Abu-Ghuraib-Folterskandal

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Das Bild des mit Elektroschocks gefolterten Ali al-Quasi (علي شلال القیسي) wurde zum Symbol des Skandals. An beiden Händen und am Penis waren Elektrodrähte befestigt. Ihm wurde angedroht, dass er durch Elektroschocks hingerichtet würde, falls er von der Kiste falle. Als das Foto an die Öffentlichkeit gelangte, behaupteten die US-Stellen, dass die Kabel nicht stromführend gewesen seien.

Der Abu-Ghuraib-Folterskandal (auch: Abu Graib oder Abu Ghraib) war eine Folteraffäre während der Besetzung des Irak durch die Vereinigten Staaten, die weltweit Aufsehen erregte. Dabei wurden irakische Insassen des Abu-Ghuraib-Gefängnisses vom Wachpersonal misshandelt, vergewaltigt[1][2] und gefoltert, oft bis zum Tod. Die meisten der Insassen seien „Unschuldige [gewesen], die zur falschen Zeit am falschen Ort waren“, sagte ein General später.[3] Aufgedeckt wurde der Skandal durch die Veröffentlichung von Beweisfotos und -videos durch die Presse. Ein Teil der Bilder wurde im Mai 2004 veröffentlicht, ein weiterer Teil im Februar und März 2006.

Vorgeschichte

Debatte um die Zulässigkeit der Folter

Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 wurde in den USA verstärkt darüber diskutiert, ob unter gegebenen Umständen Folter erlaubt sein sollte. Auch die Bush-Regierung beschäftigte sich damit. In einem geheimen Memorandum erklärte der spätere Justizminister Alberto R. Gonzales, dass die Gesetze zum Verbot von Folter nicht für so genannte „feindliche Kämpfer“ gelten würden. Außerdem erklärte er, dass Verhörpraktiken wie das Waterboarding nicht als Folter einzustufen seien. Schon bald nach den Anschlägen wurde berichtet, dass die USA Gefangene zum Foltern an andere Staaten übergeben würden.[4]

Im Dezember 2002 billigte Donald Rumsfeld in einem nicht öffentlichen Vermerk 16 spezielle Verhörmethoden für Guantanamo, darunter, dass Gefangenen durch Hunde Angst gemacht wird, dass sie sich bei Verhören nackt ausziehen oder bis zu vier Stunden unbequeme Haltungen einnehmen müssen. Des Weiteren erlaubte Rumsfeld Isolationshaft, Verhöre bis zu 20 Stunden und den Entzug warmer Mahlzeiten.[5]

Seit dem Krieg in Afghanistan werden Gefangene in einem Internierungslager in der Guantánamo-Bucht sowie auf Diego Garcia festgehalten; ihnen wurde sowohl ein gerichtliches Verfahren als auch der Schutz der Genfer Konventionen verwehrt. Auch von dort gab es Berichte über Misshandlungen und Folter.

Entwicklung nach dem Irakkrieg

Nach dem Ende der offiziellen Kampfhandlungen des dritten Golfkriegs übernahmen US-Truppen Abu Ghuraib und nutzten es als Militärbasis sowie als Gefängnis. Auch die Sicherheitskräfte der neuen irakischen Regierung inhaftierten in einem separaten Abschnitt Häftlinge in eigener Verantwortung.

Ende August 2003 holte US-Verteidigungsminister Rumsfeld General Geoffrey D. Miller, den Befehlshaber des Gefangenenlagers Guantanamo, in den Irak. Nun sollten in dem Gefängnis nicht mehr nur Menschen weggesperrt werden, sondern Informationen für den militärischen Nachrichtendienst beschafft werden. Bis Ende Oktober 2003 verdoppelte sich in vier Wochen die Gefangenenzahl in Abu Ghuraib auf 6000. „90 Prozent der Insassen … waren unschuldig … Sie waren einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“, sagt die damalige Abu-Ghuraib-Kommandantin Karpinski heute.[3]

Publikmachung

Im April 2004 geriet die Anlage in die Schlagzeilen, als der Fernsehsender CBS in einer Folge seines Fernsehmagazins „60 Minutes II“ über Folter, Missbrauch und Erniedrigungen von Gefangenen durch US-amerikanische Soldaten berichtete. Die dabei ausgestrahlten Bilder sollen im November oder Dezember 2003 aufgenommen worden und auch schon Gegenstand von Untersuchungen der US Army gewesen sein.

