1796.[15] Das Gotteshaus erhielt 1849 eine 50-stimmige Orgel aus der Werkstatt von Friedrich Jahn aus Dresden, die im April 1945 zerschmolz und verbrannte.

Die Planungen für den Bau einer neuen Orgel auf der Westempore begannen im Jahre 1987. Am 4. Oktober 1998 wurde das neue Instrument als Opus 1128 der Firma Jehmlich Orgelbau (Dresden) eingeweiht. Anschließend gab der ungarische Bachpreis-Träger István Ella ein erstes Konzert auf dem neuen Kirchenmusikinstrument. Der Großteil der Herstellungskosten in Höhe von einer knappen Million Euro kam aus drei größeren Quellen zusammen: 40 Prozent von der Kirchengemeinde und einem eigens gegründeten Förderverein zum Wiederaufbau und der Pflege der Orgel, 37 Prozent von der Sächsischen Landeskirche und 23 Prozent aus Fördertöpfen des Freistaats Sachsen.[16]

Das Schleifladen-Instrument hat 56 Register auf drei Manualwerken und Pedal. Die Disposition ermöglicht es, ein breites Spektrum an Orgelliteratur darzustellen; das Schwellwerk ist mit für die Darbietung romantischer Orgelliteratur geeigneten Streichern und Zungenregistern ausgestattet. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.

I Rückpositiv C–g3

1. Praestant 8′
2. Holzgedackt 8′
3. Quintatön 8′
4. Oktave 4′
5. Rohrflöte 4′
6. Oktave 2′
7. Larigot 113
8. Sifflöte 1′
9. Sesquialtera II 223
10. Mixtur IV
11. Cromorne 8′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
12. Prinzipal 16′
13. Oktave 08′
14. Rohrflöte 08′
15. Flûte harmonique 08′
16. Gambe 08′
17. Oktave 04′
18. Hohlflöte 04′
19. Quinte 0223
20. Oktave 02′
21. Kornett V (ab g0) 08′
22. Großmixtur V
23. Kleinmixtur IV
24. Trompete 16′
25. Trompete 08′
III Schwellwerk C–g3
26. Bordun 16′
27. Geigenprinzipal 08′
28. Doppelflöte 08′
29. Salicional 08′
30. Vox coelestis 08′
31. Oktave 04′
32. Gedackt 04′
33. Fugara 04′
34. Nasat 0223
35. Querflöte 02′
36. Terz 0135
37. Septime 0117
38. Plein jeu V-VI
39. Bombarde 16′
40. Trompette harmonique 08′
41. Oboe 08′
Tremulant
Pedal C–f1
42. Prinzipal 32′
43. Oktavbass 16′
44. Subbass 16′
45. Zartbass 16′
46. Oktavbass 08′
47. Bordun 08′
48. Violoncello 08′
49. Oktavbass 04′
50. Nachthorn 02′
51. Hintersatz VI00
52. Posaune 32′
53. Posaune 16′
54. Dulzian 16′
55. Trompete 08′
56. Klarine 04′
Tremulant

Kanzel und Taufstein

Innenraum mit Kanzel, Taufstein und Orgel

Anstelle der im Krieg vernichteten hölzernen Kanzel wurde eine solche aus Beton neu geformt, die sich trotz ihrer Masse schwebend präsentiert.

Der Taufstein konnte am Tag des Luftangriffs in der Nachbarschaft untergebracht werden und entging somit seiner Zerstörung.[3] Er wurde restauriert und im Kirchenschiff neu aufgestellt.

Seitenschiffe

Diese Teile des Gebäudes dienen seit der vollständigen Restaurierung des Bauwerks als Orte kleiner Ausstellungen. Eine Exposition zeigt in beeindruckenden Bildern die jahrhundertealte Geschichte der Kirche, auch Fotos der erlittenen Zerstörungen am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Mühsal des Wiederaufbaus wird hier auch erlebbar.

