Liberale Freimaurerei

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Liberale Freimaurerei bezeichnet ein freimaurerisches dezentrales heterosoziales Netzwerk von Freimaurerlogen und Großlogen auf der Grundlage der „absoluten Gewissensfreiheit“. Dieses neue Konzept der Freimaurerei wurde auf dem Konvent des Grand Orient de France von 1877 geboren.[1] Wie alle Menschenrechte ist die Idee eng verbunden mit dem Humanismus und der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten Idee des Naturrechts. Satzungen heutiger liberaler Großlogen betonen neben diesem Freiheitsrecht weitere, insbesondere die Versammlungs- und Religionsfreiheit und soziale Menschenrechte wie Selbstbestimmung, die Gleichberechtigung von Frau und Mann und auch die Kontrolle von Macht durch Gewaltenteilung.

Liberalismus

Liberalismus steht im Gegensatz zum Totalitarismus und begründete in der Geschichte die Emanzipation von überlieferten Dogmen aus dem Feudalismus und Absolutismus, daher bezeichnen sich einige liberale Großlogen auch als „adogmatisch“. Aus Gründen der absoluten Gewissensfreiheit und der Selbstbestimmung bleibt es Mitgliedslogen liberaler Großlogen überlassen, ob sie ihre maurerische Arbeit unter den Schutz des Allmächtigen Baumeisters aller Welten und das heilige Buch einer Offenbarungsreligion stellen oder sich davon distanzieren. Liberale Großlogen sind darin frei, ob sich ihre Logen als Vereinigungen nur für Frauen, nur für Männer oder für beiderlei Geschlecht konstituieren, solange diese auf Grundlage der Versammlungsfreiheit und dem sozialen Menschenrecht der Teilhabe am kulturellen Leben grundsätzlich alle Freimaurer zu ihren Arbeiten ohne jeden Unterschied zulassen und ohne dabei ein Recht auf Gegenseitigkeit zu fordern. Ebenso respektieren sie alle freimaurerischen Traditionen, Riten, Symbole und Überzeugungen.

Geschichte

Ein historisches Dokument der liberalen Freimaurerei ist das York Manuscript No. 4 von 1693, das sich in Besitz der von der United Grand Lodge of England als regulär anerkannten Grand Lodge of York befindet. Es belegt, dass Frauen vor der Gründung der Premier Grand Lodge of England in die Freimaurerei aufgenommen werden konnten:

„the elders taking the Booke, he or shee that is to be made Mason shall lay their hands thereon, and the charge shall be given.“

York Manuscript No. 4 von 1693

Übersetzt:

„wenn die Ältesten das Buch nehmen, möge er oder sie, der oder die zu einem Freimaurer gemacht werden soll, die Hände darauf legen, und die Pflicht soll auferlegt werden.“

Die Geschichte der Freimaurerei zeigt, dass dies in seltenen Fällen auch geschah.

Erst die Charges of a Freemason („Alten Pflichten“) von 1723 von James Anderson und die „Basic Principles“ der United Grand Loge of England zementiert, dass ein Freimaurer ein Mann sein muss, der nicht religionsfeindlich gesinnt ist, sofern er etwas von seiner „Kunst“ versteht.
Die Einstellung zur Frau war Anfang des 18. Jahrhunderts jedoch noch eine völlig andere als heute. Frauen wurden die Fähigkeiten abgesprochen, für Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und für wesentliche Gebiete der Arbeitswelt befähigt zu sein. (siehe auch: Frauenrechte)

Ab 1869 forderte der calvinistische Pastor und Freimaurer Frédéric Desmons im Grand Orient de France regelmäßig die Zulassung von Frauen zu Tempelarbeiten von Freimaurerlogen. Der französische Philosoph und Schriftsteller Émile Littré wurde 1875 zum Mitglied der Académie française gewählt. Aus Protest trat Félix Dupanloup 1875 als Mitglied der Académie française zurück und veröffentlichte im selben Jahr sein Buch gegen die Freimaurerei: Etude sur la Franc-Maçonnerie.

Émile Littré meldete sich daraufhin als Suchender beim Grand Orient de France und antwortete bei seiner Aufnahme in Gegenwart von 2.000 Freimaurern in die Loge La Clémente Amitié auf die Frage, ob er an die Existenz Gottes glaube: „Keine Wissenschaft leugnet eine erste Ursache, denn nirgends trifft sie etwas, was gegen eine solche zeugt, noch eine solche beweist. Alles Wissen ist relativ, immer wieder stößt man auf Wesenheiten und Urgesetze, deren tiefsten Grund wir nicht erkennen. Wer mit Entschiedenheit ausspricht, dass er weder gottgläubig noch Gottesleugner ist, beweist nur sein Unverständnis für das Problem des Werdens und Vergehens der Dinge.“[2]

1877 hielt Desmons auf dem Konvent vor Vertreter der Logen eine Rede bei der er argumentierte, dass die Freimaurerei wissenschaftlich und rational sei und daher keiner religiösen Bezüge bedürfe. Er forderte daher die Abschaffung des Symbols des Allmächtigen Baumeisters aller Welten. Mit einer Zweidrittelmehrheit gaben die Delegierten diesem Änderungsantrag statt. Von nun an bestätigte der Grand Orient de France in seiner Konstitution: „Die Freimaurerei hat zu Grundsätzen die unbedingte Gewissensfreiheit und die menschliche Solidarität. Sie schließt niemanden um seines Glaubens willen aus.“[2]
Nachdem der Grand Orient de France zusätzlich das „Buch des heiligen Gesetzes“ durch ein „weißes Buch“ ersetzte, beendete 1913 die United Grand Loge of England einseitig die Beziehungen und erkannte ihr die Regularität ab. In dieser Folge entstand die liberale Freimaurerei.

CLIPSAS[3] repräsentiert seit der Gründung 1961[4] eine weltumspannende „internationale liberale Freimaurerorganisation“ mit 104 liberalen Großlogen (Stand November 2020)[5], die den Appell von Straßburg[6] unterzeichnet haben.

Abgrenzung

Die von der United Grand Lodge of England ausgehende Freimaurerei ist hingegen ein rein hierarchisch organisierter Männerbund. Eine durch sie als regulär anerkannte Großloge muss gemäß ihren Basic Principles of Grand Lodge Recognition den Mitgliedern der ihr unterstellten Freimaurerlogen jeglichen „freimaurerischen Kontakt“ mit Logen verbieten, die Frauen als Mitglieder aufnehmen. Zudem muss der Glaube an ein Höheres Wesen (Supreme Being) ein notwendiges Aufnahmekriterium sein[7]. Ein generelles Besuchsverbot zu liberalen Männerlogen ist damit nicht verbunden.

Siehe auch

Artikel liberaler Großlogen

Einzelnachweise

  1. GOdF (Memento vom 13. Februar 2008 im Internet Archive): „This new concept of Freemasonry - of Absolute Freedom of Conscience which was born on the ‚Convent‘ (Annual General Meeting) of 1877 and whose gave birth to a new form of practise in Freemasonry which is called Liberal Freemasonry.“
  2. a b Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurer Lexikon. 5. Auflage, Herbig Verlag, ISBN 978-3-7766-2478-6.
  3. Weltweite Dachorganisation liberaler Großlogen CLIPSAS
  4. https://clipsas.org/en/histoire/
  5. https://clipsas.org/en/membres/
  6. Appell von Straßburg (Memento des Originals vom 20. November 2008 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sgovd.org
  7. Die Grundprinzipien zur Anerkennung einer Großloge durch die United Grand Lodge of England (Memento vom 4. März 2008 im Internet Archive)