ABAP

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
ABAP
Paradigmen: 4GL (Fourth Generation Language)
Erscheinungsjahr: 1983
Entwickler: SAP SE
Aktuelle Version: 7.56[1]  (10. Dezember 2021)
Beeinflusst von: COBOL
Betriebssystem: Windows, Unix/Linux, u. v. m.
Lizenz: proprietär
www.sap.com

ABAP ist eine proprietäre Programmiersprache der Softwarefirma SAP, die für die Programmierung kommerzieller Anwendungen im SAP-Umfeld entwickelt wurde und in ihrer Grundstruktur der Programmiersprache COBOL entfernt ähnelt.

Ursprünglich stand die Abkürzung für „Allgemeiner Berichtsaufbereitungsprozessor“, da mit dieser Sprache nur Auswertungen (Reports) programmiert wurden, aber keine Datenbankveränderungen vorgenommen werden konnten. Im Zuge der Weiterentwicklungen der Sprache steht die Abkürzung nun für „Advanced Business Application Programming“. Der Sprachumfang ist nicht fest definiert und wurde in der Vergangenheit immer wieder erweitert, z. B. um die objektorientierten Sprachbefehle von ABAP Objects.

Seit 1990 basieren alle SAP-R/3-Module auf ABAP, das aus dem Vorgänger SAP R/2 übernommen wurde. Seit der Einführung von SAP NetWeaver bietet die SAP neben ABAP auch eine Ablauf- und Programmierumgebung für Java, und dementsprechend einen ABAP-basierten und einen Java-basierten Applikationsserver an (siehe SAP NetWeaver Application Server).

Eigenschaften

ABAP ist eine 4GL-Sprache, die speziell für die Massendatenverarbeitung in kommerziellen Anwendungen entwickelt wurde, und bietet u. a. folgende Vorteile gegenüber elementareren Sprachen, in denen solche Funktionen in Bibliotheken liegen:

  • als Open SQL in die Sprache integrierter Datenbankzugriff
  • in die ABAP-Laufzeitumgebung integrierte Performance-Optimierung von Datenbankzugriffen über die SAP-Pufferung
  • interne Tabellen für die dynamische Speicherung und Bearbeitung von tabellarischen Massendaten im Arbeitsspeicher
  • in die ABAP-Laufzeitumgebung integriertes Konzept des Online Transaction Processing (OLTP), bei dem viele Benutzer gleichzeitig auf die zentrale Datenbank zugreifen
  • in die Sprache integrierte Schnittstelle zu anderen Programmierumgebungen über Remote Function Call
  • in die Sprache integrierte Schnittstelle zu XML.

Die Integration solcher Funktionen in die Sprache ist im Wesentlichen vorteilhaft für die statische Überprüfbarkeit und die Ausführungsgeschwindigkeit von Programmen. Im Gegenzug enthält ABAP dadurch auch wesentlich mehr Sprachelemente als andere Programmiersprachen.

ABAP unterstützt ein auf Unterprogrammen und Funktionsbausteinen basierendes, prozedurales und ab Release 6.10 ein auf Klassen und Interfaces basierendes, objektorientiertes Programmiermodell. Beide Modelle sind interoperabel.

Abwärtskompatibilität

SAP betreibt bei der Entwicklung von ABAP das Prinzip der Abwärtskompatibilität. Wird eine ABAP-Anweisung durch eine neuere (z. B. performantere) Anweisung ersetzt, so verliert die alte Anweisung nicht ihre Gültigkeit oder Funktion. Da die alten Anweisungen neben den neuen Anweisungen weiter existieren, ergibt sich dadurch ein sehr umfangreicher Sprachumfang. Alte Sprachelemente sollen zwar nicht mehr eingesetzt werden, jedoch ist der Einsatz durchaus möglich. Lediglich bei der Verwendung von ABAP OO (ABAP Objects) können einige alte Bestandteile nicht mehr eingesetzt werden.

Der Vorteil ist, dass die bisherigen Entwicklungen und Kundenanpassungen funktionsfähig bleiben und deren Verhalten sich nicht ändert. Entwicklungen müssen nicht überarbeitet werden. Der Nachteil ist jedoch, dass Entwickler oft noch zu alten Komponenten greifen, obwohl neuere und effektivere (performantere) Sprachbestandteile vorhanden sind. Für Sprachneulinge bedeutet dies, dass sowohl die alten als auch die neuen Bestandteile erlernt werden müssen. Außerdem erhöht sich damit die Komplexität und der Sprachumfang.

Alte und neue Bestandteile können auch kombiniert werden, so können in objektorientiertem Coding (Programmcode) auch prozedurale Elemente verwendet werden, gleichzeitig ist auch die Verwendung objektorientierter Elemente in prozeduralem Coding möglich. Durch die gezielte Kombination neuer und alter Bestandteile kann die Mächtigkeit der Sprache erhöht werden.

ABAP Workbench

Das Besondere an der Programmierung in ABAP ist, dass die Entwickler keine Textdateien auf ihrem Laptop editieren und dann auf einen Versionskontrollserver hochladen, sondern alle direkt auf dem ABAP-Server programmieren. Als Entwicklungsumgebung dient dabei entweder im SAP GUI die ABAP Workbench (Transaktion SE80) oder das Eclipse-Plugin ADT („ABAP Development Tools“), welches 2012 eingeführt wurde.

Um in großen Projekte mit manchmal hunderten Entwicklern immer ein lauffähiges System zu gewährleisten gibt es zwei Mechanismen: Erstens wird geändertes Coding zuerst inaktiv gespeichert (was bereits einen Syntax-Check erlaubt) und kann erst ausgeführt werden, wenn es aktiviert ist. Zweitens wird auf einem separaten Entwicklungsserver programmiert und die geänderten Objekte (sowohl geändertes Coding als auch beispielsweise geänderte Datenbanktabellen) werden in sogenannten Transportaufträgen erfasst, welche bei Freigabe auf das Dateisystem exportiert werden und in Folgesysteme (also das Test-System und dann das Produktiv-System) importiert werden können.

Eine Besonderheit in der ABAP-Workbench ist die sogenannte „Vorwärtsnavigation“: Ein Doppelklick auf einen Tabellennamen oder Datentyp führt zur Definition der Datenbanktabelle im ABAP-Dictionary, ein Doppelklick auf einen Funktions-, Methoden- oder Klassennamen führt dorthin und ein Doppelklick auf einen Variablennamen führt zur Definition der Variable. Falls das verwendete Objekt noch nicht existiert, kann es so auch – nach Nachfrage – angelegt werden.

Testgetriebene Entwicklung, Syntax-Highlighting und Code Completion werden in aktuellen Releases der ABAP Workbench gleichermaßen unterstützt wie von den ABAP Development Tools in Eclipse, aber der Fokus der Weiterentwicklung liegt auf ADT. So bieten die ADT eine bessere Refactoring-Funktionalität, die in der klassischen ABAP Workbench erst ansatzweise vorhanden ist und voraussichtlich auch nicht mehr erweitert wird.

Damit auch Werkzeuge der klassischen ABAP Workbench wie z. B. SE11 (ABAP Dictionary) weiterhin verwendet werden können, gibt es die Möglichkeit, diese Transaktionen über ein integriertes SAP GUI innerhalb von Eclipse aufzurufen.

Codebeispiel

Das nachfolgende Programm gibt den Inhalt der Tabelle TSTCT (enthält Texte zu SAP-Transaktionscodes) in einer einfachen Liste aus.

Report RSTSTCT1.
Tables: TSTCT.

Select * from TSTCT where SPRSL = SY-LANGU.
  Write: / TSTCT-SPRSL, TSTCT-TCODE, TSTCT-TTEXT.
Endselect.

Codebeispiel für R/3 Versionen ≥ 4.7 SR 1

Das nachfolgende Programm gibt den Inhalt der Tabelle TSTC (enthält SAP-Transaktionscodes) über den ABAP List Viewer aus.

  REPORT ztest.

  CLASS demo DEFINITION.
    PUBLIC SECTION.
      CLASS-METHODS main.
  ENDCLASS.

  CLASS demo IMPLEMENTATION.
    METHOD main.
      DATA tstc_tab TYPE STANDARD TABLE OF tstc WITH NON-UNIQUE DEFAULT KEY.
      DATA alv   TYPE REF TO cl_salv_table.
      DATA exc   TYPE REF TO cx_salv_msg.
      SELECT *
        FROM tstc
        INTO TABLE tstc_tab.
      TRY.
        cl_salv_table=>factory(
          IMPORTING r_salv_table = alv
          CHANGING t_table = tstc_tab ).
        alv->display( ).
      CATCH cx_salv_msg into exc.
          MESSAGE exc TYPE 'I'
              DISPLAY LIKE 'E'.
      ENDTRY.
    ENDMETHOD.
  ENDCLASS.

