Lichterkette (Demonstration)

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Vorbereitung einer Lichterkette

Die Lichterkette (auch Menschenlichterkette) ist eine Ausdrucksform der friedlichen Demonstration. Eine große Zahl von Teilnehmern bildet nebeneinander stehend eine Reihe und hält dabei eine brennende Kerze oder eine andere Lichtquelle in der Hand.

Ursprung

Im Vorfeld der Deutschen Wiedervereinigung bildeten durch die gesamte DDR am Sonntag, den 3. Dezember 1989, tausende Bürger entlang der Landstraßen Menschen-Lichterketten unter dem Motto „Ein Licht für unser Land“ ... „Das Gefühl der Gemeinsamkeit und der gemeinsamen Ziele ist noch wach“.[1]

In München organisierten vier Bürger, Gil Bachrach Giovanni di Lorenzo, Christoph Fisser und Chris Häberlein, mit mehreren hundert Helfern am 6. Dezember 1992 die erste Lichterkette mit 400.000 Teilnehmern. Dies führte in mehreren deutschen Großstädten zu weiteren Lichterketten-Demonstrationen, an denen sich insgesamt fast eine Million Demonstranten beteiligt haben sollen (400.000 in München, 250.000 in Hamburg, 300.000 in Essen, 100.000 in Nürnberg).[2] Anlass waren ausländerfeindliche Ausschreitungen im wiedervereinigten Deutschland und der Protest gegen den Mordanschlag von Mölln, bei dem in der Nacht auf den 23. November 1992 auf zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Mölln ein Brandanschlag verübt wurde. Das Verbrechen mit rechtsextremem Hintergrund erregte bundesweites Aufsehen. Die Initiatoren der Lichterketten erhielten einen Sonderbambi bei der Bambi-Verleihung 1992.[3] In der Folge etablierten sich Lichterketten als Begriff und weltweit beachtetes Phänomen.[4]

Weitere Aktionen

Die Lichterkette hat sich inzwischen zu einer gängigen Form der Demonstration entwickelt.

Lichterkette in Wien
  • Ähnliche Aktionen gab es in der Folge in Österreich wie das Lichtermeer im Januar 1993, eine Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz, insbesondere gegen ein von der FPÖ initiierte und als „Anti-Ausländer“-Volksbegehren bezeichnete Vorhaben. Die Initiative zu diesen Aktionen ging anfangs nicht von Parteien oder anderen politischen Organisationen aus, sondern von Privatpersonen. Die zentrale Veranstaltung mit bis zu 300.000 Teilnehmern – die bislang größte Demonstration in Österreich – fand in Wien statt, weitere Demonstrationen gab es in Graz, Linz, Innsbruck[5] und Salzburg.
  • Große Lichterketten-Aktionen gab es anlässlich des bevorstehenden Irakkrieges im Jahr 2003.
Das neue Rathaus in Hannover in den Farben von Frankreichs Trikolore als Hintergrund der Lichterkette
  • Ein Zeichen für Toleranz und gegenseitige Akzeptanz haben mehr als 3000 Menschen am 5. Februar 2015 in Nordhorn gesetzt.[6]
  • Um ein Zeichen zu setzen für Toleranz, Mitgefühl und Solidarität mit den Opfern der Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris rief der Freundeskreis Hannover in Kooperation mit der Landeshauptstadt Hannover zur Bildung einer Lichterkette am 17. November 2015 auf. Zu dieser gemeinsam organisierten Veranstaltung wurde zunächst das Neue Rathaus der Stadt in den Farben der Trikolore illuminiert.
  • Kirchenvertreter, Unternehmer, Lehrer und Schüler, ehemalige Einwohner, Politiker von SPD, Grünen, Linkspartei, Piraten und CDU, darunter Bundesinnenminister Thomas de Maizière fordern ein "friedliches und menschliches Miteinander" und führten am 10. Dezember 2015, dem "Tag der Menschenrechte, eine Lichterkette in Meißen durch.[7]
  • Am 17. Oktober 2015 gingen tausende Berliner mit Kerzen auf die Straße. Auch Flüchtlinge kamen zur Lichterkette. Anlass für die Lichterkette war die bröckelnde Akzeptanz von Flüchtlingen in der Bevölkerung. Sie stand unter dem Motto „Flüchtlinge willkommen - Fluchtursachen überwinden - Lichtzeichen setzen“.[8]
  • Anfang Januar 2016 fanden Lichterketten gegen das Rechtsbündnis in Leipzig statt.[9]
  • Als Demonstration für den Bau des neuen Dokumentationszentrums der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen versammelten sich am 27. Januar 2017 mehrere Hundert Menschen mit Kerzen zu einer Lichterkette auf dem Baufeld für das geplante Gebäude in Gardelegen und bildeten dessen Grundriss nach.[10] Nach dieser friedlichen Versammlung von zivilgesellschaftlicher Seite bewilligte der Landtag von Sachsen-Anhalt die Haushaltsmittel für die Umsetzung des zuvor in Frage gestellten Bauvorhabens.[11]
  • Die Stadt Neuenstein im Hohenlohischen setzte am 26. Januar 2019 mit einer Menschenlichterkette am Kulturbahnhof ein Zeichen gegen Fremdenhass. Anlass war der Brandanschlag am 20. Januar 2019 auf die dort geplante Flüchtlingsunterkunft.[12]
  • Eine Lichterkette gegen Gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt fand am 8. März 2017 in Berlin statt.[13]
  • Unter dem Motto „Unsere Ministerien nicht in die Hände von Rechtsextremen“ veranstaltete SOS Mitmensch am 16. November 2017 eine Lichterkette mit 3000 bis 10.000 Teilnehmern am innerstädtischen Ballhausplatz in Wien.[14]
  • Mehrere Hundert Menschen haben am 17. November 2019 in Merten-Bornheim an einer Aktion des Pfarrausschusses Merten teilgenommen und eine Lichterkette als Zeichen gegen Fremdenhass gebildet.[15]
  • Eine Menschenlichterkette fand am 15. Dezember 2018 unter dem Motto „Für Toleranz und Solidarität! Gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ in Harburg statt.[16]
  • In einer Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Amoklaufes von Winnenden und Wendlingen zum zehnjährigen Jahrestag fand am 11. März 2019 eine Lichterkette in Winnenden statt.[17]
  • Am 2. Juli 2021 fand in Würzburg anlässlich des Anschlags am 25. Juni eine Lichterkette mit Hunderten Menschen statt.[18]

