Der Richter und sein Henker (1975)

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Film
Originaltitel Der Richter und sein Henker
Produktionsland Deutschland, Italien
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1975
Länge 92 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Maximilian Schell
Drehbuch Friedrich Dürrenmatt,
Maximilian Schell
Produktion Maximilian Schell,
Arlene Sellers
Musik Ennio Morricone
Kamera Roberto Gerardi
Schnitt Dagmar Hirtz
Besetzung

Der Richter und sein Henker ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Friedrich Dürrenmatt aus dem Jahr 1975. Maximilian Schell, der mit Dürrenmatt das Drehbuch schrieb, führte Regie.

Bereits 1957 produzierte SDR und DRS nach dem Roman unter der Regie von Franz Peter Wirth einen Fernsehfilm, an dessen Drehbuch Dürrenmatt ebenfalls mitwirkte.

Handlung

Der damals junge Polizist Hans Bärlach ließ sich vor Jahrzehnten mit Gastmann auf die Wette ein, dieser werde einen Mord in seiner Anwesenheit begehen, ohne dass Bärlach ihn nachweisen könne. Bärlach machte später Karriere als Polizist in Bern, Gastmann als Verbrecher. Viele Jahrzehnte später ist Hans Bärlach ein alter Kriminalkommissar in Bern. Sein bester Mitarbeiter, Robert (im Buch Ulrich) Schmied, wird auf einer Landstraße erschossen aufgefunden. Da Bärlach krank ist, lässt er die Ermittlungen hauptsächlich von dem Kriminalbeamten Tschanz durchführen, einem beruflichen und privaten Rivalen von Schmied. Schmied ermittelte inkognito bei Gastmann, der in höchsten Kreisen Freunde und Gönner hatte.

Tschanz ermittelt gegen Gastmann. Er will nicht nur den Mordfall abschließen, sondern durch den kriminalistischen Erfolg auch in Schmieds Fußstapfen treten. Gleichzeitig hat Bärlach Gastmann gewarnt, er werde ihm einen „Henker“ schicken. Der zu allem entschlossene Tschanz sucht die Konfrontation mit Gastmann; als dieser sich zur Wehr setzt, wird er von Tschanz erschossen. Auf diese Weise hat Bärlach Gastmann „gerichtet“ – und zwar, da er ihn für die begangenen Verbrechen nicht richten konnte, für eines, das er nicht beging, denn der Mörder Schmieds ist Tschanz. Später nimmt sich Tschanz das Leben, und Bärlach muss operiert werden, weil er schwer krank ist.

Analyse

Das Drehbuch lehnt sich stark an die Novelle an, bis hin zur Einflechtung originaler Dialoge. Eine Szene, die sich im Buch erst viel später, nämlich beim Zusammentreffen Bärlachs mit Gastmann, ereignet, wird an den Anfang gestellt: Die Ermordung Nadines – im Buch ist ein deutscher Kaufmann das Opfer – Gastmanns vermutlich erstes Verbrechen als Ergebnis jener Wette, die er und Bärlach „im Übermut“ geschlossen hatten. Ein Dialog der beiden in der Eingangssequenz macht das deutlich:

Gastmann: „[…] Und wie wir nun weiter stritten, da haben wir im Übermut eine Wette geschlossen, die Wette, daß ich in Deiner Gegenwart ein Verbrechen begehe, ohne daß Du je imstande wärst, mir dieses Verbrechen beweisen zu können.“
Bärlach: „Du hast Recht, diese Wette haben wir damals geschlossen. Ich dachte nur nicht, daß Du sie einhalten würdest […]“

Diese Eingangssequenz, getragen von Ennio Morricones elegischer Sopran-Melodie, ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Der Zuschauer weiß von Beginn an, dass Gastmann und Bärlach sich kennen. Das wird Tschanz, der Bärlach unterstützend ermittelt, im Film sehr viel später beim Treffen mit dem Schriftsteller Friedrich und in der Vorlage erst bei der Schlussabrechnung klar. Und: Im Film stehen damit am Anfang zwei Morde mit einer zeitlichen Distanz von 28 Jahren. Die Frage steht sofort im Raum, welche Rolle Bärlach beim zweiten Mord zukommt. Durch die geschickte Rückblende gleich zu Beginn wird der weitere Verlauf der Filmhandlung erst klar, bekommt zusätzlich Fahrt und kompensiert Längen in der Ermittlung während der ersten halben Stunde.

