Addendum (Medienprojekt)

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Addendum
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Beschreibung Investigativer Journalismus
Sprache Deutsch
Erstausgabe 25. September 2017
Einstellung 15. September 2020
Erscheinungsweise laufend
Chefredakteur Michael Fleischhacker
Herausgeber Michael Fleischhacker
Geschäftsführer Michael Fleischhacker und Niko Alm
Weblink addendum.org

Addendum das was fehlt[1][2] (lateinisch addendum ‚das Hinzuzufügende‘) war ein österreichisches Medienprojekt. Es wurde über die Quo Vadis Veritas Privatstiftung (lateinisch Quo vadis veritas ‚Wohin gehst du, Wahrheit?‘) von Dietrich Mateschitz finanziert. Die Erstveröffentlichung erfolgte am 25. September 2017.[3][4][5] Herausgeber und Chefredakteur war Michael Fleischhacker. Anfang August 2020 wurde die Einstellung der Plattform bekannt gegeben.[6][7]

Geschichte

Am 8. April 2017 wurde bekannt, dass Mateschitz die Quo Vadis Veritas Privatstiftung eingerichtet hat, um damit eine Rechercheplattform zu finanzieren. Dazu wurde die Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH (QVV) gegründet. Geschäftsführer von QVV waren Michael Fleischhacker und Niko Alm, ersterer mit inhaltlicher Zuständigkeit und letzterer mit kaufmännischer.[8][9] Zum Team stießen in der Anfangszeit Anna Schneider (zuletzt Referentin für Verfassungsrecht im NEOS-Parlamentsklub), Judith Denkmayr (zuvor Vice) und der Journalist Rainer Fleckl. Während des Aufbaus wurden für QVV weitere Journalisten und Medienfachleute engagiert, darunter Alexander Millecker, Andreas Wetz (zuvor Die Presse), Christine Grabner (zuvor ORF), Georg Renner und Moritz Moser (beide zuvor NZZ.at) und weitere.[10] Im Juli 2017 zogen so etwa 40 Mitarbeiter in die Redaktionsräumen in Wien-Neubau.[11]

Viele Mitarbeiter verließen das Projekt jedoch bereits im ersten Jahr – darunter auch Alexander Millecker und alle anderen ehemaligen ATV-Mitarbeiter außer Martin Thür, der erst 2019 zum ORF wechselte.[12] Anfang August wurde ein „digitaler Briefkasten“ auf der Webseite qvv.at eingerichtet, wo Whistleblower und Informanten anonym vertrauliche Dokumente oder Informationen übermitteln können.[13] Als Ergebnis der Arbeit der Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH wurde am 8. September 2017 Addendum vorgestellt. Am 25. September 2017 wurden Teile des ersten Projekts auf der Webseite addendum.org veröffentlicht. Im Juli 2018 wurde bekannt, dass Stefan Kaltenbrunner ab September 2018 die Chefredaktion der Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH verstärken sollte,[14] um aber schon im Sommer 2019 zu Puls 4 zu wechseln.[15]

Unter dem Label Edition QVV veröffentlicht Quo Vadis Veritas seit 2018 auch Bücher. Das erste Buch Kulturkampf im Klassenzimmer – Wie der Islam die Schulen verändert[16] von Susanne Wiesinger erschien am 10. September 2018. Das nächste erscheint im Jänner 2020: Machtkampf im Ministerium[17]. Es sei ein Buch pro Quartal geplant.[18]

Im Dezember 2018 wurde der Start des Printprodukts Addendum-Zeitung bekanntgegeben.[19]

Inhalte

Addendum positionierte sich offen als Gegenpol zu einem vermeintlichen „Meinungsdiktat des politisch Korrekten“ (Mateschitz zur Kleinen Zeitung[8]). Zum Start wählte man Themen von Asyl („Asyl. Ein Konzept von gestern?“)[20] bis Islamisierung („Brennpunkt Schule: Machtlos gegen islamische Einflüsse?“).[21] Demokratiekritik, vom Vorwurf der Faulheit beim gemeinsam mit Neuwal unternommenen Projekt Politometer[22], das neben dem Abstimmungsverhalten die An- oder Abwesenheit der 183 Abgeordneten zum Nationalrat fotografisch und statistisch erfassen sollte, bis hin zur Systemfrage („Ist Demokratie wirklich eine gute Idee“)[23] führten zu Vergleichen mit US-amerikanischen Medien wie Breitbart.[20] Nach Eigendarstellung ging es um einen „rekonstruktiven Journalismus […] zur Wiederherstellung einer gemeinsamen Faktenbasis für eine qualifizierte politische Debatte“.[24] Sechs Wochen und bis zu zehn Personen sollten dazu ein Thema tiefer durchdringen, als es der tagesaktuellen Presse möglich sei.[25] Die (geschriebenen) Artikel sollten dabei durch wöchentliche, ca. 45-minütige Reportagen auf ServusTV und Online begleitet werden (Im Kontext).

