Straßenbahn Bremerhaven

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stillgelegte Straßenbahn
Straßenbahn Bremerhaven
Bild
VGB-Triebwagen 83 und 84 in der Fußgängerzone 1982
Basisinformationen
Staat Deutschland
Stadt Bremerhaven
Eröffnung 26. Juni 1881
Elektrifizierung 1898 (Akku) / 28. August 1908 (Oberleitung)
Stilllegung 30. Juli 1982
Betreiber Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG (VGB)
Infrastruktur
Ehemals größte
Streckenlänge
ca. 21 km (1927)
Gleislänge 39,14 km (1927)
Spurweite 1435 mm (Normalspur)

Die Straßenbahn Bremerhaven verkehrte im Unterweserraum im Gebiet der heutigen Städte Bremerhaven und Geestland. Der Straßenbahnbetrieb begann 1881 als normalspurige Pferdebahn, die bis 1908 elektrifiziert wurde. Ab 1. September 1977 war der Betrieb der Linie 2 nur noch an Werktagen tagsüber üblich; in der übrigen Zeit verkehrte eine Autobuslinie 1.[1] 1982 stellte die Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG (VGB) schließlich ihre letzte Straßenbahnlinie auf Omnibusbetrieb um.

Gründung

Der Bremer Unternehmer Heinrich Alfes beantragte 1879 die Konzession für eine Pferdebahn zwischen Lehe und Geestemünde. Gemeinsam mit dem Bremer Rechtsanwalt Wilkens und dem Bankier Loose gründete er daraufhin die Bremerhavener Straßenbahn Actiengesellschaft mit einem Grundkapital von 450.000 Mark. Am Sonntag dem 26. Juni 1881 fuhr zum ersten Mal die Pferdebahn vom Geestemünder Bahnhof zur Wurster Straße. Die Bremerhavener Straßenbahn verfügte damals über 14 Wagen, 50 Pferde und 30 Angestellte.

Schon im ersten Geschäftsjahr wurden 846.944 Personen befördert. Haltestellen gab es damals noch nicht. Man hielt die Pferdebahn durch Winken an und stieg ein. Die Bahnen fuhren zunächst nur eingleisig und mussten an Ausweichstellen auf entgegenkommende Wagen warten. Die Bremerhavener Straßenbahn wuchs schnell, sodass sie bald über 120 Pferde im Stall in der Wurster Straße und 50 Pferde an der Grenze zu Wulsdorf verfügte. Richtung Wulsdorf fuhr 1891 die Bahn, nachdem sie auf der Georgstraße bis zur „Schweizerhalle“/Pferdebahndepot (heutige VBN-Haltestelle Geestemünde-Süd) verlängert wurde.

1892 nutzten insgesamt schon 1.303.478 Personen die Bremerhavener Straßenbahn. 1896 kam die Linie nach Speckenbüttel dazu und das Streckennetz wurde nach und nach zweigleisig ausgebaut.

Elektrifizierung

Straßenbahn-Triebwagen 56 um 1910

1898 fuhr eine Akkumulatorenbahn von der Karlsburg über die Kaiserstraße zur Haltestelle Rothersand; ab 1899 weiter bis zur Lloydhalle von 1897. Zehn Jahre später, am 11. August 1908, wurde das Straßenbahndepot Wulsdorf (heutiger Haltestellenname: Wulsdorf Mitte) in Betrieb genommen und am 28. August 1908 die elektrische Straßenbahn mit Oberleitungsbetrieb im innerstädtischen Bereich eingeführt. Die Streckenführung, die Linien wurden mit 1 bis 5 bezeichnet, reichte nun bis Speckenbüttel, Wulsdorf und in den Fischereihafen. Am 2. September 1911 wurde die Linie 3 bis zum Kleinbahnhof der Niederweserbahn an der Weserstraße verlängert. Dieser Haltepunkt, in der Nähe der heutigen VBN-Haltestelle Deichhämme (Wulsdorf), wurde bis mindestens 1922 bedient[2].