  START-OF-SELECTION.
    demo=>main( ).
  • REPORT ztest. Beschreibt den Typ (REPORT) und den Namen (ztest) des Programms. Der Name richtet sich nach den Namensraumkonventionen, die besagen, dass kundeneigene (also nicht von SAP stammende) Programme im Kundennamensraum (Z* und Y*) oder in einem reservierten Namensraum (haben als erstes und letztes Zeichen einen Schrägstrich) liegen müssen.[2]
  • CLASS demo DEFINITION … ENDCLASS. Deklarationsteil einer Klasse demo.
  • CLASS-METHODS main. Deklaration einer statischen Methode main.
  • CLASS demo IMPLEMENTATION … ENDCLASS. Implementierungsteil einer Klasse demo mit Methodenimplementierung METHOD … ENDMETHOD
  • DATA tstc_tab TYPE STANDARD TABLE OF tstc WITH NON-UNIQUE DEFAULT KEY. Diese Anweisung definiert eine interne Tabelle tstc_tab vom Typ Standardtabelle, deren Zeilentyp die Struktur einer Zeile der Datenbanktabelle TSTC hat.
  • DATA alv TYPE REF TO cl_salv_table. Diese Anweisung definiert eine Referenzvariable für ein List-Viewer-Objekt.
  • DATA exc TYPE REF TO cx_salv_msg. Diese Anweisung definiert eine Referenzvariable für ein Ausnahmeobjekt.
  • SELECT * FROM tstc INTO TABLE tstc_tab. Diese Anweisung liest alle Daten der Datenbanktabelle tstc in die interne Tabelle tstc_tab. Der Stern indiziert, dass alle Spalten der Datenbanktabelle in die interne Tabelle geschrieben werden sollen.
  • TRY … CATCH … ENDTRY. Ausnahmebehandlung (Verfügbar ab Version 4.7 SR1).
  • cl_salv_table=>factory( … ). Erzeugung eines List-Viewers für die interne Tabelle.
  • alv->display( ). Aufruf der Methode display des List-Viewers.
  • START-OF-SELECTION. Einleitung eines Ereignisblockes (dient hier als Einstiegspunkt)
  • demo=>main( )Aufruf der Methode main der Klasse demo.

ABAP Objects

Unter ABAP Objects versteht man die objektorientierten Erweiterungen der Programmiersprache ABAP. Sie implementiert sämtliche Elemente der objektorientierten Programmierung (OOP) mit Ausnahme von Mehrfachvererbung und dem Überladen von Methoden. Interfaces sowie optionale Parameter werden unterstützt. Mit speziellen RTTI-Klassen ist auch reflexive Programmierung möglich, ab der Version 6.40 sogar (eingeschränkt) die dynamische Erzeugung neuer Typen.

ABAP Objects ist ab SAP Release 4.6 verfügbar und wird seitdem beständig weiterentwickelt und z. B. durch Object-Services ergänzt. Die objektorientierten Sprachelemente sind Voraussetzung für die Entwicklung von modernen Benutzeroberflächen mit Controls sowie für die Realisierung von Webanwendungen und XML-Services in ABAP. Große Teile der ABAP Workbench selbst sind objektorientiert in ABAP Objects implementiert.

ABAP Objects schränkt den Sprachumfang von „klassischem“ ABAP in einigen Punkten ein. So sind zum Beispiel interne Tabellen mit Kopfzeilen im Kontext von ABAP Objects nicht mehr erlaubt.

Web Dynpro

Seit SAP NetWeaver 7.0 gibt es mit WebDynpro für ABAP auch die Möglichkeit, Web-Applikationen in ABAP zu entwickeln. WebDynpro ABAP basiert auf der Web-Dynpro-Technologie. Ursprünglich wollte SAP diese Technologie nur für die Programmiersprache Java (ab NetWeaver 6.40) zur Verfügung stellen. Aufgrund von Kundenanfragen (fehlendes Java-Know-how bei ABAP-Entwicklern bzw. fehlendes SAP-Know-how bei Java-Entwicklern) entschied sich SAP, diese Technologie in ABAP zu integrieren.

