Antikenhandel
Der Handel mit Antiken ist der Austausch von Kunstwerken (Skulpturen, Architekturelemente oder Fragmente) und anderen archäologischen Artefakten aus aller Welt. Dieser Handel kann illegal oder legal sein. Der legale Antikenhandel hält sich an nationale und internationale Vorschriften und Gesetze. Aus der Sicht des internationalen Kunstmarktes umfasst der Antikenhandel nicht alle weltweit erhaltenen antiken archäologischen Artefakte, sondern nur Werke (ohne Münzen) aus Ägypten, Europa, dem Nahen Osten und der klassischen Welt, von den frühesten von Menschenhand geschaffenen Objekten der Vorgeschichte bis zum Fall des Römischen Reiches und der byzantinischen Zeit.
Umfang und Bedeutung
Der Antikenhandel ist ein umsatzmäßig sehr kleiner Teil des weltweiten Kunsthandels. Der legale Handel mit Antiken macht weniger als 0,5 % des weltweiten Kunst- und Antikenmarktes aus und hat einen geschätzten Gesamtwert von 150 bis 200 Millionen Euro.[1]
Geschichte
Schon im Altertum gab es einen Kunstmarkt für ältere Kunstwerke und eine Nachfrage (besonders von Römischen Sammlern) nach Kunstwerken von seinerzeit berühmten griechischen Künstlern. Mit der Wiederentdeckung der römischen Antike durch italienische Humanisten im 14. Jahrhundert setzte schnell eine umfassende Sammlung von antiken Kunstwerken in der Renaissance ein. Auf der Grand Tour (Kavalierstour oder Cavaliersreise) besuchten Söhne und Töchter des europäischen Adels, später auch des gehobenen Bürgertums antike Stätten und kauften in den jeweiligen Ländern möglichst hochwertige antike Kunstwerke ein.[2]
Im 18. Jahrhundert gab es in Rom einen überaus florierenden Antikenhandel. Johann Joachim Winckelmann wurde 1763 zum Oberaufseher aller Altertümer in und um Rom ernannt. Eine seiner Aufgaben war es, den Antikenhandel zu kontrollieren.[3]
Im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert wurden vom Ägyptischen Staat Lizenzen für Ausgrabungsmissionen erteilt, die von reichen Finanziers (z. B. James Simon, Lord Carnarvon) wahrgenommen und mit Hilfe von professionellen Grabungsleitern (z. B. Ludwig Borchardt, Howard Carter) durchgeführt wurden. Vertraglich vereinbart war die sogenannte Fundteilung. Der ägyptische Staat bekam die eine Hälfte der ausgegrabenen Artefakte, der Finanzier die zweite Hälfte zur freien Verwendung, was den legalen Export aus Ägypten (und damit die grundsätzliche Verfügbarkeit dieser Objekte für den Antikenhandel) einschloss. Größtenteils befinden sich diese Werke heute in Europäischen und Amerikanischen öffentlichen Sammlungen.[4] Im 20. Jahrhundert wurde es auch privaten bürgerlichen Sammlern ermöglicht, auf Auktionen, im Kunsthandel und auf Kunstmessen legal antike Kunstwerke zu erwerben. Dies gilt bis heute.