Fahrplanheft von 1911

Weitere Entwicklung

Linie 4, die „Fischbahn“
Hansa-Wagen auf Linie 2 auf der Alten Geestebrücke (1982)

1920 beteiligten sich die Stadtverwaltungen von Bremerhaven, Geestemünde und Lehe mit dem Ankauf der Hälfte des Aktienkapitals an der Bremerhavener Straßenbahn AG. Am 3. Juni 1925 fuhr der erste öffentliche Omnibus auf der Linie Hauptbahnhof – Schiffdorf. Einen Monat später eröffnete die Reichspost die Omnibuslinie zwischen Dedesdorf und Wulsdorf, die später bis zum Hauptbahnhof geführt wurde.

1924 vereinigten sich die Städte Lehe und Geestemünde zur neuen Stadt Wesermünde und 1926 wurde die Gesellschaft in Straßenbahn Bremerhaven-Wesermünde AG umbenannt. Zum hundertjährigen Bestehen Bremerhavens im Jahre 1927 ergaben sich auch einige Veränderungen im Nahverkehr: Die Straßenbahnlinie wurde vom Bahnhof Langen bis Friedrichsruh weitergeführt. Die Gesamtgleislänge der Straßenbahn betrug jetzt 39,14 Kilometer. Mittlerweile waren 12 Omnibusse in Wesermünde gemeldet. Eine Omnibuslinie verkehrt seitdem bis nach Weddewarden. Am 17. August 1929 führte die Straßenbahn AG eine ständige Buslinie nach Spaden ein, im März 1931 (bis 1933) einen Motorbootsfährbetrieb zwischen Kanalbrücke und Fischereihafen.

1939 wurde die Stadt Bremerhaven nach Wesermünde eingemeindet, so dass der Betrieb in Straßenbahn Wesermünde Aktiengesellschaft umbenannt wurde. Nachdem sich Wesermünde 1947 in Bremerhaven umbenannt hatte, erfolgte die Umbenennung in Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG (VGB).

Im März 1949 wurden die Straßenbahnlinien 1 bis 6 betrieben; ergänzend durch eine Obuslinie und mehreren Omnibus-Zubringerlinien.[3] Datei:VGB-Gleislage-1952-12-31.pdf 1952 war das Gleisnetz recht umfangreich: Die Strecken nach Wulsdorf, in den Fischereihafen und in den Nachbarort Langen (heute zu Geestland gehörend) sind noch in Betrieb. Am Wulsdorfer Depot und am Debstedter Weg (Speckenbüttel) waren Gleisdreiecke vorhanden. Es gab 5 niveaugleiche Bahnübergänge im VGB-Netz (siehe Gleisplan rechts). Ein Nachtangebot – mit mehreren Fahrten nach Mitternacht – wurde nach dem VGB-Fahrplan vom Dezember 1958 gefahren: Am Wochenende fuhren die Trambahnen 2 und 3 und unter der Woche die Omnibus-Nachtlinie R.[4]

Das Straßenbahnnetz bestand 1960 aus den Linien

  • 2: Stadtgrenze Langen – Lehe – Ernst-Reuter-Platz – Stadtmitte – Hauptbahnhof
  • 3: Bahnhof Lehe – Rotersand – Stadtmitte – Weserlust – Straßenbahnhof Wulsdorf (heutiger Name: Wulsdorf Mitte)

