Hartmut Kaminski
Hartmut Kaminski (* 7. Mai 1944 in Buchenhagen, Ostpreußen; † 1. Juni 2016 in Lohmar) war ein deutscher Filmemacher, Künstler und Kunsthändler.
Leben
Hartmut Kaminski machte sein Abitur am Aufbaugymnasium in Herchen, studierte danach zuerst Architektur in Braunschweig und wechselte nach seinem Examen an die Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig. Hier lernte er seine Frau Elke Jonigkeit kennen. Beide studierten dann ab 1967 an der Kunstakademie Düsseldorf, sie Kunstpädagogik, er freie Kunst. Ihr gemeinsamer Sohn, Cornelius Kaminski, wurde 1968 in Düsseldorf geboren. Elke Jonigkeit unterrichtete nach ihrem Staatsexamen 13 Jahre lang als Kunsterzieherin am Düsseldorfer Aufbaugymnasium. Im Februar 1982 – kurz nach ihrer Beförderung zur Oberstudienrätin – verließ sie den Schuldienst, um sich ganz ihrer künstlerischen und filmischen Arbeit widmen zu können.
Noch als Kunststudent reiste Hartmut Kaminski 1969 gemeinsam mit seiner Frau nach Polen, um seinen Geburtsort zu suchen. Diese frühe Begegnung mit dem Land, in dem er als Deutscher mit polnischem Namen geboren war, sowie auch die Auseinandersetzung mit den deutschen Verbrechen des Faschismus, ließ ihn zeitlebens nicht mehr los. Dieser ersten Reise folgten weitere. Später kamen dann auch die Länder Russland, Belarus und das Baltikum hinzu.
Arbeit als Filmemacher
Kaminski gründete zusammen mit dem dänischen Drehbuchautor und Filmregisseur Ole John Povlsen (* 1939) an der Düsseldorfer Kunstakademie die Filmklasse Düsseldorf, aus der die Filmgruppe Düsseldorf hervorging.[1] Die erste große Gemeinschaftsveranstaltung – „Film Kritisch“ – fand 1971 in der Kunsthalle Düsseldorf statt, der bis 1973 weitere folgten.[2] 1975/76 produzierte die Filmgruppe Düsseldorf den Spielfilm Der gerechte Krieg 1525. Parallel dazu arbeitete Kaminski mit seinem Kunstprofessor Dieter Roth und anderen Künstlern zusammen, die in den 1970er Jahren in Düsseldorf tätig waren.
1979 gründeten Elke Jonigkeit und Kaminski die Filmproduktionsfirma Circle-Film. Unter diesem Label produzierten und drehten sie ihre Filme. Viele Filme, Ausstellungen und Veranstaltungen planten und führten sie gemeinsam durch.
Von 1979 bis zu seinem Tod leitete Kaminski das Filmforum der Volkshochschule in Herne.[3]
Arbeit als Künstler und Kunsthändler
Während seines Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf schloss er Freundschaften zu Künstlern wie Robert Filliou, Roman Signer, Henning Christiansen, Bernd Minnich, André Thomkins, Dieter Roth, Ugo Dossi und vielen anderen. Die Werke, die hieraus entstanden, werden heute in internationalen Galerien ausgestellt und in anerkannten Museen der Welt gezeigt, beispielsweise im MOMA in New York.[4] Mit seinem Professor Dieter Roth entwickelte er eine „Revolution der Druckgrafik“. Dabei wird jedes Exemplar einer Auflage im Laufe der Druckarbeit zum einmaligen Original, vergleichbar mit einem gemalten Bild oder einer gemeißelten Plastik.
In seiner Siebdruckwerkstatt in Düsseldorf-Flingern druckte er neben vielen anderen die Städtedrucke von Dieter Rot, wie z. B. Emme, den Solothurner Bahnhofplatz,[5] den Gemüsedruck Thomkinspatent, den Kakaodruck Graphik mit Kakau und den Rostdruck Wurzelbehandlung.[6]
Für Robert Fillou druckte er die Serien „Projects for Sky-Writing“ und „7 Childlike Uses of Warlike Material“.[7] Diese waren in der Ausstellung Robert Filliou – The Secret of Permanent Creation im Museum of Contemporary Art Antwerp (M HKA) zu sehen.[8]
Für Ugo Dossi stellte er Schach-Siebdrucke für das Buch Ugo Dossi – Schach & Kunst (Chess & Art) her.[9]
1973 eröffnete er in seiner Wohnung in Düsseldorf eine Zimmergalerie mit Werken von Bernd Minnich. Danach folgten Ausstellungen für Roman Signer, Bernhard Lüthi, Robert Strübin und anderen. Die oben genannten Künstler und andere, z. B. Hagen Haltern, Hermann-Josef Kuhna und Robert Strübin, vertrat er als Kunsthändler auch auf der Kunstmesse Basel.
