Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen

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Haager Übereinkommen über den
internationalen Schutz von Erwachsenen
Kurztitel: Haager Erwachsenenschutzübereinkommen
Titel (engl.):
Hague Convention of 13 January 2000 on the International Protection of Adults
Abkürzung: ESÜ
Datum: 13. Januar 2000
Inkrafttreten: 1. Januar 2009
Fundstelle: HCCH 2000 Protection of Adults Convention (engl. Text)
Fundstelle (deutsch): BGBl. 2007 II S. 324 (amtliche deutsche Übersetzung)
Vertragstyp: Multinational
Rechtsmaterie: Internationales Privatrecht
Unterzeichnung: 19
Ratifikation: 13 (24. November 2020) Aktueller Stand

Deutschland: Unterzeichnung am 22. Dezember 2003
Österreich: Ratifizierung 9. Oktober 2013[1]
Schweiz: Ratifizierung 27. März 2009[2]
unterzeichnet und ratifiziert unterzeichnet, aber nicht ratifiziert
  • unterzeichnet und ratifiziert
  • unterzeichnet, aber nicht ratifiziert
  • Bitte beachte den Hinweis zur geltenden Vertragsfassung.

    Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (ESÜ) ist ein internationales Abkommen, das am 2. Oktober 1999 von der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (HCCH) verabschiedet wurde.

    Geltungsbereich

    Das Übereinkommen wurde von Deutschland am 22. Dezember 2003 unterzeichnet. Mit Gesetz vom 17. März 2007 hat der Deutsche Bundestag dem Übereinkommen zugestimmt.[3] Die deutschen Ausführungsbestimmungen finden sich im Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (Erwachsenenschutzübereinkommens-Ausführungsgesetz – ErwSÜAG) vom 17. März 2007.[4]

    Am 1. Januar 2021 galt das Abkommen außerdem für folgende Staaten:[5][6]

    Weitere Staaten, die unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert haben, sind Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Polen.[7] Für Griechenland tritt das Übereinkommen am 1. November 2022 in Kraft.

    Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten ersetzt das ESÜ das am 17. Juli 1905 in Den Haag unterzeichnete Abkommen über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln (Art. 48 ESÜ).[8][9][10] Dieses räumte den Behörden des Staates der Staatsangehörigkeit vorrangige Zuständigkeit ein, um eine Entmündigung anzuordnen oder eine Vormundschaft zu regeln.[11] Die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts hatten bei Verzicht der Heimatstaatsbehörden nur eine subsidiäre Zuständigkeit, jedoch konnte die von den Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts angeordnete Entmündigung von den Heimatstaatsbehörden nach ihrem Recht aufgehoben werden.[12]

    Inhalt

    Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich das materielle Erwachsenenfürsorgerecht auf nationaler Ebene höchst unterschiedlich entwickelt, sodass die Frage nach den zuständigen Behörden bzw. Gerichten und dem anwendbaren Recht immer bedeutsamer geworden war. Außerdem war bei den älteren Menschen als der vorwiegend von Fürsorgemaßnahmen betroffenen Bevölkerungsgruppe eine kontinuierliche Zunahme der Mobilität zu verzeichnen, sodass sich parallel hierzu auch die Anzahl grenzüberschreitender Sachverhalte erhöht hatte.[13]

    Das ESÜ enthält einheitliche Regelungen über die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung, die Vollstreckung und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Maßnahmen zum Schutz betreuungsbedürftiger Erwachsener, nicht jedoch das materielle Betreuungsrecht selbst.[14] Es behandelt als erstes internationales Abkommen überhaupt das auf Vorsorgevollmachten anwendbare Recht. Für die Vertragsstaaten gelten mit dem Übereinkommen einheitliche Bestimmungen darüber, welche Gerichte in grenzüberschreitenden Fällen für Betreuungssachen zuständig sind und welches nationale Recht hierbei Anwendung findet. Ferner enthält das Übereinkommen Regelungen, die eine möglichst reibungslose Durchsetzung von Entscheidungen in Betreuungsangelegenheiten in allen Vertragsstaaten gewährleisten sollen.[15]

