Tempelhofer Feld
Das Tempelhofer Feld in Berlin ist seit 2008 die offizielle Bezeichnung des heute als Park und Freizeitfläche genutzten Geländes des ehemaligen Flughafens Tempelhof; es ist eng verbunden mit der deutschen Militär- und Luftfahrt- sowie der deutschen Fußballgeschichte. Das Tempelhofer Feld umfasst heute die unbebaute Fläche zwischen dem Volkspark Hasenheide und der Ringbahn. Es gehört zum Tempelhofer Oberland auf der Hochfläche des Teltow südlich der Berliner Kernstadt. Als militärisches Übungsgelände und Paradeplatz der Berliner Garnison gehörten zum ursprünglichen Tempelhofer Feld auch angrenzende, heute bebaute Flächen.
Vom Ackerland zum Exerzierplatz und Kasernengelände der preußischen Armee
Das zwischen den Orten Schöneberg und Tempelhof gelegene Feld, damals auch Großes Feld genannt, wurde bis zum 18. Jahrhundert von Schöneberger Bauern als Ackerfläche genutzt. Unter Friedrich Wilhelm I. wurde es ab 1722 auch als militärischer Parade- und Exerzierplatz sowie als Manövergelände der preußischen Armee verwendet. Am 2. August 1881 war der hawaiische König Kalākaua Gast einer Parade.[1] Die Funktion als Paradeplatz erhielt sich bis zum Frühjahr 1914. Kennzeichnend war dabei insbesondere die kaiserliche Paradepappel, an der Wilhelm II. die Parade abnahm.[2] 1828 kaufte das Militär das Areal auf. Der westliche Teil wurde 1830 an den Verein für Pferdezucht und Pferdesport verpachtet, der eine Pferderennbahn anlegen ließ, die bei den Berlinern sehr beliebt war. Bereits 1841 musste sie der Anhalter Eisenbahn weichen. Westlich der Bahnstrecke wurden nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 die Kaserne und ein Verladebahnhof für das neu aufgestellte 1. Preußische Eisenbahnregiment errichtet, das hier auch einen Übungsplatz erhielt. Parallel zur Bahnstrecke Berlin–Dresden der Berlin-Dresdener Eisenbahn-Gesellschaft wurde bis 1875 eine Militäreisenbahn nach Zossen gebaut, die später bis Jüterbog verlängert wurde. Bald entstanden auch östlich der Bahn ausgedehnte Kasernenanlagen für die Eisenbahnbrigade, die 1890 um das 2. und 1893 um das 3. Regiment erweitert wurde. Schon 1885 war hier die ein Jahr zuvor gegründete Luftschiffer-Abteilung untergebracht worden. 1895–1898 kamen die Dienstgebäude der Landwehrinspektion hinzu.
Sportgeschichte
Auf dem unbebaut gebliebenen Gelände des Tempelhofer Feldes befand sich der Badesee Schlangenpfuhl. Außerdem nutzten die Berliner das Feld zu Naherholung, Picknick und Sport. Der erste Berliner Fußballverein, der BFC Frankfurt 1885, trug hier ebenso seine Heimspiele aus wie der deutsche Fußballmeister von 1905, Union 92 Berlin. Auch der älteste noch existierende Fußballverein Deutschlands, der BFC Germania 1888, bestritt auf dem Tempelhofer Feld die ersten Spiele. Anfänglich existierten keine festen Sportanlagen, sondern es wurden auf den großen Freiflächen nach Belieben Spielfelder markiert. Für 1912 sind 32 Spielfelder bekannt, die in der Sommerpause per Los verteilt wurden.[3] 1924 wurde an der Ostseite des Tempelhofer Damms ein Sportplatz errichtet, der vom BFC Preussen genutzt wurde. Er bot bis zu 40.000 Zuschauern[4] Platz und war seinerzeit eine der wichtigsten Berliner Fußball-Spielstätten.[5] Auf der Preussen-Stadion bzw. Preussen-Platz genannten Anlage fanden unter anderem mehrere Endrundenspiele zur deutschen Fußballmeisterschaft statt, darunter im Mai 1933 das Halbfinalspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt. Die Sportanlage wurde 1936 für den Bau des neuen Zentralflughafens abgerissen.[4]
Am östlichen Rand des Tempelhofer Feldes wurde 1930 ein großer Sportpark mit zahlreichen Sportplätzen errichtet.[6] Ein großer Teil dieses Sportparks musste später dem Ausbau des Zentralflughafens weichen. Die verbliebenen Anlagen bilden heute den Werner-Seelenbinder-Sportpark.