Ab 1982 widmete Kaminski sich ausschließlich der Dokumentarfilmarbeit.
Werk
Filmographie
- 1970: Multiscreenshows: „Lasst hundert Blumen blühen“, „Schattengradwanderungen“, „10 Worte für Robert Filliou“ und weitere.
- 1971: Jahresporträt von Elke (Experimentalfilm, 16 mm)[10]
- 1972: Wenn Du erst mal drin bist (Dokumentarfilm, 16 mm)[11]
- 1976: Der große Tropfen (Kurzfilm)[12]
- 1978: Ein Auto (Dokumentarfilm, 16 mm)[13]
- 1975/76: Der gerechte Krieg 1525 (Spielfilm, 16mm)[14]
- 1980: Alles andere kann ich sehen, nur solche Menschen nicht (Dokumentarfilm, 16mm)[15]
- 1981: Short Storys (Trickfilm)[16]
- 1982: Stumme Schreie (Dokumentarfilm)[17]
- 1983: Die Kinder von Himmlerstadt (Dokumentarfilm)[18]
- Wendepunkte (Dokumentarfilm)
- Apokalypse (Spielfilm)[19]
- 1987–89: Aus Jesse kam die Art (Dokumentarfilm)[20]
- 1990/91: Kultur der Kalash (zwei Dokumentarfilme)[21]
- Steh auf, es ist Krieg (6-teiliger Dokumentarfilm, à 45 Minuten)[22][23]
- Die sowjetische Geschichte vom Zar bis Gorbatschow (3-teiliger Dokumentarfilm)
- 1992/93: STALIN (4-teiliger Dokumentarfilm)[24][25]
- 1994/95: Die Kinder von Auschwitz (Dokumentarfilm)[26][27]
- Der Mann, der sich Lenin nannte ([28] Dokumentarfilm)
- 1996: Der gescheiterte Blitzkrieg – Moskau Winter 1941 (Dokumentarfilm)[29]
- 1997/98: Der Rote Oktober – Die GROSSEN und die kleinen Lügen (Dokumentarfilm)[30]
- 1999/2000: Liebe im Vernichtungskrieg (Dokumentarfilm)[31]
- 1986–2013: Afghanistan-Zyklus (8-teiliger Dokumentarfilm)[32]
Filme in Zusammenarbeit mit Elke Jonigkeit
- 1982, Stumme Schreie, 16 mm, 30’
- 1983, Die Kinder von Himmlerstadt, 30’
- 1983, Wendepunkte (Fernsehfilm)
- 1984–88, Zu Hause – was ist das eigentlich?[33]
- 1987–89, Aus Jesse kam die Art (Fernsehfilm) 16 mm[34]
- 1990/91 Kultur der Kalash[35] – bestehend aus: Im Tal der Kalash und Ein Winterfest im Hindukusch, 16mm
- 1993 STALIN STALIN; STALIN - 7 DVDs[36]
- 1995 Aché – die afrikanische Seele Kubas, 85’, 16mm.[37]
Filme an denen Elke Jonigkeit mitgearbeitet hat
- 1975/76, Der gerechte Krieg 1525,
- 1990/91, Steh auf, es ist Krieg, 6-teilige TV-Serie
- 1990/91, Die sowjetische Geschichte vom Zar bis Gorbatschow,
- 1992/93, Stalin, 4 teilige TV-Serie[38]
1985 entschloss sich Elke Jonigkeit, an einer afghanischen Hochzeit in einem pakistanischen Flüchtlingslager teilzunehmen. Die Begegnung mit den afghanischen Familien in den riesigen Flüchtlingslagern führte dazu, dass sie mit Unterstützung von Kaminski acht Dokumentarfilme in Afghanistan drehte, die sie zum Afghanistan-Zyklus[39] zusammen stellte.
