Aerolinee-Itavia-Flug 870

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Aerolinee-Itavia-Flug 870

I-TIGI, 1972

Unfall-Zusammenfassung
Unfallart 1. Theorie: Strukturelles Versagen nach Bombenexplosion
2. Theorie: Abschuss durch Luft-Luft-Rakete
Ort 80 km nördlich der Insel Ustica
Datum 27. Juni 1980
Todesopfer 81
Überlebende 0
Luftfahrzeug
Luftfahrzeugtyp DC-9
Betreiber Aerolinee Itavia
Kennzeichen I-TIGI
Abflughafen Bologna
Zielflughafen Palermo
Passagiere 77
Besatzung 4
Listen von Flugunfällen
Die aus den geborgenen Trümmern rekonstruierte Maschine

Am Abend des 27. Juni 1980 stürzte eine Douglas DC-9 der italienischen Fluggesellschaft Aerolinee Itavia mit dem Kennzeichen I-TIGI auf Aerolinee-Itavia-Flug 870 nördlich der italienischen Insel Ustica auf dem Wege von Bologna nach Palermo aus zunächst ungeklärter Ursache ins Tyrrhenische Meer. Alle 81 Insassen starben bei diesem Flugunfall, der in Italien als „strage di Ustica“ (das Ustica-Blutbad oder -Massaker) bekannt wurde.

Eine internationale technische Untersuchung ermittelte 1994 unter Einschluss aller Trümmerteile eine Explosion eines Sprengsatzes in der Toilette im Heck des Flugzeugs als Ursache für den Absturz. Ein Verantwortlicher für die Explosion wurde nie ermittelt. Ein Zivilgericht sprach 2013 den Angehörigen der Opfer Entschädigung zu, weil der Staat „das Flugzeug nicht geschützt hätte“ und ging damit im Gegensatz zum Strafgericht im Jahr 2007 davon aus, dass es sich nicht um eine Bombe gehandelt hätte, sondern mit einer höheren Wahrscheinlichkeit („più probabile che non“) um einen Abschuss.[1] Durch die sich über drei Jahrzehnte hinziehenden Ermittlungen[2] ist Ustica bis heute ein sehr emotionales Thema in Italien.

Die Geschehnisse

Das Flugzeug war mit Flugnummer IH870 auf dem Weg von Bologna nach Palermo. Der Start hatte sich um zwei Stunden verspätet. Um 20:59 Uhr wurde das letzte Transpondersignal der Maschine aufgezeichnet, die aktiven Radarechos verschwanden innerhalb von zwei Minuten.

Es wurde zunächst in Erwägung gezogen, dass das Flugzeug aufgrund von Materialermüdung in der Luft auseinandergebrochen sein könnte oder dieses Auseinanderbrechen durch eine Bombe in der Maschine verursacht worden sei.

Untersuchung

In Italien existierte bis 1999 keine unabhängige Flugunfall-Untersuchungsbehörde, wie dies die ICAO verlangt.[3] Für die Untersuchung zuständig waren somit Kommissionen unter der Leitung eines Richters aus dem Justizvollzug.

Der Rumpf des Flugzeuges wurde 1987 vom bemannten Unterseeboot Nautile des französischen halbstaatlichen Unternehmens Ifremer aus 3.500 Metern Tiefe gehoben. Der Flugschreiber wurde erst 1991 gefunden und geborgen. In den ersten sieben Jahren nach dem Unfall standen somit für die Untersuchung nur die 32 nach dem Unfall geborgenen und weitgehend unversehrten Leichen sowie Sitzpolster mit Fragmenten darin zur Verfügung. In den Jahren 1987/1988 konnte ein großer Teil der Trümmer an den drei auseinander liegenden Fundorten geborgen werden: Den weitesten Weg hatten die Triebwerke als kompakte, massenreiche Teile zurückgelegt. Wenig davor lag der Rumpf und weiter weg, rückwärts in Flugrichtung, war das Rumpfheck mit dem Leitwerk gefunden worden.

