Forschungsreaktor

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Das Innere eines TRIGA-Forschungsreaktors

Forschungsreaktoren sind Kernreaktoren, die nicht der Stromerzeugung dienen, sondern Forschungszwecken (physikalischen, kern- und materialtechnischen Untersuchungen) und der Produktion von Radionukliden für Medizin und Technik. Es wird also nicht die Wärmeenergie, sondern die Neutronenstrahlung des Reaktors genutzt. Außerdem dienen Forschungsreaktoren zu Ausbildungszwecken.

Verglichen mit den Reaktoren zur Energiegewinnung (Leistungsreaktoren) ist die Leistung eines Forschungsreaktors im Allgemeinen um Größenordnungen geringer, dementsprechend auch sein Bedarf an Kernbrennstoff und die erzeugte Menge an radioaktivem Abfall. Im Idealfall ist ein Forschungsreaktor zugleich Nullleistungsreaktor, da dadurch Kühlung und Abschirmung deutlich einfacher gestaltet werden können.

Von den Forschungsreaktoren zu unterscheiden sind

  • Versuchsreaktoren, die zur Entwicklung von Reaktorkonzepten und -technologien dienen,
  • und Prototyp-Kernkraftwerke, mit denen die praktisch-wirtschaftliche Brauchbarkeit einer bestimmten Kernkraftwerkstechnologie demonstriert werden soll.

Die Funktionen sind allerdings nicht immer ganz voneinander zu trennen, und die Bezeichnungen werden nicht ganz einheitlich verwendet. Auch kommerzielle Kernkraftwerke haben in der Vergangenheit Aufgaben übernommen, die eher mit Forschungsreaktoren in Verbindung gebracht werden und tun das zum Teil auch heute noch. Umgekehrt waren „kommerzielle“ Kraftwerke wie Obninsk und Shippingport – trotz Einspeisung von Strom in öffentliche Netze – zuvorderst Prototypen der Forschung.

Typen

Es gibt unterschiedliche Typen von Forschungsreaktoren. Bei fast allen ist der Reaktorkern von Wasser umgeben, das als Moderator für die Neutronen und zur Kühlung dient.

Materialtestreaktoren

Materialtestreaktoren (MTR) sind für die Untersuchung von Kernbrennstoffen und von Strahlenschäden in Strukturmaterialien durch schnelle Neutronen vorgesehen. Sie besitzen einen sehr kompakten Reaktorkern, um eine möglichst große Neutronenflussdichte zu erzielen.

Isotopenproduktionsreaktoren

Isotopenproduktionsreaktoren werden für die Erzeugung von radioaktiven Nukliden eingesetzt. Die zu erzeugenden Nuklide sind entweder Spaltprodukte oder entstehen durch Neutroneneinfang. Bei manchen Nukliden – zum Beispiel Molybdän-99 als Vorgänger von Technetium-99m – sind beide Wege möglich.[1]

Kommerzielle Leistungseaktoren sind oft nicht oder nur begrenzt in der Lage, medizinische oder industrielle Radionuklide zu erzeugen, da bei den heute verbreiteten Leichtwasserreaktoren ein Austausch der Brennelemente das komplette Herunterfahren des Reaktors inklusive anschließender Abkühl- und Abklingphase erfordert. („Cold Shutdown“). Zwar ist es teilweise möglich, einzelne Gegenstände bei laufendem Betrieb zur Bestrahlung mit Neutronenstrahlung in den Reaktorkern hinein und wieder hinaus zu befördern, jedoch sind nur Reaktoren, die zum en: online refueling in der Lage sind, in dieser Hinsicht vollständig flexibel.

Eine wichtige Ausnahme sind Reaktoren vom Typ CANDU, welche mit unangereichterm Uran betrieben werden können. Diese Reaktoren sind vollumfänglich dazu in der Lage Brennelemente und auch Steuerstäbe bei laufendem Betrieb auszutauschen und nutzen diese Eigenschaft zur Erzeugung von Kobalt-60, einem wichtigen „Desinfektionsmittel“ auf Basis von Gammastrahlung. Hierbei werden einige Kontrollstäbe durch Kobalt ersetzt und nach Bestrahlung mit Neutronen wieder aus dem Reaktor entnommen.[2] Dabei wurde aus stabilem Kobalt-59 das betazerfallende Kobalt-60. Die Gammastrahlung, welche der Zerfall von Kobalt-60 freisetzt wird verwendet, um Einweg-Medizinprodukte zu sterilisieren, welche eine Behandlung im Autoklav nicht „überleben“. Etwa 40 % der weltweit verwendeten Einweg-Medizinprodukte werden mit Kobalt-60 aus CANDU-Reaktoren sterilisiert.[3][4] Der Hauptzweck der CANDU-Reaktoren ist jedoch die Erzeugung elektrischer Energie.