Afghanistan-Zyklus
- 2012 Von König Amanullah zu Facebook[40], 82’
- 2010 Überleben in Kabul – eine Stadt und ihre Frauen, 45’[41]
- 2007 Vom Aufbau des NAZO-Zentrums – ein Brief aus Afghanistan, 23’ Mitarbeit Nurullah Ebrahimy,[42]
- 2003 Die Frauen von Kabul – Sterne am verbrannten Himmel Dokumentarfilm, 55’, Hessischer Filmpreis 2003,[43]
- 1989/99 Tschadari & Buz Kaschi – Afghanische Frauen heute, 99’, FBW: Wertvoll,[44]
- 1987–89 Frauen mit nie gehörten Namen, 16 mm, 30’,[45]
- 1987 -89 Geflüchtet, Gefoltert, Vergewaltigt, 16 mm, 30',[46]
- 1987–89 Mein Vater ist ein Märtyrer, 16 mm, 30’;[47]
- 1987–1989 Afghanische Kinder träumen vom Frieden – Ein Bericht aus Kabul, 16 mm, 30',[48]
Nach dem Sturz der Taliban gründete sie 2002 zusammen mit den Protagonistinnen ihrer Filme ein Berufsausbildungszentrum für Frauen in Kabul, das bis heute besteht.
Parallel dazu stellte sie die Ausstellung „Blicke hinter den Schleier – aus dem Alltag afghanischer Frauen“ zusammen, die erstmals 1989 in Düsseldorf im „Museum für Volk und Wirtschaft“ gezeigt wurde und anschließend in 10 weiteren Städten.
Literatur
- Hartmut Kaminski, Elke Jonigkeit: Niemand denkt an mich und weiß von mir… Prometh Verlag, Köln 1982, ISBN 3-922009-51-4.
Ausstellungen
- Hitler und die Folgen – Niemand denkt an mich und weiß von mir… Wandinschriften im Warschauer Gestapokeller (Gezeigt in 20 deutschsprachigen Großstädten, u. a. Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln und in der Universität Amsterdam)
- 2009 STALIN, STALIN, STALIN (Ausstellung im Museum Ludwig, Köln)[49]
Rezensionen
Kaminskis Dokumentationen bekamen viele Rezensionen. Darunter Manfred Loimeier[50], die TAZ[51], Die Zeit[52], der Brown University in Providence[53]
Weblinks
- Hartmut Kaminski in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ 1973: Filmgruppe Düsseldorf, Pressemappe der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf. Mitglieder: Jörg Boström; Bert Günther; Ole John; Hartmut Kaminski; Chris Kohlhöfer; Jürgen Kuhfuß; Lutz Mommartz; Tony Morgan; Rolf Nedddermann; Reinald Schnell.
- ↑ 1978 (Katalogredaktion und Gestaltung: Hartmut Kaminski) FILMLANDSCHAFT NRW – Regisseure stellen sich vor – 1980 (Katalogredaktion und Gestaltung: Hartmut Kaminski) Teil II der FILMLANDSCHAFT NRW – neue Leute, neue Filme.
- ↑ Filmforum trauert um Hartmut Kaminski Anzeige auf lokalkompass.de. Abgerufen am 30. September 2019.
- ↑ Dieter Roth Beschreibung auf moma.org. Abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Solothurner Bahnhofplatz Bild auf dieter-roth-foundation.com, abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Diether Roth bearbeitet von Dirk Dobke: Dieter Roth Druckgraphik. Hrsg.: edition hansjörg mayer. Hansjörg Mayer, Jamburg/London 2003, ISBN 3-88375-628-8, S. 16, 78, 96–102, 104–107, 111, 113, 115–117, 120, 122, 317.
- ↑ M HKA Museum of Contemporary Art Antwerp: Robert Filliou - The Secret of Remanent Creation. In: Ghislaine Peeters und Georges Uittenhout (Hrsg.): Ausstellungskatalog. M HKA, Antwerp 2017, S. 157, 158, 134.
- ↑ Robert Filliou - The Secret of Permanent Creation Ausstellungsbeschreibung auf e-flux.com. Abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Ugo Dossi: Schach & Kunst. Hrsg.: Wolfgang Zemter. 2. Auflage, 2. Edition. Kunst und Ausstellungshalle der BRD, Bonn 2008, ISBN 978-3-941421-00-4.