US-Soldat Charles Graner posiert neben dem bei einem Verhör getöteten Gefangenen Manadel al Jamadi.
Lynndie England mit angeleintem Gefangenen.

Im Mai 2004 gelangten Berichte und Fotos in die Medien, die belegen, dass amerikanische Mitarbeiter von Militär- und Geheimdiensten sowie von privaten Militärunternehmen Gefangene im Abu-Ghuraib-Gefängnis nahe Bagdad gefoltert haben. Anfang 2006 tauchten hunderte weiterer Fotos mit Bildern und Videos bislang ungeahnter Brutalität auf.[6] Auf den Fotos werden Menschen während Misshandlungen beziehungsweise in entwürdigenden Haltungen gezeigt.

Auch sind im Mai 2004 Aussagen und Bilder über Vergewaltigungen von männlichen und weiblichen irakischen Gefangenen im Abu Ghuraib durch US-Soldaten in die Medien (u. a. CBS News, ZNet) gelangt.[2]

Hinzu kommen nach übereinstimmenden Medienberichten ca. 100 Todesfälle durch das Folterprogramm im Irakkrieg. Dabei handelt es sich nicht um schlichte Unfälle, als welche die Fälle zunächst dargestellt wurden, sondern um systematische Folter bis zum Tod. Damit geht es bei dem Skandal auch um Mord, was bei der bisherigen juristischen Aufarbeitung keine Rolle gespielt hat.[7][8]

Reaktionen auf Foltervorwürfe

International

Der Skandal rief weltweit bei Regierungen und in den Medien große Empörung gegen das Verhalten der US-amerikanischen Beteiligten und Verantwortlichen hervor.

Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey bestellte die Botschafter der USA und Großbritanniens zu sich, um gegen die Misshandlung von irakischen Gefangenen zu protestieren.

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer verurteilte die Folter irakischer Gefangener durch US-Soldaten im Gefängnis Abu Ghuraib. Ebenso sprachen die Vereinten Nationen schärfste Kritik an den Handlungen aus.

In größter Besorgnis äußerte sich auch der Heilige Stuhl: Der Skandal heize den Hass der Araber gegen den Westen und vor allem gegen die Christenheit an, sagte der „Außenminister“ des Vatikans, Erzbischof Giovanni Lajolo, der Tageszeitung La Repubblica: „Die Misshandlungen? Sie sind ein größerer Schlag für die USA als der 11. September. Der Punkt ist, dass dies nicht von Terroristen herbeigeführt wurde, sondern von Amerikanern gegen sich selbst.“[9]

Unter anderem musste Rumsfeld sich einem öffentlichen Ausschuss des US-Kongresses stellen. Mitglieder der US-amerikanischen Opposition forderten seinen Rücktritt.