Seit 2015 startet jährlich auf einer temporären Rennstrecke auf dem Vorfeld des alten Flughafengebäudes ein Lauf der FIA-Formel-E-Weltmeisterschaft, einer offiziellen Weltmeisterschaft mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen und mehreren zehntausend Zuschauern.[7]
Luftfahrtgeschichte
Auf dem Tempelhofer Feld wurde bereits in den 1880er Jahren Luftfahrtgeschichte geschrieben. Das vom alten Ostbahnhof hierher verlegte Ballon-Versuchsdetachement, ab Mai 1886 offiziell Luftschiffer-Abtheilung genannt, ließ hier ab 1885 seinen Ballon Barbara aufsteigen. 1886 machte Hugo vom Hagen aus dessen Korb die ältesten bekannten deutschen Luftbildaufnahmen.[8] Als der Deutsche Verein zur Förderung der Luftschifffahrt von 1888 bis 1899 seine vom Meteorologen Richard Aßmann initiierten sogenannten Berliner wissenschaftlichen Luftfahrten durchführte, starteten diese Ballonfahrten überwiegend entweder auf dem Gelände der Luftschiffer-Abteilung oder neben der Schöneberger Englischen Gasanstalt am nordwestlichen Rand des Tempelhofer Feldes.
Das Tempelhofer Feld war in den 1890er Jahren der Ort, wo Erfinder dem preußischen Militär ihre Flugobjekte vorführten, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. 1897 endeten zwei dieser Vorführungen tragisch. Friedrich Hermann Wölfert, dessen Luftschiff bereits 1888 eine Strecke von zehn Kilometern von Cannstatt nach Aldingen zurückgelegt hatte, war der erste, der einen Benzinmotor zum Antrieb verwendete. Am 12. Juni 1897 demonstrierte er sein Luftschiff Deutschland über dem Tempelhofer Feld. Der heiße Motor entzündete jedoch den als Traggas benutzten Wasserstoff. Das in Flammen stehende Luftschiff stürzte ab. Wölfert und sein Assistent Robert Knabe starben. Einige Monate später, am 3. November 1897, fand auf dem Tempelhofer Feld der weltweit erste Flug eines Starrluftschiffs statt. Das Ganzmetallluftschiff aus Aluminium ging auf den Erfinder David Schwarz zurück. Das Luftschiff stellte sich als gut lenkbar heraus und stieg auf eine Höhe von über 400 Metern. Durch einen Antriebsschaden wurde es jedoch manövrierunfähig und ging bei der Notlandung zu Bruch.
Einige Monate vor dem Umzug der Luftschiffer-Abteilung in die Jungfernheide schrieb das Tempelhofer Feld noch einmal Luftfahrtgeschichte. Das aeronautische Observatorium Tegel war durch Schenkung in den Besitz des Ballons Preussen gekommen, der mit einem Fassungsvermögen von 8400 m³ Gas einer der größten seiner Zeit war. Zur Überprüfung ihrer Messinstrumente wollten die Meteorologen Arthur Berson und Reinhard Süring in möglichst große Höhen vordringen. Mit Unterstützung der Luftschiffer-Abteilung – allein 96 Soldaten hielten den Ballon an 48 Seilen – hob der Preussen am 31. Juli 1901 kurz vor 11 Uhr ab. Auf der dramatischen Fahrt, die beide Aeronauten zeitweise ohnmächtig werden ließ, erreichten sie im offenen Korb eine Höhe von 10,8 Kilometern. Dieser Weltrekord hatte 30 Jahre Bestand. Aus wissenschaftlicher Sicht war der Aufstieg von Bedeutung für die Entdeckung der Stratosphäre im Jahr 1902.
