Flugplatz Johannisthal

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Flugplatz Johannisthal
Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof
Datei:FlugplatzJohannisthalHaupteingang1912.png
Flugplatz Johannisthal Haupteingang (um 1912)
Kenndaten
Koordinaten

52° 26′ 12″ N, 13° 31′ 4″ OKoordinaten: 52° 26′ 12″ N, 13° 31′ 4″ O

Höhe über MSL 34 m  (112 ft)
Basisdaten
Eröffnung 1909
Schließung 1995

Der Flugplatz Johannisthal war ein Flugplatz in Berlin. Er wurde im September 1909 als erster unternehmerisch geführter Flugplatz[1] und – nach dem August-Euler-Flugplatz in Darmstadt[2] – als zweiter Motorflugplatz in Deutschland eröffnet. Wegen seiner Lage zwischen den Berliner Vororten Johannisthal und Adlershof wurde er damals noch Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof genannt. Nachdem die Nutzung für den zivilen Passagierluftverkehr mit der Eröffnung des Zentralflughafens Tempelhof im Jahr 1923 endete und er seit 1952 nicht mehr als öffentlicher Flugplatz genutzt worden war, wurde er 1995 offiziell geschlossen und anschließend umgenutzt (Gewerbe- und Wohnbebauung, Landschaftspark Johannisthal/Adlershof).

Geschichte

Datei:FlugplatzJohannisthalPlan1909-1913.jpg
Karte des Flugplatzgeländes (1913, gemäß der Darstellung der E. Rumpler Luftfahrzeugbau GmbH)

Entstehung des Flugplatzes

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Direktor des Flugplatzes war Major Georg von Tschudi

Der Begriff Flugplatz geht auf Otto Lilienthal zurück, der auf einem künstlichen Hügel, dem Fliegeberg, in Lichterfelde seine ersten Gleitversuche unternahm. Die deutsche Generalität wollte am Exerzierplatz Tempelhof (dem späteren Flughafen) keine Hallen für den Motorflug zulassen, da es dort schon Hallen für Luftschiffe gab. So musste man auf ein Waldstück zwischen Johannisthal und Adlershof ausweichen. Initiiert wurde die Anlage des Platzes von der privaten Deutschen Flugplatz Gesellschaft des Unternehmers Arthur Müller und des Majors Georg von Tschudi, die später in die Flug- und Sportplatz GmbH Berlin-Johannisthal aufging. Deren Geschäftsführer wurde 1910 von Tschudi, selbst Flugpionier, der 1909 als Geschäftsführer der Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung in Frankfurt gewirkt hatte.[1] Der Flugplatz wurde mit einem Konkurrenz-Fliegen am 26. September 1909 in Betrieb genommen.[3]

Nutzung vor dem Ersten Weltkrieg

Das Gelände umfasste rund zwei Quadratkilometer. Auf ihm befand sich u. a. das Gebäude des Kaiserlichen Aero-Clubs, das im April 1911 „nach amerikanischer Art“ auf Schienen rund 1000 Meter versetzt wurde. Zwischen 1909 und 1911 entstanden für Parseval-Luftschiff und Zeppelin zwei Luftschiffhallen. Allein auf der überdachten Haupttribüne war Platz für rund 2300 Besucher, auf einer weiteren, offenen Tribüne für weitere 1750. Das Gelände war von einem drei bis vier Meter hohen Zaun umgeben, der durch elf Tore unterbrochen war. Trotz ständiger finanzieller Schwierigkeiten wurde der Flugplatz eine internationale Attraktion. Allein zwischen 1911 und 1913 verzehnfachten sich die vom Flugplatz Johannisthal ausgehenden Flugzeiten von 20 auf über 200 Stunden.

Zur Finanzierung des Flugplatzes war man von Anfang an auf die Einnahmen aus dem Besucherbetrieb angewiesen. Ein großes Problem waren daher die vielen Zuschauer, die den Zaun überkletterten, dabei sich und die Flieger in Gefahr brachten, sowie keinen Eintritt bezahlten. Von Tschudi: „In der ersten Zeit trug ich […] einen Browning in der Tasche, später genügte ein Spazierstock als Drohmittel.“[4] Besonders bedauerte er, dass die meisten Zuschauer kamen, um sich die – oftmals tödlichen – Unfälle anzuschauen und viele von ihnen nach Abstürzen Teile der Flugzeuge als „Souvenir“ mitnahmen.

Im Jahr 1910 wurde eine Pferdebahnstrecke vom rund einen Kilometer entfernten Bahnhof Niederschöneweide-Johannisthal zum Haupteingang gebaut. Der Betrieb bestand nur an Flugtagen und lohnte sich offensichtlich nicht, denn nur zwei Monate später wurde sie wieder stillgelegt.[5] Dies war die letzte Pferdebahn auf dem heutigen Berliner Stadtgebiet.

Luftfahrtereignisse

Datei:Zeppelin L2 (LZ 18) verbrennt auf dem Flughafen Johannisthal in Berlin, 1913.jpg
Katastrophale Gasentzündung in einer Motorgondel des Zeppelins LZ 18
Am Startplatz des Flugplatzes, nach Februar 1912
Deckblatt des Programms zur Inbetriebnahme des Flugplatzes ab dem 26. September 1909
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Die Luftschiffhallen in Berlin-Johannisthal. Die Parseval-Halle (rechts) ist am 10. Oktober 1915 abgebrannt, Foto um 1912.
Datei:Die Pelzmode im Berliner Leben, L. Michelet & Co., 1913 (5), Flughafen Johannesthal.jpg
Gesellschaftlicher Treffpunkt. Flugplatz Johannisthal in einer Werbung, 1913.

Am 27. September 1909 endete der erste Überlandflug über Deutschland auf dem Platz, als Hubert Latham, der auf dem Tempelhofer Feld mit seinem Antoinette-Eindecker Schauflüge zeigte, seine Maschine zum „Konkurrenz-Fliegen“ überführte.[6] Der Flugplatz war Ende Oktober 1909 Austragungsort des 1908 von Karl Lanz gestifteten Wettbewerbes Lanz-Preis der Lüfte, der von dem Magdeburger Hans Grade mit seiner Grade II Libelle gewonnen wurde. Der erste Deutschlandflug wurde am 11. Juni 1911 vom Flugplatz Johannisthal aus gestartet. Am 29. September 1911 verunglückte hier der Luftfahrtpionier Paul Engelhard tödlich. Hunderttausende Zuschauer strömten zu der spektakulären Flugveranstaltung des französischen Starpiloten Adolphe Pégoud im Oktober 1913 zum Flugplatz Johannisthal.[7]

Am 17. Oktober 1913 ereignete sich auf dem Flugplatz Johannisthal mit 28 Toten das für viele Jahre schwerste Unglück in der Luftschifffahrt, als der Marine-Zeppelin LZ 18 Feuer fing und abstürzte.[8]

Der erste Dauerflug über mehr als 24 Stunden wurde vom 10. bis 11. Juli 1914 vom Albatros-Werkspiloten Reinhold Böhm mit einer Albatros B.I vom Flugplatz Johannisthal aus durchgeführt.[9]

In Johannisthal sammelte sich vor dem Ersten Weltkrieg eine bunte Mischung von Flugpionieren, um ihre teilweise sehr skurrilen Konstruktionen zu testen. Bekannt geworden ist beispielsweise Melli Beese, nach der heute in der Nähe des Flughafens eine Grundschule und eine Straße benannt sind.

Unternehmen und Einrichtungen

Am Flugplatz siedelten sich bis 1914 folgende Unternehmen und Einrichtungen an:

Erster Weltkrieg

Industrielle Flugzeugfertigung

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 wurden die Befugnisse der Flugplatzgesellschaft aufgehoben und der Flugplatz wurde rein militärisch genutzt. Die industrielle Fertigung von Aufklärungs- und Kampfflugzeugen in den verschiedenen Werken am Flugplatz wurde rasch vorangetrieben. Zum Abtransport der großen Stückzahlen fertiger Maschinen wurde bis 1916 ein Gleisanschluss bis zu den Albatros-Werken gelegt, der dann in den Jahren 1917/1918 als Ringbahn um das Flugfeld ausgebaut wurde.[12]

Über 25 Prozent der rund 48.000 im Ersten Weltkrieg in Deutschland produzierten Flugzeuge wurden von Herstellern am Flugplatz geliefert:

Hersteller Stückzahl
AGO/AEG 620
Albatros 6242
Götze 16
Luftfahrzeug-Gesellschaft (LFG) 800
Luftverkehrsgesellschaft (LVG) 2400
Rumpler 2806
Sablatnig 30
Summe[13] 12914

Vergleichsfliegen

Neben der Werkflugplatzfunktion diente der Flugplatz während des Kriegs als Flugzeug-Erprobungsstelle der Fliegertruppe. Um leistungsfähige Jagdflugzeuge („D-Flugzeuge“) von den Herstellern zu erhalten, veranlasste die Heeresleitung auf dem Flugplatz im Jahr 1918 drei D-Flugzeug-Wettbewerbe (in der Literatur auch oft Vergleichsfliegen in Berlin-Adlershof genannt), bei denen die besten Piloten der Front die neuen Baumuster testeten. Die Vergleichsfliegen fanden im Januar/Februar, Juni/Juli und im Oktober 1918 statt.[14] Aus dem Vergleichsfliegen vom 28. Januar bis zum 3. Februar 1918 ging die vom Gegner gefürchtete Fokker D.VII als Sieger hervor.[15]

Weimarer Republik und Nationalsozialismus

Datei:Bundesarchiv Bild 183-T0126-510, Berlin, Flugpost nach Weimar.jpg
Beförderung von Flugpost (1919) zwischen Weimar und Berlin

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg begann in Berlin-Johannisthal am 5. Februar 1919 die Geschichte der zivilen Luftpost in Deutschland. Von diesem Tag an starteten dort zweimal täglich Flugzeuge der Deutschen Luft-Reederei, um Postsendungen – vor allem Zeitungen – zum Flugplatz Weimar-Lindenberg in Weimar, dem Tagungsort der verfassunggebenden Nationalversammlung zu transportieren. In den ersten Monaten ihres Bestehens durften nur die Abgeordneten der Nationalversammlung diese Flugpostverbindung in Anspruch nehmen. Die Linie Berlin-Weimar gilt als die erste zivile Fluglinie Deutschlands, eine der ersten Fluglinien der Welt, die von Flugzeugen betrieben wurde.