Das Magazin Faktum startete im Februar 2019,[26] doch schon im Juni wurde die Einstellung angekündigt. Michael Fleischhacker erklärte dazu, man sei zu optimistisch gewesen.[27]

Im Jänner 2019 deckte die Rechercheplattform auf, dass die Österreichische Post im Zuge ihrer Tätigkeit als Adressverlag vermeintliche Parteiaffinitäten von 2,2 Millionen Österreichern speichert und für Wahlwerbung verkauft. Nach Bekanntwerden leitete die österreichische Datenschutzbehörde ein Prüfverfahren gegen die Post ein. Die Post selbst kündigte an, alle Infos zu Parteiaffinitäten aus ihren Datensätzen löschen zu wollen.[28] Im Oktober 2019 erging der nicht rechtskräftige erstinstanzliche Bescheid der Datenschutzbehörde, welcher gegen die Post eine Verwaltungsstrafe von 18 Millionen Euro verhängte.[29]

Rezeption

Angesichts der Themenauswahl und Mateschitz' Einlassungen verortete Peter Münch Addendum in der Süddeutschen Zeitung im rechtspopulistischen Spektrum als Sprachrohr des „Wut-Milliardärs“ Dietrich Mateschitz und zog einen Vergleich zum US-amerikanischen Breitbart.[30] Ralf Leonhard in der taz bezeichnete diesen Vorwurf als „lächerlich“. Auch nach dem Aus für das Projekt drei Jahre später vertrat er diese Meinung. Sah er Addendum jedoch 2017 noch als „weder links noch klar rechts, weder Boulevard noch für die Intellektuellen gemacht“,[31] so konstatierte er 2021, dass „die Ausrichtung von Addendum politisch eher rechts der Mitte“ gewesen sei.[32]

Jens Jessen bezeichnete Addendum in der Wochenzeitschrift Die Zeit als die „Illusion einer objektiven Berichterstattung“, die benutzt werden würde, „um die Reste bürgerlicher Presse zu denunzieren“ und „in letzter Konsequenz die bürgerliche Öffentlichkeit von rechts zu zersetzen“.[33]

Rainer Stadler lobte Addendum in der Neuen Zürcher Zeitung. In ihrem ersten Dossier habe Addendum auf die „paradoxe Praxis“ in Europa hingewiesen, Flüchtlingen ein Recht auf Asyl zuzuerkennen, aber gleichzeitig alles zu unternehmen, damit dieses Recht nicht in Anspruch genommen werden könne. Addendum stelle die Frage, ob ein Menschenrecht auf Asyl nicht ein „überholtes Konzept“ sei. Addendum betreibe dabei keinen „Kampfjournalismus“, sondern abwägende Dialektik.[34]

Auf wenig Liebe stieß das Projekt jedoch beim Publikum. Auch ein Jahr nach dem Start standen 110,000 monatliche Besucher zitierten Vergleichswerten wie der Kronen Zeitung mit einer Reichweite von 20 Millionen gegenüber. Damit bliebe das Projekt weit hinter den Erwartungen.[35] Zwei Jahre später kam Mäzen Mateschitz zur gleichen Überzeugung und stellte das Projekt am 4. August 2020 ohne Vorankündigung ein.[7] Zur Begründung hieß es, die Ziele der Stiftung seien nicht ausreichend erfüllt worden.[36]

