Abriss (Bauwesen)

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Konstruktiver Abriss eines Bürogebäudes
Datei:Abbruch der Sparkasse Allgäu Kempten 30042015 (Foto Hilarmont) (24).JPG
Während des Abrisses wird Wasser auf die Abrissstelle gesprüht, damit sich der feine Staub nicht über eine weite Fläche verbreitet.
Prototyp einer Maschine mit Abbruch­zange am Kühlturm des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich im Sommer 2018
Die Zange kam auch beim Bahnhof Nottuln-Appelhülsen zum Einsatz.

Abriss, Abbruch oder Rückbau, österreichisch auch Demolierung,[1] bezeichnet im Bauwesen das komplette oder teilweise Zerstören und Entsorgen von Bauwerken aller Art. Der Abriss selbst erfolgt durch Verfahren wie Einreißen, Abtragen, Demontieren, Zerschlagen (Abrissbirne) oder den Einsatz von kontrollierten Sprengungen. Bei größeren Bauten wird die Sprengung bevorzugt, sofern es die örtlichen Gegebenheiten erlauben. Sollen nur Teile abgerissen werden, so kommen eher „sanfte“ Abrissgeräte wie Wandsägen und Kernbohrgeräte zum Einsatz.

Allgemeines

Für die meisten Abrissarbeiten sind besondere Abrissgenehmigungen erforderlich, in denen das Abrissverfahren genau beschrieben wird. Auch bei einem Teilabriss innerhalb eines Hauses kann eine Abrissgenehmigung erforderlich werden, insbesondere wenn tragende Bauteile entfernt werden sollen oder wenn brandschutzrelevante Bauteile von den Abrissmaßnahmen betroffen sind.

Oft wird abgerissen, um auf der frei gewordenen Fläche ein neues Bauwerk zu errichten. Beim teilweisen Abriss gibt es anschließend oft Veränderungen in Form und Qualität der Bausubstanz. Da nicht nur beim Abriss, sondern auch bei einem zum Abriss vorgesehenen Bauwerk oder Abbruchhaus besondere Gefahren auftreten, ist die Absicherung gegen unbefugtes Betreten besonders wichtig. Schwierige Abrissvorhaben (z. B. Abriss mit Großgerät, Sprengen usw.) dürfen erst beginnen, wenn eine schriftliche Abrissanweisung des Abrissunternehmers auf der Baustelle vorliegt. Diese Arbeiten werden durch Bauwerksmechaniker für Abbruch und Betontrenntechnik durchgeführt. Die geplanten Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen sind mit dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) abzustimmen. Dabei liegt der Schwerpunkt der je nach Abrissprojekt individuell bestimmten Maßnahmen zum einen darauf, die Statik umstehender Gebäude zu garantieren. Zum anderen muss sichergestellt sein, dass Anwohner, Passanten sowie die auf der Baustelle befindlichen Personen keinen Gefahren ausgesetzt werden. Um für eine ausreichende Atemluft zu sorgen, sind oftmals Wassersysteme im Einsatz, um die beim Abriss entstehenden Staubmengen zu binden.[2]

Gerade bei Betonbauten kann der Abriss ein Prozess von Monaten mit großer Lärm- und Staubentwicklung sein. Eines der bekanntesten Beispiele ist der von 2006 bis 2008 betriebene Abriss des Palasts der Republik in Berlin.

Abriss, Abbruch und Rückbau

Die Bezeichnungen Abriss, Abbruch und Rückbau werden synonym verwendet. Sie werden oft in Verbindung mit den Adjektiven geordnet, systematisch oder selektiv verwendet. Allerdings handelt es sich hierbei insofern um eine Tautologie bzw. einen Pleonasmus, als bei einem Abriss immer geordnet, systematisch und selektiv vorgegangen wird.[3]

In der Praxis hat sich der Begriff „Rückbau“ durchgesetzt, da er weniger brutal klingt[4] (siehe auch Euphemismus).

Abhängig von der Art der Gebäudesubstanz wird unterschieden: Der nicht-konstruktive Abbruch wird auch Entkernung genannt und ist meist vor dem „eigentlichen“ konstruktiven Abbruch notwendig. Bei ihm bleibt die statische Gebäudestruktur erhalten und es werden nur nicht tragende Bauelemente entfernt, z. B. nicht tragende (Trockenbau-)Trennwände, Deckenabhängungen, Fußbodenbeläge, Türen, Fenster, Wand- und Deckenbeläge usw.

Beim konstruktiven Abbruch werden dagegen konstruktive (= tragende, statisch relevante) Bauteile abgerissen. Das sind vor allem Stahlbeton und Mauerwerk (siehe Baustatik).

Zum Rückbau wird gelegentlich auch die Entrümpelung (Räumung) gezählt, also das Entfernen aller losen Teile im Gebäude, sodass es leer ist.

