Kaiserliches Postamt Gießen

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Kaiserliches Postamt Gießen
Die Alte Post (2020) von Süden, Blick auf das „Benediktiner Weissbräuhaus“

Die Alte Post (2020) von Süden, Blick auf das „Benediktiner Weissbräuhaus“

Daten
Ort Gießen
Bauherrin Fürstlich Thurn und Taxis’sche Postverwaltung
Baustil neugotisch
Baujahr 1863
Koordinaten 50° 34′ 50,5″ N, 8° 39′ 54″ OKoordinaten: 50° 34′ 50,5″ N, 8° 39′ 54″ O

Das 1863 als Großherzogliches Postamt der Fürstlich Thurn und Taxis’schen Postverwaltung errichtete Kaiserliche Postamt im mittelhessischen Gießen steht seit dem Auszug der Bundespost 1994 leer. Die als Kulturdenkmal geschützte Alte Post befindet sich seit 1998 in Privatbesitz, nach zwei Besitzerwechseln und einer grundständigen Sanierung sind der Erhalt und die Nutzung gesichert.

Stil

Das im Süden der Stadt auf dem Seltersberg errichtete neugotische, ursprünglich aus einem Mittelteil und zwei seitlichen Giebel-Risaliten bestehende Gebäude wurde 1898 unter Beibehaltung des historisierenden Stiles symmetrisch nach Nordosten erweitert. Der aus roten Sandsteinquadern gemauerte Bau weist drei Staffelgiebel auf, die Fenster des ersten Obergeschosses sind mit Traufleisten versehen, die der englischen Gotik entlehnt sind. Das Gebäude ist Kulturdenkmal aus künstlerischen, städtebaulichen und stadtgeschichtlichen Gründen.

Geschichte

Die Anlage wurde zwischen 1898 und 1925 um das heute ebenfalls denkmalgeschützte Telegraphenamt erweitert. 1994 bezog die Bundespost einen genau gegenüber liegenden Neubau in der Bahnhofstraße. 1998 kaufte eine Gießener Unternehmerfamilie die Alte Post von der Deutsche Post AG, die das Gebäude zunächst nur sporadisch und seit 2000 überhaupt nicht mehr nutzte. Im Dezember 2012 wurde der Gehweg vor der Alten Post erstmals gesperrt, weil die bröckelnde Fassade eine Gefahr für Fußgänger darstellt. Im Januar 2013 beschloss der Magistrat, die Alte Post in das „Entwicklungskonzept Bahnhofsumfeld“ einzubeziehen; in der Folge schuf die Stadt durch das „Stadtumbaugebiet“ rund um den Bahnhof einen Rahmen, was mit dem Gebäude passieren kann, um den Eigentümer zur Sanierung oder aber zum Verkauf zu zwingen. Im Februar 2013 wurde die Alte Post erstmals eingerüstet. 2014 bewertete der Gutachterausschuss für Immobilienwerte die Nutzungsmöglichkeiten sowie deren Rentabilität aufgrund einer vom Eigentümer 2012 vorgestellten Wohnungsbau-Planung und kam zu dem Ergebnis, dass sich diese rechnen würde. Im Juli 2015 zog die Stadt Gießen erstmals in Betracht, ein eigenes Kaufangebot für die Alte Post abzugeben. Eine Enteignung ist erst möglich, wenn ein dem Verkehrswert entsprechendes Angebot von Seiten des Eigentümers abgelehnt wurde. Anfang 2016 machte die Stadt dem Eigentümer ein Kaufangebot in Höhe von 1,2 Mio. Euro, das dieser ablehnte. Im Januar 2017 wurde zunächst ein Fußgängertunnel errichtet, um Passanten vor herabstürzenden Fassadenteilen zu schützen. Im August 2017 wurde die komplette Vorderfront der Alten Post eingerüstet, um statische Untersuchungen über den Zustand des Gemäuers und der Fassade durchführen zu lassen. Im Dezember 2017 ließ die Stadt alle sensiblen Fassadenbereiche mit Netzen überspannen, um gelockerte Bauteile zu sichern.

Gegenwart

Der drohende Verfall und die möglichen Nutzungen des Gebäudes wurden in den Medien, der Politik und der Bürgerschaft seit dem Auszug der Bundespost 1994 thematisiert; die Ideen reichten von Gastronomie und Studierendenwohnraum bis hin zu Kultur und musealer Nutzung. Hierzu gründete sich im Juli 2017 eine Bürgerinitiative. Eine Onlinepetition dieser Bürgerinitiative erreichte über 500 Unterstützende, eine zugehörige Facebook-Gruppe erreichte tausende Mitglieder. Das Ringen um die Alte Post wurde nach einer Umfrage der Stadtredaktion der Gießener Allgemeinen Zeitung zur Jahreswende 2017/2018 zum „Gießener Ereignis 2017“ ernannt.[1] Mitte Februar 2018 vereinbarte die Gießener Eigentümer-Familie den Verkauf des Objekts an den Frankfurter Immobilienentwickler a.a.a. aktiengesellschaft allgemeine anlageverwaltung.[2] Geplant war, die Gebäude gewerblich zu nutzen; womöglich als Hotel, Gastronomiebetrieb und zur Vermietung von Wohnungen. Aufgrund der dafür unzureichenden Tragfähigkeit der Decken, machte a.a.a. jedoch von einer Rücktrittsoption Gebrauch.

Seit Oktober 2018 ist das Ensemble im Besitz des Unternehmers Kai Laumann aus Wettenberg. Ab April 2019 sanierte er in Abstimmung mit dem Denkmalschutz die Gebäude.[3] Die Eröffnung des Gastronomiebetriebes Benediktiner Weissbräuhaus fand am 11. Juni 2021 statt – ein von der Licher Privatbrauerei für die Bitburger Braugruppe entwickeltes und selbst betriebenes Gastro-Konzept, das in Gießen erprobt und nach Evaluation auch an anderen Standorten implementiert werden soll.[4] Die Fassade der alten Post konnte bei der Sanierung erhalten werden[5]. Im alten Telegraphenamt und einem modernen Anbau wurde der Tech-Hub des Unternehmens Klarna untergebracht.[6] Mit der Eröffnung der „Soul Bar“ im Untergeschoss des Alten Telegraphenamtes am 15. November 2021 sind alle Räumlichkeiten genutzt.[7]

Einzelnachweise

Weblinks

Commons: Kaiserliches Postamt Gießen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien