Ahnenpaß

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Ahnenpaß mit „Parteiadler“ der NSDAP
Datei:Ahnenpass-axb01.jpg
Ahnenpaß mit Reichsadler
Ahnenpaß ohne Reichsadler
Die Vorfahren – wichtig der Eintrag: „Bekenntnis“
Datei:DOL 1940 06 15 4 Ahnenpässe cropped.png
Zeitungsannonce in den Südtiroler Dolomiten vom 15. Juni 1940 für die Anlegung von Ahnenpässen

Der Ahnenpaß (historische Schreibweise) war eine gesetzliche Ausweisurkunde, die amtliche beglaubigte Abstammungsnachweise enthielt. Ein Abstammungsnachweis bestand aus Geburts-, Todes- bzw. Trauungsangaben, deren Übereinstimmung mit entsprechenden Unterlagen einer Matrikelstelle, gewöhnlich den Kirchenbüchern eines Pfarramtes, von einem Standesamt bestätigt wurde. Der Ahnenpaß wurde seit 1934 vom „Reichsverband der Standesbeamten Deutschlands“ herausgegeben und diente ausschließlich zum „Nachweis der arischen Abstammung“, konnte also in anderen Fällen, in denen Urkunden vorzulegen waren, nicht als Ersatz dienen.

Entstehung

Vorgeschichte

Der Nachweis der „arischen Abstammung“ bis zu den Großeltern war im Nationalsozialismus durch verschiedene Gesetze (Nürnberger Gesetze, Berufsbeamtengesetz, später auch Deutsches Beamtengesetz) vorgeschrieben. So beseitigte etwa das „Reichsbürgergesetz“ – eines der beiden Nürnberger Gesetze – mit der Unterscheidung zwischen „Reichsbürgern“, die im vollen Besitz aller Rechte waren, und „Staatsbürgern“, die nicht über die Reichsbürgerschaft verfügten und unter Sonderrecht gestellt waren, die Gleichheit vor dem Gesetz. Um die Behörden auf solcher Grundlage handlungsfähig zu machen, wurde im September 1934 der Ahnenpaß eingeführt.[1]

Hintergrund

Dem Ahnenpaß lag die Vorstellung der Zugehörigkeit zu einem „Volk“ qua Genealogie statt aufgrund von kulturellen Merkmalen zugrunde. Seine Erfinder imaginierten ein „deutsches Volk“ als „Blutsgemeinschaft“ und als Kollektiv von Menschen mit angeborenen gemeinsamen Persönlichkeitsmerkmalen. Um innerhalb der Bevölkerung nach rassistischen Kriterien die Angehörigen der „deutschen Volksgemeinschaft“ von den rassisch unerwünschten Minderheiten wie Juden, Roma und Sinti trennen und die einen privilegieren und die anderen aussondern zu können, bedurfte es administrativer Instrumente. Ein solches Instrument war der Ahnenpaß.

Die deutschen Genealogenvereine, mit Ausnahme des Deutschen Roland, beteiligten sich bis 1932 nicht an antisemitischen Bestrebungen.[2] Das änderte sich jedoch ab 1933 durch die vom Staat geforderten Abstammungsnachweise.[3]

Zwar war der Besitz eines Ahnenpasses keine Pflicht, er wurde aber doch jedermann – so auch Nicht-„Ariern“ – nahegelegt. Ihn zu erstellen, war aufwendig, weil Angaben nur aufgrund von Originalurkunden bzw. beglaubigten Abschriften anerkannt wurden. Ein vollständiger, vom Standesamt und/oder kirchlich beglaubigter Ahnenpaß ersetzte den andernfalls geforderten Nachweis einzelner Geburts-, Tauf- und Trauurkunden.

Inhalt

Er enthielt Vordrucke zur Bescheinigung von Geburt, Taufe, Heirat und Tod des Inhabers und seiner Vorfahren bis zur fünften Generation (Urururgroßeltern, auch: Altgroßeltern) nach Vorlage entsprechender Urkunden. Inwieweit er ausgefüllt sein musste, um als Nachweis zu dienen, war einzelfallabhängig; in der Regel wurden vollständige Nachweise bis zur Generation der Urgroßeltern damals auch als ausreichend angesehen.

Ausgaben

Ahnenpässe wurden ab 1934 vom Reichsverband der Standesbeamten Deutschlands im Verlag für Standesamtswesen sowie später vom Zentralverlag der NSDAP herausgeben. Letztere weisen auf dem Deckblatt den Reichsadler von 1935 auf. Die Ausgaben sind nicht datiert und unterscheiden sich unter anderem durch die Vorworte. Ab 1939/40 wurden Ahnenpässe auch im Kontext der Umsiedlung der Südtiroler in das Deutsche Reich verlangt. In Bozen wurde hierzu von den NS-Behörden eine eigene Sippenkanzlei eingerichtet und vom Genealogen Franz Sylvester Weber geleitet.[4]

Verbleib

Nach Vorlage bei einer Behörde oder Dienststelle wurde der Ahnenpaß wieder ausgehändigt. Das heißt, Ahnenpässe sind nicht archiviert worden. Nur die Abstammungsnachweise von Angehörigen der SS wurden vom Rasse- und Siedlungshauptamt einbehalten und nach 1945 im Berlin Document Center archiviert und befinden sich heute in der Abteilung R des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde.

Das deutsche Genealogieunternehmen Genealogy24 stellt im Rahmen einer Online-Bibliothek digitale Ablichtungen von Ahnenpässen und Familienstammbüchern zum Zwecke der Ahnenforschung zur Verfügung. Es soll sich bei dieser Sammlung um die weltweit größte öffentliche Sammlung dieser Art handeln.[5]

Literatur

  • Der Ahnenpaß des Ehepaares. Verlag für Standesamtswesen, Berlin 1939.
  • Eric Ehrenreich: The Nazi Ancestral Proof: Genealogy, Racial Science, and the Final Solution. Bloomington, Indiana: Indiana University Press, 2007, ISBN 978-0-253-34945-3.
  • Cornelia Essner: Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945. Schöningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-72260-3.
  • Volkmar Weiss: Die Vorgeschichte des arischen Ahnenpasses. In: Genealogie, 50. Jg. (2001) S. 417–436, 497–507 und 615–627.

Weblinks

Commons: Ahnenpass – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelbelege

  1. s.z.B. Badische Presse 10. September 1934
  2. So: Volkmar Weiss, Historische oder völkische Genealogie. Familiengeschichte oder Sippenforschung? In: Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert. Arnshaugk, Neustadt an der Orla, 2013, ISBN 978-3-944064-11-6, S. 48–66.
  3. Die Machtergreifung der Viehzüchter. In: Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert. Arnshaugk, Neustadt an der Orla 2013, S. 66–90.
  4. Hannes Obermair: „Großdeutschland ruft!“ Südtiroler NS-Optionspropaganda und völkische Sozialisation – “La Grande Germania chiamaǃ” La propaganda nazionalsocialista sulle Opzioni in Alto Adige e la socializzazione ‚völkisch‘. Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte, Schloss Tirol 2020, ISBN 978-88-95523-35-4, S. 44.
  5. Website zu Ahnenpässe – http://www.dilibra.com, abgerufen am 6. Dezember 2014.