Šekeleš

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Šekeleš in Hieroglyphen
<hiero>M8-V31:E23:Z1-M8-G1-T14-A1:Z2</hiero>

Š3krš3[1]
Schekelesch
<hiero>M8-G1-V31:Z1:E23-M8-G1-T14-A1-Z2:N25</hiero>

Š3krš3[1]
Schakaluscha

Šekeleš oder Scheklesch (auch Schikalaju oder Schakaluscha) ist die Bezeichnung eines Volkes, das in altägyptischen Quellen des Neuen Reiches verzeichnet ist. Es bildete einen Teil der sogenannten Seevölker, die Ägypten um 1177 v. Chr. angriffen und durch Pharao Ramses III. im Nildelta besiegt wurden. Zuvor bereits in Inschriften des Merenptah genannt, gaben sie zu weitreichenden Spekulationen Anlass.

Quellen

Die Šekeleš sind erstmals in Zusammenhang mit dem Libyerkrieg im fünften Regierungsjahr des Pharaos Merenptah (19. Dynastie) auf der Athribis-Stele aus Kom el-Ahmar und in der Siegesinschrift im Hof hinter dem siebenten Pylon des Karnak-Tempels, dem Cachettehof, belegt.[2] Sie fungieren dort als Hilfstruppen des in Ägypten eingefallenen libyschen Herrschers Merje, dem sich auch andere Teilgruppen der „Seevölker“ angeschlossen hatten. In den Inschriften werden 200 (Athribis) bzw. 222 (Karnak) getötete Šekeleš aufgeführt.[3] Die obere Reihe der Hieroglyphen in der Infobox gibt die Darstellung ihres Namens im Karnak-Tempel wieder.[1]

Erwähnung der Schekelesch im Totentempel Ramses’ III. (zentrales Fünftel der mittleren Kolumne)

Eine etwas abweichende Anordnung der Hieroglyphen, die untere Reihe in der Infobox, kann man auf der rechten Vorderseite des zweiten Pylons im Totentempel Ramses’ III. in Medinet Habu erkennen. Die dortige Siegesinschrift beschreibt den Kampf Ramses’ III. (20. Dynastie) in seinem achten Regierungsjahr gegen eine über Land und See angreifende Koalition von Völkern, die sich in Amurru zum Heereszug gegen Ägypten vereinigt hatten:

„Es wurde ein Lager aufgeschlagen an einem Ort im Inneren von Amurru. Sie vernichteten seine Leute und sein Land, als sei es nie gewesen. Sie kamen nun, indem die Flamme vor ihnen bereitet war, vorwärts gegen Ägypten, ihre Zwingburg (?). Die plst, ṯkr, šklš, dnjn und wšš, verbündete Länder, legten ihre Hände auf alle Länder bis ans Ende der Welt; ihre Herzen waren zuversichtlich und vertrauensvoll: Unsere Pläne gelingen.“[4]

Medinet Habu Ramses III. Tempel Erster Hof 11.jpg
Medinet Habu Ramses III. Tempel Erster Hof (Lepsius) 01.jpg
Erwähnung der Schekelesch im Totentempel Ramses’ III., ober- und unterhalb des ausgestreckten Arms Pharao Ramses’ III. (Original und Umzeichnung nach Richard Lepsius)

Eine weitere Erwähnung der Šekeleš erfolgt auf der linken Vorderseite des genannten Pylons in Medinet Habu. Die Darstellung zeigt Ramses III. bei der Darbietung von Gefangenen vor den Göttern Amun und Mut. In der dritten und vierten der Kolumnen zwischen dem Pharao und den Göttern steht:

„Mein starker Arm hat [diejenigen] niedergeworfen, die kamen, um sich zu erheben: Die plst, die dnjn und die šklš.“

Die Besiegten hinter Ramses III., aufgereiht in drei Registern, tragen ausnahmslos einen „Federhelm“ als Kopfbedeckung und einen bis oberhalb des Knies reichenden Schurz. Während die mittlere Gruppe der Gefangenen durch die über ihr angeordnete Beischrift als dnjn und die untere als plst kenntlich gemacht sind, fehlt diese Zuordnung im oberen Register. Die Inschrift oberhalb der ersten Gruppe besteht lediglich aus einer allgemeinen Huldigung seitens der „Anführer jedes Landes“ an den siegreichen Pharao und die Bitte um Atem und Leben.[5]

Deutungen

Der Ägyptologe und Philologe Emmanuel de Rougé vermutete 1867 aufgrund lautlicher Ähnlichkeit eine Herkunft der Šekeleš von Sizilien. Dem schloss sich François Chabas 1872 an. In Frage gestellt wurde dies 1873 durch Gaston Maspero, der in seiner „Anatolischen These“ zur Heimat der Seevölker die Šekeleš mit Sagalassos, einer antiken Stadt in Pisidien, verband. Der Ägyptologe und Historiker Henry R. Hall übernahm die Identifizierung Masperos und fasste den Forschungsstand zu den Seevölkern 1922 in einer Gedenkschrift für Jean-François Champollion zusammen.[6]