Der erste Motorflug auf dem Tempelhofer Feld fand bereits 1909 statt. Am 28. Januar begann der Franzose Armand Zipfel (1883–1954) hier mit seinen öffentlichen Vorführungen. Er flog auf Einladung des Berliner Lokal-Anzeigers unter großem öffentlichen Interesse bis Mitte Februar 1909 mit seinem Voisin-Doppeldecker.[9] Mit dem LZ 6 landete anlässlich seiner Kaiserfahrt am 29. August 1909 erstmals ein Zeppelin in Berlin auf dem Tempelhofer Feld.[10] Wenige Tage später, vom 4. bis 20. September 1909, stellte Orville Wright auf dem Feld bei Demonstrationsflügen neue Rekorde auf; unter anderem einen Höhenweltrekord mit 172 Metern und einen Passagierflug von 1:35 Stunden Dauer. Am 27. September 1909 führte Hubert Latham (1883–1912) den ersten Überlandflug über einer Stadt vom Tempelhofer Feld über Rixdorf und Britz zum Flugplatz Johannisthal durch.[11]
Bebauung nach 1910
Am 31. August 1910 kaufte die Gemeinde Tempelhof dem Militär das Gelände für 72 Millionen Mark ab und gab den westlich des Tempelhofer Damms gelegenen Teil zur Bebauung frei. Um das Vorhaben zu finanzieren, entstand die Tempelhofer Feld Aktiengesellschaft,[12] eine Investorengruppe aus Deutscher Bank und dem Bauunternehmer Georg Haberland. Nach einem Entwurf von Hermann Jansen und Bruno Möhring sollte eine dichte fünfgeschossige Bebauung entstehen. Nach diesen Plänen wurden bis 1914 lediglich 60 Wohnhäuser, vor allem am heutigen Platz der Luftbrücke, gebaut. Dann stoppte der Erste Weltkrieg das Vorhaben. Nach 1920 wurde von Fritz Bräuning eine neue Planung umgesetzt. Es blieb eine hohe Blockrandbebauung. Im Inneren dieses Gebietes, auch als Gartenstadt Neu-Tempelhof bezeichnet, entstand eine aufgelockerte Siedlung mit Doppel- und Reihenhäusern und viel Grün. Mit der Wohnbebauung entstanden auch die Kirche auf dem Tempelhofer Feld (Rundkirche), das St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof und ein Neubau für das Askanische Gymnasium, das zuvor in Kreuzberg ansässig gewesen war. 1936 wurden die Straßen nach bekannten Fliegern des Ersten Weltkriegs wie Oswald Boelcke, Manfred von Richthofen und Werner Voß umbenannt.
Etwa zeitgleich mit der Neubebauung des Westteils wurde ab 1921 im Rahmen des „Notstandprogramms gegen die Arbeitslosigkeit“ der 30 Hektar große Volkspark Tempelhof an der Columbiastraße angelegt (auf späteren Stadtplänen auch Volkspark Neukölln), mit großer Liegewiese und einer Rodelbahn. Dieser musste aber schon Mitte der 30er Jahre der Erweiterung des Flughafens weichen.[13][14]
Bereits 1896 war an der Prinz-August-von-Württemberg-Straße, dem heutigen Columbiadamm, eine Militär-Arrest-Anstalt errichtet worden. Von 1918 bis Ende der 1920er Jahre wurde sie als Polizeigefängnis genutzt. Ab 1933 war hier zuerst ein Gefangenenlager der SS und der Gestapo und von 1934 bis 1936 ein reguläres Konzentrationslager, das KZ Columbia.
Flughafen Berlin-Tempelhof
Die Geschichte des Flughafens Tempelhof begann 1922, als auf Betreiben des Stadtbaurats Leonhard Adler und auf Kosten der Firmen Junkers und Aero Lloyd am Nordrand des Tempelhofer Felds ein Stück Land planiert wurde. Bereits 1923 wurden insgesamt 100 Starts und Landungen mit 150 Passagieren und 1300 kg Fracht durchgeführt. Am 19. Mai 1924 wurde die Berliner Flughafen-Gesellschaft mbH gegründet, die den weiteren Ausbau des Flughafens betrieb. In zwei Bauabschnitten wurde der Flughafen bis 1928 fertiggestellt, erwies sich aber schon damals als zu klein. 1934 wurde durch den Architekten Ernst Sagebiel eine Erweiterung geplant. Von 1936 bis 1941 entstand das neue Flughafengebäude.