Gegenüber der Vorlage spielt die Handlung 1975 statt 1948, was dem Film insgesamt keinen Abbruch tut. Der schwarze, teils bitterböse Witz der Novelle Dürrenmatts blieb überwiegend erhalten. Ein Polizist tötet seinen Kollegen, weil er eifersüchtig ist auf dessen Erfolg, dessen Fähigkeiten, dessen Posten, Auto und Freundin. Eine Konstellation, welche bis heute im Kriminalroman/ Kriminalfilm selten umgesetzt wird. Und wenn doch, dann noch seltener so überzeugend. Dabei kommt die beschauliche Schweiz nicht gut weg, denn Hintergrund für die Ermittlungen bilden Industrielle und eine „fremde Gesandtschaft“, welche mit den Industriellen unter keinen Umständen zusammen genannt werden soll. Klar: Entweder geht es um Waffengeschäfte oder/ und Wirtschaftsspionage. Und das alles auf dem Boden des Alpenlandes, in einem Anwesen im Schweizer Jura. Ein Schweizer Dorfpolizist fürchtet sich vor einer Leiche und entfernt sie deswegen vom Ort des Geschehens, womit von Beginn an (scheinbar) alle Spuren gründlich beseitigt sind.

Erzählte Szenen werden in Bilder umgesetzt, so als Bärlach nach dem Besuch bei Gastmann, als Tschanz den Bluthund tötete, später den Mantel auszieht, dazu eine Armbandage für das Anpacken von Hunden und eine Pistole. Oder die Überfallszene auf Bärlach, als dieser den Mörder durch gezielte Schüsse auf eine Fensterscheibe in die Flucht schlagen kann.

Auch in der Schlussabrechnung zwischen Bärlach und Tschanz ergeben sich Unterschiede. Zwar wird auch hier ein üppiges „Fressen“ Bärlachs inszeniert, die große Überraschung aber – Bärlach jagt Gastmann seit dessen ersten Verbrechen – ist keine mehr. So beschränkt sich die Abrechnung lediglich darauf, dass Bärlach seine Magenkrankheit leugnet und Tschanz den Mord an Schmied nachweist.

Besetzung

Die Hauptrollen übernahmen Jon Voight als Walter Tschanz, der Regisseur Martin Ritt als Hans Bärlach und Robert Shaw als Richard Gastmann. Die gegenüber dem Buch stark ausgebaute Rolle von Schmieds Verlobter Anna verkörperte Jacqueline Bisset. In weiteren Rollen: Helmut Qualtinger als Nationalrat von Schwendi, Friedrich Dürrenmatt, der einen Kurzauftritt als Schriftsteller Friedrich übernahm, und Donald Sutherland, der die Leiche des ermordeten Schmied beim Abtransport darstellte.

Sonstiges

Der Film wurde für den internationalen Markt auf Englisch gedreht. In der deutschsprachigen Synchronfassung wird in einem rauen Deutsch gesprochen. Der Grund dafür ist, dass der SDR und DRS den Film in Schweizerdeutsch synchronisiert haben wollten, aber nur Merkmale davon benutzten, damit er von einem größeren Publikum verstanden werden konnte. Im Jahr 2011 erschien der Film erstmals auf BluRay. Für diese Edition wurde er in Bild und Ton aufwändig restauriert. Im Jahr 2010 hat Beat Records die Original-Filmmusik von Ennio Morricone in limitierter Auflage erstmals auf CD veröffentlicht.[1]

Auszeichnungen

Der Film erhielt 1979 einen silbernen Deutschen Filmpreis (Kategorie Weitere programmfüllende Spielfilme), Dagmar Hirtz für den Filmschnitt einen goldenen Deutschen Filmpreis.

Kritiken

„ […] im Vergleich zur Vorlage blutleer.“ (Wertung: 2 von 4 möglichen Sternen = durchschnittlich) – Adolf Heinzlmeier und Berndt Schulz, Lexikon „Filme im Fernsehen“[2]

„Die wichtigste und dem Film zum Vorteil gereichende Änderung liegt in der Aufwertung der Anna, der Verlobten des ermordeten Schmied, die im Roman fast unberücksichtigt bleibt, im Film aber als außerhalb des Spiels von Bärlach, Gastmann und Tschanz stehende Beobachterin entscheidende Konturen gewinnt […] und von Jacqueline Bisset sehr konzentriert gespielt wird.“ – Hans Gerhold im Filmdienst 11/1978

„Psychologischer Kriminalfilm nach einem Roman von Dürrenmatt. Eine Reflexion über Gut und Böse; fesselnd, wenn auch nicht ohne Effekthascherei inszeniert, mit hervorragenden Darstellern.“

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Il giudice e il suo boia | Beat Records | CDCR90
  2. Adolf Heinzlmeier, Berndt Schulz in: Lexikon „Filme im Fernsehen“. (Erweiterte Neuausgabe). Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-392-3, S. 678.
  3. Der Richter und sein Henker. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 8. Dezember 2016.