AGS JH23

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Der AGS JH23 war ein Formel-1-Rennwagen des provençalischen Teams Automobiles Gonfaronnaises Sportives (AGS), der in der Formel-1-Saison 1988 eingesetzt wurde. Er war – abgesehen vom kurzlebigen JH27 – der letzte Formel-1-Wagen, den Christian Vanderpleyn für AGS konstruierte. 1989 erschien das Auto zu einigen Rennen unter der Bezeichnung JH23B. Beide Versionen kamen nur selten ins Ziel; im zweiten Jahr konnte das Team allerdings mit dem JH23B einen Weltmeisterschaftspunkt einfahren. Philippe Streiff verunglückte im März 1989 bei Testfahrten in einem JH23B schwer.

Technik

Christian Vanderpleyn konstruierte den JH23 im Herbst 1988; Anfang 1989 wurde das erste Auto unter seiner Leitung aufgebaut. Vanderpleyn betreute das Team bis August 1988; dann wechselte er nach mehr als dreißigjähriger Betriebszugehörigkeit zusammen mit einigen Mechanikern zu Coloni. Seine Nachfolger bei AGS wurden Christophe Coquet und Claude Galopin, die von Martini bzw. der Équipe Ligier kamen.

Mit dem JH23 löste sich AGS von den veralteten Renault-Strukturen, die die Vorgängermodelle JH21C und JH22 geprägt hatten. Monocoque, Aufhängung und Kraftübertragung waren vollständig neu konstruiert worden und folgten zeitgemäßen Linien.[1] Einige Quellen berichten, dass Vanderpleyn für den JH23 kein einziges Teil von den alten Wagen übernommen habe;[2][3] andere meinen, dass die hinteren Achsschenkel nach wie vor auf den Renault RE60 zurückzuführen seien.[4]

Der JH23 war mit einem Radstand von 2680 mm neben dem Minardi M188 das kompakteste Auto des Starterfeldes.[5] Allerdings war der JH23 ein schweres Auto: Sein Übergewicht belief sich zu Saisonbeginn auf mehr als 25 Kilogramm.[4]

Die Aerodynamik war neu gestaltet worden und wurde von Beobachtern als „effektiv“ angesehen.[3] Durch das Fehlen einer Lufthutze wirkte der JH23 zudem sehr niedrig; der Überrollbügel ragte weit über die Motorabdeckung hinaus. Der Überrollbügel sollte sich später als problematisch erweisen. Er bestand aus Metallrohren und war nicht unmittelbar mit dem Monocoque verbunden; vielmehr war er lediglich nachträglich angeschweißt worden. Diese Form der Anbringung schränkte seine Belastbarkeit ein. Als Streiff im März 1989 bei Testfahrten in Rio de Janeiro mit dem JH23B verunglückte, brach der Überrollbügel nach einem Überschlag ab und konnte Streiffs Kopf nicht sicher vor Verletzungen schützen.

Angetrieben wurde der JH23 in seiner ursprünglichen Version (1988) von einem Cosworth-DFZ-Achtzylindermotor; 1989 stellte das Team nominell auf leistungsstärkere Triebwerke vom Typ DFR um; einige Quellen gehen allerdings davon aus, dass im JH23B tatsächlich weiterhin die DFZ-Motoren des Vorjahres verwendet wurden. In beiden Jahren wurden die Motoren von Heini Mader Racing Components in der Schweiz vorbereitet.

Nach Einschätzung Streiffs hatte der JH23 erhebliches Entwicklungspotential. Das Handling des Wagens war besser als bei seinen Vorgängern.[3] AGS konnte sich allerdings angesichts eines stark begrenzten Budgets[6] nur geringe Entwicklungsarbeit leisten:[7] Es gab zwar gelegentlich neue Heck-[8] und Frontflügel[9] oder Unterböden, grundlegende konstruktive Änderungen vollzog das Team im Laufe der Saison 1988 dagegen nicht.

AGS stellte 1988 drei Exemplare her (Fahrgestellnummern 034, 035 und 036). Fahrzeug Nr. 034 wurde in den ersten drei Rennen des Jahres eingesetzt, Fahrzeug Nr. 035 vom Großen Preis von Mexiko bis zum Großen Preis von Belgien, und Fahrzeug Nr. 036 fand in den letzten fünf Rennen des Jahres Verwendung.[10] Eines der drei Fahrzeuge wurde bei Streiffs Unfall irreparabel zerstört; die verbleibenden zwei Exemplare wurden bis zum Sommer 1989 weiter verwendet.

