Konstruktivismus (Kunst)

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Der Konstruktivismus ist eine streng gegenstandslose Stilrichtung der Moderne in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Richtung hatte zeitweise den Charakter einer politischen Bewegung und wurde im revolutionären Russland und in der Sowjetunion entwickelt; der niederländische De Stijl wird ebenfalls in diesem Zusammenhang genannt. Der Begriff Konstruktivismus verweist auf das lateinische Wort constructio: „Zusammenfügung“, „Bau“.

Eigenschaften

Charakteristisch ist ein einfaches geometrisches Formenvokabular, wie auf dem berühmten Bild Schwarzes Quadrat auf weißem Grund von Kasimir Malewitsch. Die neue Kunstrichtung, der in den theoretischen Manifestationen auch ein gesellschaftliches Moment innewohnte, beinhaltete Malerei, Plastik, Architektur, Möbel-Entwurf, Bühnenbild, Plakatgestaltung. In der konstruktivistischen Malerei, z. B. in Malewitschs Suprematismus, kam keine perspektivische Raumillusion vor.

Obwohl der Versuch, Kunstobjekte mittels mathematisch fundierter Konstruktionen zu erstellen, nicht neu ist (vgl. Goldener Schnitt), wird der Terminus Konstruktivismus im Allgemeinen nur für moderne Kunst gebraucht, zumeist in Verbindung mit geometrischen Gestaltungsformen. Der Konstruktivismus ist eine Ausdrucksform der ungegenständlichen Kunst, die nicht von der Anschauung abstrahiert. Konstruktivistische Werke haben – anders als der Kubismus – keine menschlichen Figuren, Tiere, Landschaften oder Gegenstände zur Grundlage. Malewitsch, Hans Arp, Sophie Taeuber-Arp, Max Bill, Richard Paul Lohse und andere haben darauf hingewiesen, dass es daher falsch ist, den Konstruktivismus und die Konkrete Kunst (auch Konstruktive Kunst genannt) als Abstrakte Kunst zu bezeichnen.

Die Konstruktivisten vertraten ein geometrisch-technisches Gestaltungsprinzip mit Farbflächen, Linien und geometrischen Grundformen. Ihre Hauptvertreter waren Künstler und Künstlerinnen der Russischen Avantgarde. Der Konstruktivismus entstand parallel zum Dadaismus und zum Futurismus ab Mitte der 1910er Jahre. Seine Quellen und Inspirationen waren: die Angewandte Kunst (z. B. gewobene Teppiche, textile Muster), die neuen technischen Entwicklungen und der Kubismus. Der Konstruktivismus hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst- und Gestaltungsbewegung des Bauhauses.

Entwicklung

Die Architektur galt dem Konstruktivismus gleichsam als „Mutter aller Künste“. Der Name Konstruktivismus soll 1913 erstmals für abstrakte Reliefkonstruktionen Wladimir Tatlins sowie für Werke des Malers Kasimir Malewitsch verwendet worden sein, der im so genannten programmatischen Nullpunkt auf ein weißes Quadrat ein schwarzes „vollkommenes“ Viereck malte und umgekehrt; siehe Suprematismus. Die Künstler des Konstruktivismus bezeichneten sich selbst als „Bildner“ und lehnten naturalistische „Nachbildungen“ kategorisch ab.

Der russische Konstruktivismus weist nach dem Umsturz von 1917 aufgrund der revolutionären politischen Situation oft propagandistische Züge auf. So baute man 1920 in Petrograd nach den Entwürfen Tatlins ein 30 m hohes Holzobjekt als Modell für einen geplanten, aber nie realisierten 400 m hohen Stahlgerüst-Pavillon, der ein Monument der III. Kommunistischen Internationale werden sollte. Es war vorgesehen, die einzelnen Teile wie die beweglichen Sphären eines Planetariums zu konstruieren.