Das Flughafengebäude wurde spätestens ab 1940 ausschließlich von der Rüstungsindustrie benutzt, unter anderem zur Montage und Wartung von Sturzkampfflugzeugen des Typs Ju 87. Tausende Zwangsarbeiter beiderlei Geschlechts aus ganz Europa wurden deswegen hierher verschleppt. Ihre Lager und Unterkünfte befanden sich auf dem gesamten Feld.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Flugbetrieb im August 1945 wieder aufgenommen. Besondere Bedeutung erlangte der Flughafen während der Berlin-Blockade von 1948 bis 1949. Die Versorgungsflugzeuge landeten teilweise im 90-Sekunden-Takt. 1970 wurde der Flughafen nach dem Bau des Flughafens Tegel zunächst für den zivilen Luftverkehr geschlossen, 1985 aber wieder geöffnet. Aufgrund des Baus des Großflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) wurde der gesamte Flugbetrieb 2008 endgültig eingestellt.
Auseinandersetzung um die Weiternutzung des Geländes
CDU und FDP initiierten ein Volksbegehren gegen die Einstellung des Flugbetriebs. Das Volksbegehren scheiterte im Volksentscheid am 27. April 2008 letztlich an dem erforderlichen Zustimmungsquorum von mindestens 25 Prozent.[15]
Aus Protest gegen die Nachnutzungspläne versuchten mehrere tausend Aktivisten, die sich in dem Bündnis Squat Tempelhof zusammengeschlossen hatten, am 20. Juni 2009 das Gelände zu besetzen. Dazu aufgerufen hatten neben Mieterbündnissen[16] auch die Grünen.[17] Die Demonstranten kritisierten, dass die Fläche nicht für die Öffentlichkeit freigegeben wurde und befürchteten neben einer zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung einen vorangetriebenen Gentrifizierungsprozess.[18] Die Besetzung wurde jedoch von der Polizei verhindert, die mit etwa 1500 Beamten im Einsatz war. 102 Demonstranten wurden festgenommen.[19][20]
Seit 2008: Tempelhofer Feld
Vorbereitung und Beschreibung
Das nach der Schließung des Flughafens kurzzeitig Tempelhofer Freiheit und Tempelhofer Park genannte ehemalige Areal heißt inzwischen offiziell Tempelhofer Feld. Es ist ein 355 Hektar großes Erholungsgebiet in den Berliner Ortsteilen Neukölln und Tempelhof und liegt auf der bereits früher Tempelhofer Feld genannten Ebene auf der Teltowhochfläche. Diese Freizeitfläche ist damit die größte innerstädtische Freifläche der Welt,[21] zugleich Berlins größter Stadtpark und Teil des Projekts, das die Gebäude sowie das Vorfeld des ehemaligen Flughafens umfasst.
Dieser Park ist jeweils von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zugänglich[22] und kann über zehn Eingänge betreten werden. Sechs davon befinden sich am östlichen Ende der Landebahnen und liegen an der Neuköllner Oderstraße, sowie jeweils einer am Bahnhof Tempelhof, in Höhe des U-Bahnhofs Paradestraße am Tempelhofer Damm sowie am Columbiadamm in Höhe des 1866 angelegten islamischen Friedhofs mit der Şehitlik-Moschee und der Golßener Straße.
Mit dem Betrieb des Parks ist die Grün Berlin GmbH von der Senatsverwaltung beauftragt.
Eröffnung
Der Park wurde am 8. Mai 2010 eröffnet. Am ersten Wochenende wurde er von rund 235.000 Besuchern frequentiert.[23] Wegen einer Demonstration, die sich gegen seine regelmäßige Schließung nach Sonnenuntergang und gegen den Verkauf von Grundstücken auf dem Gelände richtete, wurden zeitweise die Eingänge an der Oderstraße und am Columbiadamm vom Sicherheitsdienst geschlossen.[24]
Pionierprojekte
Die Tempelhof Projekt GmbH rief zur Bespielung des Tempelhofer Feldes durch verschiedene Initiativen auf. In der ersten Phase des Verfahrens bewarben sich 138 Projekte, von denen 19 im September 2010 als „Raumpioniere“ ausgewählt wurden. Den Raumpionieren stehen an drei Standorten (Pionierfeld Oderstraße: Neuköllner Nachbarschaften, Pionierfeld Columbiadamm: Kombinierte Sport- und Kulturnutzung, Pionierfeld Tempelhofer Damm: Wissen schafft Kultur) Flächen von insgesamt acht Hektar zur Verfügung (Stand: September 2010).[25] Im September 2015 bestanden noch 17 Pionierprojekte, u. A. der Allmende-Kontor (Pionierfeld Oderstraße, Gemeinschaftsgarten), nuture Mini Art Golf (Pionierfeld Columbiadamm, 18 Künstler gestalten interaktive Kunstwerke als Minigolfbahnen) und den Stadtteilgarten Schillerkiez (Pionierfeld Oderstraße).[26] Diese Initiativen bieten ein breites Spektrum für die Einbindung der Bevölkerung mit Kunst, Sport- und Naturerlebnissen.