Im Nordostbereich befindet sich seit 2005 eine Ausstellung des Holzbildhauers Hans Brockhage, der aus dem Holz von aus Mooren geborgenen Eichenstämmen und Bronze anrührende Skulpturen schuf. Diese wurden anlässlich der 65. Wiederkehr der Zerstörung der St.-Wolfgangs-Kirche gefertigt und trugen den Titel Die langen Schatten des Krieges. Zu sehen ist eine kleine Auswahl der Figuren.

St. Wolfgang

Im nordwestlichen Seitenschiff schauen die Besucher auf in Lebensgröße geschnitzte Apostelfiguren, die allesamt als Bergbaupatrone gelten – der Heilige Wolfgang, der Prophet Daniel, die Heilige Anna, die Heilige Barbara, der Heilige Christophorus. Diese fünf Figuren ließ der Schneeberger Bürger Werner Unger durch den Holzbildhauer Bernd Sparmann herstellen und stellte sie der Kirchengemeinde als Dauerleihgabe zur Verfügung.[18]

Sehenswertes in der Umgebung der Kirche

Kirchplatz

Der freie Platz auf dem Plateau südöstlich des Gotteshauses ist der Kirchplatz. Jahrhunderte lang diente er für Prozessionen oder zum Abstellen von Fuhrwerken. Er wird von einigen historischen zwei- bis dreistöckigen Wohn- und Geschäftshäusern umstanden, die inzwischen saniert und renoviert sind.

Die gesamte Kuppenfläche des Schneebergs (etwa 30 ha) ist durch die früheren bergbaulichen Aktivitäten in ihrer Stabilität gefährdet. Eine Ingenieurfirma aus Chemnitz führte deshalb 2005/06 Analysen vor Ort durch, um Lösungsvorschläge „zur dauerhaften Beseitigung bzw. Reduzierung der Gefährdung durch Wismut Altbau“ abzuleiten. Für die Untersuchungen und die anschließenden Sicherungsmaßnahmen standen und stehen Fördermittel der sächsischen Landesregierung und der Europäischen Union bereit.[19] Die notwendigen Arbeiten erfolgen durch eine aus mehreren Handwerkerbetrieben gegründete Arbeitsgemeinschaft Kirchplatz Schneeberg, die Vor- und Erkundungsteufen erstellt sowie Trockenmauern aus Naturstein errichtet, um die Höhlungen abzufangen. Zur Radon­entlastung der Gruben wird seit 2007 ein Wetterabzug entwickelt, der eine geregelte Entlüftung sicherstellt.[20]

Kirchgasse

Als Verbindung vom Rathaus und dem Markt führt die Kirchgasse zum Gotteshaus empor. Entlang dieser Straße befinden sich neben Wohnhäusern unter anderem das Pfarramt, eine Kindertagesstätte, das Zentrum Erzgebirgische Volkskunst, die Friedhofsverwaltung und ein unsaniertes aus Feldsteinen errichtetes Gebäude, das dem Bruder des Komponisten Robert Schumann, Carl, gehörte. Hier erinnert eine verwitterte hölzerne Gedenktafel an wiederholte Besuche von Robert Schumann zwischen 1826 und 1847 in diesem Haus.

Schule

Entsprechend Martin Luthers Forderung nach Bildungseinrichtungen für die Kinder wurde bald nach der Reformation eine kircheneigene Schule ganz in der Nähe des großen Gotteshauses errichtet, die kurz nach der Verleihung der Stadtrechte eröffneten Lateinschule. Bis zum beginnenden 20. Jahrhundert unterstand das Schulwesen weitgehend der Kirche. Die Schulleiter und Lehrer erhielten ihren Lohn teils aus den Kirchenpfründen, teils aus dem Stadtsäckel, sie waren auch meist sowohl in der Lehreinrichtung als auch als Küster und Organist oder Kantor in der Kirche tätig.