Großbritannien und USA

  • Der damalige US-amerikanische Präsident Bush und der damalige Verteidigungsminister und Donald Rumsfeld entschuldigten sich öffentlich für die Vorfälle.
  • Es gab widersprüchliche Aussagen der USA und ihres engsten Verbündeten Großbritannien über den Zeitpunkt für den geplanten Abzug aus dem Irak. Wenn die Irakische Übergangsregierung nach der Machtübernahme am 30. Juni 2004 dies wünschte, würde sich die US-Army zurückziehen, sagten der Statthalter Paul Bremer, US-Außenminister Colin Powell und sein britischer Amtskollege Jack Straw. Dem widersprach aber anschließend Präsident Bush: Die US-Streitkräfte würden auch nach der für Ende Juni geplanten Machtübergabe an eine Übergangsregierung im Irak bleiben.
  • US-Soldaten dürfen bei ihren Verhören in Gefängnissen in Irak keinen Zwang mehr ausüben. Der oberste Kommandeur der US-Truppen in Irak, Ricardo S. Sánchez, verbot bisher gebilligte Maßnahmen wie Schlafentzug oder stundenlanges Ausharren in der Hocke.
  • Der stellvertretende US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz räumte ein, dass die Verhörmethoden amerikanischer Soldaten in irakischen Gefängnissen gegen die Genfer Konvention verstießen. Er widersprach damit seinem Vorgesetzten Donald Rumsfeld, der diese Praktiken zuvor noch verteidigt hatte.
  • Am 19. Mai 2004 wurde Jeremy Sivits – der einige der Folterfotos gemacht hatte – als erster Soldat von einem Militärgericht zu einem Jahr Haft verurteilt. Außerdem wurde er degradiert und unehrenhaft aus der Armee entlassen.
  • Präsident Bush sagte der Bagdader Tageszeitung Assaman, dass der Skandal um die Misshandlung irakischer Gefangene durch US-Soldaten rückhaltlos aufgeklärt werde.
  • Der konservative Radiomoderator Rush Limbaugh sagte über den Folterskandal: „Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, was getan wurde, und den Initiationsritualen bei der Studentenverbindung Skull and Bones, und wir werden das Leben von Menschen ruinieren und unsere militärischen Anstrengungen schwächen, und dann werden wir die bestrafen, bloß weil sie eine gute Zeit hatten. Wissen Sie, auf diese Leute wird jeden Tag geschossen, ich spreche von Leuten, die eine gute Zeit haben. Haben sie jemals von emotionalem Stressabbau dieser Leute gehört?“[10]
  • Der konservative Radiomoderator Michael Savage sagte über das gleiche Thema: „Anstatt Joysticks hätte ich gerne gesehen, wie man Dynamit in ihre Körperöffnungen gesteckt hätte.“ Außerdem sagte er: „Wir brauchen nicht weniger Taktiken der Demütigungen, sondern mehr.“ Wiederholt bezeichnet er Abu-Ghuraib als „Grab-an-Arab prison“ (dt.: „Schnapp dir 'nen Araber-Gefängnis“).[11]

Einzelaspekte

Die Bilder zeigen unter anderem nackte Gefangene, die zu Oralsex gezwungen worden sein sollen, sowie einen Gefangenen, der an Elektrokabel angeschlossen ist, als werde er mit einer Hinrichtung durch Elektrizität bedroht. Darüber hinaus gibt es ein Bild, das einen Gefangenen zeigt, der tot zu sein scheint. Nach Auskunft von CBS hat die US Army noch wesentlich mehr Fotos dieser Art, einschließlich eines, das einen Gefangenen zeigt, der von einem Hund angefallen wird.

Ein Gefangener trägt Beschuldigungen vor, unter der Aufsicht von US-Soldaten vergewaltigt worden zu sein. Dokumentiert ist ebenfalls, wie US-Soldaten Gefangene mit Kot beschmieren, die Vergewaltigung einer weiblichen Gefangenen sowie das Entblößen der Brüste zwecks Fotografierung.[1]

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat die US-Behörden nach eigenen Angaben bereits vor Monaten dazu angehalten, gegen die Misshandlungen irakischer Häftlinge einzuschreiten: „Unsere Erkenntnisse wurden bei unterschiedlichen Gelegenheiten zwischen März und November 2003 erörtert, entweder in direkten Gesprächen oder in schriftlichen Eingaben“, gab Pierre Krähenbühl vom IKRK am 7. Mai 2004 in Genf bekannt.