Antikenhandel in einzelnen Ländern
Antikenhandel in Ägypten
Bis 1983, dem Erlass des Gesetzes Nr. 117,[5] dem faktischen Verbot jeglichen Exports von Altägyptischen Antiken, erteilte Ägypten allgemeine Ausfuhrgenehmigungen für altägyptische Kunstwerke und andere Artefakte über Handelslizenzen an ägyptische (und ausländische, aber in Ägypten ansässige) Antikenhändler. Nachgewiesen sind inzwischen mehr als 250 offizielle Antikenhändler.[6] Selbst der ägyptische Staat hat altägyptische Objekte in seinen Museen verkauft.[7] Bis 1983 wurden hunderttausende Objekte auf diese Weise legal veräußert, darunter große architektonische Objekte und monumentale Skulpturen bis zu kleinen Skarabäen; die allermeisten davon ins Ausland. Alle großen Museen mit altägyptischer Kunst (Paris, New York, Berlin, London) und kleinere Museen sowie private Sammler konnten direkt im Land altägyptische Antiken erwerben. Die Ausfuhrlizenzen wurden durch die Erhebung einer Steuer kontrolliert. Von den lizenzierten ägyptischen Antikenhändlern wurden die Rechnungen für Kisten ausgestellt, die offiziell versiegelt, aber nicht immer kontrolliert wurden. Die Ausfuhrpapiere als solche wurden nicht zusammen mit den ausgeführten Gegenständen aufbewahrt und die Rechnungen, sofern sie noch existieren, machen es schwer oder unmöglich, die darin aufgeführten Gegenstände zu identifizieren, da sie in der Regel keine Einzelheiten oder ausführliche Beschreibungen enthalten. Der Käufer war nicht verpflichtet, Papiere aufzubewahren und es gab keine Fotos der Artefakte.[8][9]
Herkunft der Handelsobjekte
Antike Objekte stammen bereits aus von manchen Pharaonen angeordneten Graböffnungen[10], von staatlich lizenzierten Grabungen, aus illegalen Grabungen (Raubgrabungen), von Bodenfunden außerhalb von Gräbern und aus alten Sammlungsbeständen, allerdings ohne Wissen um den ursprünglichen Fundort, z. B. Paläste oder Gebäuden von altägyptischen Behörden, Tempeln, Handwerkerstätten etc. Also nicht alle erhalten gebliebenen altägyptischen Kunstwerke und Artefakte in öffentlichen und privaten Sammlungen stammen immer aus Königs-, Priester-, oder Beamtengräbern, wie vielerorts geglaubt wird.
Antikenhandel im Libanon und Zypern
Im Libanon konnte bis 1988 eine Ausfuhrlizenz für Antiken beantragt werden. Das System unterschied sich nicht wesentlich von dem ägyptischen, mit offiziellen Stempeln auf den Rechnungen, auf denen mehrere Gegenstände aufgeführt waren, die nun nicht mehr identifiziert werden konnten, und ohne Fotos. Die Kisten wurden offiziell versiegelt, ohne dass den ausgeführten Gegenständen eine Ausfuhrlizenz beigefügt war. In Zypern wurden bis mindestens 1980 Ausfuhrlizenzen ausgestellt, und an einigen Objekten waren auch Ausfuhrmarken aus Blei angebracht, obwohl sowohl Marken als auch Lizenzen nur selten überleben.[11]
Marktteilnehmer im Antikenhandel
Sammler und Museen kaufen auf Auktionen und in Kunsthandlungen, spezialisiert auf Antike Kunst. Die großen englischen bzw. amerikanischen Auktionshäuser (Sotheby’s, Christie‘s und Bonhams) unterhalten seit Dutzenden von Jahren eigene Abteilungen für „Antiquities“. In Deutschland, Frankreich und der Schweiz gibt es kleinere auf Antiken spezialisierte Auktionshäuser und es gibt dezidierte Antiken-Auktionen in anderen Auktionshäusern, wenn zum Beispiel komplette Sammlungen auf den Markt kommen. Einen Marktüberblick bekommt man auf Messen, wie der TEFAF, wo jährlich Antikenhändler ihre besten Objekte präsentieren. Antikenhändler sind Mitglieder von Kunsthandelsverbänden IADAA-International Association Of Dealers In Ancient Art,[12] CINOA-Confédération Internationale des Négociants en Œuvres d’Art,[13] ADA-Antiquities Dealers' Association,[14] Kunsthändlerverband Deutschland.[15] Sie haben sich einen strengen Ethik- und Verhaltenskodex[16] gegeben und bekämpfen den illegalen Kunst- und Antikenhandel. Werke, die in Auktionen und im Kunst- bzw. Antikenhandel zum Verkauf stehen, wurden durch das Art Loss Register in London auf einwandfreie Provenienzen überprüft.
