Vinzenz Zusner

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Vinzenz Zusner (1853)

Vinzenz Zusner, auch Vincenz Zusner (* 17. Jänner 1804[A 1] in Bischoflack, Krain; † 12. Juni 1874 in Graz, Steiermark), war ein österreichischer Dichter und Unternehmer. Seine lyrischen Natur- und Stimmungsbilder wurden von der zeitgenössischen Kritik positiv aufgenommen, gerieten in den Jahrzehnten nach seinem Tod aber in Vergessenheit. Eine Gesamtausgabe seines Werkes erschien 1871 bei der Hurterschen Buchhandlung Schaffhausen.

Leben

Jugend und Unternehmertum

Bis 1825 war Zusner Amtsschreiber der Herrschaft Groß-Söding.

Vinzenz Zusner kam 1804 in Bischoflack, im heutigen Slowenien, zur Welt. Sein Vater hatte ein bewegtes Leben und arbeitete unter anderem als Beamter, Herrschaftsverwalter, Landwirt und Offizier. Bereits als Knabe bewies Vinzenz sein lyrisches Talent, indem er erste Gedichte verfasste. Ursprünglich für ein Studium vorgesehen, musste er die Schule abbrechen und eine Lehre in einem Handelsgeschäft antreten, nachdem sich die finanzielle Lage seiner Eltern verschlechtert hatte. Während der Lehrzeit begann er mit chemischen Versuchen zur Verbesserung verschiedener Handelsartikel. Um Startkapital für ein Unternehmen zu verdienen, nahm er eine Stelle als Amtsschreiber der Herrschaft Groß-Söding an. Dort setzte er seine Experimente mithilfe einiger Bauernjungen fort und erhielt am 17. August 1824 unter dem falschen Namen Kaspar Zusner[1] ein Patent auf seine „schwedische Tranglanzwichse“. Nachdem er einige hundert Gulden gespart hatte, übersiedelte Zusner 1825 in die steirische Landeshauptstadt Graz, wo er Produktion und Verkauf seiner Ware vorantrieb. Mit Exporten nach Livorno, Neapel, Konstantinopel und Rio de Janeiro florierte sein Unternehmen, das er 1844 schließlich veräußerte, um sich ganz seiner Leidenschaft, der Poesie, widmen zu können.[2][3]

Laufbahn als Dichter

Erste Gedichte Zusners wurden in Zeitschriften und Almanachen, unter anderem 1828[4] im Grazer belletristischen Blatt Der Aufmerksame, veröffentlicht. Ab 1840 erschienen einige seine Lieder in dem von August Schmidt herausgegebenen „musikalischen TaschenbuchOrpheus. Seine erste Gedichtsammlung unter dem Titel Gedichte kam 1842 beim Wiener Beck-Verlag heraus.[3] Einem breiteren Publikum wurde Zusner am 21. Oktober 1844 bekannt, als er den Festprolog für die Eröffnung der ersten steiermärkischen Eisenbahnstrecke zwischen Graz und Mürzzuschlag verfasste.[4] 1853 veröffentlichte er seinen zweiten Gedichtband Neue Gedichte.

Zusner verkehrte im Grazer Literaturkreis um den Schriftsteller Karl von Holtei und die beiden Hochschullehrer Karl Weinhold und Johann Baptist von Weiß.[5] Sein Freund und Förderer Weiß, der einen Lehrstuhl für Geschichte an der Universität Graz innehatte, lobte die Arbeit des Autodidakten in den höchsten Tönen. Er verglich sie mit „einem durch frühlingshelle Auen dahinrieselnden Wiesenbache, der jetzt die Blütenflocken eines duftenden Lindenbaumes neckisch entführt, gleich darauf die friedliche Hütte eines Landmanns mit melodischem Wohllaut begrüßt und dann wieder mit bunt gefärbten Wiesenblumen kost und schäkert.“[6] Professor Weiß verschaffte Zusner ein Engagement mit der Hurterschen Buchhandlung Schaffhausen, die seine Gedichte 1858 neu auflegte und ihn über die Grenzen hinaus bekannt machte. 1863 erschien seine dritte Gedichtsammlung Im Walde. Naturbilder. Seine letzte Veröffentlichung in Buchform war 1871 die dritte überarbeitete Neuauflage seines Erstlingswerks.

Zusners Grabstätte

Vinzenz Zusner starb am 12. Juni 1874 in seiner Wahlheimat Graz. Er wurde auf dem Stadtfriedhof St. Peter beigesetzt. Sein Ehrengrab, das 1924 neu hergerichtet wurde, ziert eine Bronzebüste von Karl Lacher[6] sowie das von Zusner selbst verfasste Gedicht (An) Die Berge:

Als Jüngling zog’s mit heiter’m Sinn
Mich nach den höchsten Alpen hin.
Jetzt pfleg’ ich, da die Kräfte fliehen,
Schon nied’re Berge vorzuziehen.

Es währt indessen lange nicht,
Dass mir’s auch hier an Kraft gebricht,
Und mir auf meinen Wanderzügen
Ein kleiner Hügel wird genügen.

Nachlass

Da Zusner keine Nachkommen hatte, ließ er den 16 Jahre jüngeren Johann Baptist von Weiß in seinem Testament vom 16. Juni 1872 als Universalerben einsetzen. Unter anderem vererbte er seinem Freund den villenartigen Rosenhof nahe dem Gasthof zum Stoffbauer am Grazer Rosenberg. Ein späterer Besitzer, der Medizinalrat Anton Rumpold, fand dort in den 1920er Jahren unveröffentlichte Gedichte Zusners, eine Publikation im Rahmen einer bereits geplanten Neuauflage seines Werkes blieb jedoch aus. Des Weiteren vermachte der Dichter 5000 Gulden dem Grazer Armenfonds und 1000 Gulden dem katholischen Männerverein der Stadt.[4][5]

Vinzenz Zusner, der sich auch als Förderer musikalischen Talents verstand, stiftete 6200 Gulden einschließlich Zinsen für zwei Preise, die nach seinem Tod jährlich vom Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien vergeben wurden. Ein Preisgericht, zusammengesetzt aus dem Direktor, einem Kompositions- und einem Gesangslehrer zeichnete ab dem Schuljahr 1875/76 jeweils die beiden besten Vertonungen eines seiner Gedichte aus. Für den ersten Platz wurden 20, für den zweiten Platz zehn Dukaten ausgezahlt. Die Preisrichter erhielten außerdem einen Ehrensold von je fünf Dukaten. Das Biographische Lexikon des Kaiserthums Oesterreich listet 30 Preisträger bis 1891 auf, darunter Robert Fischhof, Rudolf Krzyzanowski, Richard Mandl, Josef von Wöss und Alexander von Zemlinsky.[2]

Werk

Vinzenz Zusners Werk umfasst neben kleinen Stimmungs- und Naturbildern[3] in lyrischer Form auch Liebesgedichte und epische Stücke mit humoristischen oder allegorischen Zügen.[7] Laut Anton Schlossar, der Zusners Andenken in seinen Schriften aufrechterhielt, wusste der Dichter seine Naturbilder bzw. die Stimmung der Landschaft in knappen Strophen und Versen „zierlich zu malen“ und dem Leser „in anmutiger Weise vorzuführen“. Zusner verstünde es gut, seine Seelenstimmung, das durch viele seiner Lieder wehende „tiefempfundene religiöse Gefühl“, harmonisch mit dem Naturbild zu vereinigen. Subjekte seiner „sinnigen Betrachtungen“ sind oft Bäume, Blumen oder Tiere.[6]

Das Eichhörnchen

Das Eichhörnchen
Sei nicht so furchtsam, kleines Thier!
Ich flücht’ ja auch ins Waldrevier;
Wir fühlen ganz den gleichen Drang,
Mir wird’s ja auch vor Menschen bang.

Im lauten, tollen Weltgewühl,
Da wird das Leben oft zu schwül,
Mich freut, wie dich, die Waldesruh’,
Mein Herz ist auch so scheu wie du.

Der Wanderbursch
Ein Liedchen trällernd, flink und frei,
So zieht an mir der Bursch vorbei,
Dem, leichtverwahrt, sein ganzes Gut,
Im Ränzchen auf dem Rücken ruht.

O thöricht, wer vor Müh’ und Schweiß
Die Freude nicht zu finden weiß!
Je mehr du strebst, je mehr du hast,
Je schwerer drückt die Sorgenlast!

Die zeitgenössische Kritik begegnete Zusner mit Wohlwollen. Sein erster Gedichtband wurde für seine Originalität, Klarheit und Natürlichkeit gelobt und erntete sogar vom ansonsten sehr kritischen Moritz Gottlieb Saphir anerkennende Worte.[6] In einer Wiener Tageszeitung wurden seine Gedichte als „Ergebnis der Wahrheit, der Tiefe und Reinheit des Gefühls“ gefeiert: Er habe „das seltene Talent, in wenigen einfachen aber klaren und bezeichnenden Worten vieles auf das Umfassendste zu fangen“.[5] Ein Kritiker nannte ihn „Klopstock der Gesellenvereine“ und „Gleim der Töchterschenken“, Karl Goedeke und Anton Schlossar einen der besten Vertreter der deutschösterreichischen Lyrik.[1][7] Constant von Wurzbach, der ihm einen Sinn für das „Niedlichschöne und Nutzbare“ attestierte, beschrieb Zusners Werk besonders blumig:

„Zusner mit seinen kurzen lyrischen Ergüssen mahnt an kein Vorbild, sie gehen auch nicht mit der Zeit, sie sind echte ungefälschte Naturlyrik, die für alle Zeit bestehen bleibt, wie Lerchenschlag und Amselgesang sich auch nicht nach der Zeit richtet und alle Lenze gleich und lieblich klingt.[2]

Weniger euphorisch beurteilen Nagl/Zeidler den Dichter, dessen „liebenswürdiger, aber seichter Lyrik“ sie die Fähigkeit absprechen, das „was das Menschenherz in seinem tiefsten Innern erschüttert zum Ausdruck zu bringen“.[8] Ein Zeitgenosse soll Zusner als „biederen Philister, der (…) die philiströse Cerevisia mit bürgerlicher Seelenruhe trinkt, ein Verehrer von Schillers Gang zum Eisenhammer (der Eisenhammer war eine Kneipe in Graz, Anm.) und in jeder Laune ein Wahrheitsfreund bleibt, was Andere nur in Weinlaune sind“ geschildert haben.[2] 1953 erinnerte die Kleine Zeitung an den „Schuhwichs-Fabrikanten und Dichter“:

„Heute freilich berühren uns die wenigsten seiner Gedichte, die ein Zeitgenosse treffend ‚Gedankenspäne‘ nannte und die ‚sehr glücklich erdachten und durchgeführten‘ politischen Anspielungen seiner Verse erscheinen uns heute mehr als zahm. Trotzdem – in mancher Zeile, in einer eleganten, bissigen Wendung ist er uns auch heute noch nah, wenn wir in den vergilbten Seiten seiner Bücher blättern.[1]

Neben Schülern des Wiener Konservatoriums vertonten namhafte Komponisten wie Anselm Hüttenbrenner[9], Gottfried von Preyer, Franz Schreker, Anton Emil Titl und Hugo Wolf[3] Zusners Lieder. Adolf Müllers Komposition zu Das Licht am Fenster erfreute sich großer Beliebtheit bei Gesangvereinen.[2]

Bibliografie

  • Gedichte (1842, Neuauflagen 1858 und als Gesamtausgabe 1871)
  • Neue Gedichte. Mit dem Bildnisse und Facsimile des Verf. (1853)
  • Im Walde. Naturbilder (1863)

Weblinks

Commons: Vincenz Zusner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkung

  1. Einige Quellen wie das Biographische Lexikon des Kaiserthums Oesterreich und die Allgemeine Deutsche Biographie nennen als Geburtsdatum Zusners den 18. Jänner 1803. Seine 1924 erneuerte Grabinschrift sowie mehrere Zeitungsberichte anlässlich seines 125. Geburtstags nennen hingegen den 17. Jänner 1804.

Einzelnachweise

  1. a b c Ein Alt-Grazer Original. Vinzenz Zusner, Schuhwichs-Fabrikant und Dichter. In: Kleine Zeitung, Ausgabe vom 18. Jänner 1953, S. 15.
  2. a b c d e Zusner, Vincenz. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Band 60, Wien 1891, S. 321–324. Online, abgerufen am 28. September 2022.
  3. a b c d Allgemeine Deutsche Biographie. Fünfundvierzigster Band. Duncker & Humblot, Leipzig 1900, S. 514–515. Online, abgerufen am 28. September 2022.
  4. a b c Franz Dietrich: Zum Andenken des steirischen Dichters Vinzenz Zusner. Zu seinem 125. Geburtstag am 17. Jänner 1929. In: Grazer Volksblatt, Ausgabe vom 13. Jänner 1929, S. 17.
  5. a b c Anton Schlossar: Vinzenz Zusner und sein Testament. Eine Erinnerung. In: Tagespost, Morgenblatt vom 16. Jänner 1924, S. 1–2.
  6. a b c d Anton Schlossar: Hundert Jahre deutscher Dichtung in Steiermark: 1785 bis 1885. Graeser, Wien 1893, S. 121–124.
  7. a b Anton Schlossar: Vinzenz Zusner. Vom vergessenen Alt-Grazer Dichter. In: Tagespost, Ausgabe vom 5. Dezember 1923, S. 1–2.
  8. Johann Willibald Nagl & Jakob Zeidler (Hrsg.): Deutsch-österreichische Literaturgeschichte. Band 2: Von 1750 bis 1848. Carl Fromme, Wien 1914, S. 938.
  9. Vinzenz Zusner: Das Echo. Anselm Hüttenbrenner, Graz 1893. Online, abgerufen am 28. September 2022.