Volksbegehren und Volksentscheid
Im September 2011 gründete sich im östlich an die Parkfläche angrenzenden Schillerkiez unter dem Titel 100 % Tempelhofer Feld eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, die Nachnutzungspläne des Senats im Wege eines Volksbegehrens zu kippen und eine Bebauung des Geländes zu verhindern. Nach Vorstellung der Initiative sollte die Freifläche der Öffentlichkeit vollständig erhalten bleiben und weder mit Neubauten der Landesbibliothek, Wohn- und Gewerbeimmobilien versehen werden, noch mit der Internationalen Gartenausstellung 2017 in Verbindung gebracht werden.[27]
Im Folgenden kam es zu Unterschriftensammlungen, die zum Volksentscheid führten, der am 25. Mai 2014 stattfand und mit deutlicher Mehrheit erfolgreich war.
Planungen (2011–2014)
Die offiziellen Planungen für den Tempelhofer Park liegen in der Verantwortung des Berliner Senats. Daneben gibt es private Initiativen, die ihre Pläne ebenfalls auf dem Flugfeld verwirklichen wollen, aber vom Senat nicht am Planungsprozess beteiligt werden. Dies führt zu Planungskonflikten. Eine unabhängige vermittelnde Institution, die sich mit der Mediation zwischen diesen beiden Interessengruppen beschäftigt (wie beispielsweise bei der Entstehung des Central Parks in New York), gibt es bislang noch nicht.
Bis Sommer 2012 war geplant, die Internationale Gartenausstellung 2017 auf dem Gelände stattfinden zu lassen. Auf einem Teil des Tempelhofer Parks – am Columbiadamm, an der Oderstraße und am Tempelhofer Damm – sollten nach Plänen des Senats neue Wohnquartiere errichtet werden.[28] Im Süden des Geländes war ein Innovationspark geplant. Zur besseren Erreichbarkeit sollte ein neuer S-Bahnhof das Gelände von Süden her erschließen.[29] Auch eine neue Fußgängerbrücke über die Stadtautobahn und die S-Bahn-Trasse war geplant.
Die privaten Initiativen für die Entwicklung des Tempelhofer Parks sind bislang ohne erkennbare Struktur. Die Presse berichtet unregelmäßig über ausgewählte Pläne. Am 26. August 2010 berichteten die Berliner Tageszeitungen beispielsweise von der Konzeptstudie zweier Berliner, das ehemalige Flugfeld zu fluten und einen Bade- und Erholungssee auf dem Parkgelände zu schaffen.[30] Am 15. April 2011 berichtete die Presse darüber, dass ab 2013 der Tempelhofer Park zu einer Grünlandschaft mit See, Parzellen und Kletterfelsen umgebaut werden solle.[31]
Bis August 2014 sind insgesamt 9,8 Millionen Euro für Planungsleistungen zum Tempelhofer Feld ausgegeben worden. Allein in die Planungen für die Parklandschaft flossen 2,6 Millionen Euro, für den Neubau der Landesbibliothek 2,5 Millionen Euro und für den Wohnungsneubau 1,9 Millionen Euro. Die Bürgerbeteiligung kostete 475.000 Euro.[32]
Weitere Pläne (ab 2015)
Angesichts des Zuzugs von Flüchtlingen nach Berlin im Rahmen der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 entwickelte der Berliner Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller im November 2015 Pläne zum Bau eines temporären Containerdorfes für Geflüchtete am Rande des Tempelhofer Feldes. Nach Angaben des Senats handle es sich um eine auf drei Jahre befristete Nutzung bis zum 31. Dezember 2019. Einziehen sollten Geflüchtete aus den Hangars des Flughafen Tempelhof.[33] Gegner dieses Vorhabens, unter anderem die Initiative 100 % Tempelhofer Feld, sprachen von einem „Frontalangriff auf die Demokratie“.[34][35] In einer Bürgerversammlung am 21. Januar 2016 in der früheren Abflughalle des Flughafens mit etwa 1000 Teilnehmern wurde zum Teil heftige Kritik an den verantwortlichen Politikern geübt.[36]