Erstes Gutachten durch italienische Kommissionen 1989

Die für ein erstes Gutachten gebildete sogenannte Blasi-Kommission löste sich 1990 auf, ohne zu einem eindeutigen Schluss gekommen zu sein; einerseits verlautete 1989, dass das Flugzeug irrtümlich durch eine Luft-Luft-Rakete abgeschossen worden war. Diese Ansicht teilte eine staatliche Untersuchungskommission im selben Jahr. 1990 kam eine Minderheit der Gutachter zu dem Ergebnis, dass es zu einer Explosion durch eine Bombe im Inneren der Maschine gekommen sei. Die Untersuchungskommission „commissione stragi“ des italienischen Parlaments beklagte in diesem Zusammenhang Falschaussagen und das Zurückhalten von Informationen durch staatliche Stellen. Der Cockpit Voice Recorder konnte von dieser Kommission ausgelesen werden, jedoch endete die Aufzeichnung nach einem halben Wort zur fraglichen Zeit.[3]

Internationales technisches Gutachten 1994

Technisches Gutachten

1994 kam ein internationales technisches Gutachten zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Bombenexplosion im Inneren des Flugzeuges gehandelt habe, und zwar in der Toilette, welche steuerbordseitig im Heck liegt. So wies auch die Triebwerksverkleidung des rechten Triebwerks rumpfseitig Beschädigungen auf durch eingedrungene Rumpf-Fragmente sowie Farbabriebe, welche von der Rumpf-Außenseite stammten. Nach einigen Verzögerungen kam es aufgrund der Erkenntnisse und während laufender Untersuchung zur Bergung weiterer Wrackteile des oberen hinteren Rumpfes, dies in einem vorhergesagten Gebiet; das Gebiet ergab sich aus den postulierten technischen Vorgängen und war mit diesen konsistent: Die ersten Wrackteile in Flugrichtung mussten diejenigen sein, welche am Anfang des Strukturversagens und Auseinanderbrechens des Flugzeugs standen. Das Such- und Fundgebiet lag folglich noch vor dem Leitwerk-Fundort, noch näher am Explosionsort. Diese Suche konnte nicht im ganzen vorgesehenen Gebiet durchgeführt werden, da nach dem verzögerten Beginn keine Zeit mehr dafür war.[3]

Der aus den Radar-Daten des Römer Radars für das Auseinanderbrechen hergeleitete Punkt stimmte mit dem aufgrund der Trümmer-Lage vermuteten Punkt überein. Die Radar-Experten der technischen Untersuchung berechneten im Zusammenhang mit der Anwesenheit anderer Flugzeuge nicht nur die einerseits sehr kleine Wahrscheinlichkeit, dass die Radar-Echos falsch waren, sondern auch die ebenso geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Anwesenheit eines Flugzeuges nur so wenige Echos hervorrufen würde.[3]

Der Flight Data Recorder beendete seine Aufzeichnungen gleichzeitig mit dem Voice Recorder, es gab keine Daten-Anomalien vor der Unterbrechung der Stromversorgung. Die Stromversorgung der beiden Recorder erfolgte durch das Steuerbord-Triebwerk, welches in unmittelbarer Nähe der Explosion lag. Der Sprachrekorder hatte eine kleine weitere „Schluckauf“-Aufzeichnung, welche auf ein sehr kurzzeitiges Umschalten der Stromversorgung auf das Backbord-Triebwerk hinwies, bevor auch diese Versorgung verlorenging.[3]

Im Rahmen der zweiten Untersuchung konnte außerhalb der technischen Untersuchung des Flugzeuges zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass sich militärische Flugzeuge im Absturzgebiet aufhielten. Zum Zeitpunkt des Absturzes gab es offenbar Flüge von NATO-Flugzeugen und französischen Flugzeugen über dem Tyrrhenischen Meer. Radardaten lassen auf neun Jagdflugzeuge schließen.