In einem 1920 von Tatlin und den Brüdern Pevsner mit staatlicher Unterstützung veröffentlichten Manifest wurden der konstruktive Realismus und die Kinematik als Gestaltungsprinzipien hervorgehoben. Da, wie Lenin meinte, die Kunst nur dann politisch verwertbar sei, wenn sie auch von der Allgemeinheit verstanden und akzeptiert werde, erfolgte kurz danach in der Sowjetunion jedoch die Ablösung des Konstruktivismus durch den Sozialistischen Realismus.

Verbindungen

Abgesehen von seinem russischen Ursprung, wurden auch Künstlervereinigungen wie der niederländische De Stijl, das Bauhaus und die konkrete Kunst (Zürcher Konkrete) vom russischen Konstruktivismus beeinflusst. Die auf der sowjetischen Ausgangsbasis aufbauende Strömung wird analytischer Konstruktivismus genannt.

Wie Malewitsch, Liubov Popova, Rodtschenko und andere Angehörige der Russischen Avantgarde malten z. B. auch Josef Albers, Lyonel Feininger, Sophie Taeuber-Arp und Thilo Maatsch Kompositionen aus geometrischen Formen. Später vertraten auch Victor Vasarely, Max Bill, Richard Paul Lohse und Barnett Newman das konstruktive Prinzip. Oskar Schlemmer wurde für seinen figuralen Konstruktivismus bekannt. Die der englischen Gruppe „Unit one“ angehörenden Maler sympathisierten mit dem Konstruktivismus, bevorzugten aber weniger gebundene Formen.

Der Konstruktivismus war eine der frühen Strömungen moderner Kunst, mit der sich eine große Anzahl bildender Künstler auseinandersetzte. In Großbritannien wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in London eine neue konstruktivistische Kunst-Bewegung, maßgeblich von Victor Pasmore und anderen Künstlern beeinflusst, begründet. Viele dieser Künstler entstammten der St Martin’s School of Art und hatten den Schwerpunkt ihres Schaffens in den 1950er und 1960er Jahren.

Künstler des Konstruktivismus

Geordnet in der chronologischen Reihenfolge ihrer Geburtsjahre

Neuer Konstruktivismus in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg:

  • Kenneth Martin (1905–1984), britischer Maler und Bildhauer
  • Victor Pasmore (1908–1998), britischer Maler und Reliefkünstler
  • John Ernest (1922–1994), britischer Maler und Reliefkünstler
  • Anthony Hill (1930–2020), britischer Maler und Reliefkünstler

andere Künstler, später:

Siehe auch: Konstruktivismus (Architektur)

Bedeutende Sammlungen konstruktiver Kunst

Hatte George Costakis ab 1946 eine Kunst sammeln können, die billig und unbeliebt war, so stieß er einen Trend an, in dessen Folge der Markt und die Sammlungen mit Fälschungen kontaminiert sind. Wenn man von der Costakis-Sammlung absieht, so muss man die Echtheit von Werken auch berühmter Sammlungen hinterfragen.[2]

Siehe auch

Literatur

  • Hans Heinz Holz: Seins-Formen. Über strengen Konstruktivismus in der Kunst. Aisthesis, Bielefeld 2001, ISBN 3-89528-253-7.
  • Miltiades Papanikolaou (Hrsg.): Farbe und Licht der russischen Avantgarde. Die Sammlung Costakis aus dem Staatlichen Museum für Zeitgenössische Kunst Thessaloniki. DuMont, Köln 2004, ISBN 3-8321-7404-4.
  • Willy Rotzler: Konstruktive Konzepte. Eine Geschichte der konstruktiven Kunst vom Kubismus bis heute. 3., überarbeitete Auflage. ABC-Verlag, Zürich 1995, ISBN 3-85504-113-X.
  • Katrin Simons: EL LISSITZKY PROUN 23 N oder der Umstieg von der Malerei zur Gestaltung (= Insel-Taschenbuch. 1376). Insel-Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1993, ISBN 3-458-33076-3.

Weblinks

Commons: Konstruktivismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. www.kulturspeicher.de (Memento vom 25. August 2011 im Internet Archive)
  2. Christian Herchenröder: Finger weg von russischer Kunst – dieser Markt ist von Fälschungen verseucht. Abgerufen am 26. Januar 2022.