Von der Weserlust und nachmittags ab Hbf zur Halle IX im Fischereihafen fuhr die Linie 4. Sie wurde bereits am 31. August 1959 eingestellt. Seit dem 1. September 1959 bedienen nur noch Omnibusse den Stadtteil. Der Südast der Linie 3 nach Wulsdorf fiel 1960 dem Umbau der Fischereihafenrampe zum Opfer. Im Fahrplan von 1961 fand abends und am Sonntagvormittag ein Schienenersatzverkehr mit den Linien 5/6 auch zum Bahnhof Lehe statt.[5] Vom Hauptbahnhof zur Georgstraße fuhren die Bahnen durch die enge Buchtstraße, in der Gegenrichtung über die breitere Grashoffstraße. In den 1960er Jahren wurde das Gleis in der Buchtstraße durch ein zweites in der Grashoffstraße ersetzt. Ab November 1966 ist der Verkehr der Linie 2 in der Uhrzeigerrichtung aufgegeben worden (erst 1964 nach der Stilllegung der Linie 3 eingeführt). Von der Alten Geestebrücke fuhren die Bahnen nur noch durch die Borriesstraße zum Elbinger Platz und von dort über die Georg- und Grashoffstraße zum Hauptbahnhof. In die Einbiegung zur Friedrich-Ebert-Straße war ein Ausziehgleis eingebaut (als Ersatz für das ehemalige Überholgleis in der Haltestellenanlage Hbf, siehe in Grafik „Gleisplan 1952“ rechts).

1964 wurde die Linie 3 auf dem verbliebenen Abschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und dem Bahnhof Lehe endgültig eingestellt. 1964 fuhr auch die Hafenfähre im Kaiserhafen zum letzten Mal.[6] Die Hafenbarkassen wurden ab 1. Januar 1965 durch die Buslinie 14 ersetzt.[7]

Einstellung

Letzte Fahrt der 3 nach Lehe

Der Straßenbahnbetrieb wurde am 30. Juli 1982 eingestellt. Seitdem verkehren Busse im Stadtgebiet. Die Fahrgastzahlen haben sich seit 1980 von damals 20,7 Millionen[8] auf heute (Stand: 2015) 14,6 Millionen Kunden reduziert.[9]

Fahrzeuge

Die bei der Betriebseinstellung neuesten Fahrzeuge waren die 1968 gebauten Hansa-Kurzgelenkwagen. Es gab fünf Triebwagen (Nr. 80 bis 84) und fünf dazugehörige Beiwagen (Nr. 218 bis 222). Diese Wagen wurden nach Einstellung des Betriebs an die Straßenbahn Bremen abgegeben. In den Jahren 1995 bis 1998 wurden sie an die Straßenbahn Timișoara in Rumänien weitergereicht. Alle fünf Triebwagen sowie drei Beiwagen befanden sich dort bis mindestens 2009 im Einsatz.

Von den übrigen bei Stilllegung noch vorhandenen Fahrzeugen wurden einige ins Hannoversche Straßenbahn-Museum in Wehmingen gebracht. Der Verein Bewahrung der historischen Werte Bremerhavens e. V.[10] hat von dort 2010 die Wagen 71 (Baujahr 1950, kam 1955 von Opladen nach Bremerhaven) und 79 (Baujahr 1957, kam 1967 von Offenbach nach Bremerhaven) zurückgekauft und bis zu einer Aufarbeitung übergangsweise im Bahnhof Heinschenwalde[11] abgestellt. 2012 folgte der Offenbacher Anhänger Nr. 216.

Museumswagen auf dem Gelände der Stadtwerke Hansastraße (1982)

Mit dem Triebwagen 7 (Nordwaggon, 1908) ist noch ein Zweiachstriebwagen in Bremerhaven erhalten geblieben. Bis 1948 trug er die Wagennummer 58; anno 1977 anlässlich des Stadtjubiläums wurde er auf dem Theodor-Heuss-Platz als Caféwagen eingesetzt. Anschließend war er unter anderem im damaligen BVV-Museum bei den Stadtwerken (Hansastraße) zu sehen, von 2007 bis 2014 in der Ausstellung Modellstadt Bremerhaven. Kurzfristig im Busbetriebshof der Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG untergestellt, steht er seit Oktober 2015 in der Flohmarkthalle Rotersand.[12]

Planungen für die Wiedereinführung der Straßenbahn

1998 legte der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ein Konzept zur Wiedereinführung der Straßenbahn auf den Hauptachsen in Bremerhaven vor.[13] Die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung beschloss daraufhin 1999, dieses Konzept gutachterlich prüfen zu lassen. Das beauftragte Ingenieurbüro TransTec Transport und Technologie Consult GmbH aus Hannover kam im Jahr 2000 in seiner „Machbarkeitsuntersuchung zur Wiedereinführung einer Straßenbahn in Bremerhaven“ zu dem Ergebnis, dass „die Einführung eines Straßenbahnsystems in Bremerhaven aus finanzieller und verkehrspolitischer Sicht generell zu rechtfertigen ist.“[14] Eine Realisierung des Projektes fand damals jedoch politisch keine Mehrheit und wurde auf unbestimmte Zeit verworfen.