Manadel Al-Jamadi

Am 4. November 2003 starb in Abu Ghuraib der Gefangene Manadel Al-Jamadi. Bereits bei seiner Festnahme sei er geschlagen worden, bei einer Schlägerei mit einem Soldaten fiel ein Ofen auf Al-Jamadi. Er wurde von SEALs abtransportiert und in deren Lager am Flughafen Bagdad gebracht. Schließlich wurde al-Jamadi dort in einen sogenannten „Toberaum“ gebracht, wo er unter anderem von CIA-Beamten mit Wasser übergossen und nackt ausgezogen wurde. Ein CIA-Vernehmer soll sich mit seinem ganzen Gewicht gegen al-Jamadis Brustkorb gestemmt haben. Dann wurde er nach Abu Ghuraib gebracht. Dort brachte man ihn in den Duschraum und hängte seine Hände über seinem Kopf auf, so dass er zwar stehen konnte, aber wenn seine Knie nachgaben, hing er mit seinem gesamten Körpergewicht an den Handgelenken. Al-Jamadi trug eine Kapuze. 45 Minuten nachdem er in Abu Ghuraib ankam, starb er. Er war an der Kombination aus einigen Rippenbrüchen (durch seine Behandlung auf dem Weg nach Abu Ghuraib) und der Fesselung erstickt. Anwesende CIA-Agenten sollen die blutige Kapuze al-Jamadis als belastendes Beweisstück vernichtet haben. Die Soldaten Charles Graner und Sabrina Harman sind auf Fotos mit der Leiche al-Jamadis zu sehen.[12]

Verstrickung von Ärzten

An den Folterungen im irakischen Gefängnis Abu Ghuraib sollen nach Angaben eines US-Wissenschaftlers auch Ärzte beteiligt gewesen sein. Diese hätten mit ihrem Verhalten ethische Werte der Medizin gebrochen und Menschenrechte verletzt, schreibt der amerikanische Bioethiker Steven Miles im Fachmagazin The Lancet. Der Doktor der Medizin und Professor an der Universität von Minnesota verlangte eine offizielle Untersuchung über die Rolle der Ärzte beim Folterskandal.

Miles wertete Protokolle des US-Kongresses aus, Aussagen von Inhaftierten und Soldaten, ärztliche Berichte und Pressemeldungen. Ein Militärsprecher bestätigte, die meisten der in dem Artikel beschriebenen Vorfälle und Anschuldigungen seien von den Streitkräften selbst dokumentiert worden.

Miles schreibt, laut Aussagen von Verantwortlichen der US Army hätten ein Psychiater und ein weiterer Arzt die Befragungsmethoden in Abu Ghuraib entworfen und genehmigt sowie die Verhöre überwacht. Er schildert einen Fall, der von einem Häftling beeidet worden sei: Ein Gefangener sei nach Schlägen bewusstlos zusammengebrochen und von Pflegekräften wiederbelebt worden. Diese seien dann gegangen, danach sei der Mann erneut misshandelt worden. Außerdem gebe es Berichte, dass Ärzte selbst Gefangene misshandelt hätten.

Miles zitiert ferner einen Offizier der Militärpolizei: Ein Arzt habe einem unter Folter gestorbenen Inhaftierten eine Infusion in die Vene gelegt, damit es so aussehe, als habe der Mann im Krankenhaus noch gelebt. Totenscheine von Gefangenen in Afghanistan und im Irak seien gefälscht worden. „Die Ärzte bestätigten routinemäßig den Tod durch Herzinfarkt, Hitzeschlag oder andere natürliche Todesursachen“, schreibt Miles. Nur wenige Einheiten im Irak und in Afghanistan hätten den Gefangenen die von den Genfer Konventionen geforderten monatlichen Untersuchungen ermöglicht, Ärzte hätten nicht für eine regelmäßige medizinische Betreuung gesorgt.