Das Gebäude in der Schulgasse 7 am Fuß der Kirche ist über die Jahrhunderte erhalten, hieß zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bürgerschule zu Schneeberg und trägt seit den 1990er Jahren den Namen Evangelische Grundschule Schneeberg.[21]

Literatur

  • Jenny Lagaude: Der Cranach-Altar zu St. Wolfgang in Schneeberg. Ein Bildprogramm zwischen Spätmittelalter und Reformation. Leipzig; Berlin 2010. ISBN 978-3-933816-43-6.
  • Uwe Gerig (Hrsg.): Schneeberg. Ruth Gerig Verlag, 1994, ISBN 3-928275-38-0; Die Kirche „St. Wolfgang“, Seiten 26–31.

Weblinks

Commons: St.-Wolfgangs-Kirche (Schneeberg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Flyer des Kirchenbauvereins St. Wolfgang Schneeberg e. V. Blick über Schneeberg vom Turm des Bergmannsdoms; Stand vom April 2011
  2. a b Gerig: Schneeberg; S. 27
  3. a b c Gerig: Schneeberg, S. 30
  4. Gerig: Schneeberg; S. 24 (Bild)
  5. Friedrich Möbius und Helga Möbius: Ecclesia ornata. Ornament am mittelalterlichen Kirchenbau. 1. Auflage. Union Verlag, Berlin 1974.
  6. Die größten Glocken der Bundesrepublik Deutschland von c° bis a° ohne Carillonglocken (Stand: Januar 2021)
  7. Schneeberg (D), evang. Kirche St.Wolfgang - Vollgeläute. Abgerufen am 30. Dezember 2021 (deutsch).
  8. Rainer Thümmel: Glockenguss in Sachsen. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Museumskurier, Ausgabe 17. Sächsisches Industriemuseum, August 2006, archiviert vom Original am 10. September 2012; abgerufen am 21. September 2014.
  9. youtube.com, Schneeberg – D – SN – ERZ – luth. Kirche St. Wolfgang: Vollgeläut
  10. Manfred Blechschmidt, Klaus Walther: Berglandmosaik. Ein Buch vom Erzgebirge. Greifenverlag zu Rudolstadt, 1. Auflage 1969, S. 197
  11. Veranstaltungsübersicht in der Adventszeit: Anlichteln und Turmblasen, abgerufen am 7. April 2016
  12. a b c d e Josef Heller: Lucas Cranachs Leben und Werk, 2. Auflage, Lotzbeck-Verlag, Nürnberg 1854, S. 97 Digitalisat, abgerufen am 24. Februar 2015
  13. Aus der Erklärungstafel am Altar
  14. a b Cranach-Altar auf der Homepage von St. Wolfgang, abgerufen am 27. November 2020
  15. Orgeldatenbank Sachsen, abgerufen am 6. August 2022.
  16. Angaben von der Ausstellung in der Kirche zur eigenen Geschichte; Stand vom April 2011.
  17. Schneeberg, Ev. St. Wolfgangskirche, 3 Manuale 56 Register, 1998 (opus 1128). In: Jehmlich Orgelbau Dresden. Abgerufen am 27. Dezember 2021 (deutsch).
  18. Infoblatt bei der Ausstellung, April 2011
  19. Ingenieurtechnische Analyse der geomechanischen und radiologischen Verhältnisse im Bereich Kirchplatz St. Wolfgangskirche in Schneeberg (PDF-Dokument; 147 kB) auf der Website des Chemnitzer Unternehmens C&E Consulting und Engineering GmbH, abgerufen am 7. April 2016.
  20. Bergsicherung Sachsen in Schneeberg: Grubenbauerkundung und -verwahrung Kirchplatz bei der St. Wolfgangskirche in Schneeberg, abgerufen am 22. April 2017.
  21. Homepage der evangelischen Schulen in Schneeberg mit Adressen und Lernangeboten, abgerufen am 11. Mai 2011

Koordinaten: 50° 35′ 38″ N, 12° 38′ 39″ O