Gesamtgutachten

Gänzlich unüblich für die ausländischen Mitglieder der technischen Untersuchung und bei Flugunfalluntersuchungen wurde das Gutachten weiterhin als Strafverfolgung gegen benannte oder unbenannte Personen geführt. Diese waren angeklagt, den Unfall verursacht oder aber Informationen darüber zurückgehalten zu haben. Die nicht-technischen Mitglieder der Kommission unter dem Vorsitz des Richters Priore sahen trotz des klaren technischen Resultats weiterhin eine Rakete als Ursache an. Im 1999 veröffentlichten Untersuchungsbericht zog der Untersuchungsrichter Rosario Priore folgendes Fazit der Ermittlungen:

„L’incidente al DC-9 è occorso a seguito di azione militare di intercettamento, il DC-9 è stato abbattuto.“

„Der Absturz der DC-9 erfolgte nach einer militärischen Abfangaktion, die DC-9 wurde abgeschossen.“

Unklar blieb dabei jedoch die Nationalität des Flugzeugs, das die Rakete hätte abgefeuert haben sollen. In der Folge leitete Priore mehrere Prozesse gegen neun Offiziere – darunter vier Generäle – der italienischen Luftwaffe und des italienischen Geheimdienstes SIOS-Aeronautica ein. Die Anklage lautete unter anderem auf Hochverrat, da Priore das Geschehen des 27. Juni 1980 als „atto di guerra“, also als Kriegsakt gegen die Republik Italien, wertete.[4] Die Anklage brach aufgrund fehlender Beweismittel zusammen. Der Richter schrieb jedoch ein Buch über das Thema, auf welches sich verschiedene alternative Theorien berufen.[5]

Italienische Gerichtsurteile

Eine Strafkammer des obersten italienischen Gerichtshofs Corte Suprema di Cassazione sprach 2007 die angeklagten Luftwaffengeneräle frei, weil sie von einer Explosion an Bord ausging.

Eine Zivilkammer desselben Gerichtshofs entschied am 28. Januar 2013 in einem „diametral entgegengesetzten“ Urteil, dass der italienische Staat wegen einer Luftschlacht 110 Mio. Euro Schadensersatz an die Hinterbliebenen zu leisten habe, ohne einen Verursacher zu nennen.[6][7] Im September 2011 hatte ein Zivilgericht in Palermo als erste Instanz entschieden, dass die italienische Regierung 100 Millionen Euro Schadensersatz an die Hinterbliebenen der 81 Todesopfer leisten müsse. Das Urteil wurde damit begründet, dass die Ministerien für Verkehr und Verteidigung durch Nachlässigkeit und Unterlassung den Absturz mitverursacht sowie die Ermittlungen jahrelang behindert hätten.[8]

Theorien zu einem Abschuss

Abschuss durch Luft-Luft-Rakete

Mehrere Quellen gehen davon aus, dass es am Abend des 27. Juni über dem Tyrrhenischen Meer zu einem Luftkampf zwischen zwei MiGs der libyschen Luftwaffe und einer Gruppe von NATO-Jägern kam und die DC-9 versehentlich mit einer Luft-Luft-Rakete abgeschossen wurde. Die Vertreter dieser Theorie versuchen zu ergründen, wie es zu dem Luftkampf kam, aus welchem Staat die beteiligten NATO-Flugzeuge stammten und welches Flugzeug die Luft-Luft-Rakete abgefeuert hatte.

Im Falle einer im kalabrischen Sila-Gebirge zerschellten libyschen MiG-23MS, die am 18. Juli 1980 entdeckt und geborgen wurde, ermittelte der Obduktionsbericht einen Verwesungsgrad der Leiche des Piloten, welche einen Todeszeitpunkt um den 27. Juni als möglich erscheinen ließ. Dies würde eine theoretische Möglichkeit einschließen, dass ein libysches Flugzeug an jenem Tag in südlicher Richtung über Italien flog. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Pilot des Flugzeugs einer von 40 syrischen Flugzeugführern war, die zu dieser Zeit auf dem libyschen Stützpunkt Benina ausgebildet wurden. Infolge einer undichten Sauerstoffmaske verlor er bei einem Flug in großer Höhe das Bewusstsein, und der Autopilot hielt das Flugzeug so lange in der Luft, bis es nach Verbrauch sämtlichen Kraftstoffs über Süditalien abstürzte.[9]

Trotz der jahrelangen Ermittlungen und der Kooperation der NATO gilt es nur als Vermutung, dass

  • es am Abend des 27. Juni zu einem Luftkampf nahe Ustica hätte gekommen sein können
  • zwei libysche MiG-23 darin hätten verwickelt sein können, von denen eine in Kalabrien zerschellte
  • fünf NATO-Jagdflugzeuge zum fraglichen Zeitpunkt über dem Tyrrhenischen Meer unterwegs gewesen seien
  • zwei davon französische Mirage-Jäger gewesen seien und
  • auf Befehl höherer Stäbe alle Radaraufzeichnungen italienischer Radarstationen über den fraglichen Zeitraum vernichtet worden seien.

Theorie: Anschlagsversuch auf Gaddafi

Nach einer Theorie geriet die DC-9 in einen französischen oder amerikanischen Angriff auf die Regierungsmaschine des damaligen libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi, bei der es sich wahrscheinlich um eine der DC-9 entfernt ähnelnde Tupolew Tu-134 handelte. Gaddafi befand sich damals auf dem Weg zu einem Staatsbesuch in Polen. Es wird behauptet, dass von einem französischen oder amerikanischen Flugzeugträger im Mittelmeer oder von einem französischen oder amerikanischen Stützpunkt (Solenzara, NAS Sigonella) mehrere Abfangjäger gestartet seien, um die Maschine Gaddafis bei der Überquerung des Tyrrhenischen Meeres abzuschießen. Libyen habe jedoch über einen Kontaktmann in Rom von den Plänen der Franzosen oder der Amerikaner erfahren und die Maschine via Malta umgeleitet. Parallel seien einige MiG-23 zum Schutz Gaddafis in den italienischen Luftraum des weit entfernten Tyrrhenischen Meers beordert worden. Bei einem Luftkampf zwischen den MiGs und den französischen oder amerikanischen Flugzeugen sei dann versehentlich der zwei Stunden verspätet gestartete Flug 870 abgeschossen worden, da die französischen oder amerikanischen Piloten annahmen, es handle sich beim südwärts fliegenden Flugzeug um das Flugzeug Gaddafis auf dem Weg nach Polen,[10] aber gleichzeitig auch nicht um einen Angriff auf Gaddafi, sondern auf die von Jugoslawien nach Libyen fliegenden Kampfflugzeuge. Frankreich hätte mit Italien im Streit gelegen wegen des Konflikts zwischen Libyen und Tschad um deren möglicherweise rohstoffreiches Grenzgebiet.[5]

Theorie: Überstellungsflug nach Libyen

Eine zweite Theorie, wie es zu dem verhängnisvollen Luftkampf kam, besagt, dass zwei libysche bzw. für Libyen bestimmte MiG-23 von Jugoslawien nach Libyen unterwegs waren. Nachdem sie die Adria im Tiefflug überquert und dadurch das italienische Radarnetz unterflogen hätten, hätten die zwei MiGs versucht, im Radarschatten der DC-9 unentdeckt von Bologna bis nach Palermo zu kommen. Als die DC-9 über der Toskana den Weg von zwei F-104 Starfightern der Aeronautica Militare beim Landeanflug auf den Militärflugplatz Grosseto kreuzte, hätten die Ausbilder Nutarelli und Naldini, welche die zweisitzige Trainerversion des Starfighters TF-104G flogen, die zwei MiGs entdeckt haben sollen. Die beiden lösten um 20:24 Uhr zweimal Luftalarm aus und kehrten anschließend unter Einhaltung von Funkstille zu ihrer Basis zurück.[11] Da Italien derartige Überflüge libyscher Flugzeuge jedoch stillschweigend duldete und sogar Mittel zum Aufbau und Unterhalt der libyschen Luftwaffe lieferte, während ehemalige Militärpiloten libysche Piloten ausbildeten, landeten die Ausbilder und ihr Flugschüler wie geplant um 20:50 Uhr auf der Basis Grosseto.[12]

Theorien: Mehrere Libysche MiGs in Italien im Kampf gegeneinander

Zwei weiteren Theorien zufolge erlaubte Italien nicht nur Überflüge libyscher Militärflugzeuge, die auf dem Weg nach Jugoslawien oder von dort zurück nach Libyen waren, man hätte ihnen auch einen Flugplatz für Zwischenlandungen zur Verfügung gestellt, möglicherweise den Militärflugplatz bei San Pancrazio Salentino in Apulien mit einer 1.300 Meter langen Piste.[12]