Durchführung

Lichterketten werden üblicherweise schweigend durchgeführt, unter Verzicht auf besondere politische Aussagen, an deren Stelle das Licht als Symbol einer umfassenden Friedensbotschaft tritt[19]. Verwandt sind Lichteraktionen anderer Art, bei denen Bürger zu einem verabredeten Zeitpunkt zum Beispiel eine brennende Kerze oder Lampe ins Fenster stellen. Teilweise werden Lichterketten mit Umzügen verbunden.

Unterstützung von Projekten und Aktionen

Der ersten Lichterkettenaktion 1992 in München folgte die Gründung des gemeinnützigen Vereins Lichterkette e.V., das seitdem Projekte und Aktionen unterstützt, die im Sinne der Völkerverständigung die Begegnung, den interkulturellen Austausch und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in München fördern. Hierzu finden laufend Veranstaltungen und Aktionen statt.[20][21] Eines der Projekte ist Youthnet, ein interkulturelles und interreligiöses Netzwerk für München. Dort begegnen sich Jugendliche mit christlichem, muslimischem, jüdischem, ezidischem und anderem Hintergrund.[22][23]

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Lichterkette – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Menschenlichterkette – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Birge-Dorothea Pelz: Revolution auf der Kanzel: Politischer Gehalt und theologische Geschichtsdeutung in evangelischen Predigten während der deutschen Vereinigung 1989/90. Vandenhoeck & Ruprecht, 12. November 2018, ISBN 978-3-647-55793-9, S. 53.
  2. Zahlenangaben nach George Katsiaficas: The Subversion of Politics: European Autonomous Social Movements and the Decolonization of Everyday Life, AK-Press, Oakland [u. a.] 2006, S. 161
  3. Rüdiger Klausmann, Die holländische Versöhnung. Bambi.de. Abgerufen am 8. April 2019.
  4. 400.000 Kerzen gegen rechte Gewalt, Süddeutsche Zeitung, 6. Dezember 2012, abgerufen am 7. April 2019.
  5. 20 Jahre "Lichtermeer" für mehr Menschlichkeit, Katholische Kirche in Österreich, 21. Januar 2013. Abgerufen am 7. April 2019.
  6. 3000 Menschen bei Lichterkette gegen Fremdenhass, Grafschafter Nachrichten, 5. Februar 2015. Abgerufen am 8. April 2019.
  7. Lichterkette in Meißen – Nazis wollen Demo für Weltoffenheit kapern, Der Tagesspiegel, 2. Dezember 2015. Abgerufen am 7. April 2019.
  8. Flüchtlinge in Berlin – Keine Kette - aber viele Lichter, Tagesspiegel, 17. Oktober 2015. Abgerufen am 8. April 2019.
  9. Legida-Jahrestag – Lichterketten gegen Rechtsbündnis in Leipzig, Deutschlandfunk, 12. Januar 2016. Abgerufen am 7. April 2019.
  10. Marc Rath: Mit Kerzen ein Zeichen setzen. In: Volksstimme. 16. Januar 2016, abgerufen am 26. Dezember 2019.
  11. Stefan Schmidt: "Das ist der Durchbruch". In: Altmark-Zeitung. 1. Februar 2016, abgerufen am 26. Dezember 2019.
  12. Zeichen gegen Fremdenhass. In: Schwäbische Post. 25. Januar 2017, abgerufen am 9. April 2019.
  13. Gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt: Menschen-Lichter-Kette für den Frieden am 8.März 2017 um 19:05 h in Berlin, AVAAZ. Abgerufen am 8. April 2019.
  14. Tausende bei Lichterkette im Wiener Regierungsviertel, meinbezirk.at, 16. November 2017. Abgerufen am 8. April 2019.
  15. Hunderte Bornheimer bilden Lichterkette gegen Rechts, Generalanzeiger, 19. November 2019. Abgerufen am 8. April 2019.
  16. Für Toleranz und Solidarität! Gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, SPD. Abgerufen am 8. April 2019.
  17. Welzheimer Zeitung, 11. März 2019. Abgerufen am 8. April 2019.
  18. Hans Pfeifer: AfD: Falschmeldungen als Geschäftsmodell www.dw.com, 5. September 2021
  19. Heinz Kleger: Toleranz und "tolerantes Brandenburg". LIT-Verlag, Münster / Hamburg / London 2006 (= Region - Nation - Europa, 34), S. 30ff. ("Lichterketten-Bewegung")
  20. Lichterkette. Abgerufen am 7. April 2019.
  21. Die Stadt leuchtet weiter, Süddeutsche Zeitung, 6. Dezember 2017. Abgerufen am 8. April 2019.
  22. Youthnet. Abgerufen am 7. April 2019.
  23. Youthnet, HaGalil. Abgerufen am 8. April 2019.