Am 28. Januar 2016 stimmte das Berliner Abgeordnetenhaus mit Stimmen der SPD und der CDU für eine Teilbebauung des Tempelhofer Felds. Grüne, Linke und die Piratenpartei stimmten gegen den Gesetzesentwurf. Umwelt-Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) betonte, dass das Bauverbot dadurch „nicht aufgehoben“ werde und die Bebauung nur auf drei Jahre beschränkt sei. Andere Abgeordnete äußerten sich weniger eindeutig. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz meinte, dass das Tempelhof-Gesetz grundsätzlich „in die eine oder andere Richtung jederzeit wieder änderbar“ sei.[37]
Im Jahr 2018 lebten die Pläne für eine moderate Randbebauung mit Wohnhäusern wieder auf. Der Senat sieht darin eine Chance, in Zentrumsnähe etwas gegen die wachsende Wohnungsnot in der Stadt zu tun. Der Regierende Bürgermeister Müller formulierte den neuen Vorstoß so: „Tempelhof ist ein riesiges Gebiet, das man nicht für die Stadtentwicklung aufgeben kann. […] Im nächsten Wahlkampf oder der nächsten Legislatur wird das Thema bestimmt eine Rolle spielen“.[38] Doch die ablehnenden Meinungen haben sich bisher (Stand: Oktober 2018) nicht geändert, vor allem wird auf das Gesetz verwiesen, das im Ergebnis der Volksabstimmung beschlossen wurde.[39]
Im ehemaligen Regenwassersammelbecken (Löschwasserteich) nördlich des Tempelhofer Feldes betreibt das Architektur-Kollektiv raumlabor seit 2018 die Floating University Berlin.[40] Der Komplex prototypischer Gebäude aus Holz, Baugerüstteilen und Leichtbauwerkstoffen soll Experimentierfläche für neue architektonische und bautechnische Prozesse und Konzepte im Zuge von Klimafolgenanpassung und Schwammstadt-Paradigma sein. Das Vorhaben gewann 2021 den Goldenen Löwen der Architektur-Biennale in Venedig.[41]
Seit 2021 entwickelt die Initiative Transformation Haus und Feld Konzepte „für eine nachhaltige Nutzung des Airport-Gebäudes und des Tempelhofer Feldes“,[42] beispielsweise in Form von nachbarschaftlichen Begegnungsstätten, Werkstätten und Reallaboren[43] zur Vermittlung von Kunst, Kultur sowie neuen Berufsfeldern und Wirtschaftsweisen.[44] Dabei soll nach eigenen Angaben ein besonderes Augenmerk auf dem Erhalt und der Förderung von urbanen Gemeingütern und Commoning liegen.[45]
Literatur
- Werner Hegemann: Die Rettung des Tempelhofer Feldes. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. 8. Jg. (1924), Nr. 11/12, S. 333–345; kobv.de (PDF; 40,1 MB)
- Hans Aschenbrenner: Exerzierplatz wird Flughafen. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 2, 1998, ISSN 0944-5560, S. 78–81 (luise-berlin.de).
- Nikolai Roskamm: Die Utopie des Nichts – zur Transformation des Tempelhofer Feldes in Berlin. In: Dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, Nr. 42, 2011, S. 4–10.
- Christian Wolter: Rasen der Leidenschaft. Die Fußballplätze von Berlin. Geschichte und Geschichten. Edition Else, Berlin 2011, ISBN 978-3-00-036563-8, S. 15–19, 142–145.
- Matthias Heisig: Der Kampf um das Feld. Die Entstehung von Flughafen Tempelhof, Volkspark Tempelhof und Sportpark Neukölln. In: Werner Breunig, Uwe Schaper (Hrsg.): Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-7861-2727-7, S. 75–108.
Weblinks
- Tempelhofer Feld auf der Website der Tempelhof Projekt GmbH.
- tempelhoferfeld.info thf-berlin.de (private Website).