Für einen angeblich von NATO-Staaten geplanten Anschlag auf die Regierungsmaschine Gaddafis sei ein libyscher Pilot (oder ein Söldner) vorgesehen, der insgeheim politisch gegen den Revolutionsführer war. Eine MiG-23 sei zu diesem Zweck der DC-9 der Itavia in deren Radarschatten nach Süden gefolgt. Als Gaddafi durch den genannten Kontakt in Rom von dem Anschlagsversuch erfuhr, soll er regimetreuen libyschen Piloten den Befehl gegeben haben, mit ihren MiG-23 den von Norden kommenden abtrünnigen Piloten anzugreifen. Bei diesem Gegenangriff sei nicht nur die abtrünnige MiG, sondern auch die DC-9 der Itavia schwer beschädigt worden, höchstwahrscheinlich durch Übungsraketen. Flugkapitän Domenico Gatti sei es gelungen, die DC-9 bei Ustica zu wassern. Um den Vorfall und das internationale Komplott zu vertuschen, seien die Such- und Rettungsdienste bewusst mit erheblicher Verspätung alarmiert und dann an anderen Stellen eingesetzt worden, in der Hoffnung, die DC-9 würde samt Passagieren und Besatzungsmitgliedern im hier über 3000 Meter tiefen Meer versinken. Die MiG des abtrünnigen Piloten sei abgestürzt, eine unter Gaddafis Kontrolle fliegende MiG-23 wäre im weiteren Verlauf im Tiefstflug im Sila-Gebirge Kalabriens abgeschossen worden, „wahrscheinlich“ von einer F-14 der US Navy, so Sandro Bruni und Gabriele Moroni.[13]

Einfacher wäre die vom Bruder des Flugkommandanten geäußerte Version, wonach mehrere MiGs von Libyen her unterwegs waren, wobei zwei Flugzeuge einen fahnenflüchtigen Piloten verfolgt hätten.[14]

Von den Vertretern einer Abschusstheorie in Verbindung gebrachte Todesfälle

Eine Reihe von Todesfällen von Angehörigen der italienischen Luftwaffe führte zu Gerüchten über eine Verschwörung zur Beseitigung von Tatbeteiligten und Mitwissern.[15]

  • Am 8. August 1980 starb Oberst Pierangelo Tedoldi bei einem Verkehrsunfall. Tedoldi war als Nachfolger des Kommandeurs der Luftwaffenbasis von Grosseto, Oberst Nicola Tacchio, nominiert.[16] Er hatte sein Kommando aber zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht angetreten. Auf dieser Basis landete am Abend des 27. Juni der Abfangjäger mit den Piloten Nutarelli und Naldini, die zuvor bei Florenz den Weg der DC-9 gekreuzt hatten.
  • Am 9. Mai 1981 starb Hauptmann Maurizio Gari an Herzversagen. Er war 37 Jahre alt. In der Nacht des 27. Juni war Gari einer der drei Offiziere in der Radarstation von Poggio Ballone bei Grosseto.[16]
  • Am 23. Januar 1983 kam der Bürgermeister von Grosseto, Giovanni Battista Finetti, durch einen Autounfall ums Leben. Er hatte durch Luftwaffenoffiziere davon erfahren, dass am Abend des 27. Juni von dem nahegelegenen Flugplatz zwei Abfangjäger aufgestiegen waren, um eine libysche MiG abzuschießen.[16][17]
  • Am 30. März 1987 wurde Feldwebel Alberto Dettori erhängt an einem Baum gefunden. Er war in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni einer der Wachhabenden in der Radarstation von Poggio Ballone.[16]
  • Am 28. August 1988 starben die oben erwähnten Piloten Ivo Nutarelli und Mario Naldini beim Flugtagunglück von Ramstein. Die beiden Piloten hätten eine Woche nach dem Ramstein-Unfall vor dem Untersuchungsausschuss zu Itavia-Flug 870 aussagen sollen.[15][18] Angesichts der Verbindung zum Ustica-Absturz und der zahlreichen anderen Todesfälle in diesem Zusammenhang wird jedoch von einigen, darunter Elmar Giemulla, einem Juristen und Experten für Luftverkehrsrecht, vermutet, dass es sich bei dem Unfall in Wahrheit um Sabotage handelte.[15]
  • Am 1. Februar 1991 wurde Luftwaffenfeldwebel Antonio Muzio erschossen. Er war 1980 in der Radaranlage von Lamezia Terme beschäftigt.[16]
  • Am 2. Februar 1992 starb Luftwaffenfeldwebel Antonio Pagliara bei einem Autounfall. Er war 1980 in der Radaranlage von Otranto beschäftigt.[16]
  • Am 2. Februar 1992 stürzte der Geheimdienstoffizier Sandro Marcucci, der am Abend des 27. Juni 1980 im Einsatzstab Dienst hatte, vor seiner Vernehmung mit einem Sportflugzeug ab.[16][17]
  • Am 12. Januar 1993 wurde Luftwaffengeneral Roberto Boemio in Brüssel von unbekannten Tätern erstochen. Der zum Zeitpunkt seines Todes bereits pensionierte Offizier war am Abend des 27. Juni 1980 Kommandant des regionalen Einsatzzentrums in Martina Franca und galt als wichtiger Zeuge.[16][17]
  • Am 21. Dezember 1995 wurde Franco Parisi erhängt an einem Baum gefunden. Er war 1980 in der Radaranlage von Otranto beschäftigt und hatte wenige Tage zuvor eine Vorladung zur Aussage vor Gericht erhalten.[16]