    Schutzbedürftigkeit

    Die Erwachsenen, die durch das Übereinkommen geschützt werden sollen, sind gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 ESÜ Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und aufgrund einer Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeit ihrer persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen. Gemeint sind körperlich oder geistig Behinderte, die dauerhaft oder zeitweilig an einer „Unzulänglichkeit“ ihrer persönlichen Fähigkeiten leiden, sowie häufig ältere Personen, die an einer Beeinträchtigung dieser Fähigkeiten leiden, insbesondere Alzheimerpatienten. Auf den Gebrauch juristischer Ausdrücke, beispielsweise „Rechts-, Geschäfts- oder Handlungs(un)fähigkeit“ wurde bewusst verzichtet.[16] Aufgrund dieser Unzulänglichkeit ist der Erwachsene nicht in der Lage, seine Interessen zu schützen. Erfasst werden nicht nur die vermögensrechtlichen Interessen, sondern allgemeiner gesehen sein persönliches oder gesundheitliches Wohl. Damit lässt es das Übereinkommen bei einer faktischen Beschreibung der Schutzbedürftigkeit bewenden.

    Minderjährige unterfallen dem Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA). Gem. Art. 2 Abs. 2 ESÜ ist das Übereinkommen auch auf die Anerkennung früherer Maßnahmen nach dem MSA anwendbar, wenn die betreffende Person das 18. Lebensjahr vollendet.[17]

    Schutzmaßnahmen

    Art. 3 ESÜ zählt beispielhaft die Angelegenheiten auf, auf die sich das Übereinkommen bezieht. Diese sind in den Rechtsordnungen der einzelnen Vertragsstaaten nicht notwendig identisch. Sie fallen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, soweit sie von dem nach dem Übereinkommen anzuwendenden nationalen Recht zum Schutz von Erwachsenen vorgesehen sind. Darunter fallen Anordnungen wie die Vormundschaft, die Pflegschaft, die Betreuung oder andere entsprechende Einrichtungen, in Frankreich etwa die „placement sous sauvegarde de justice (Stellung unter gerichtliche Pflegschaft)“ nach Art. 491 ff. des französischen Zivilgesetzbuchs, außerdem die Unterbringung sowie Maßnahmen zur Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Erwachsenen und die Erlaubnis zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen.

    Das Übereinkommen ist ausdrücklich nicht anwendbar auf die in Art. 4 ESÜ abschließend aufgezählten Maßnahmen. Bei einigen kam zum Tragen, dass der ausgeschlossene Bereich bereits durch andere internationale Übereinkünfte geregelt war. So galten für das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht sowie die Anerkennung und Vollstreckung der entsprechenden Entscheidungen bereits das UN-Unterhaltsübereinkommen von 1956 oder das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen von 1968, womit sich der Ausschluss aus dem ESÜ gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a geradezu aufdrängte.[18] Bei anderen, die das öffentliche Recht berühren, erschien es nicht möglich, die Zuständigkeit der Vertragsstaaten auf Gebieten wie dem Strafrecht oder der Einwanderung durch ein Übereinkommen zu beschränken.

    Internationale Zuständigkeit

    Zuständig für Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Erwachsenen sind die Behörden des Vertragsstaates, in dem der Erwachsene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bei einem Wechsel die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 5 ESÜ). Sie wenden dabei ihr eigenes nationales Recht an (Art. 13 ESÜ). Die von den Behörden eines Vertragsstaats getroffenen Maßnahmen werden kraft Gesetzes in den anderen Vertragsstaaten anerkannt (Art. 22 ESÜ).

    Behörden verschiedener Vertragsstaaten können zusammenarbeiten, wenn der Erwachsene beispielsweise eine ausländische Staatsangehörigkeit hat, sich sein Vermögen im Ausland befindet oder eine Person seines Vertrauens, die bereit ist, eine Betreuung zu übernehmen (Art. 8 ESÜ). Für diese Zusammenarbeit bestimmt jeder Vertragsstaat eine Zentrale Behörde (Art. 28 ESÜ).