Mitchell und Jessen

Die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU reichte eine Klage gegen die beiden Psychologen James Mitchell und John Jessen ein. Diese waren mit ihrer Firma Mitchell Jessen and Associates bei der CIA unter Vertrag, um Foltermethoden zu entwickeln, dabei führten sie illegale Versuche an Gefangenen durch, um die Methoden zu verfeinern. Beide nahmen persönlich an Folterungen teil, überwachten die Einführung des Programms bei der CIA und erhielten dafür einige Millionen US-Dollar.[13][14][8]

Weitere Aufarbeitung

Am 15. Februar 2006 veröffentlicht der australische Sender SBS weitere Bilder, die das Pentagon trotz eines Gerichtsurteils unter Verschluss halten wollte. Der Moderator der Sendung Dateline erklärte den Zuschauern, dass die bisher unveröffentlichten Bild-Dokumente aus jener Sammlung stammen, die im Jahr 2004 weltweit Empörung hervorgerufen hatte. Der Sender begründete die Ausstrahlung der Bilder mit seiner Informationspflicht und Pressefreiheit. Sie würden enthüllen, dass die Misshandlungen – sexuelle Erniedrigung, Verstümmelung und Folter bis hin zum Tod – „verbreiteter und viel schlimmer“ gewesen seien als bisher angenommen. Weitere Fotos wurden von der australischen Zeitung „Sydney Morning Herald“ ins Internet gestellt. Dort sind unter anderem auch Leichen sowie Körperteile mit Brandwunden und anderen Verletzungen zu sehen.

Am 9. März 2006 kündigten die USA an, die Kontrolle über das Gefängnis komplett an die irakischen Sicherheitsbehörden übergeben zu wollen, die das Gefängnis als Lagerhaus für das Justizministerium nutzen wollten, und die Gefangenen zu verlegen. Stattdessen beabsichtigte die US-Regierung, den Neubau eines Hochsicherheitsgefängnisses zu finanzieren.

Am 14. März 2006 veröffentlichte das US-Internetmagazin Salon.com 280 Fotografien und 19 Videos, die zum Teil bisher unbekannt waren.[6] Die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) Dorothea Krimitsas äußerte sich „schockiert“ über die neu veröffentlichten Folterbilder. „Wir sind bestürzt über die Misshandlungen“, sagte sie der Schweizer Nachrichtenagentur SDA am 16. März 2006.

Der ehemalige US-Soldat Joshua Casteel, der in Abu-Ghuraib gedient hatte, sagte über seine dortigen Erlebnisse:

„Sie haben dort mit dem Einsatz der Spezialeinheiten die Insassen regelmäßig befragt. Es gab auch oft Folterungen. Beispielsweise wurden die Gefangenen nackt in eiskaltes Wasser gestellt und dann in einem Raum mit Klimaanlage, die auf extrem hohe Temperaturen gestellt wurde. Ihre Hände wurden mit Hämmern geschlagen. Auch Baseballschläger wurden benutzt.“[15]

Am 27. Mai 2009 veröffentlichte die englische Tageszeitung Daily Telegraph einen Artikel,[1] in dem die unveröffentlichten Fotos aus Abu Ghuraib und sechs anderen Gefängnissen beschrieben werden. Diese zeigen Folter, sexuellen Missbrauch von Jugendlichen und Erwachsenen sowie Vergewaltigungen. Laut Artikel entschied sich Präsident Obama, diese Fotos doch nicht zu veröffentlichen, weil der mit der Untersuchung und Einstufung der Beweise betraute Generalmajor Antonio Taguba erklärte, dass eine Publizierung der Fotos „nur“ zu Zivilklagen führen würde und die auf den Dokumenten ersichtlichen Militärangehörigen identifiziert und geeignete Mittel ergriffen worden seien.

Durch Recherchen des Guardian wurde 2013 bekannt, dass die vom US-Militär in Lateinamerika eingesetzten Techniken zur Unterdrückung von Oppositionellen ab 2003 auch im besetzten Irak benutzt wurden.[16] Dazu gehörten auch „alle Arten von Foltertechniken zur Gewinnung von Geständnissen“, darunter Elektroschocks, umgekehrtes Aufhängen und das Ausreißen von Fingernägeln.[16] Dabei seien auch Veteranen, wie James Steele, der das Militär in El Salvador in Foltermethoden ausgebildet hatte, zum Einsatz gekommen und hätten aktiv Foltermaßnahmen im Irak eingesetzt oder geleitet.[17] Dies sei von höchsten Stellen des US-Militärs genehmigt gewesen.