- Geschichtsparcours Papestraße (PDF; 4,9 MB). Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg (Hrsg.), Booklet, 2006.
- Zur Geschichte des Tempelhofer Feldes und des Flughafens Tempelhof. jedelsky.de (private Website).
- Vom Tempelhofer Feld zum Zentralflughafen Berlin-Tempelhof. tempelhofer-feld.de (private Website).
- Tempelhofer Unfreiheit – Fragmente zur Geschichte des Tempelhofer Feldes im Nationalsozialismus tempelhofer-unfreiheit.de (private Website).
- Abschluss der Grabung 2012 auf dem Tempelhofer Feld – erste Auswertung der Funde liegt vor. Pressemitteilung, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, 22. November 2012.
- Isabel Jürgens: Ein weites Feld – Wie sich der Flughafen Tempelhof entwickelt hat. In: Berliner Morgenpost, 22. Mai 2014.
- Berlin – Stadtleben auf dem Flugfeld, städtebauliche Untersuchung, Hochschule Bremen, 2013.
Einzelnachweise
- ↑ „Heute Vormittag werden dem Gaste auf dem Tempelhofer Felde verschiedene Regimenter vorgeführt werden.“ In: Berliner Gerichts-Zeitung, 2. August 1881, S. 3 „The King reviewed a large body of infantry the next day […]“. In: William N. Armstrong: Around the world with a king. The Story of the Circumnavigation of His Majesty King David Kalakaua. London / New York 2000, ISBN 0-7103-0291-6, S. 254; Textarchiv – Internet Archive
- ↑ Christian Wolter: Rasen der Leidenschaft. S. 14.
- ↑ Christian Wolter: Rasen der Leidenschaft. S. 18.
- ↑ a b Christian Wolter: Rasen der Leidenschaft. S. 145.
- ↑ Lage des Preussen-Stadions (1932), abgerufen am 28. August 2018
- ↑ Lage der Sportplätze an der Oderstraße (1932), abgerufen am 28. August 2018.
- ↑ Timo Pape: Formel E: Neues Streckenlayout für Berlin veröffentlicht, Tickets erhältlich. Abgerufen am 27. Mai 2020.
- ↑ Markus Becker: Berlin von oben. Die ersten Luftbilder Deutschlands. Bei: Spiegel Online, 26. April 2006, abgerufen am 7. Mai 2010.
- ↑ The Voisin Aeroplane in Berlin. In: Flight. Band 6. Flight, London 1909, S. 78 (archive.org [PDF; 362 kB]).
- ↑ Joachim Wachtel: Die Aviatiker. Mosaik Verlag, München 1978, ISBN 3-570-00837-1, S. 74 ff.
- ↑ Günter Schmitt: Als die Oldtimer flogen – Die Geschichte des Flugplatzes Johannisthal. Transpress, Berlin 1980, ISBN 3-344-00129-9, S. 20 ff.
- ↑ Aktie der AG Tempelhofer Feld aus dem Jahr 1911 bei Historische-Wertpapiere.de, abgerufen am 3. Juni 2014
- ↑ https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/stadtgruen/geschichte/stadtgruen/1920-bis-1948/
- ↑ https://landkartenarchiv.de/stadtplansammlung.php?q=scherlsstrassenfuehrer_berlin_22K_1930_sprung
- ↑ Mechthild Küpper: Flughafen Tempelhof: Das war’s. War’s das? In: FAZ.NET. 28. April 2008, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 12. April 2020]).
- ↑ Svenja Bergt: Wie man einen Flughafen besetzt. In: taz, 20. Juni 2009.
- ↑ Grüne unterstützen friedliche Besetzung von Tempelhof. In: Der Tagesspiegel, 15. Juni 2009.
- ↑ „Squat Tempelhof“ erwartet 10.000 Besetzer. In: Der Tagesspiegel, 19. Juni 2009.
- ↑ Flughafen-Besetzung scheitert – Krawalle. (Memento vom 24. Juli 2009 im Internet Archive) In: Süddeutsche Zeitung, 21. Juni 2009.
- ↑ Tanja Buntrock: Tempelhof-Besetzung: Polizei holt sich Hilfe. Sieben Hundertschaften aus dem Bundesgebiet sollen Berliner Beamte am Zaun unterstützen. Das linke Bündnis „Squat Tempelhof“ hatte im Rahmen der „Action-Weeks“ zu der Massenbesetzung des Flughafens aufgerufen. In: Der Tagesspiegel. 20. Juni 2009, abgerufen am 19. Dezember 2010.
