Cevdet Caner

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Cevdet Caner (* 29. Juli 1973 in St. Pölten, Niederösterreich) ist ein österreichischer Unternehmer.

Werdegang

Herkunft und Jugend

Cevdet Caner ist das jüngste von sieben Kindern türkischer Migranten. Er ist österreichischer Staatsbürger, dessen Familie 1983 nach Linz zog, wo er das Gymnasium besuchte, welches er 1994 mit der Matura abschloss. Er war in dieser Zeit jugendpolitisch aktiv und wurde u. a. zum Landesschulsprecher für Oberösterreich gewählt. Im Anschluss nahm er ein Studium der Betriebswirtschaftslehre auf, welches er nach dem Start seines Unternehmens Call und Logistik Centers (CLC) nach der Zwischenprüfung abbrach.[1][2]

Caner war zwei Jahre lang Obmann der Sozialistischen Jugend Österreich (SJÖ) Linz.[3]

Unternehmer

Im Jahr 1998 gründete Caner die Call & Logistik Center GesmbH (CLC) und wurde deren Geschäftsführer.[4] 2000 gründete Caner die erste private Telefonauskunft in Österreich, die von CLC betrieben wurde.[5] Kurz darauf akquirierte Caner das doppelt so große und seit 15 Jahren bestehende Wiener Call-Center dmb.[6] 2001 brachte er die CLC mit einem Umsatz von 34 Millionen Euro an die Wiener Börse.[7] Anschließend übernahm CLC die deutlich größere Call-Center Gruppe Camelot mit sechs Standorten in Deutschland;[8][9] die hatte seinerzeit 1200 Mitarbeiter. In den folgenden drei Jahren erlebte die Aktie einen Wertverfall von fünf Euro auf 26 Cent.[1] Ende 2002 verkaufte Caner seine Anteile und verließ das Unternehmen.[10] Ende 2004 meldete die CLC AG, inzwischen im Besitz der Bluebull AG, Insolvenz an und stellte kurz darauf den Betrieb ein.[11]

Im Jahre 2004 gründete Cevdet Caner den Immobiliendienstleister Level One. Der Steuersitz der Holding befand sich auf der Kanalinsel Jersey.[1] Im Mai 2005 wurde das Falkenberger Viertel in Berlin-Hohenschönhausen akquiriert. Das zweite Objekt in Leipzig am Walter-Markov-Ring folgte im selben Jahr. Bis zum Jahr 2008 wuchs der Bestand auf rund 28.000 Wohneinheiten mit einem Gesamtwert von 1,5 Milliarden Euro.

Laut eigenen Angaben erzielte die Level-One-Gruppe 2006 ca. 130 Millionen Euro Gewinn, 2007 noch rund 80 Millionen.[12] Im September 2008 meldete der Immobilienkonzern für seine deutschen Objektgesellschaften Insolvenz an, nachdem die Banken Level One im August 2008 unter Zwangsverwaltung gestellt hatten.[13][14][15] Der Konzern bestand zu diesem Zeitpunkt aus über 150 europäischen Gesellschaften, u. a. in Jersey, London, Linz und Deutschland.[12] Von der Insolvenz waren rund 20.000 Wohnungen sowie 500 Gewerbeobjekte – vor allem in Berlin und Ostdeutschland – betroffen.[16]

Zu den Gläubigern von Level One gehören unter anderem die Credit Suisse, JP Morgan, die Royal Bank of Scotland sowie britische Firmen. Die Credit Suisse hat Level One insgesamt Darlehen über 1,3 Milliarden Euro genehmigt und Caner geholfen, sein Immobilienimperium aufzubauen, ohne dass er über größeres Eigenkapital verfügte. Zuletzt hielt Credit Suisse noch 300 Millionen Euro, nachdem ein großer Teil des Kreditportfolios verbrieft und an Investoren verkauft worden war.[17] Credit Suisse war außerdem der Mezzanine-Kapitalgeber von 130 Millionen Euro sowie Leading Bank des für März 2007 geplanten Börsengangs.[3][18] Mit Schulden von 1,5 Milliarden Euro gilt Level One als größte Immobilienpleite Deutschlands nach Jürgen Schneider, der den Banken 1994 Schulden in Höhe von 6 Milliarden DM hinterlassen hatte.[19]