Kritik

Allgemein

Die Vielzahl der möglichen ABAP-Anweisungen und ihrer Varianten führt allgemein zu einem schwerer verständlichen Quellcode als in anderen gängigen Programmiersprachen. Die vorhandene Vielfalt der ABAP-Anweisungen resultiert aus der Abwärtskompatibilität.

  • Zuweisungen: So existiert zum Beispiel neben einer traditionellen Form der Zuweisung „variable = 18.“ auch die cobol-ähnliche Notation „MOVE 18 TO variable“. Auch für andere Aufgaben gibt es mehrere mögliche Notationen.
  • Signifikanz von Leerzeichen: Unterschied zwischen '+' und ' +' (Plus und Blank-Plus)
Beispiel: DATA myvar(3) TYPE N VALUE '123'..
'myvar+1' (ohne Leerzeichen) ergibt '23' (Offset einer Zeichenkette), 'myvar + 1' (mit Leerzeichen) ergibt '124' (Addition).
Diese ähnliche Schreibweise für sehr unterschiedlich wirkende Operationen ist eine potenzielle Fehlerquelle.

Vor Release 7.1 / 7.02

Insbesondere vor Release 7.1 sind Details erkennbar, die den Umgang mit der Sprache erschweren.

  • Ausdrücke wurden nur bei Zuweisung zu einer Variablen ausgewertet, aber weder in einer IF-Bedingung noch in einer WRITE-Anweisung noch bei der Parameterübergabe an eine Funktion.
Beispiel: IF A * B < 15. muss ersetzt werden durch DATA C TYPE xxx. C = A * B. IF C < 15..
  • Das Ergebnis eines Funktionsaufrufes ist nicht unmittelbar in einem Ausdruck verwendbar.

Seit Release 7.1 / 7.02

Mit Netweaver 7.1 sind eine Reihe von Vereinfachungen der Sprache, insbesondere verkettete Ausdrücke, verfügbar. Diese Änderungen wurden später in das Enhancement Package 2 (7.02) für Release 7.0 herunterportiert.

Beispiel: IF A * B < 15.
Beispiel: IF X->NEXT( )->NEXT( )->GET_RESULT( Y->GET_TYPE( ) ) > 20.

Seit Release 7.40

Seit Netweaver 7.40 ist es möglich, viele Schreibweisen, die vorher nur als vollständige Anweisungen möglich waren, als Ausdrücke an Operandenpositionen zu notieren.
Beispiel vorher:   DATA oref TYPE REF TO class.  CREATE OBJECT oref TYPE class EXPORTING p = 222.
Beispiel ab Release 7.40:   DATA(oref) = NEW class( 222 ).

Literatur

  • Horst Keller: ABAP, Die offizielle Referenz. Rheinwerk 2016, ISBN 978-3-8362-4109-0.
  • Horst Keller: ABAP-Schnellreferenz. Galileo Press, 2005, ISBN 3-89842-680-7.
  • Sascha Krüger, Jörg Seelmann-Eggebert: ABAP Best Practices. Galileo Press, 2005, ISBN 3-89842-354-9.
  • Horst Keller, Sascha Krüger: ABAP Objects – ABAP-Programmierung mit SAP NetWeaver. Galileo Press, 2006, ISBN 3-89842-358-1.
  • Horst Keller, Wolf Hagen Thümmel: ABAP-Programmierichtlinien. Galileo Press, 2009, ISBN 978-3-8362-1286-1.
  • Andreas Wiegenstein, Markus Schumacher, Sebastian Schinzel, Frederik Weidemann: Sichere ABAP-Programmierung. Galileo Press, 2009, ISBN 978-3-8362-1357-8.
  • Hermann Gahm: ABAP Performance Tuning Galileo Press, 2009, ISBN 978-3-8362-1211-3.
  • Bernd Matzke: ABAP / 4. Addison – Wesley, ISBN 3-8273-1372-4.
  • Stephan Kaleske: Query-Reporting mit SAP ERP. Galileo-Press, Bonn 2009, ISBN 978-3-8362-1433-9 (SAP PRESS).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ABAP — Release-Specific Changes: Changes in Releases 7.5x
  2. ABAP Namensräume und Namenskonventionen (Memento vom 1. April 2013 im Internet Archive) – (PDF; 245 kB).