Juristische Aufarbeitung

USA

  • Als Rädelsführer galt Charles Graner. Er wurde in den USA von einem Militärgericht zu zehn Jahren Haft verurteilt und nach sechseinhalb Jahren wegen guter Führung entlassen.
  • Die auf vielen Bildern posierende Lynndie England wurde zu drei Jahren Haft verurteilt und wurde nach weniger als zwei Jahren aus der Haft entlassen.
  • Brigadegeneral Janis Karpinski (* 1954), von Juni 2003 bis Januar 2004 Kommandantin von Abu-Ghuraib (und 16 weiteren irakischen Haftanstalten), wurde 2005 zum Oberst degradiert[18] mit der Begründung, in einem Supermarkt „eine Flasche Parfüm geklaut zu haben“.[3] Sie war die ranghöchste Offizierin, die zur Verantwortung gezogen worden war, bekam aber nie einen Prozess – ihrer Einschätzung nach, da Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney „nicht wollten, dass ich unter Eid aussage“.[3] Sie bezeichnete sich selbst als Prügelknabe und bestritt jedes Wissen um die Folterungen.[19]
  • Colonel Thomas Pappas wurde am 13. Mai 2005 seines Kommandos enthoben. Er wurde zu einer Strafe von 8.000 US-Dollar verurteilt, weil er es zugelassen hatte, dass Hunde zu den Verhören zugelassen wurden.
  • Lieutenant Colonel Steven L. Jordan war der höchstrangige US-Offizier, der in diesem Skandal angeklagt wurde.[20] Im Laufe des Verfahrens wurden alle Anklagepunkte fallengelassen.[21][22]
  • Staff Sergeant Ivan Frederick gab am 20. Oktober 2004 ein Schuldeingeständnis ab. Er wurde zu acht Jahren Haft, der unehrenhaften Entlassung aus der Armee und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.[23]
  • Sergeant Javal Davis gab am 4. Februar 2005 ein Schuldeingeständnis ab. Er wurde zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt und degradiert.
  • Specialist Jeremy Sivits wurde am 19. Mai 2004 nach einem Schuldeingeständnis zu einer Haftstrafe von mindestens zwölf Monaten verurteilt und degradiert.[24]
  • Specialist Armin Cruz wurde nach einem Schuldeingeständnis und der Beschuldigung von Komplizen zu einer Haftstrafe von acht Monaten verurteilt und degradiert.[25]
  • Specialist Sabrina Harman wurde am 17. Mai 2005 zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt,[26] die sie in der Naval Consolidated Brig, Miramar, absaß.[27]
  • Specialist Megan Ambuhl wurde am 30. Oktober 2004 degradiert und musste einen halben Monatslohn Strafe bezahlen.[28]
  • Sergeant Santos Cardona musste 90 Tage harte Arbeit im Fort Bragg, North Carolina verrichten. Er wurde dann zur Ausbildung irakischer Polizisten abkommandiert.[29] 2009 wurde er in Afghanistan getötet, wo er als Regierungsberater arbeitete.
  • Specialist Roman Krol wurde am 1. Februar 2005 nach einem Schuldeingeständnis zu einer Haftstrafe von zehn Monaten verurteilt und degradiert.[30]
  • Specialist Israel Rivera, der bei den Misshandlungen am 25. Oktober anwesend war, sagte nicht aus, um sich nicht selbst zu belasten. Er wurde nicht verurteilt.
  • Sergeant Michael Smith musste 179 Tage in Haft verbringen und eine Strafe von 2.250 US-Dollar bezahlen. Er wurde degradiert.

Anklage in Deutschland

Am 13. September 2005 wies das Oberlandesgericht Stuttgart den Klageerzwingungsantrag eines Mitglieds des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins im Auftrag von 17 Folteropfern und einer Menschenrechtsorganisation ab.[31][32] Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte nach der Anzeige von den 17 Opfern noch kein Ermittlungsverfahren gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eingeleitet.

