Ellery von Gorrissen

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Datei:Pierre des Caters, Elisabeth Wörner und Ellery von Gorrissen (1910).jpg
Ellery von Gorrissen (rechts) auf der Frühjahrsflugwoche 1910 in Johannisthal

Ellery von Gorrissen (* 10. April 1886 in Hamburg-Rotherbaum; † 12. Juli 1973) war der vierte deutsche Flugzeugführer.

Kindheit und militärische Laufbahn bis 1909

Ellery von Gorrissen war der Sohn von Orleana (1858–1895) und Elbert Charles (1848–1899) von Gorrissen, dem Generalkonsul des Großherzogtums Baden in Hamburg. Seine Mutter war eine gebürtige Amerikanerin, wie auch seine beiden Großmütter. Er hatte drei Brüder, Robert Curt (1887–1978), Karl Friedrich (* 1888; gefallen 1918 (abgestürzt)) und Georg Redwood (* 1892; gefallen am 11. April 1918).

Ostern 1904 legte Ellery von Gorrissen am Wilhelm-Gymnasium in Hamburg sein Abitur ab. Im Februar 1905 trat er freiwillig als Fahnenjunker in das Garde-Dragoner-Regiment (1. Großherzoglich Hessisches) Nr. 23 ein. Seine Ausbildung erfolgte an der Kriegsschule Hannover, die er als Leutnant mit „allerhöchster Auszeichnung“ abschloss. Er trat seinen Dienst im Dragoner-Regiment 23 an und wurde später zum Jäger-Regiment zu Pferde Nr. 5 versetzt.

Trotz sehr guter dienstlicher Bewertungen durch seine Vorgesetzten kam es 1909 überraschend zum Karriereknick, als Gorrissen schlagartig in den Reservistenstand versetzt wurde. Dies geschah vermutlich wegen seiner homosexuellen Veranlagung, was nicht sicher überliefert, jedoch wahrscheinlich ist. Auch in späteren Jahren geriet er immer wieder wegen seiner Frauengeschichten, aber auch wegen seiner Homosexualität in Schwierigkeiten.

Flugpionier

Als vierter Deutscher erwarb er 1910 den Abschluss als Flugzeugführer beim Luftfahrtpionier August Euler, dem Flugzeugführer mit der Lizenznummer 1. Die Ausbildung hatte Gorrissen selbst finanziert und erhielt die Flugzeugführerlizenz Nummer 4. Er kaufte sich zwei Euler-Flugzeuge und trat auf Flugshows auf.

Im Mai 1910 startete er als einer von sechs Deutschen bei der Internationalen Flugwoche auf dem Flugplatz Johannisthal. Im August 1910 flog er als Passagier beim damals sensationellen und auch international viel beachteten Überlandflug Frankfurt–Mainz–Mannheim von Robert Thelen mit.

Nachdem auf der Nationalen Flugwoche in Johannisthal vom 7. bis zum 13. August 1910 sein Kamerad Oskar Heim abgestürzt war, besuchte Ellery von Gorrissen diesen am 11. August im Britzer Krankenhaus mit dem Flugzeug.

Im Jahre 1911 wurde er Vorsitzender des Bundes Deutscher Flugzeugführer, einem Vorgänger der heutigen Pilotenvereinigung Cockpit. Außerdem ließ er sich „auf eigenen Wunsch wegen eines Herzleidens“ aus dem Reservistenverhältnis verabschieden und war danach nur noch Leutnant a. D.

Am 8. März 1912 erzielte von Gorrissen einen Weltrekord durch einen Flug mit fünf Passagieren von 32 Minuten Dauer, den er am 7. November 1912 auf sechs Passagiere verbesserte.

Am 1. April 1912 wurde er Leiter der Fliegerschule in der von Gustav Otto gegründeten Tochterfirma der AGO Flugzeugwerke in Johannisthal. Im Mai 1912 erhielt er für einen Höhenflug von 880 Metern mit Passagier auf einem Otto-Doppeldecker den Kaiserpreis.

Im Herbst 1912 erprobte Ellery von Gorrissen in Heiligendamm das erste Schwimmerflugzeug der Firma AGO.

Erster Weltkrieg

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 meldete er sich freiwillig zum Militärdienst und wurde als Fluglehrer in Johannisthal eingesetzt. Im Mai 1915 erfolgte überraschend seine Versetzung, angeblich wegen geschäftlicher Verstrickungen von Dienst und seinem ebenfalls am Flugplatz angesiedeltem früheren Arbeitgeber, vermutlich aber eher wegen einiger überlieferter Frauengeschichten und dem Bekanntwerden seiner engen sexuellen Beziehung zum 16-jährigen AGO-Lehrling Fritz Luban (oder auch Lubhahn). Er wurde Leiter der Festungsflugstation in Wilhelmshaven-Rüstringen und am 12. Juli 1915 zum Oberleutnant der Armee befördert.