In seiner Geschichte des Altertums sprach Eduard Meyer 1928 die Möglichkeit wie auch die Unsicherheit bezüglich der Gleichsetzung der Šekeleš mit den sizilianischen Sikelern an, die zur Zeit der Seevölkerkriege noch in Unteritalien ansässig gewesen seien.[7] Auch Rainer Stadelmann sieht eine Verbindung zum westlichen Mittelmeer, wenn er 1968 davon ausgeht, dass die Šekeleš dort eine neue Heimat fanden, von wo aus sie den Handelsverkehr über den Seeweg nach Osten zu den zurückgebliebenen Stämmen mitbestimmten, bis ihn die Phönizier übernahmen.[8] Die mögliche Verbindung zu Sizilien ist nach wie vor strittig, da nicht klar ist, ob die Šekeleš schon vor den Seevölkerkriegen dort lebten oder eine Zuwanderung erst in späterer Zeit erfolgte.[3]

Kulturkreise am östlichen Mittelmeer um 1220 v. Chr.

In Bezugnahme auf eine These Gustav A. Lehmanns aus den 1970er Jahren, der als Auslöser der Migrationsbewegung der Seevölker die adriatischen Gebiete vermutete, nahm Fritz Schachermeyr 1982 an, dass die Šekeleš aus Illyrien stammen könnten und von dort in die Levante migrierten.[9] Aus sprachlichen Gründen schloss auch der Ägyptologe und Althistoriker Peter W. Haider in seiner 1988 erschienenen Dissertation Griechenland – Nordafrika eine Lokalisierung an der dalmatinischen Küste nicht aus, verwies jedoch auf die materiellen Güter und das gemeinsame Auftreten mit anderen ägäischen Stämmen, was für eine Ansetzung der Šekeleš im ägäischen Raum spräche, möglicherweise an der kleinasiatischen Küste.[10]

Nach der von Wolfgang Helck vertretenen Annahme, dass es sich bei den Darstellungen der Hörnerhelmträger im Relief der Seeschlacht von Medinet Habu um Šekeleš handele,[11][12] versuchte Edward Noort 1994 in seinem Buch Die Seevölker in Palästina die Ikonografie der einzelnen Seevölkergruppen herauszuarbeiten. Er kam zu dem Schluss, dass es sich sowohl bei den Hörnerhelmträgern mit Knauf (Scheibe auf der Mitte des Helmes), wie auch denen ohne Knauf um Schardana handeln müsse.[13] Für die Šekeleš (šklš) nahm er die Möglichkeit an, dass diese im oberen Register der Darbietung vor den Göttern Amun und Mut am zweiten Pylon des Totentempels Ramses’ III. dargestellt seien und damit wie die dnjn, plst und ṯkr einen Federhelm trugen.[5]

Mitunter werden die Šekeleš mit den Šikaläern (Keilschrift: ši-ka-la-(iu)-u = Šikalaju, „Leute von Šikala“[14]) gleichgesetzt, die in einem Brief des letzten bezeugten hethitischen Großkönigs Šuppiluliuma II. an den Gouverneur von Ugarit (sogenannter Lunadušu-Brief aus Ras Shamra) als „die auf Schiffen leben/wohnen“ Erwähnung finden.[3] Dort verlangt der König die Übersendung eines Lunadūšu (auch Ibnadūšu), den die „Leute von Šikala“ gefangen genommen hatten.[15][16] Er wolle diesen über Šikala ausfragen, was dafür spricht, dass Šikala bei den Hethitern bis dahin ungenügend bekannt war. Der Hinweis, dass die Šikaläer auf Schiffen leben, wurde oft dahingehend interpretiert, dass es sich um eine Seeräubergruppe handelte.[15] Der historische Linguist Paolo Poccetti sieht in der Erwähnung in dem Brief eine direkte Verbindung nach Sizilien (siehe oben), in deren Bezeichnung auch der Name der Insel (vermutlich ši-ka-la) stecke. Demnach wurden mit Šekeleš bzw. ši-ka-la-(iu)-u Leute aus Sizilien bezeichnet.[17] Eine Gleichsetzung der Šikaläer erfolgt auch mit dem Seevolk der Tjeker (ṯkr),[15][18] die mit den Šekeleš nicht identisch sein können, da beide auf der rechten Seite des zweiten Pylons des Totentempels Ramses’ III. in einer Aufzählung nebeneinander genannt sind.