Weitere Ereignisse

Stellungnahme Napolitanos

Anlässlich des 30. Jahrestages am 27. Juni 2010 forderte Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano die Aufklärung des Unfalls. Napolitano sagte: „Es gibt Spuren einer Verschwörung, im Fall von Ustica vielleicht auch eine internationale Intrige, die wir in Erinnerung rufen müssen.“ Francesco Cossiga, einer seiner Vorgänger im Amt, hatte einen Monat zuvor Journalisten in ironischer Weise gewarnt, ihre Recherchen zum 30. Jahrestag des Ustica-Absturzes doch besser im Ausland zu betreiben, sonst könnte ihnen etwas zustoßen, etwa eine Lebensmittelvergiftung oder ein Zusammenstoß mit einem Lkw.[11]

Stimmaufzeichnung verschwunden

Im Januar 2013 berichteten italienische Medien über das Verschwinden des Tonbands mit den Sprachaufzeichnungen von Itavia-Flug 870.[14]

Museum

In Bologna eröffnete 2007 ein Museum zum Gedenken an die Katastrophe von Ustica. Ausgestellt werden Flugzeugteile mit einer Installation von Christian Boltanski.[19] Anlässlich der Eröffnung kam das Werk Ultimo Volo – Der letzte Flug des italienischen Liedermachers Pippo Pollina zur Uraufführung.[20]

Siehe auch

Literatur

  • Luigi Di Stefano: Il Buco. Scenari di guerra nel cielo di Ustica. Vallecchi, Florenz 2005, ISBN 88-8427-026-X.
  • Vincenzo Ruggiero Manca: Ustica, assoluzione dovuta, giustizia negata. Edizioni Koinè, Rom 2007, ISBN 978-88-87509-73-1.
  • Werner Raith: Absturz über Ustica. Elefanten Press, Berlin 1999, ISBN 3-88520-913-6. (Roman)
  • Andrea Purgatori: Ein mysteriöser Flugzeugabsturz vor 34 Jahren, in: Le Monde diplomatique, September 2014, S. 12f.