Abrissverfahren

Die unterschiedlichen Abrissverfahren, die einzeln und kombiniert angewendet werden können, lauten wie folgt:

Bisweilen wird eine Abrissbirne verwendet

Bauwerke

Datei:Markneukirchen neubau.jpg
Abriss eines Wohnhauses in Markneukirchen, 2010

Mit dem Abriss baulicher Anlagen ist sowohl der kontrollierte Abriss kompletter Gebäude als auch von An- und Umbauten sowie von Etagen gemeint.

Der Abriss von Kraftwerken, insbesondere von Kernkraftwerken, und auch dessen Finanzierung galt lange Zeit als ungelöstes Problem – unter anderem deshalb, weil bei Planung und Bau der Anlagen offensichtlich niemand an einen Abriss nach der endgültigen Abschaltung dachte.[5]

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden in Europa viele tausend Kilometer Bahnstrecken stillgelegt und danach abgebaut. Einige von ihnen wurden zu Radwanderwegen. Auch Gleisanschlüsse von Industriebetrieben („Industriegleis“) wurden so demontiert.

Städtebau und Landesplanung

Umfangreiche, teilweise flächenhafte Rückbaumaßnahmen fanden in Frankreich in den Vororten großer Städte und im Osten Deutschlands nach der Wiedervereinigung statt. In Frankreich sollte der Abriss vor allem soziale Probleme beseitigen. In Deutschland ist in den neuen Bundesländern die demografische Entwicklung der ausschlaggebende Faktor für einen Stadtumbau. In den westlichen Bundesländern gab es, wie in Bremen–Osterholz – Tenever, den Abriss zunächst aus sozialen Gründen. Auch hier wird in einigen Regionen der Bevölkerungsrückgang an Bedeutung für den sogenannten Rückbau zunehmen.

Der Abriss vormals gewerblich genutzter Flächen wird durchgeführt, um brachliegende Liegenschaften einer neuen Nutzung zuzuführen. Durch die Umnutzung bereits bebauter Areale werden städtebauliche Zusammenhänge erhalten oder wiedergewonnen und die Versiegelung unbebauter Flächen vermieden.

Teilabriss

Wird ein genehmigter vollständiger Abriss eines Baukörpers nur teilweise ausgeführt und soll dann der verbleibende Rest wieder einer dauerhaften Nutzung zugeführt werden, so ist der Teilabriss wie ein neu zu errichtendes Gebäude nach § 29 Abs. 1 BauGB zu beantragen.[6]

Historische Abrissmethoden

Bevor man zur Beseitigung von Gebäuden auf schwere Baumaschinen zurückgreifen konnte, wurden Bauwerke in der Regel durch menschliche Muskelkraft mit Hammer oder Spitzhacke abgebrochen. Bereits im Mittelalter wurden nicht mehr benötigte Gebäude teilweise auch durch absichtlich gelegtes Feuer zerstört, was bei unvorsichtiger Vorgehensweise oft größere Brände als geplant hervorrief. Auch das Einreißen von Wänden vermittels Ziehen durch angelegte Taue, gegebenenfalls in Kombination mit Winden war eine bereits früh angewandte Methode.

Grundsätzlich versuchte man jedoch in der Vergangenheit, möglichst viel alte Bausubstanz in einen Neubau einzubeziehen. So konnte die Abrissarbeit erspart werden. Wurde dennoch abgebrochen, so war die Wiederverwendung des alten Baumaterials und daher seine sorgfältige Bergung üblich. Da heute durch den Einsatz von Maschinen Abrissarbeiten einfacher, schneller und billiger geworden sind, wird vielfach der Abriss und Neubau einer aufwendigen Sanierung eines Gebäudes vorgezogen; auch sprechen heutige Bauvorschriften häufig gegen die Beibehaltung alter Bausubstanz, da sie diesen nicht entspricht. Dies ist insbesondere für die Denkmalpflege ein Problem.

Beispiele

Siehe auch

Literatur

  • Abriß im Tiefbau; Lehrbrief TU Dresden, 1989

Weblinks

Commons: Abriss – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. demolieren. Duden online; abgerufen am 4. August 2014
  2. Rückbau und Entkernung. Abgerufen am 24. Oktober 2017.
  3. Ulrich Schneider: Flächenrecycling durch kontrollierten Rückbau: Ressourcenschonender Abbruch von Gebäuden und Industrieanlagen ISBN 978-3-540-62080-8, S. 3.
  4. Sigrun Kabisch, Matthias Bernt, Andreas Peter: Stadtumbau unter Schrumpfungsbedingungen: Eine sozialwissenschaftliche Fallstudie. ISBN 978-3-8100-4171-5, S. 17
  5. Wolfgang Thielke: Am Ende der Ewigkeit. - Die Konstrukteure der 1960er-Jahre bauten ihre Kraftwerke für lange Laufzeiten. Jetzt werden die ersten Meiler abgerissen. Daraus erwächst eine neue Industrie. In: Focus, Nr. 6/1996
  6. Hans Büchner, Karlheinz Schlotterbeck. In: Baurecht. 4. Auflage. Band 1. Kohlhammer, 2010, ISBN 978-3-17-021527-6, S. 153.