Am 23. September 1915 erfolgte seine Verurteilung vor einem Kriegsgericht wegen „sittenwidrigem Verhalten“ und in dem Zusammenhang auch wegen „Missbrauch seiner dienstlichen Stellung gegen Untergebene“ zu drei Monaten Haft, welche er aber nicht anzutreten brauchte. Sein Gesuch um Versetzung in die Osmanische Armee wurde abgelehnt. Da er abseits seiner damals äußerst problematischen homosexuellen Vorlieben dienstlich als ein sehr zuverlässiger und organisatorisch hochbegabter Offizier galt, wurde er als Zivilist ins Nachrichtenbüro in Konstanz versetzt. Im Geheimdienst war er auch für die operative Arbeit in der Schweiz zuständig. Hier erlebte er das Kriegsende.

Im August 1919 trat Ellery von Gorrissen mit dem Rang eines Oberleutnants als Zeitfreiwilliger in das Schutzregiment „Groß-Berlin“ ein.

Scheitern im Zivilleben nach dem Krieg und Karriere in SS und NSDAP

Sein zweiter Versuch im Zivilleben Fuß zu fassen, endete im Januar 1922 mit einer Verurteilung vorm Landgericht Berlin wegen Beleidigung. Er wurde zu vier Monaten Haft verurteilt und galt von nun an als vorbestraft. Aus den nächsten Jahren sind nur wenige Fakten belegt. Zu Beginn der 1930er Jahre tauchte er als Prokurist und Geschäftsleiter der Berliner Stutzwagen-Verkaufs-AG wieder auf. Im Mai 1931 wurde Ellery von Gorrissen jedoch entlassen. Erneut war dies kein freiwilliger Abgang, denn 1933 folgte ein Prozess.

Ellery von Gorrissen bot sich im November 1931 den sich im Aufwind befindlichen Rechten an und wurde unter der Mitgliedsnummer 51.257 freiwilliges SS-Mitglied. Er arbeitete zuerst nur im niederen Rang eines einfachen Truppführers (entspricht Feldwebel) als Sachbearbeiter beim Stab der SS-Standarte 44. Innerhalb weniger Monate brachte er es bis Mai 1932 durch seinen Einsatz, seine Intelligenz und seine Erfahrung bis zum SS-Obersturmführer (entspricht seinem früheren Rang als Oberleutnant) und wurde Adjutant seiner Standarte.

Am 1. August 1932 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 1.331.675). Ob er dies aus Überzeugung tat oder um seiner Karriere willen, lässt sich heute nicht mehr endgültig klären.

Am 13. Juni 1933 erhob das Landgericht Berlin erneut Anklage gegen ihn – dieses Mal wegen „fortgesetzter Zollvergehen in Tateinheit mit fortgesetzter schwerer Urkundenfälschung“ auf Grund seiner früheren Schiebereien bei Autoimporten bei der Stutzwagen-Verkaufs-AG. Im November 1934 erfolgte seine Verurteilung zu sieben Monaten Haft und 40.000 RM Strafe.

Als die SS-Standarte von der erneuten Verurteilung und der verschwiegenen Vorstrafe erfuhr, wurde Ellery von Gorrissen am 8. Dezember 1934 nach einem Ehrengerichtsverfahren der SS zum einfachen SS-Mann degradiert und entlassen.

Zweite Lebenshälfte

Von da an verlief sein Leben in ruhigeren Bahnen. Im Jahre 1937 verließ Ellery von Gorrissen Berlin und bezog ein Zimmer im Gartenhaus der Burg Rheinfels in Sankt Goar. Er widmete sich der Dackelzucht und lebte dort auf Kosten von Frau Professor Reusch.

1950 wurde Ellery von Gorrissen Mitglied im Traditionsverband Alte Adler, ohne dort groß in Erscheinung zu treten.

Zwischen 1969 und 1971 zog er nach Dillingen (Saar) um und lebte bis zu seinem Tode bei der Familie des Hauptmanns a. D. Herbert Kuntz (1915–1998). Der Ritterkreuzträger Kuntz (RK 14. März 1943 beim KG 100) nahm den völlig mittellosen Ellery von Gorrissen in seinem Haus auf, in dem er am 12. Juli 1973 einsam und vergessen starb. Seine Urne wurde auf dem Hauptfriedhof in Saarbrücken beigesetzt. Das Grab existiert heute nicht mehr.

Heutige Einschätzung

Am 9. Juli 2002 fasste das Bezirksamt Treptow-Köpenick den Beschluss, eine auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Johannisthal geplante Straße nach Ellery von Gorrissen zu benennen. Die damit einhergehende Recherche insbesondere der Zeitschrift Fliegerrevue zeigte jedoch abseits seiner zu würdigenden fliegerischen Leistungen ein eher zweifelhaftes Bild eines sehr konservativen Menschen, der sich bereitwillig der SS und der NSDAP zur Verfügung stellte. Das Bezirksamt nahm offenbar jedoch mit knapper Mehrheit die Namensgebung vor. Die neue Straße schreibt sich – entgegen moderner Gepflogenheiten – nicht mit vollem Namen und nur Gorissenstraße (ohne „Doppel-r“).[1]

Literatur

  • Jörg Mückler: Alter Adler auf Abwegen. In: Fliegerrevue, 10/2010, S. 50–53
  • Günter Schmitt: Als die Oldtimer flogen. 2. Auflage. transpress Verlag, 1987, ISBN 3-344-00129-9

Einzelnachweise

  1. Gorissenstraße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)