Am 19. November 2018 begann vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien der Prozess gegen Caner und fünf weitere Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen gewerbsmäßigen schweren Betrug, betrügerische Krida und Geldwäsche vor.[20] Am 15. September 2020 wurden alle Angeklagten von allen Vorwürfen freigesprochen.[21]

Im Juli 2022 wurde bekannt, dass Caner Chef der Aggregate Holdings SA wird, einer der größten Aktionäre der Adler Group.[22] Zuvor war Caner wegen seiner Tätigkeit für die Adler Group in die Kritik geraten.[23][24][25][26]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c derStandard.at: Vom Linzer Jung-Sozi zum Immobilienhai 12. Februar 2009
  2. https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-65717393.html
  3. a b nachrichten.at: Immobilienpleite: „Werde nicht verarmen“ 11. Februar 2009
  4. WirtschaftsBlatt: Neu im Geschäft (Memento vom 28. Mai 2007 im Internet Archive) 23. Juni 1998
  5. pressetext.at: Telekom Telefonauskunft bekommt Konkurrenz (Memento vom 23. Mai 2005 im Internet Archive) 21. November 2018
  6. WirtschaftsBlatt: CLC-Chef zum IPO: "Nur nicht hudeln" 24. Februar 2001
  7. wienerboerse.at: new listings: CLC AG (englisch)
  8. WirtschaftsBlatt: CLC will Camelot komplett "einnehmen" 7. Februar 2002
  9. Öffentliches Umtauschangebot der CLC AG an die Aktionäre der CAMELOT tele.communication.online. AG@1@2Vorlage:Toter Link/ww2.bafin.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  10. finanznachrichten.de: Ad hoc-Service:CLC AG 21. November 2002
  11. Pressetext.at: CLC AG vor dem Aus, 16. November 2004
  12. a b Format 7/09: Immo-Affäre: Wie der 35-jährige Linzer Cevdet Caner die zweitgrößte Immobilienpleite Deutschlands hinlegte. 13. Februar 2009
  13. Morgenpost.de: Wohnungsinvestor geht das Geld aus 11. September 2008
  14. Welt Online: Riesenpleite auf dem deutschen Wohnungsmarkt, 10. September 2008
  15. Handelsblatt: Skandal um Level One wird größer 19. September 2008
  16. Handelsblatt: Immobilienkonzern Level One pleite, 28. Januar 2009
  17. boerse-express.com: Österreicher Cevdet Caner bringt Credit Suisse in Probleme (Memento vom 20. Dezember 2016 im Internet Archive), 8. Februar 2009
  18. Format.at: Wenn ein Hedgefonds-Manager zwei Mrd in den Sand setzt, fragt auch keiner nach (Memento vom 3. Juni 2013 im Internet Archive) 15. Februar 2009
  19. Financial Times Deutschland: Level One wird nicht verramscht (Memento vom 31. Januar 2009 im Internet Archive) 29. Januar 2009
  20. „145,2 Millionen Euro betrogen“: Betrugsprozess gegen Linzer Pleitier ab 19. November. Oberösterreichische Nachrichten, 12. November 2018, abgerufen am 18. November 2018.
  21. Freispruch für Ex-Level-One-Boss Cevdet Caner. Kurier.at, 16. September 2020, abgerufen am 16. September 2020.
  22. Neuer Chef für den einst größten Adler-Aktionär Aggregate. In: FAZ.NET. 4. Juli 2020, abgerufen am 9. Juli 2022.
  23. Christoph Twickel: Im Schatten des Adlers. Die Zeit, 27. Juni 2022, abgerufen am 9. Juli 2022.
  24. Interview von Melanie Bergermann: „Das ist ähnlich wie bei einem Schneeballsystem“. Wirtschaftswoche, 29. Juni 2022, abgerufen am 9. Juli 2022.
  25. Simon Book, Michael Brächer, Kristina Gnirke, Henning Jauernig, Martin Hesse, Sven Röbel und Marianne Wellershoff: Die Spinne im Adlernest. Der Spiegel, 14. Oktober 2021, abgerufen am 9. Juli 2022.
  26. René Bender Felix Holtermann Kerstin Leitel Lars-Marten Nagel Michael Verfürden: Wirecard-Jäger erhebt schwere Vorwürfe gegen Immobilienkonzern Adler. In: Handelsblatt. 7. Oktober 2021, abgerufen am 10. Juli 2022.