Kritik
2020 hat die UNESCO eine Kampagne gegen den internationalen Antikenhandel gestartet, der seitens des Antikenhandels täuschende Argumentation vorgeworfen wurde.[17]
2020 hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des deutschen Bundeslands Nordrhein-Westfalen auf dem Transport nach Wien eine in London in einer Auktion erworbene römische Bronzebüste eines Herkules am Flughafen Köln angehalten. Die Behörde musste die Büste nach Beantragung einer einstweiligen Verfügung wieder freigeben.[18]
In Deutschland hat in der öffentlichen Diskussionsrunde[19] zum Thema Kulturgutschutz nach der Vorstellung des Brettspiels: Taskforce: Saving Antiquities mit Markus Hilgert (Kulturstiftung der Länder), Silvelie Karfeld[20] (Bundeskriminalamt), Robert Kuhn[21] (Staatliche Museen zu Berlin) und Irene Pamer[22] (Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz e. V.) Markus Hilgert die Frage gestellt, ob der Antikenhandel dort komplett verboten werden sollte (ab ca. 1h:12m:40s). Eine solche Maßnahme berührt allerdings die Grundrechte auf Eigentum (Artikel 14 GG[23]) und Berufsfreiheit (Artikel 12 GG).[24]
Pauschal wird die Behauptung aufgestellt, dass „der weit überwiegende Teil gehandelter Antiken aus illegalen Grabungen“ stamme (Elisabeth Katzy und Robert Kuhn).[25]
Auf der Website Saving Antiquities werden Bürger Deutschlands aufgerufen, den bloßen „Verdacht einer Raubgrabung oder einer Antike mit illegaler Provenienz“ bei „der deutschen Bundespolizei oder INTERPOL, dem Landeskriminalamt Hessen (aufgrund der örtlichen Zuständigkeit für den Flughafen Frankfurt Main), Museen und Landesdenkmalämtern“ zu melden.[26]
Literatur
- Mosse im Museum – Die Stiftungstätigkeit des Berliner Verlegers Rudolf Mosse (1843–1920) für das Ägyptische Museum Berlin. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Berlin 2017, ISBN 978-3-95565-221-0.
- Norbert Miller: Marblemania. Kavaliersreisen und der römische Antikenhandel. Berlin 2018, ISBN 978-3-422-07443-9.
- Fredrik Hagen, Kim Ryholt: The Antiquities Trade in Egypt 1880–1930 (= The H.O. Lange Papers. The Royal Danish Academy of Sciences and Letters. Scientia Danica. Series H. Humanistica. 4 vol. 8.) 2016, ISBN 87-7304-400-8.
Weblinks
- IADAA – International Association Of Dealers In Ancient Art
- CINOA – Confédération Internationale des Négociants en Œuvres d’Art
- The Art Loss Register, London
- Informationsseite über das deutsche Gesetz zum Schutz von Kulturgut – Kulturgutschutzgesetz (KGSG)
- CINOA – Fighting bogus information about the art market – 2021
- Kulturgutschutzgesetz (Deutschland)
- Cultural Property News
- Alles zum Kulturgutschutz – Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
- Aktionsbündnis Kulturgutschutz
- Saving-Antiquities
- Cultural Property Issues – IADAA
- Is the art marketplace misunderstood?
- Anti-Money Laundering Regulation and the Art Market
- Kulturgüterschutz und Rechtsmissbrauch
Einzelnachweise
- ↑ Joanna van der Lande: The Antiquities Trade: A reflection on the past 25 years, Part 1. Anmerkung [12]. In: Cultural Property News. 17. Mai 2021, abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ Norbert Miller: Marblemania Kavaliersreisen und der römische Antikenhandel. Berlin 2018, ISBN 978-3-422-07443-9.