- ↑ Entfaltung auf dem Rollfeld zeit.de vom 10. September 2012
- ↑ Öffnungszeiten auf gruen-berlin.de
- ↑ Bilanz der Öffnung des Tempelhofer Parks: Senatorin ist sehr zufrieden. Bei: berlin.de
- ↑ Ärger im Anflug. In: Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 14. Mai 2010
- ↑ Raumpioniere entwickeln die Tempelhofer Freiheit. Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin, 30. September 2010, abgerufen am 2. Oktober 2015.
- ↑ Die Pionierprojekte im Überblick (Memento vom 1. Oktober 2015 im Webarchiv archive.today) Website der Tempelhof Projekt GmbH
- ↑ Volksbegehren gegen Tempelhof-Bebauung. (Memento vom 9. November 2011 im Internet Archive) taz.de, 19. Oktober 2011.
- ↑ berlin.de zur IGA 2017
- ↑ Senat plant neuen S-Bahnhof in Tempelhof. In: Berliner Morgenpost, 16. März 2010, abgerufen am 14. Mai 2010.
- ↑ Katrin Schoelkopf: So soll der Flughafen Tempelhof zum See werden. In: Berliner Morgenpost, 27. August 2010, abgerufen am 28. Mai 2010.
- ↑ R. Gorny: Ein Park für Kleingärtner und Kletterer. (Memento vom 20. April 2011 im Webarchiv archive.today) In: Berliner Kurier, 15. April 2011.
- ↑ Wohnen auf ungenutzten Friedhofsflächen. In: Berliner Zeitung, 11. August 2014.
- ↑ Thomas Loy: Unterbringung in Tempelhof Containerdorf für 1000 Geflüchtete in Berlin eröffnet. In: Der Tagesspiegel. 3. Dezember 2017, abgerufen am 9. April 2022.
- ↑ Thomas Loy: Flüchtlinge ziehen aufs Tempelhofer Feld. In: Der Tagesspiegel. 24. November 2015, abgerufen am 22. Januar 2016.
- ↑ Senat beschließt temporäre Bebauung auf dem Tempelhofer Feld. rbb aktuell, 24. November 2015, abgerufen am 22. Januar 2016.
- ↑ Thorsten Gabriel: Hitzige Debatte über Unterkunft auf dem Tempelhofer Feld – „Kein Ort, wo Flüchtlinge lange leben sollten“. rbb online, 22. Januar 2016, abgerufen am 22. Januar 2016.
- ↑ Weg frei für Flüchtlingsquartiere auf dem Tempelhofer Feld. rbb aktuell, abgerufen am 28. Januar 2016.
- ↑ Michael Müllers Pläne für Randbebauung stoßen auf Widerstand, in: Berliner Zeitung, April 2018, abgerufen am 20. Oktober 2018.
- ↑ Gudrun Mallwitz: Tempelhofer Feld – freibleiben oder bebauen. In: Berliner Morgenpost, 20. September 2018, abgerufen am 20. Oktober 2018.
- ↑ FLOATING BERLIN. Abgerufen am 28. März 2022 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Goldener Löwe für das Architekten-Kollektiv Raumlaborberlin. In: Bayerischer Rundfunk (BR). 31. August 2021, abgerufen am 28. März 2022.
- ↑ Sebastian Höhn, Katharina Müller-Güldemeister: Grüne Zukunft: Was aus dem Flughafen Tempelhof werden könnte. In: Berliner Zeitung. 22. April 2021, abgerufen am 20. März 2022.
- ↑ Claudius Prößer: Kampagne „Transformation Haus & Feld“: Ein Haus für alle und das Klima. In: Die Tageszeitung: taz. 22. April 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 20. März 2022]).
- ↑ Manifest. In: TRANSFORMATION HAUS & FELD. Abgerufen am 20. März 2022 (deutsch).
- ↑ Eva-Lena Lörzer: Umnutzung des Flughafens Tempelhof: Eine Flughafenvision. In: Die Tageszeitung: taz. 10. Februar 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 20. März 2022]).
Koordinaten: 52° 28′ 24″ N, 13° 24′ 5″ O