Renneinsätze

1988

1988 setzte AGS lediglich ein Auto ein. Fahrer war bei allen Großen Preisen Philippe Streiff. In allen 16 Rennen gelang ihm die Qualifikation; Startplätze unter den ersten 20 waren der Regelfall. Das beste Qualifikationsergebnis erzielte Streiff beim Großen Preis von Kanada, wo er mit 3,2 Sekunden Rückstand auf die Pole-Zeit von Ayrton Senna im McLaren vor dem Williams von Riccardo Patrese den 10. Startplatz einnahm. Im folgenden Rennen in Detroit ging er als Elfter ins Rennen und in Monaco als Zwölfter. Allerdings ließen sich diese Qualifikationen nicht in zählbare Ergebnisse umsetzen. Streiff konnte nur fünf Rennen beenden, wobei der achte Platz beim Großen Preis von Japan das beste Ergebnis war. Viele der elf Ausfälle waren auf technische Defekte zurückzuführen: Mehrfach brach die Aufhängung, in Großbritannien fiel im Rennen der Heckflügel ab. Dabei verlor AGS auch Positionen in den Punkterängen, so etwa in Kanada: Hier lag Streiff an fünfter Stelle, als die Aufhängung brach. Das Team beendete die Saison 1988 ohne Weltmeisterschaftspunkte.

1989

Verunglückte im März 1989 mit dem AGS JH23B: Philippe Streiff

1989 trat AGS erstmals mit zwei Fahrern an. Für die vierte Saison des Teams war die Entwicklung eines neuen Autos vorgesehen. Angesichts knapper Ressourcen verzögerte sich die Fertigstellung des von Claude Galopin konstruierten JH24 allerdings bis zum Sommer 1989. Bis dahin setzte das Team daher den zum B-Modell weiterentwickelten JH23 ein. Fahrer waren Gabriele Tarquini, der ab dem zweiten Saisonrennen den verunglückten Streiff ersetzte, sowie Joachim Winkelhock. Der deutsche Formel-1-Debütant unterlag der Vorqualifikation, an der er in allen sieben Rennen, zu denen er antrat, scheiterte. Tarquini dagegen war von der Vorqualifikation befreit und konnte bis zum Großen Preis von Frankreich an jedem Rennen teilnehmen. Bei sechs Anläufen kam er dreimal ins Ziel und erreichte mit dem sechsten Platz beim Großen Preis von Mexiko den zweiten (und letzten) Weltmeisterschaftspunkt für das französische Team.

Ab August 1989 ersetzte der JH24 den JH23B, anfänglich allerdings nur für Gabriele Tarquini, später – ab dem Großen Preis von Belgien – auch für Yannick Dalmas, der den erfolglosen Winkelhock für die zweite Saisonhälfte ersetzte. Mit dem neuen Modell begann der Abstieg für AGS: Der JH24 konnte sich 1989 zu keinem Rennen, für das er gemeldet war, qualifizieren.

Rennergebnisse

1988: AGS JH23 - Cosworth DFZ V8

Fahrer Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Punkte Rang
Formel-1-Saison 1988 Flag of Brazil (1968-1992).svg Flag of San Marino (1862–2011).svg Flag of Monaco.svg Flag of Mexico.svg Datei:Flag of Canada.svg Datei:Flag of the United States.svg Datei:Flag of France.svg Datei:Flag of the United Kingdom.svg Flag of Germany.svg Civil Ensign of Hungary.svg Flag of Belgium (civil).svg Flag of Italy.svg Flag of Portugal.svg Datei:Flag of Spain.svg Datei:Flag of Japan.svg Datei:Flag of Australia.svg 0 -
FrankreichFrankreich P. Streiff 14 DNF 10 DNF 12 DNF DNF DNF DNF DNF DNF 10 DNF 9 DNF 8 11
Legende
Farbe Abkürzung Bedeutung
Gold Sieg
Silber 2. Platz
Bronze 3. Platz
Grün Platzierung in den Punkten
Blau Klassifiziert außerhalb der Punkteränge
Violett DNF Rennen nicht beendet (did not finish)
NC nicht klassifiziert (not classified)
Rot DNQ nicht qualifiziert (did not qualify)
DNPQ in Vorqualifikation gescheitert (did not pre-qualify)
Schwarz DSQ disqualifiziert (disqualified)
Weiß DNS nicht am Start (did not start)
WD zurückgezogen (withdrawn)
Hellblau PO nur am Training teilgenommen (practiced only)
TD Freitags-Testfahrer (test driver)
ohne DNP nicht am Training teilgenommen (did not practice)
INJ verletzt oder krank (injured)
EX ausgeschlossen (excluded)
DNA nicht erschienen (did not arrive)
C Rennen abgesagt (cancelled)
  keine WM-Teilnahme
sonstige P/fett Pole-Position
1/2/3/4/5/6/7/8 Punktplatzierung im Sprint-/Qualifikationsrennen
SR/kursiv Schnellste Rennrunde
* nicht im Ziel, aufgrund der zurückgelegten
Distanz aber gewertet
() Streichresultate
unterstrichen Führender in der Gesamtwertung