Filme

Siehe auch

Literatur

  • W.J.T. Mitchell: Der Schleier um Abu Ghraib. Errol Morris und die ‚bad apples‘. In: Ingeborg Reichle, Steffen Siegel (Hrsg.): Maßlose Bilder. Visuelle Ästhetik der Transgression. Wilhelm Fink Verlag, München 2009, ISBN 978-3-7705-4801-9, S. 51–65.
  • Horst Müller und Medienstudenten der Hochschule Mittweida (FH): Folter frei: Abu Ghraib in den Medien; beobachtet, recherchiert und dokumentiert. (PDF, 208 Seiten) 1. Auflage. Hochschulverlag Mittweida, 2004, ISBN 3-9809598-1-3.
  • Dennis Kirstein: Amerikas Terrorkreuzzug – Kriege, Folter und Menschenrechtsverletzungen im 21. Jahrhundert. Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8370-5986-1.
  • Philip Zimbardo: Der Luzifer-Effekt: die Macht der Umstände und die Psychologie des Bösen. Spektrum Verlag, 2007, ISBN 978-3-8274-1990-3.
  • Alfred W. McCoy: Foltern und Foltern lassen – 50 Jahre Folterforschung und -praxis von CIA und US-Militär. Zweitausendeins, 2005, ISBN 978-3-86150-729-1.
  • Alexander Bahar: Auf dem Weg in ein neues Mittelalter? Folter im 21. Jahrhundert. dtv, München 2009, ISBN 978-3-423-24713-9.
  • Janis L. Karpinski: One woman’s army. The Commanding General of Abu Ghraib tells her story. mit Steven Strasser. Hyperion, New York 2005, ISBN 1-4013-5247-2 (englisch).
  • Philip Gourevitch, Errol Morris: Die Geschichte von Abu Ghraib. Aus dem Englischen von Hans Günter Holl. Carl Hanser Verlag, München 2009. ISBN 978-3-446-23295-2.
  • Werner Binder: „Abu Ghraib und die Folgen. Ein Skandal als ikonische Wende im Krieg gegen den Terror“, transcript Verlag, Bielefeld 2013. ISBN 978-3-8376-2550-9.
  • {Slavoj Žižek: Die Amerikaner kontrollieren gar nichts! Nicht mal sich selbst! Warum Comical Ali recht behalten hat: einige Überlegungen über Abu Ghraib und das Unbewusste in der Popkultur. In: Berliner Zeitung, 23. Juni 2004

Weblinks

Commons: Die Bilder, die den Abu-Ghuraib-Skandal auslösten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Duncan Gardham, Paul Cruickshank: Abu Ghraib abuse photos ‘show rape’. In: The Telegraph. 27. Mai 2009, abgerufen am 26. August 2014.
  2. a b Chris Shumway / Übersetzt von: Andrea Noll: Muster systematischer Vergewaltigungen durch US-Truppen. ZNet, 6. Juni 2004, archiviert vom Original am 27. September 2007; abgerufen am 19. März 2016., mit dem Originaltext: Chris Shumway: Systematic Pattern of Rape by US Forces. ZNet, 6. Juni 2004, archiviert vom Original am 2. Juni 2009; abgerufen am 19. März 2016 (englisch).
  3. a b c d Christoph Cadenbach: Spuren der Gewalt. Süddeutsche Zeitung, 4. April 2014, abgerufen am 26. August 2014.
  4. CIA-Flüge: USA entführen und lassen foltern. (Memento vom 2. September 2011 im Internet Archive) Amnesty International
  5. Chronologie des Folterskandals: Rumsfeld, Guantanamo und Abu Ghraib. Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010, abgerufen am 6. April 2014.
  6. a b Mark Benjamin: Salon exclusive: The Abu Ghraib files. In: Salon.com. 16. Februar 2006, archiviert vom Original am 6. September 2011; abgerufen am 19. März 2016. Zeuge berichtet von Abu Ghraib. In: Telepolis. 17. Februar 2006, abgerufen am 19. März 2016.
  7. John Sifton: The Bush Administration Homicides. 5. Mai 2009, abgerufen am 30. März 2016 (englisch).
  8. a b Folterprogramm der CIA: Wasser, Licht und Country-Musik. Süddeutsche Zeitung vom 12. Dezember 2014
  9. Misshandlungen im Irak: Vatikan hält Folteraffäre für schlimmer als 11. September. Spiegel Online, 12. Mai 2004; abgerufen am 5. Juli 2010
  10. Rush: MPs Just 'Blowing Off Steam'. In: CBS News, 6. Mai 2004. 
  11. Savage Nation: It’s not just Rush; Talk radio host Michael Savage: „I commend“ prisoner abuse; „we need more“ (Memento vom 9. Mai 2009 im Internet Archive)
  12. Stephen Grey: Das Schattenreich der CIA: Amerikas schmutziger Krieg gegen den Terror. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006, S. 217–219.
  13. Josh Bell: ACLU Sues Psychologists Who Designed and Ran CIA Torture Program. ACLU, 13. Oktober 2015, abgerufen am 19. März 2016 (englisch).
  14. VICE News Exclusive: The Architect of the CIA's Enhanced Interrogation Program, James Mitchell. Vice (Magazin), 10. Dezember 2014, abgerufen am 30. März 2016 (englisch).
  15. Irak: Ich war in Abu-Ghraib. Radio Vatikan, 31. Januar 2007
  16. a b Murtaza Hussain: How the US exported its 'dirty war' policy to Iraq – with fatal consequences. The Guardian, 8. März 2013.
  17. US military funded, oversaw detention and torture sites during Iraq invasion. PressTV, 7. März 2013.
  18. US-Militär: Abu-Ghreib-Kommandantin wird degradiert. In: stern.de. 6. Mai 2005, abgerufen am 26. Februar 2019.
  19. Iraq abuse 'or-dered from the top'. BBC News, 15. Juni 2004, abgerufen am 12. Juni 2013.
  20. Army officer charged in Abu Ghraib prison abuse (Memento vom 7. Mai 2006 im Internet Archive)
  21. Josh White: Officer acquitted of mistreatment in Abu Ghraib case, Washington Post. 29. August 2007. Abgerufen am 31. August 2007. 
  22. Folterskandal: US-Armee hebt Urteil gegen Abu-Ghureib-Offizier auf. In: Spiegel Online. 11. Januar 2008, abgerufen am 5. Juli 2010.
  23. Court sentences England to 3 years. (Memento vom 2. Februar 2007 im Internet Archive)
  24. Kelli R. Petermeyer: Soldier sentenced in Abu Ghraib abuse. army.mil. 25. Oktober 2004. Archiviert vom Original am 12. Oktober 2005. Abgerufen am 10. August 2012.
  25. Military Specialist Pleads Guilty to Abuse and Is Jailed
  26. Spc. Matthew Chlosta: Soldier gets 10 years for Abu Graib Prison abuse. army.mil. 19. Januar 2005. Archiviert vom Original am 12. Oktober 2005. Abgerufen am 10. August 2012.
  27. Andrea F. Siegel: Convicted reservist testifies. The Baltimore Sun, 17. Juli 2005, abgerufen am 18. Juli 2010.
  28. The United States Army Home Page (Memento vom 23. November 2007 im Internet Archive)
  29. Adam Zagorin: An Abu Ghraib Offender’s Return to Iraq Is Stopped. In: Time, 2. November 2006. 
  30. Two more Soldiers sentenced for Abu Ghraib abuse. (Memento vom 10. Februar 2008 im Internet Archive)
  31. Oberlandesgericht Stuttgart stellt sich hinter Bundesanwalt: Kein Strafverfahren gegen Rumsfeld & Co. AG Friedensforschung an der Universität Kassel, abgerufen am 4. Februar 2010.
  32. Beschluss von 13. September 2005. (PDF) Oberlandesgericht Stuttgart, 14. September 2005, abgerufen am 4. Februar 2010.