- ↑ Jahresporträt. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Wenn Du erst mal drin bist
- ↑ Meldungen zum Kunstgeschehen: Ein Tropfen für ein Halleluja – Rückblick auf das Treffen von Roman Signer und Hartmut Kaminski in Mainz Artikel auf portalkunstgeschichte.de. Abgerufen am 30. September 2019.
- ↑ Ein Auto Filmbeschreibung
- ↑ Der gerechte Krieg 1525. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Alles andere kann ich sehen, nur solche Menschen nicht Filmbeschreibung auf filmportal.de. Abgerufen am 30. September 2019.
- ↑ Short Stories. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Stumme Schreie Filmbeschreibung auf circe-film.de. Abgerufen am 30. September 2019.
- ↑ Die Kinder von Himmlerstadt Filmbeschreibung auf circe-film.de. Abgerufen am 30. September 2019.
- ↑ Apokalypse. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Apokalypse. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Kultur der Kalash Filmbeschreibung
- ↑ Hartmut Kaminski: Steh auf, es ist Krieg – Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Hrsg.: TELE-Manuskriptdienst. TR-Verlagsunion GmbH, München 1991.
- ↑ Steh auf, es ist Krieg (6 Filme). Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ STALIN Filmbeschreibung
- ↑ Hartmut Kaminski: Stalin. Hrsg.: TELE-Manuskriptdienst. TR-Verlagsunion GmbH, München 1993.
- ↑ Hartmut Kaminski: Die Kinder von Auschwitz. CIRCE-FILM, 1994, abgerufen am 8. Juni 2021 (deutsch).
- ↑ Stalin Filmbeschreibung der Brown University Library. Abgerufen am 1. Oktober 2019.
- ↑ Elke Jonigkeit: Informationen zum Film. Abgerufen am 24. Mai 2021 (deutsch).
- ↑ Der gescheiterte Blitzkrieg. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Der Rote Oktober - Die GROSSEN und die kleinen Lügen Filmbeschreibung
- ↑ Liebe im Vernichtungskrieg Filmbeschreibung auf jonigkeit-kaminski.de
- ↑ Afghanistan-Zyklus bestehend aus 9 Dokumentar-Filmen (Infos und Ausschnitte)
- ↑ Zu Hause was ist das. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Aus Jesse kam die Art. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Kultur der Kalash (2 Filme). Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Elke Jonigkeit: 7 DVD's STALIN, STALIN,STALIN. Abgerufen am 24. Mai 2021 (russisch).
- ↑ Aché - die afrikanische Seele Kubas. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Hartmut Kaminski: STALIN - Infos zum Film. Abgerufen am 24. Mai 2021 (deutsch, englisch, französisch).
- ↑ Afghanistan-Zyklus (9 Filme). Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Elke Jonigkeit: Von Amanullah zu Facebook. Abgerufen am 25. Mai 2021 (deutsch).
- ↑ Überleben in Kabul. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ fünf weitere Filme. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Die Frauen von Kabul. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ Tschadri & Buzkaschi. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ fünf weitere Filme. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ fünf weitere Filme. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ fünf weitere Filme. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ fünf weitere Filme. Abgerufen am 8. Juni 2021.
- ↑ STALIN, STALIN, STALIN Beschreibung a
- ↑ Schuldig war man sowieso: Eine sechsteilige Reihe über den deutschen Überfall auf die Sowjetunion: „Steh auf, es ist Krieg!“ Rezension von Manfred Loimeier. Abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Stalin, Stalin, Stalin, Stalin: Vierteiler: Hartmut Kaminskis Großversuch, die Stalinzeit zu dokumentieren Rezension in der TAZ. Abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Fernseh-Kritik: Wirklich vorbei? Rezension in der Zeit. Abgerufen am 2. Oktober 2019.
- ↑ Stalin Rezension von der Brown University. Abgerufen am 2. Oktober 2019.
Personendaten | |
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NAME | Kaminski, Hartmut |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Filmemacher, Künstler und Kunsthändler |
GEBURTSDATUM | 7. Mai 1944 |
GEBURTSORT | Buchenhagen |
STERBEDATUM | 1. Juni 2016 |
STERBEORT | Lohmar |