2013 veröffentlichte der VCD ein aktualisiertes Konzept zur Wiedereinführung einer Straßenbahn in Bremerhaven unter wissenschaftlicher Beratung des Verkehrsplaners Christoph Groneck. Dieses Konzept sieht eine die Stadt erschließende Nord-Süd-Straßenbahnlinie von Leherheide nach Wulsdorf inkl. eines Streckenastes in den Ortsteil Grünhöfe vor. Im Ergebnis einer öffentlichen Veranstaltung mit dem Verkehrs- und Stadtplaner Hartmut Topp, der eine Standardisierte Bewertung einer neuen Straßenbahn für Bremerhaven empfahl[15], nahm die seit 2019 in Bremerhaven regierende SPD/CDU/FDP-Koalition eine entsprechende Untersuchung als Programmpunkt in ihren Koalitionsvertrag auf.

Im März 2022 beschloss der Bremerhavener Bau- und Umweltausschuss einstimmig die Vergabe eines Gutachtens, das den volkswirtschaftlichen Nutzen eines neuen Straßenbahnsystems für Bremerhaven im Rahmen einer Standardisierten Bewertung ermitteln soll.[16]

Literatur

  • Andreas Mausolf, Wilhelm Esmann: Die Geschichte der Bremerhavener Straßenbahn. 1990, ISBN 3-88255-215-8.
  • Dieter Höltge: Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland. Band 2: Niedersachsen/Bremen. 2. Auflage. EK-Verlag, Freiburg 1992, S. 126–150.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. VGB-Fahrplan 1977. Abgerufen am 25. Dezember 2020.
  2. Fahrpläne der Bremerhavener Straßenbahn ab 1. November 1922 und ab 15. November 1925.
  3. VGB-Fahrplan, gültig ab 01.03.1949, Inhaltsverzeichnis Seite 3. Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG, abgerufen am 25. Juni 2020.
  4. VGB-Nachtverbindungen nach Fahrplan 1958. Abgerufen am 11. Juni 2020.
  5. VGB-Fahrplan 1961. (PDF; 32 MB) Abgerufen am 18. Februar 2021.
  6. Verkehrsgesellschaft Bremerhaven AG: 26. Juni 1881–26. Juni 1981 – 100 Jahre jung – Am Anfang war die Pferdebahn, Seite 33
  7. Nordsee-Zeitung, Bremerhaven (Hrsg.): Busse ersetzen Kaiserhafenfähre. 29. Dezember 1964.
  8. Nordsee-Zeitung, Bremerhaven, vom 2. Juli 1981
  9. Hans-Jürgen Jahnke: Die Fahrgastzahlen für das Kalenderjahr 2015. BVV-Website, 3. Mai 2016, abgerufen am 15. Februar 2021.
  10. Projekt auf der Vereinsseite
  11. Vereinsprojekt zur Erhaltung historischer Werte auf bremerhavener-strassenbahn.de
  12. Alles, was sich dreht und blinkt. Archiviert vom Original am 7. November 2015; abgerufen am 22. Februar 2021.
  13. VCD-Konzept Wiedereinführung Straßenbahn
  14. TransTec Transport und Technologie Consult GmbH, S. 122, Hannover 2000
  15. Christoph Bohn: Gutachter rät: Straßenbahn für Bremerhaven prüfen. 18. Mai 2019, abgerufen am 16. April 2022.
  16. Christoph Bohn: Bremerhaven: Chance auf Rückkehr der Straßenbahn. 9. April 2022, abgerufen am 16. April 2022.