Auszeichnungen

Finanzierung

Medieninhaber von Addendum war die Quo Vadis Veritas Redaktions GmbH, deren Gesellschafter zu 100 Prozent die mit einer Million Euro gestartete gemeinnützige Quo Vadis Veritas Privatstiftung war. Stifter waren zu 99 Prozent Dietrich Mateschitz und zu einem Prozent die Servus Medien GmbH, ein Unternehmen der Red Bull Media House GmbH. Begünstigter der Stiftung ist laut Satzung die Allgemeinheit.[39]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. https://daswasfehlt.addendum.org/
  2. https://twitter.com/daswasfehlt
  3. Website von QVV-Projekt addendum ist online. In: Horizont. 25. September 2017, archiviert vom Original am 28. September 2017; abgerufen am 25. September 2017.
  4. Judith Denkmayr: QVV launcht erstes Projekt auf addendum.org und ServusTV. In: Quo Vadis Veritas. 25. September 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  5. "Addendum": Mateschitz' Medienprojekt hat einen Namen. In: Die Presse. 8. September 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  6. Rechercheplattform wird eingestellt: Red-Bull-Boss hat keine Lust mehr auf "Addendum", DWDL.de, 4. August 2020
  7. a b Ziele nicht erfüllt: Addendum eingestellt, wienerzeitung.at, 4. August 2020
  8. a b Das neue Medienprojekt von Dietrich Mateschitz. In: Kleine Zeitung. 8. April 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  9. Über uns (Memento vom 25. September 2017 im Internet Archive), auf qvv.at Abgerufen am 25. September 2017
  10. * Quo Vadis Veritas holt Millecker, Renner und Wetz. In: Der Standard. 16. Mai 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  11. Quartier für Mateschitz' Rechercheprojekt gefunden. In: Salzburger Nachrichten. 21. Juli 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  12. Harald Fidler: Wer „Addendum“ wieder fehlt, Millionen für Privatsender: Die Etat-Wochenschau. In: derStandard.at. 15. Januar 2018, abgerufen am 28. Juni 2019.
  13. Mateschitz' „Quo Vadis Veritas“ öffnet digitales Postfach für Informanten. In: Kleine Zeitung. 3. August 2017, abgerufen am 25. September 2017.
  14. Kurier.at-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner wechselt zu „Addendum“. In: derStandard.at. 23. Juli 2018, abgerufen am 26. Juli 2018.
  15. Kaltenbrunner verlässt Mateschitz' „Addendum“ schon Richtung Puls 4. In: derStandard.at. 13. Juni 2019, abgerufen am 28. Juni 2019.
  16. Rezension: Anne-Catherine Simon: Islam in der Schule: „Oft denke ich, wir haben verloren“. In: diepresse.com. 9. September 2018, abgerufen am 10. September 2018.
  17. Minister Faßmann beendet Zusammenarbeit mit Ombudsfrau Wiesinger. 19. Januar 2020, abgerufen am 20. Januar 2020.
  18. Ralf Hillebrand: sn.at: "Mateschitz-Plattform startet Verlag . Artikel vom 7. September 2018, abgerufen am 10. September 2018.
  19. Rechercheplattform „Addendum“ gibt Zeitung heraus. In: diepresse.com. 14. Dezember 2018, abgerufen am 14. Dezember 2018.
  20. a b Peter Münch: Onlinemagazin "Addendum": "Breitbart" aus den Alpen? In: Süddeutsche Zeitung. 26. September 2017, abgerufen am 3. September 2021.
  21. Brennpunkt Schule. In: Addendum. Dietrich Mateschitz, 12. März 2018, abgerufen am 3. September 2021 (österreichisches Deutsch).
  22. Politometer. Abgerufen am 13. November 2017.
  23. Nadja Hahn, Rosanna Atzara: Das Mateschitz-Mysterium "addendum.org". In: orf.at. ORF, 4. November 2017, abgerufen am 3. September 2021 (österreichisches Deutsch).
  24. addendum.org: Über Addendum (abgerufen am 25. September 2017)
  25. Meret Baumann: Red-Bull-Chef Mateschitz will die Wahrheit retten. In: Neue Zürcher Zeitung. 16. Dezember 2017, S. 11 (Online [abgerufen am 3. Februar 2018]).
  26. Mateschitz' Addendum bereitet wöchentliches TV-Magazin für Servus TV vor. In: derStandard.at. 8. Februar 2019, abgerufen am 28. Juni 2019.
  27. Mateschitz' „Addendum“ stellt TV-Magazin nach vier Monaten wieder ein. In: derStandard.at. 27. Juni 2019, abgerufen am 28. Juni 2019.
  28. Wenn die Post Partei ergreift – addendum.org. 7. Januar 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019.
  29. Agenturen red: Wirtschaft: Datenschutzskandal: Millionenstrafe für Post. In: orf.at. 29. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019.
  30. Peter Münch: Neues Onlinemagazin „Addendum“ – „Breitbart“ aus den Alpen? Süddeutsche Zeitung, 26. September 2017, abgerufen am 7. Dezember 2017.
  31. Ralf Leonhard: Nichts als die Wahrheit. In: Die Tageszeitung. 11. Oktober 2017, abgerufen am 7. Dezember 2017.
  32. Ralf Leonhard: Aus für österreichisches Medienportal: Die Flügel gestutzt. In: Die Tageszeitung: taz. 12. August 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 3. September 2021]).
  33. Jens Jessen: Die Alternative zur „Lügenpresse“. Zeit Online, 16. Oktober 2017, abgerufen am 7. Dezember 2017.
  34. Rainer Stadler: Kolumne: Noch ein Samariter in der Medienbranche. In: NZZ. 5. Oktober 2017, abgerufen am 5. Oktober 2017.
  35. Ronald Berthold: Zu leise kann auch ein Problem sein: Ein Jahr nach Start kommt das Online-Portal „Addendum“ trotz erster Achtungserfolge nicht richtig in Fahrt. In: Junge Freiheit. 28. September 2018, abgerufen am 3. September 2021 (österreichisches Deutsch).
  36. Aktivitäten von Addendum werden eingestellt. In: OTS.at. 4. August 2020, abgerufen am 4. August 2020.
  37. Caritas und Raiffeisen vergeben Prälat-Leopold-Ungar-JournalistInnenpreis 2018. OTS-Meldung vom 5. November 2018, abgerufen am 5. November 2018.
  38. „Journalistenpreis Integration 2018“: Hauptpreis an Rechercheteam von Addendum. OTS-Meldung vom 30. November 2018, abgerufen am 2. Dezember 2018.
  39. Jürgen Hofer: Die Köpfe hinter „Quo Vadis Veritas“. In: Horizont. 14. April 2017, abgerufen am 26. September 2017.