Sensu lato sind auch Teilchenbeschleuniger teilweise „Isotopenproduktionsreaktoren“ insofern, als in ihnen eine Kernreaktion stattfindet, die dem Erzeugen spezifischer industriell oder medizinisch nutzbarer Isotope dient. Dies hat jedoch mit Kernspaltung oder Kettenreaktion zumeist nichts zu tun und fällt daher nicht unter die übliche Alltagsdefinition des Begriffs „Kernreaktor“. Die Produktion einiger Nuklide ist in Kernspaltungsreaktoren nicht oder nur sehr schwer möglich, wohingegen die Produktion anderer Nuklide in Teilchenbeschleunigern nicht oder nur sehr schwer möglich ist. Dazu kommen wirtschaftliche Erwägungen bzgl. Bau- und Betriebskosten und die oft höhere gesellschaftliche Akzeptanz von Teilchenbeschleunigern als von Kernreaktoren sensu stricto.

Als Faustregel kann gelten, dass die Erzeugung von Neutronenreichen Isotopen zumeist mittels Kernspaltung oder Neutronenstrahlung einfacher ist (und Kernspaltung ist wiederum eine exzellente Quelle starker Neutronenstrahlung), wohingegen die Produktion von Neutronenarmen Isotopen oft in Teilchenbeschleunigern einfacher möglich ist. Neutronenreiche Isotope zerfallen bevorzugt durch Beta-minus-Zerfall, wohingegen Neutronenarme Isotope tendenziell eher durch Elektroneneinfang oder Positron-Emission zerfallen. Alphastrahler sind zumeist schwere Kerne, die in Kernspaltungsreaktoren recht einfach durch Neutroneneinfang erzeugt werden können.

Strahlrohrreaktoren

Bei den Strahlrohrreaktoren werden normalerweise die im Reaktor erzeugten langsamen Neutronen über Strahlrohre in eine Experimentierhalle geleitet, um dort z. B. Materialproben durch Neutronenstreuung zu untersuchen. Zwei der leistungsfähigsten Anlagen dieser Art stellen der 58 MW-Hochflussreaktor RHF des internationalen Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble sowie der 20 MW-Hochflussreaktor FRM II der TUM dar.

Unterrichtsreaktoren

Unterrichtsreaktoren dienen Ausbildungszwecken und befinden sich meist an Hochschulen. Sie besitzen nur eine sehr geringe Leistung. In Deutschland sind noch neun Unterrichtsreaktoren in Betrieb, davon sieben vom Typ SUR (Siemens-Unterrichtsreaktor) mit einer Leistung von 0,1 Watt.

TRIGA-Reaktoren

Der TRIGA-Reaktor (TRIGA = „Training, Research, Isotope Production, General Atomics“) ist ein spezieller, von der US-amerikanischen Firma General Atomics entwickelter Forschungsreaktortyp. Es handelt sich um einen Schwimmbadreaktor, der sich durch inhärente Sicherheit auszeichnet. Inhärent bedeutet, dass die Sicherheit durch Naturgesetze, nicht durch technische Maßnahmen, die man überbrücken könnte, gewährleistet wird. Er wird für Ausbildung, Forschung und Radionuklidproduktion eingesetzt. Weltweit sind mehr als 50 TRIGA-Reaktoren in Betrieb.

Forschungsreaktoren in Deutschland

In Betrieb

Karte der Forschungsreaktoren in Deutschland

Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sind in Deutschland folgende Forschungsreaktoren mit einer thermischen Dauerleistung von über 50 kW in Betrieb:

Stillgelegt bzw. abgebaut

Folgende Forschungsreaktoren mit einer thermischen Dauerleistung von über 50 kW sind stillgelegt und z. T. abgebaut:

Keine Betriebserlaubnis

Der folgende Forschungsreaktor erhielt keine Betriebsgenehmigung:

Daneben wurden während des Zweiten Weltkriegs im deutschen Uranprojekt eine Reihe von Versuchsreaktoren konstruiert, die jedoch allesamt nicht kritisch wurden. Der letzte dieser Versuche war der Forschungsreaktor Haigerloch, ein Schwerwasserreaktor, der von Forschern des Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik im März/April 1945 in einem Felsenkeller im hohenzollerischen Haigerloch aufgebaut wurde.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Forschungsreaktor – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise