Hermann Lange (NS-Opfer)

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Hermann Lange

Hermann Lange (* 16. April 1912 in Leer; † 10. November 1943 in Hamburg) war ein deutscher katholischer Priester, der Opfer der politischen Justiz des Nationalsozialismus wurde und zu den so genannten Lübecker Märtyrern gehört. 2011 wurde er seliggesprochen.

Gedenktafel in den Wallanlagen beim Untersuchungsgefängnis Hamburg

Biografie

Hermann Lange wuchs in Leer als Sohn eines Navigationslehrers in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und besuchte das dortige Gymnasium. Sein gleichnamiger Onkel Hermann Lange war Pastor in Bremen sowie Domdechant in Osnabrück und sein Vorbild. Als Gymnasiast trat er dem katholischen Bund Neudeutschland, einem Teil der katholischen Reformbewegung, bei und wurde dort auch dessen Gruppenleiter. Früh entschied er sich, Priester zu werden. Er stand dem Nationalsozialismus stets ablehnend gegenüber.

Er studierte katholische Theologie in Münster und empfing am 17. Dezember 1938 im Hohen Dom in Osnabrück die Priesterweihe. Am 26. Dezember 1938 hielt er seine Heimatprimiz, die erste eigene Messe, in der St.-Michael-Kirche in Leer. Nach seelsorgerischer Tätigkeit an St. Joseph in Neustadtgödens und Lohne bei Lingen wurde er am 1. Juni 1939 zum Adjunkt und ein Jahr später zum Vikar an der katholischen Hauptkirche, der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck ernannt. Seine Hauptaufgabe bestand in der Jugend- und Männerseelsorge der Gemeinde.[1]

Lange wird von Zeitzeugen als ungewöhnlich ernsthaft, zuverlässig und pädagogisch begabt beschrieben. Er gilt als der Intellektuelle unter den verhafteten drei Geistlichen der Propsteikirche. Seine Predigten hatten ein hohes Niveau. Der reformorientierte Theologe betrachtete den Nationalsozialismus mit Abscheu und prangerte im kleinen Kreis die Kriegsverbrechen der Deutschen an. Er stand einem Wehrdienst unter nationalsozialistischer Führung kritisch gegenüber.

Verhaftung und Prozess

Lange vervielfältigte und verteilte Flugblätter und NS-kritische Schriften, darunter die verschriftlichten Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen. Schließlich wurde er denunziert und am 15. Juni 1942 von der Gestapo wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet, nachdem bereits im Jahr zuvor eine Hausdurchsuchung bei ihm stattgefunden hatte. Er leugnete seine negative Einstellung zum Nationalsozialismus und Krieg nicht. Mit ihm in Haft kamen zwei weitere katholische Geistliche der Propsteikirche – Eduard Müller und Johannes Prassek – sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink, die sich ebenfalls gegen das NS-Regime gewandt hatten. In der gleichen Aktion wurden auch 18 katholische Laien verhaftet. Lange wurde – von seinen katholischen Mitbrüdern getrennt – mit dem evangelischen Pastor Stellbrink in das Gefängnis Lübeck-Lauerhof eingeliefert. Aus der Haftzeit ist ein Brief Langes überliefert: „Ich persönlich bin ganz ruhig und sehe dem Kommenden entgegen. Wenn man wirklich die ganze Hingabe an den Willen Gottes vollzogen hat, dann gibt das eine wunderbare Ruhe und das Bewusstsein unbedingter Geborgenheit … Menschen sind doch nur Werkzeuge in Gottes Hand. Wenn Gott meinen Tod will – es geschehe sein Wille …“[2] Nach einjähriger Untersuchungshaft fand Ende Juni 1943 ein dreitägiger Prozess vor dem 2. Senat des Berliner Volksgerichtshofes statt, der hierzu eigens nach Lübeck gereist war. Das vom Staatsanwalt Drullmann geforderte und vom Gericht beschlossene Todesurteil wegen „Zersetzung der Wehrkraft in Verbindung mit landesverräterischer Feindbegünstigung und Rundfunkverbrechens“[3] nahm Kaplan Lange in Gottvertrauen ungebeugt an. Er und seine geistlichen Mitangeklagten wurden daraufhin in die Hamburger Haftanstalt Holstenglacis verlegt. Dort besuchte ihn sein Bischof, Hermann Wilhelm Berning. Das Gnadengesuch für seine drei Priester blieb erfolglos.

Hermann Lange wurde in der Haftanstalt Holstenglacis am 10. November 1943 um 18.26 Uhr durch Scharfrichter Friedrich Hehr mit dem Fallbeil hingerichtet.[4] Seine letzten Worte an den Gefängnispfarrer Behnen lauten: „… ein frohes Wiedersehen im Himmel. Grüßen Sie mir meine lieben Lübecker und meine Landsleute in Leer.“[2]

Stolperstein für Hermann Lange in Hamburg-Neustadt

Erinnerung

Gedenktafel an der Mauer der St.-Michael-Kirche (Leer) in Ostfriesland zur Erinnerung den Lübecker Märtyrer Hermann Lange (NS-Opfer). Plakette gestaltet durch Karl-Ludwig Böke.

Die gemeinsame Hinrichtung der vier Geistlichen, deren Blut unter dem Fallbeil im Minutenabstand „förmlich ineinander geflossen“ ist, ist heute eine tragende Säule norddeutscher Ökumene.

Die Urne mit der Asche Hermann Langes wurde erst in seiner Heimatstadt beigesetzt und befindet sich heute unter einer Glasplatte im Boden der Krypta der Propsteikirche zu Lübeck. Im Oktober 2013 wurde in einem Anbau dieser Kirche die Gedenkstätte Lübecker Märtyrer eröffnet, die über die damalige politische und kirchliche Situation, die vier Geistlichen und die mitangeklagten Laien informiert.

An der Außenmauer der Hamburger Untersuchungshaftanstalt erinnert eine Gedenktafel an die hingerichteten Geistlichen. Die beiden katholischen Kirchengemeinden in Leer fusionierten zum Jahr 2018. Die neue Gemeinde hat den sel. Hermann Lange zum Patron. In der Kirche St. Michael wurde im Jahr 2015 ein Gedenkort für die Lübekcer Märtyrer eingerichtet.[5] In Lübeck, Leer, Papenburg und Hamburg wurden Straßen nach Hermann Lange benannt, des Weiteren das Gemeindehaus der katholischen Kirchengemeinde Maria Königin in Leer-Loga. Auf dem Vorplatz der St.-Antonius-Kirche in Lohne befindet sich seit 2010 eine Statue von Herrmann Lange, er war dort im Jahr 1939 tätig.[6]

Seligsprechungsverfahren

Im März 2004 veröffentlichte das Erzbistum Hamburg die Absicht, ein Seligsprechungsverfahren für Hermann Lange, Johannes Prassek und Eduard Müller einzuleiten. Daher wurde am 10. Mai 2004 der römische Jurist Andrea Ambrosi zum „Postulator“ – dem Anwalt des Verfahrens – ernannt. Das Verfahren galt als schwierig, da einerseits eine Trennung der drei katholischen Märtyrer vom evangelischen Pastor Stellbrink als inakzeptabel angesehen wird, andererseits die Seligsprechung eines evangelischen Pastors nicht möglich ist. Am 1. Juli 2010 gab das vatikanische Pressebüro bekannt, dass Papst Benedikt XVI. den Präfekten der Kongregation für Heiligsprechungen autorisiert habe, ein entsprechendes Dekret „in Geltung zu setzen“, und das Seligsprechungsverfahren abgeschlossen sei.[7] Die Seligsprechung Langes und der beiden anderen katholischen Geistlichen fand am 25. Juni 2011 vor der Herz-Jesu-Kirche in Lübeck statt. Dabei gedachte Kardinal Walter Kasper in seiner Predigt auch des Protestanten Stellbrink.[8][9] Als Tag des Liturgischen Gedenkens setzte der Vatikan den 25. Juni fest, da der Tag der Hinrichtung im kirchlichen Generalkalender bereits belegt war.[10]

Literatur

  • Josef Schäfer SJ (Bearb.): Wo seine Zeugen sterben ist sein Reich. Briefe der enthaupteten Lübecker Geistlichen und Berichte von Augenzeugen. Hamburg 1946.
  • Die Lübecker Blutzeugen 1943. In: Katholischer Wegweiser 1963 für Hamburg und Schleswig-Holstein, Hamburg 1963.
  • Martin Merz: „Die Pfaffen aufs Schafott“. Ein Lübecker Prozess vor 50 Jahren. Begleitheft zur Ausstellung „Lösch mir die Augen aus …“ Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus. Überarbeitetes Manuskript einer Rundfunksendung im Rahmen der Reihe „Religion und Gesellschaft“ am 6. August 1993 im Dritten Programm des Norddeutschen Rundfunks, Lübeck 1993.
  • Else Pelke: Der Lübecker Christenprozess 1943. Mainz 1961/1974.
  • Manfred Hermanns: Neudeutscher Glaubenszeuge und Märtyrer des Nordens. In: Hirschberg, Jg. 42 (1989), S. 562–564.
  • Manfred Hermanns: Lange, Hermann, Lübecker Vikar und Märtyrer. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band XXXII (2011) Spalten 864–869.
  • Ingaburg Klatth: ‚Lösch mir die Augen aus …‘: Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Ausstellung im Burgkloster zu Lübeck vom 8. November 1993 bis zum 10. November 1994. In: Demokratische Geschichte: Jahrbuch zur Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein 8 (1993), S. 205–280.
  • Martin Thoemmes, Art.: Hermann Lange. In: Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts. hrsg. von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Paderborn u. a. 1999, 7. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019, ISBN 978-3-506-78012-6, Bd. I, S. 319–327.
  • Ökumene im Widerstand. Der Lübecker Christenprozeß 1943. Lübeck 2001.
  • Peter Voswinckel: Nach 61 Jahren komplett. Abschiedsbriefe der Vier Lübecker Märtyrer im historischen Kontext. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 85 (2005), S. 279–330.
  • Isabella Spolovjnak-Pridat, Helmut Siepenkort (Hrsg.): Ökumene im Widerstand. Der Lübecker Christenprozess 1943. Lübeck 2006.
  • Peter Voswinckel: Geführte Wege: Die Lübecker Märtyrer in Wort und Bild. Butzon & Bercker, Kevelaer 2010, ISBN 978-3-7666-1391-2.
  • Martin Thoemmes: „Sag niemals drei, sag immer vier“. Das Gedenken an die Lübecker Märtyrer von 1943 bis heute. Ansgar, Hamburg 2012, ISBN 978-3-932379-93-2.
  • Ann-Helena Schlüter: "Frei wie die Vögel: Die Helden von Lübeck – Eine Erzählung gegen das Vergessen", SCM Hänssler (23. August 2018), ISBN 978-3-7751-5865-7.

Weblinks

Commons: Hermann Lange (chaplain) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Brigitte Templin und Ingaburgh Klatt: „Lösch mir die Augen aus ...“ – Leben und gewaltsames Sterben der vier Lübecker Geistlichen in der Zeit des Nationalsozialismus. Sonderdruck: Herausgeber Burgkloster zu Lübeck/Amt für Kultur der Hansestadt Lübeck, Lübeck 1994, S. 41–43.
  2. a b "Die Lübecker Blutzeugen 1943" in Katholischer Wegweiser 1963 für Hamburg und Schleswig-Holstein; Hamburg 1963
  3. Urteil des Volksgerichtshofes
  4. Ökumenischer Widerstand endete unter dem Fallbeil auf www.evangelisch.de
  5. Lübecker Martyrer. Pfarreiengemeinschaft Kath. Kirchengemeinde Seliger Hermann Lange Leer, Kath. Kirchengemeinde St. Joseph Weener und Kath. Kirchengemeinde Mariä-Himmelfahrt Moormerland, abgerufen am 31. Mai 2022.
  6. Kirchenvorplatz. Abgerufen am 11. März 2021.
  7. Presseamt des Heiligen Stuhls, Bulletin Nr. 436/2010 vom 1. Juli 2010 (italienisch)
  8. Neue Kirchenzeitung vom 19. September 2010 (38), Hamburg
  9. Tausende bei Seligsprechung von Nazi-Widerständlern in Lübeck (Memento vom 17. Juli 2011 im Internet Archive). In: Lübecker Nachrichten online vom 25. Juni 2011
  10. Neue Kirchenzeitung vom 24. Juni 2012 (25), Hamburg