Als 1923 der Flughafen Tempelhof eröffnete, sank die zivile Bedeutung des Flugplatzes stark ab. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Johannisthal als Versuchsfeld für die geheime Aufrüstung der Wehrmacht genutzt; u. a. von der dort ansässigen Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL).

Firmen in dieser Zeit:

Seit Kriegsende

Nach dem Krieg betrieben ihn ein Jahr lang sowjetische Fliegerkräfte der GSSD, bis zu deren Umzug auf den Flughafen Berlin-Schönefeld. Je weiter Schönefeld ausgebaut wurde, desto weniger Nutzen hatte der alte Flugplatz; er verwaiste. Am 9. September 1995 fand auf dem Flugplatz Johannisthal eine Flugveranstaltung statt (dabei verunglückte der deutsche Astronaut Reinhard Furrer tödlich). 1995 wurde er offiziell geschlossen.

Unternehmen in dieser Zeit:

  • VEB Motorenwerk Johannisthal (um 1960)
  • VEB Kühlautomat Berlin-Johannisthal (1950–1991)
  • Kühlautomat Berlin GmbH (1991–1996)
  • GEA (1996–2004)
  • Werkhallen ungenutzt (seit 2004)[17]

Umnutzung

Heute befindet sich auf dem südlichen Geländeteil unter anderem der Aerodynamische Park als Teil des Campus der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Name des Platzes weist auf den besonderen Charakter und die historische wie architektonische Bedeutung durch die prägnanten und dominierenden Baudenkmale der ehemaligen Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt e. V. hin.

Das mittlerweile entstandene grüne Biotop auf der Fläche der ehemaligen Start- und Landebahn ist in eine Parklandschaft integriert worden, die nach einem Wettbewerb seit den späten 1990er Jahren entstand. Die rund 65 Hektar große Fläche des Landschaftsparks Johannisthal/Adlershof ist als Landschaftsschutzgebiet (LSG 48) sowie im zentralen Bereich als Naturschutzgebiet (NSG 35) ausgewiesen, jeweils unter der Bezeichnung „Ehemaliges Flugfeld Johannisthal“.

Literatur

  • Günter Schmitt: Als die Oldtimer flogen – Die Geschichte des Flugplatzes Johannisthal. Transpress, Berlin 1980, ISBN 3-344-00129-9.
  • Günter Schmitt: Als in Johannisthal der Motorflug begann... In: Rat des Stadtbezirks Berlin-Treptow (Hrsg.): Treptower Historische Hefte. Band 1. Berlin 1979.
  • Heinz Nowarra: Richthofens Dreidecker und Fokker D VII. In: Waffenarsenal. Band 67. Podzun-Pallas, Friedberg 1981, ISBN 3-7909-0146-6.

Weblinks

Commons: Flugplatz Berlin-Johannisthal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Adlershofer Geschichten Band 1 (Memento vom 24. August 2018 im Internet Archive) (PDF; 1,2 MB)
  2. Ursula Eckstein: August-Euler-Flugplatz Darmstadt. Justus von Liebig Verlag Darmstadt 2008, S. 28
  3. Deckblatt des Programms zum Konkurrenzfliegen ab dem 26. September 1909
  4. Von Tschudi, S. 112
  5. Straßenbahn des Flugplatzes Johannisthal auf www.berliner-bahnen.de
  6. Als die Oldtimer flogen, S. 20ff
  7. Adlershofer Geschichten Band 1 (Memento vom 24. August 2018 im Internet Archive) (PDF; 1,2 MB) S. 16
  8. Peter Philipp-Schmitt: Ein Traum der Lüfte explodiert. In: FAZ, 16. Oktober 2013, abgerufen am 23. August 2018.
  9. Johannisthaler Brief. Von unserem Johannisthaler Korrespondenten. In: Carl Oskar Ursinus (Hrsg.): Flugsport. Nr. 15. Verlag für Flugsport, Frankfurt am Main 22. Juli 1914, S. 631 (Flugsport in der luftfahrt-bibliothek.de [abgerufen am 19. August 2018]).
  10. Als die Oldtimer flogen, S. 86ff
  11. Albert Rupp, Willy Rosenstein: Die Fliegerschule. Ein Lehrbuch für den Flugschüler, Volckmann, Berlin 1913, S. 34 ff
  12. Als die Oldtimer flogen, S. 173
  13. Als die Oldtimer flogen, S. 184
  14. Als die Oldtimer flogen, S. 183
  15. Richthofens Dreidecker und Fokker D VII, S. 20
  16. Der Kaufhaus-König im „Dritten Reich“, Peter Hoeres und Maximilian Kutzner, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. Januar 2022
  17. Quellen: Chronik Kühlautomat, Chronik Johannisthal, Museum Johannisthal