Alberto Nisman

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Natalio Alberto Nisman (* 5. Dezember 1963 in Buenos Aires, Argentinien; † 18. Januar 2015 ebenda) war ein argentinischer Jurist und Sonderstaatsanwalt für die Ermittlungen zum Bombenanschlag auf das AMIA-Gebäude von 1994.[1]

Leben

Alberto Nisman stammt aus einer mittelständischen jüdischen Familie in Buenos Aires.[2] Nach dem Studium in seiner Heimatstadt begann er seine berufliche Laufbahn als Staatsanwalt in Morón in der Provinz Buenos Aires. Verheiratet war er mit der Richterin Sandra Arroyo Salgado, mit der er zwei Töchter hatte.[3][4]

Im Jahr 2005 übernahm er als Staatsanwalt die Ermittlungen zur Aufklärung eines Bombenanschlages auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires, bei dem im Juli 1994 85 Menschen getötet und 300 verletzt worden waren. Er erhob 2013 Anklage gegen mehrere Vertreter der iranischen Regierung. In seiner Anklageschrift von 2015[5] beschuldigte er die damalige argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und andere hochrangige Funktionäre, dass sie die Aufklärung des Terrorattentates zu verhindern versuchten und gleichzeitig den mutmaßlichen iranischen Drahtziehern Straffreiheit gewähren wollten;[6] auch deshalb, weil sich die Präsidentin zur Aufklärung des Bombenanschlages für eine Wahrheitskommission mit iranischer Beteiligung aussprach.[7]

Tod und nachfolgende Entwicklung

Wenige Stunden vor seiner Anhörung vor dem argentinischen Nationalkongress wurde Nisman am Abend des 18. Januar 2015 in seiner Wohnung erschossen aufgefunden.[8] Lange war unklar, ob er ermordet wurde oder ob er durch Suizid starb. Bei den Ermittlungen wurden aber keine Schmauchspuren an seinen Händen gefunden.[9] Außerdem hatte er mehrere erhaltene Drohungen erwähnt.[10] Er wurde auf einem jüdischen Friedhof nahe Buenos Aires beerdigt.[11] Die von Nisman der Vertuschung der Attentatsverantwortung beschuldigte Präsidentin Kirchner sprach anfangs von einem Suizid; später schob sie die Verantwortung einem entlassenen Geheimdienstmitarbeiter zu, der eng mit Nisman zusammengearbeitet und ihn instrumentalisiert habe. Kirchner kündigte die Auflösung des Dienstes an.[12] Kritiker Kirchners bezeichneten diese Version als Ausflucht.[13]

Ende 2017 kam ein Bundesrichter zu dem Urteil, bei dem Tod Nismans könne es sich nicht um einen Suizid gehandelt haben.[14] Ein Haftbefehl gegen Cristina Fernández de Kirchner wegen mutmaßlicher Verschleierung des Anschlags erfolgte im Dezember 2017, der wegen ihrer Immunität als Senatorin bislang nicht vollstreckt werden konnte.[15] Sie und Außenminister Héctor Timerman sind weiterhin des Versuchs angeklagt, die Verfolgung der iranischen Drahtzieher verhindert zu haben. Hintergrund sollen lukrative Ölgeschäfte mit Iran gewesen sein, die nicht durch die Ermittlungen gestört werden sollten.[16]

Dokumentarfilm

  • Justin Webster (Regisseur): Nisman – Tod eines Staatsanwalts, 6-teiliger Dokumentarfilm, Spanien 2020[17]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Christoph Sydow: Terrorermittler in Argentinien: Mysteriöser Tod im Badezimmer. In: Spiegel Online. 19. Januar 2015, abgerufen am 23. Januar 2015.
  2. After 17 years on Argentine bomb case, prosecutor was sure ‘truth will triumph’(Engl.),Washington Post, 1. Februar 2015
  3. Quién era el fiscal Natalio Alberto Nisman (spanish) La Nación. 19. Januar 2015. Abgerufen am 17. Januar 2015.
  4. La ex mujer explicó a la Justicia detalles de cómo fue el regreso anticipado de Nisman al país. In: clarin.com, 24. Januar 2015, abgerufen am 22. Februar 2015
  5. Argentinien veröffentlicht Anklageschrift gegen Präsidentin. In: Zeit Online. 21. Januar 2015, abgerufen am 23. Januar 2015.
  6. Sandro Benini: Viele glauben nicht an einen Suizid. In: Tages-Anzeiger. 20. Januar 2015, abgerufen am 23. Januar 2015.
  7. Jürgen Vogt: Ermittlungen zu Anschlag in Argentinien: Ankläger von Präsidentin Kirchner tot In: taz, 19. Januar 2015, abgerufen am 25. Januar 2015
  8. Myteriöser Tod eines Staatsanwaltes. (Memento vom 20. Januar 2015 im Internet Archive) In: tagesschau.de, 20. Januar 2015, abgerufen am 20. Januar 2015.
  9. Immer mehr Zweifel am Selbstmord des Staatsanwalts. In: Telepolis, abgerufen am 25. Januar 2015
  10. Nisman: “Yo puedo salir muerto de ésto”. In: clarin.com, abgerufen am 25. Januar 2015 (spanisch).
  11. Argentinischer Staatsanwalt beerdigt. In: juedische-allgemeine.de, 30. Januar 2015, abgerufen am 22. Februar 2015
  12. Kommentar von Victoria Eglau: Zöpfe stutzen: Kirchner will Geheimdienst auflösen. In: Deutschlandfunk, 31. Januar 2015
  13. Recherche zu Todesfall Nisman: Reporter fürchtet in Argentinien um sein Leben. In: Der Spiegel
  14. Bundesrichter: Staatsanwalt Nisman wurde ermordet. In: FAZ, 27. Dezember 2017.
  15. Ermittlungen in Argentinien: Haftbefehl gegen Ex-Präsidentin Kirchner. In: tagesschau.de, 7. Dezember 2017 (abgerufen am 7. Dezember 2017).
  16. Argentinien: Bundesgericht geht von politischem Mord an Staatsanwalt aus. In: Spiegel Online. 2. Juni 2018 (spiegel.de [abgerufen am 24. Juni 2019]).
  17. Nisman, in: IMDb, abgerufen am 27. Jan. 2020