Teilweise wird vertreten, dass es sich bei den Šekeleš der ägyptischen Quellen um Piraten von den griechischen Inseln, Zypern oder dem griechischen Festland handelte. Mykenische und zypro-mykenische Funde in Palästina sind vermutlich eher auf mykenische Händler zurückzuführen, wenn auch nicht auszuschließen ist, dass es Abenteurern gelegentlich kurzfristig gelang, die Herrschaft in der ein oder anderen Küstenstadt an sich zu reißen. Eindeutige archäologische Belege für größere Bevölkerungsbewegungen („Seevölkersturm“) liegen jedenfalls nicht vor.

Literatur

  • Harry Reginald Holland Hall: The oldest civilisation of Greece: studies of the Mycenaean Age. Nutt, London 1901/ Lippincott, Philadelphia 1901.
  • Heike Sternberg-el Hotabi: Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III. (= Archäologie, Inschriften und Denkmäler Altägyptens. Band 2). Leidorf, Rahden 2012, ISBN 978-3-86757-532-4.
  • Abraham Malamat: The Egyptian decline in Canaan and the Sea-Peoples; The Period of the Judges. Massadah Publishing, Tel-Aviv 1971.
  • Edward Noort: Die Seevölker in Palästina. (= Palaestina antiqua. Neue Serie, Band 8). Kok Pharos, Kampen 1994, ISBN 90-390-0012-3
  • N. K. Sandars: The sea peoples, warriors of the ancient Mediterranean 1250—1150 BC. Thames & Hudson, London 1985, ISBN 0-500-27387-1.
  • Ephraim Stern: Dor: Ruler of the Seas: nineteen years of excavations in the Israelite-Phoenician Harbor Town of the Carmel coast. Israel Exploration Society, Jerusalem 2000, ISBN 965-221-042-0.
  • Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-51693-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Frederik Christiaan Woudhuizen: The Ethnicity of the Sea Peoples. Erasmus Universiteit, Rotterdam 2006, A Historiographic Outline, S. 36 (Digitalisat [abgerufen am 13. April 2016]).
  2. Heike Sternberg-el Hotabi: Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III. Rahden 2012, S. 19–22.
  3. a b c Heike Sternberg-el Hotabi: Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III. Rahden 2012, S. 49.
  4. Edward Noort: Die Seevölker in Palästina. Kampen 1994, S. 56–57 (Digitalisat [abgerufen am 10. April 2016]).
  5. a b Edward Noort: Die Seevölker in Palästina. Kampen 1994, S. 74–77 (Digitalisat [abgerufen am 14. April 2016]).
  6. Heike Sternberg-el Hotabi: Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III. Rahden 2012, S. 37–38.
  7. Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. 4. Auflage. Zweiter Band. Erste Abteilung: Die Zeit der ägyptischen Großmacht.. Darmstadt 1965, Die großen Wanderungen. Ausgang der mykenischen Zeit, Ende des Chetiterreichs und Niedergang Ägyptens: Die Seevölker und die ethnographischen Probleme. Tyrsener und Achaeer, S. 556–558 (Digitalisat [abgerufen am 14. April 2016]).
  8. Rainer Stadelmann: Die Abwehr der Seevölker unter Ramses III. (= Saeculum. Band 19). Alber, 1968, ISSN 0080-5319, S. 171 (Digitalisat [PDF; abgerufen am 14. April 2016]).
  9. Fritz Schachermeyr: Die Levante im Zeitalter der Wanderungen: vom 13. bis zum 11. Jahrhundert v. Chr. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1982.
  10. Heike Sternberg-el Hotabi: Der Kampf der Seevölker gegen Pharao Ramses III. Rahden 2012, S. 39–41.
  11. Wolfgang Helck: Lexikon der Ägyptologie. Band V. Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1984, ISBN 3-447-02489-5, S. 818 (online [abgerufen am 28. Juli 2015]).
  12. Jürgen Osing: Notizen zu den Seevölkern. In: Nicole Kloth, Karl Martin, Eva Pardey (Hrsg.): Es werde niedergelegt als Schriftstück: Festschrift für Hartwig Altenmüller zum 65. Geburtstag. Buske, Hamburg 2003, ISBN 3-87548-341-3, S. 319 (Digitalisat [abgerufen am 14. April 2016]).
  13. Edward Noort: Die Seevölker in Palästina. Kampen 1994, S. 94 (Digitalisat [abgerufen am 14. April 2016]).
  14. Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament. Göttingen 2010, S. 208, Anmerkung 50.
  15. a b c Edward Noort: Die Seevölker in Palästina. Kampen 1994, S. 85.
  16. Manfred Weippert: Historisches Textbuch zum Alten Testament. Göttingen 2010, Philister und andere „Seevölker“, S. 208 (Digitalisat [abgerufen am 15. April 2016]).
  17. Paolo Pocetti: Language Relations in Sicily. Evidence forf the speech of the Σικανοί, the ΣικΕλοί and others. In: Olga Tribulato (Hrsg.): Language and Linguistic Contact in Ancient Sicily. Cambridge University Press, S. 51.
  18. Edward Noort: Die Seevölker in Palästina. Kampen 1994, S. 102.