Weblinks

Commons: Itavia-Flug 870 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ustica Bartolucci e Dreyfus, L'Occidentale, 4. März 2020
  2. Ustica, Cassazione: “Ministeri della Difesa e delle Infrastrutture risarciscano Itavia. Appello decida se bastano 265 milioni”, ilfattoquotidiano.it, 6. Dezember 2018
  3. a b c d e A. Frank Taylor: A case history involving wreckage analysis. (pdf, 1,3 MB) Cranfield University, Oktober 1998, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).
  4. Barbara McMahon: The Mystery of Flight 870. In: The Guardian. 21. Juli 2006, abgerufen am 25. April 2011 (englisch).
  5. a b Ustica, caccia e portaerei Usa. Dopo 34 anni Parigi conferma. In: L’Unità. 25. Juni 2014, archiviert vom Original am 4. September 2014; abgerufen am 27. Februar 2020 (italienisch).
  6. Nach 33 Jahren: Ustica-Absturz offiziell „Abschuss durch Rakete“. In: Austrian Wings. 29. Januar 2013, abgerufen am 27. Februar 2020.
    Michael Braun: Flugzeugabsturz von Ustica 1980: Zusammenbruch des Lügengebäudes. In: taz.de. 29. Januar 2013, abgerufen am 27. Februar 2020.
  7. Von Rakete während Luftkampfs getroffen. In: ORF. 29. Januar 2013, abgerufen am 27. Februar 2020.
  8. Flugzeugabsturz: Italien muss 100 Millionen zahlen. In: DiePresse.com. 12. September 2011, abgerufen am 13. September 2011.
    Ustica, ministeri condannati 100 milioni a favore dei familiari. In: La Repubblica. 12. September 2011, abgerufen am 27. Februar 2020 (italienisch).
  9. Tom Cooper, Chuck Canyon, Albert Grandolini: Libyens Luftwaffe: von König Idris bis Oberst Gaddafi. In: Flieger Revue Extra Nr. 29, S. 19.
  10. Luigi Spezia: Il giudice: “Francesi a caccia di Gheddafi”. In: La Repubblica. 27. Juni 2010, abgerufen am 28. Februar 2020 (italienisch).
  11. a b Stefan Troendle: Was geschah mit Flug 870? In: tagesschau.de. 26. Juni 2010, archiviert vom Original am 29. Juni 2010; abgerufen am 28. Februar 2020.
  12. a b Daniele Protti, Sandro Provvisionato: Nemico, ti insegno a uccidere. (pdf, 217 kB) In: L’Europeo 29. 21. Juli 1990, S. 21–23, archiviert vom Original am 24. September 2015; abgerufen am 28. Februar 2020 (wiedergegeben auf stragi80.it).
  13. Sandro Bruni, Gabriele Moroni: Ustica – la tragedia e l’imbroglio. Memoria & Pellegrini, Cosenza 2003.
    Sandro Provvisionato: Una breccia nel muro di gomma. (pdf, 167 kB) In: L’Europeo 27. 5. Juli 1993, S. 13–15, archiviert vom Original am 12. Mai 2006; abgerufen am 28. Februar 2020 (italienisch, wiedergegeben auf stragi80.it).
  14. a b Tiziano Soresina: Ustica, sparito il nastro con le ultime parole di Gatti. In: Gazzetta di Reggio. 30. Januar 2013, abgerufen am 27. Februar 2020 (italienisch).
  15. a b c Jens Bauszus: Der Fall Ustica: War Ramstein ein Mordkomplott? In: Focus Online. 27. August 2008, abgerufen am 28. Februar 2020.
  16. a b c d e f g h i Ustica: strage di guerra in tempo di pace. In: Senza Soste. 6. März 2011, abgerufen am 28. Februar 2020 (italienisch).
  17. a b c Hintergrund: Tote Zeugen. In: junge Welt. 4. Oktober 2011, abgerufen am 28. Februar 2020.
  18. Hartmut Jatzko: Nachsorgegruppe der Opfer und Hinterbliebenen der Flugtagskatastrophe von Ramstein. In: ppis.de. 1997, archiviert vom Original am 14. April 2015; abgerufen am 28. Februar 2020 (ab Unterpunkt „Hoffnungsschimmer“).
  19. Il Museo. Museo per la Memoria di Ustica, abgerufen am 28. Februar 2020 (italienisch).
  20. Ultimo Volo – Der letzte Flug. Theaterhaus Stuttgart, abgerufen am 28. Februar 2020.

Koordinaten: 38° 49′ 55″ N, 13° 25′ 33″ O