    Die zuständige zentrale Behörde ist in Deutschland das Bundesamt für Justiz,[19] in Österreich das Bundesministerium für Justiz.[20] In der Schweiz ist Zentrale Behörde des Bundes das Bundesamt für Justiz, in den Kantonen wurden unterschiedliche kantonale Zentralbehörden bestimmt.[21][22] Zentrale Behörde des Kantons Luzern ist beispielsweise das Departementssekretariat des Justiz- und Sicherheitsdepartementes.[23]

    Literatur

    • Till Guttenberger: Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen: Reform des Internationalen Betreuungsrechts. BtPrax 3/2006.
    • Helms: Reform des internationalen Betreuungsrechts durch das Haager Erwachsenenschutzabkommen. FamRZ 2008, 1995.
    • Lachwitz: Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. BtPrax 2008, 143.
    • Schulz: Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit 2007, S. 48.
    • Siehr: Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz Erwachsener. Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 2000, S. 715.
    • Wagner: Die Regierungsentwürfe zur Ratifikation des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 zum internationalen Schutz Erwachsener. Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (IPRax) 2007, S. 11.

    Weblinks

    Einzelnachweise

    1. BGBl. III Nr. 287/2013.
    2. AS 2009 3107.
    3. BGBl. 2007 II S. 323.
    4. BGBl. 2007 I S. 314.
    5. vgl. Bundesamt für Justiz: Vertragsstaaten Link zum Download, abgerufen am 4. Januar 2021.
    6. Contracting Parties HCCH, abgerufen am 4. Januar 2021 (englisch).
    7. Philippe Lortie: Das Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen hrsg. vom Europäischen Parlament, November 2012, S. 3.
    8. RGBl. 1912 S. 463.
    9. Abkommen über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln. Vom 17. Juli 1905, in: Gustav A. E. Bogeng (Hrsg.): Die Haager Abkommen über internationales Privat- und Zivilprozeß-Recht. Textausgabe mit Einleitung, Anmerkungen und Sachregister. 1908, S. 91–117.
    10. von Deutschland bereits am 21. Januar 1992 gekündigt, BGBl. 1992 II S. 272.
    11. vgl. RGZ 80, 262. google.books, S. 59 f.
    12. Paul Lagarde: Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Inoffizielle Übersetzung, erstellt durch das Bundesministerium der Justiz und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, Januar 2000, S. 83 f. (PDF; 379 kB).
    13. Till Guttenberger: Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Gieseking Verlag, 2004. ISBN 978-3-7694-0950-5.
    14. Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen BT-Drucks. 16/3251 vom 6. November 2006. (PDF; 818 kB).
    15. Bundesamt für Justiz: Überblick. Abgerufen am 4. Januar 2021.
    16. Paul Lagarde: Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Inoffizielle Übersetzung, erstellt durch das Bundesministerium der Justiz und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, Januar 2000, S. 12 f. (PDF; 379 kB).
    17. Paul Lagarde: Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Inoffizielle Übersetzung, erstellt durch das Bundesministerium der Justiz und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, Januar 2000, S. 15 (PDF; 379 kB).
    18. Paul Lagarde: Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Inoffizielle Übersetzung, erstellt durch das Bundesministerium der Justiz und das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland, Januar 2000, S. 21 (PDF; 379 kB).
    19. Art. 1 § 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 17. März 2007, BGBl. I S. 314
    20. vgl. Erläuterungen HESÜ 529/ME XXIV. GP - Ministerialentwurf, abgerufen am 8. Januar 2021.
    21. Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen. Zentrale Behörden der Schweiz SR 0.211.232.1; AS 2009 3107.
    22. vgl. Art. 2 Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen (BG-KKE) vom 21. Dezember 2007 (Stand am 1. Juli 2009).
    23. Verordnung über die Zuständigkeiten gemäss dem Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen vom 16. Juni 2009 (Stand 1. April 2017).