1989: AGS JH23B - Cosworth DFR V8

Fahrer Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Punkte Rang
Formel-1-Saison 1989 Flag of Brazil (1968-1992).svg Datei:Flag of San Marino (1862–2011).svg Datei:Flag of Monaco.svg Datei:Flag of Mexico.svg Datei:Flag of the United States.svg Datei:Flag of Canada.svg Datei:Flag of France.svg Flag of the United Kingdom.svg Flag of Germany.svg Datei:Civil Ensign of Hungary.svg Datei:Flag of Belgium (civil).svg Datei:Flag of Italy.svg Datei:Flag of Portugal.svg Datei:Flag of Spain.svg Datei:Flag of Japan.svg Datei:Flag of Australia.svg 1 15.
Italien G. Tarquini 40 8 DNF 6 7 DNF DNF
Deutschland J. Winkelhock 41 DNPQ DNPQ DNPQ DNPQ DNPQ DNPQ DNPQ
FrankreichFrankreich Yannick Dalmas DNPQ DNPQ DNPQ
Legende
Farbe Abkürzung Bedeutung
Gold Sieg
Silber 2. Platz
Bronze 3. Platz
Grün Platzierung in den Punkten
Blau Klassifiziert außerhalb der Punkteränge
Violett DNF Rennen nicht beendet (did not finish)
NC nicht klassifiziert (not classified)
Rot DNQ nicht qualifiziert (did not qualify)
DNPQ in Vorqualifikation gescheitert (did not pre-qualify)
Schwarz DSQ disqualifiziert (disqualified)
Weiß DNS nicht am Start (did not start)
WD zurückgezogen (withdrawn)
Hellblau PO nur am Training teilgenommen (practiced only)
TD Freitags-Testfahrer (test driver)
ohne DNP nicht am Training teilgenommen (did not practice)
INJ verletzt oder krank (injured)
EX ausgeschlossen (excluded)
DNA nicht erschienen (did not arrive)
C Rennen abgesagt (cancelled)
  keine WM-Teilnahme
sonstige P/fett Pole-Position
1/2/3/4/5/6/7/8 Punktplatzierung im Sprint-/Qualifikationsrennen
SR/kursiv Schnellste Rennrunde
* nicht im Ziel, aufgrund der zurückgelegten
Distanz aber gewertet
() Streichresultate
unterstrichen Führender in der Gesamtwertung

Literatur

  • Adriano Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports. Autos, Strecken und Piloten. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01848-9.
  • Allan Henry: auto course, Jahrbuch 1988–1989. ISBN 2-85120-308-8.
  • David Hodges: A–Z of Grand Prix Cars. Crowood Press, Marlborough 2001, ISBN 1-86126-339-2 (englisch).
  • David Hodges: Rennwagen von A–Z nach 1945. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-613-01477-7, S. 116.
  • Pierre Ménard: La Grande Encyclopédie de la Formule 1. 2. Auflage. Chronosports, St. Sulpice 2000, ISBN 2-940125-45-7 (französisch).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hodges: Rennwagen von A-Z nach 1945, S. 9.
  2. Motorsport aktuell, Heft 14/1988, S. 28.
  3. a b c Hodges: A-Z of Grand Prix Cars 1906-2001, S. 8.
  4. a b Auto Course 1988/89, S. 58.
  5. Cimarosti: Das Jahrhundert des Rennsports, S. 392.
  6. Philippe Steiff behauptete im Oktober 1988, das Team habe für das gesamte Jahr nur ein Budget von 2 Millionen Schweizer Franken zur Verfügung gehabt. Vgl. Motorsport Aktuell, Heft 43/1988, S. 27.
  7. Die eingeschränkten Möglichkeiten des Teams waren der entscheidende Grund für Vanderpleyns Entscheidung, im Sommer 1988 zu einem anderen Rennstall zu wechseln. Motorsport Aktuell, Heft 40/1988, S. 9.
  8. Z.B. anlässlich des Großen Preises von Monaco 1988: Auto Course 1988/89, S. 79.
  9. Beim Großen Preis von Mexiko 1988: Auto Course 1988/89, S. 87.
  10. Auto Course 188/89, S. 37.