- ↑ http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/614/1/Kunze_Ruegler_Antikenhandel_und_Antikenrestaurierung_1998.pdf
- ↑ Thomas L. Gertzen, Jana Helmbold-Doyé (Hrsg.): Mosse im Museum – Die Stiftungstätigkeit des Berliner Verlegers Rudolf Mosse (1843–1920). (hentrichhentrich.de [abgerufen am 30. August 2022]).
- ↑ Kulturgutschutz - Homepage - Antikengesetz Nr. 117 aus dem Jahr 1983 in seiner Fassung aus dem Jahre 2010. Abgerufen am 28. August 2022.
- ↑ Fredrik Hagen, Kim Ryholt: F. Hagen / K. Ryholt, The Antiquities Trade in Egypt 1880–1930: The H.O. Lange Papers. The Royal Danish Academy of Science and Letters. Scientia Danica, Series H, Humanistica 4 vol. 8, 2016. 335 pages. In: Scientia Danica. Series H. Humanistica. 4 vol. 8. 1. Dezember 2016 (academia.edu [abgerufen am 30. August 2022]).
- ↑ Joanna van der Lande, 17. Mai 2021: The Antiquities Trade: A reflection on the past 25 years, Part 1. In: Cultural Property News. 17. Mai 2021, abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ Antiquities Dealers' Association: The problem with provenance and what we can do about it – Egypt’s long-lasting antiquities trade. 17. Mai 2018, abgerufen am 30. August 2022 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Ägyptische Ausfuhrgenehmigungen für Antiken. Abgerufen am 5. September 2022.
- ↑ Herbert E. Winlock – Abschnitt: Das Grab der Ahmose Meritamun. In: Wikipedia. 30. August 2021 (wikipedia.org [abgerufen am 30. August 2022]).
- ↑ Joanna van der Lande, 17. Mai 2021: The Antiquities Trade: A reflection on the past 25 years, Part 1 – Export Licences from source countries – how useful are they? In: Cultural Property News. 17. Mai 2021, abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ Über uns – International Association of Dealers in Ancient Art. Abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ CINOA. Abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ Home • Antiquities Dealers' Association. Abgerufen am 30. August 2022 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Kunsthändlerverband Deutschland. Abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ Berufsbild des Kunsthändlers - Kunsthändlerverband Deutschland. Abgerufen am 30. August 2022.
- ↑ IADAA: Compare and contrast: UNESCO’s fraudulent campaign against the international art market launched in 2020. (PDF) In: IADAA. September 2022, abgerufen im September 2022 (englisch).
- ↑ Der Kampf gegen illegalen Kulturgut-Handel wird mit falschen Zahlen geführt. Abgerufen am 1. September 2022 (österreichisches Deutsch).
- ↑ "Taskforce: Saving Antiquities" – Livestream der Diskussionsrunde zum Thema Kulturgutschutz. Abgerufen am 29. August 2022 (deutsch).
- ↑ Alexander Weinlein: Deutscher Bundestag - Kulturgutschutzrecht bleibt umstritten. Abgerufen am 29. August 2022.
- ↑ Robert Kuhn | Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Academia.edu. Abgerufen am 29. August 2022.
- ↑ Kontakt und Impressum – Deutsche Gesellschaft für Kulturgutschutz e.V. Abgerufen am 29. August 2022.
- ↑ Art 14 GG - Einzelnorm. Abgerufen am 23. September 2022.
- ↑ Art 12 GG - Einzelnorm. Abgerufen am 23. September 2022.
- ↑ Elisabeth Katzy und Robert Kuhn: „Wir würden ja, aber … “ – Vom Kulturgutschutz, Handel mit Antiken fünf Jahre nach der Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes. In: Antike Welt. 1. Januar 2021 (academia.edu [abgerufen am 1. September 2022]).
- ↑ Robert Kuhn, Henrike Simon: Nutze Dein Wissen. In: https://www.saving-antiquities.org/nutze-dein-wissen/. Berliner Antike-Kolleg, abgerufen im September 2022.